Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550587/5/Kü/Rd/Ba

Linz, 02.12.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über den Antrag der S GmbH,  vertreten durch C R-R H Rechtsanwälte GmbH, E, W, vom 25. November 2011 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Oö. G- und S AG betreffend "Lieferung von implantierbaren Schrittmachern inkl. biventrikulären Bereich und implantierbaren Defibrillatoren inkl. biventrikulären Bereich", zu Recht erkannt:

 

 

Dem Antrag wird stattgegeben und die Fortsetzung des Vergabeverfahrens hinsichtlich Los 2 "Defibrillatoren" bis zur Entschei­dung in diesem Nachprüfungsver­fahren, längstens aber bis 25. Jänner  2012, ausgesetzt.

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 68/2010.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Eingabe vom 25. November 2011 hat die S GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) die Nichtigerklärung der Entscheidung der Oö. G- und S AG (im Folgenden: Auftraggeberin) auf Nicht-Zulassung der Antragstellerin zur Teilnahme am Los 2 "Defibrillatoren" des gegenständlichen Vergabeverfahrens (2. Stufe) und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens im Los 2  für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens beantragt.

 

Begründend hielt die Antragstellerin fest, dass sich die Ausschreibung in zwei Lose aufteile, und zwar in die Belieferung von jährlich ca. 400 implantierbaren Schrittmachern inkl. biventrikulären Bereich (Los 1) und die Belieferung von jährlich ca. 90 implantierbaren Defibrillatoren inkl. biventrikulären Bereich (Los 2). Die EU-weite Bekanntmachung sei im Supplement zum EU-Amtsblatt vom 8.9.2011, 2011/S 172-282966 erfolgt. Das Vergabeverfahren werde als zweistufiges Verhand­lungs­verfahren im Oberschwellenbereich durchgeführt, wobei in der ersten Stufe durch ein Eignungs- und Auswahlverfahren die fristgerecht eingereichten Teil­nahmeanträge geprüft würden.

 

Pkt. 4.3 der Bewerbungsunterlagen beinhalte Festlegungen zur technischen Leistungs­fähigkeit, Pkt. 4.3.3.2 beinhalte Festlegungen für die Bewerberreferen­zen des Loses 2, Pkt.4.3.6 beinhalte Festlegungen betreffend Mitarbeiter für den Raum Oberösterreich. Die Frist für den Teilnahmeantrag habe am 7.10.2011, 12.00 Uhr, geendet.

 

Die Antragstellerin habe frist- und formgerecht für beide Lose einen Teilnahmeantrag gestellt. Mit Schreiben vom 19.10.2011 sei die Antragstellerin zur Übermittlung näher genannter Daten aufgefordert worden. Dieser Aufforderung sei fristgerecht nachgekommen worden. Am 10.11.2011 sei eine zweite Nachforderung seitens der Auftraggeberin erfolgt, welcher ebenfalls fristgerecht nach gekommen worden sei. Mit Schreiben vom 18.11.2011 habe die Auftraggeberin letztlich mitgeteilt, dass die Antragstellerin für die zweite Stufe des Vergabeverfahrens für das Los 1 sowie für das Los 2 nicht zugelassen werde. Begründend sei hinsichtlich Los 2 angeführt worden, dass die Antragstellerin als Referenzauftraggeber die E, E. kommunaler KH eG im Deutschen Städtetag angegeben habe. Diese Einkaufsgenossenschaft könne nicht als ein Krankenhausverbund im Sinne der Teilnahmeunterlagen gewertet werden. Eine Vergleichbarkeit mit den genannten Krankenhausverbünden sei nicht gegeben. Weiters sei der angegebene Mitarbeiter erst seit 13.10.2011 bei der Antrag­stellerin beschäftigt. Da die Eignung gemäß Pkt. 4 zum Ende der Teilnahmeantragsfrist erfüllt sein müsse, seien nur drei Mitarbeiter nachgewiesen worden und sei somit das Mindestkriterium nicht erfüllt.

 

Die Antragstellerin habe ein Interesse an der weiteren Teilnahme an diesem Vergabeverfahren – jedenfalls betreffend das Los 2 -, insbesondere an der Möglichkeit, ein Angebot in der zweiten Stufe legen zu können, um in der Folge die Rahmenvereinbarung im Los 2 abschließen zu können.

 

Zum Schaden führte die Antragstellerin aus, dass derzeit mangels Kenntnis der genauen Bedingungen für das Angebot ein Schaden noch nicht präzise angegeben werden könne. Ausgehend von den Angaben in Pkt 1.4. der Bewerbungsunterlage sei von einem Schaden in Höhe des Erfüllungsinteresses von bis zu 150.000 Euro bis 250.000 Euro auszugehen. Darüber hinaus seien der Antragstellerin bereits Kosten für die Legung des Teilnahmeantrages in Höhe von ca. 5.000 Euro entstanden. Zudem drohe der Verlust eines Referenzprojekts.

 

Die Antragstellerin erachte sich durch die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Loses 2 in ihrem Recht auf weitere Teilnahme an diesem Vergabeverfahren, auf Berücksichtigung ihres Teilnahmeantrages bei der Auswahl der für die zweite Stufe des Vergabeverfahrens ausgewählten Bewerber, auf Einladung zur Ange­bots­abgabe, auf Angebotslegung und in der Folge auf Abschluss der Rahmen­vereinbarung (jeweils für das Los 2), auf Durchführung eines gesetz­mäßigen Vergabeverfahrens, insbesondere auf Unterbleiben der Entscheidung, die Antragstellerin nicht für die zweite Stufe dieses Vergabeverfahrens für das Los 2 zuzulassen, eventualiter in ihrem Recht auf Widerruf des Vergabe­verfahrens und Teilnahme an einem neuerlichen Vergabeverfahren verletzt.

 

Zum Nicht-Zulassungs-Grund betreffend "Krankenhausverbund" wurde vorge­bracht, dass die Bewerbungsunterlage den Begriff "Krankenhausverbund" nicht definiere. Es werden lediglich Beispiele angegeben, nämlich jeweils die g, der K und die K. Damit sei einerseits klargestellt, dass die Auftraggeberin die drei genannten Einrichtungen als Krankenhausverbund betrachte, andererseits aber keine abschließende Aufzählung derartiger als Krankenhaus­verbund zu wertender Einrichtungen vornehme. Da die Bewerbungsunterlage diesbezüglich keine weiteren Vorgaben enthalte, sei auf den objektiven Erklärungswert des Begriffs für einen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt abzustellen. In der österreichischen Rechtsordnung sei der Begriff "Krankenhausverbund" nicht definiert. Es existiere offensichtlich auch keine Einrichtung in Österreich, deren Firma diesen Begriff enthalte bzw. die als "Krankenhausverbund" bezeichnet werde. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch habe dieser Begriff keinen präzisen Inhalt. In der österreichischen Rechtsordnung existiere jedoch eine Legaldefinition des Krankenanstaltenverbundes. Gemäß § 35a Abs.2 NÖ K können sich die Rechtsträger der NÖ F zum Zwecke der besseren medizinischen Versorgung der Patienten im Rahmen einer verstärkten Kooperation durch Verträge, zu einem Krankenan­stalten­verbund zusammenschließen. Die im Rahmen eines Krankenanstalten­verbundes zusammengeschlossenen Krankenanstalten sind jedoch weiterhin selbständige Einrichtungen ihrer Rechtsträger mit eigenen Anstaltsordnungen und –leitungen. Instruktiv sei auch Abs.3 leg.cit, wonach mit der Übertragung der Rechtsträgerschaft auf eine juristische Person ein Krankenanstaltenverbund entstehe.

 

"Krankenhausverbund" werde in Deutschland für eine Zusammenarbeit von Krankenhäusern mit völlig unterschiedlichen Intensitätsgraden und Organisa­tions­formen verwendet. So betreibe die als Krankenhausverbund bezeichnete K R H GmbH 12 Krankenhäuser in der Region H. Im C-Krankenhaus würden hingegen derzeit 16 rechtlich und organisa­torisch eigenständige Krankenhäuser im Bereich Know-How-Transfer, Qualitäts­sicherung, Benchmarking, etc. kooperieren. Auch der E-H-K bezeichne sich als Kooperationsgemeinschaft aus mehreren deutschen Kliniken. Merkmal der beiden zuletzt beschriebenen Krankenhausverbünde sei es, dass die Krankenhäuser ihnen beitreten, sie also nicht Rechtsträger der Häuser, sondern eine gemeinsame "Tochtereinrichtung" der Krankenhäuser sind.

 

Unter einem Krankenhausverbund seien Formen der Zusammenarbeit von Krankenhäusern in unterschiedlichster Intensität – von der gemeinsamen Rechtsträgerschaft bis zur losen Kooperation – zu verstehen.

 

Die in der Bewerbungsunterlage beispielhaft genannten Einrichtungen würden zueinander große Unterschiede aufweisen. Während es sich bei der g und der K um privatwirtschaftlich (in Form einer AG bzw. GmbH) organisierte Einrichtungen handle, die als Rechtsträger von Krankenanstalten auftreten, sei der W K eine rechtlich unselbständige Einrichtung (Unternehmung) der Stadt W, der zwar für die ihm zugeteilten W Krankenanstalten Aufgaben übernehme, aber nicht Rechtsträger dieser Häuser sei. Dies sei die Stadt W.

 

Setze man den Begriff "Krankenhausverbund" in Bezug zu den Zielen der gegenständlichen Ausschreibung ergebe sich Folgendes: Die ausgeschriebenen Schrittmacher und Defibrillatoren sollen in den 10 von der g betriebenen Krankenhäusern eingesetzt werden. Der Auftraggeberin sei es demnach erkennbar darum gegangen, dass ein Bieter Erfahrung nachweise, die Geräte an mehrere Krankenhäuser, die gemeinsam beschaffen, liefern zu können. Dies entspreche einem Krankenanstaltenverbund iSd § 35 Abs.2 NÖ K, bei dem die beteiligten Krankenanstalten eine Kooperation für den gemeinsamen Kauf der hier ausgeschriebenen Geräte eingehe.

 

Folglich sei für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt unter dem Begriff "Krankenhausverbund" iSd Bewerbungs­unter­lage eine unter einheitlicher Leitung durchgeführte Beschaffung von Herz­schrittmachern und Defibrillatoren für mehrere Krankenanstalten zu verstehen.

 

Die in den zwei Bewerberreferenzen der Antragstellerin gemäß Pkt. 4.3.3.2 der Bewerbungsunterlage angegebenen Einkaufsgenossenschaft (EKK eG) erfülle daher den Begriff des Krankenanstaltenverbundes iSd Bewerbungsunterlage. Zentrale Aufgabe der E eG sei die Organisation eines gemeinschaftlichen, rechtskonformen Einkaufs von Artikeln des Krankenhausbedarfs.

 

Im Übrigen verstoße ein Verständnis des "Krankenhausverbundes" in der ein­schränkenden Weise, dass davon nur Einrichtungen erfasst würden, die sämtliche Aufgaben der in ihnen zusammengefassten Krankenhäuser übernehmen, gegen das in § 19 Abs.1 BVergG 2006 statuierte Diskriminierungsverbot, weil es sich dabei um ein österreichisches Spezifikum handle und ausländische Unternehmer dadurch benachteiligt wären.

 

Die zwei Bewerberreferenzen der Antragstellerin würden daher die in der Bewer­bungsunterlage festgelegten Mindestanforderungen erfüllen. Der in der angefochtenen Entscheidung angeführte Grund liege nicht vor.

 

Zum Nicht-Zulassungs-Grund betreffend die Anzahl von Mitarbeitern wurde vorgebracht, dass Pkt. 4.3.6. der Bewerbungsunterlage verlange, dass – auch für das Los 2 – mindestens 4 Mitarbeiter (FTE – full time equivalent) … für den Raum O verfügbar sein müssen. Die Auftraggeberin gehe offenbar davon aus, dass die angegebenen Mitarbeiter spätestens zum Ablauf der Teilnahmefrist am 7.10.2011 beim Unternehmen beschäftigt sein müssen. Diese Einschränkung lasse sich aus den Festlegungen der Auftraggeberin nicht herleiten. Pkt. 4 der Bewerbungsunterlage verlange zwar, dass die Eignungskriterien zum Ende der Teilnahmefrist erfüllt sein müssen. Allerdings würden die Eignungskriterien, insbesondere Pkt 4.3.6 nicht vorsehen, dass die Mitarbeiter zum Ende der Teilnahmefrist im Unternehmen des Bewerbers beschäftigt sein müssen. Die Bestimmung verlange lediglich, dass die genannten Mitarbeiter für den Raum O verfügbar sein müssen.

 

Daher sei die von der Auftrag­geberin herangezogene Dienstantrittsbestätigung der Gebietskranken­kasse für Herrn S kein tauglicher Nachweis zur Beurteilung der Erfüllung dieses Kriteriums. Diese Anmeldung belege lediglich, dass Herr S ab 13.10.2011 als Dienstnehmer gemäß § 4 ASVG bei der Antragstellerin be­schäftigt sei. Das Eignungskriterium sei jedoch auch dann erfüllt, wenn sich der Bewerber in einer anderen rechtlichen Konstruktion die Verfügbarkeit über den Mitarbeiter sichere.

 

Die Auftraggeberin habe bisher im Zuge der Prüfung der Teilnahmeanträge (mit dem zweiten Nachforderungsschreiben) lediglich um Zusendung der Dienstan­trittsbestätigung von der Gebietskrankenkasse ersucht. Diese Bestätigung liefere jedoch keinen Beweis dafür, dass Herr S nicht bereits vor dem 13.10.2011 der Antragstellerin als Mitarbeiter zur Verfügung gestanden habe. Die Antragstellerin habe zudem darauf verwiesen, dass Herr S bereits am 6.10.2011 einen Dienstvertrag unterschrieben habe. Bei dieser Sachlage könne die Auftraggeberin nicht davon ausgehen, dass Herr S der Antragstellerin erst am 13.10.2011 zur Verfügung gestanden habe.

 

Pkt. 4.3.6 enthalte weiters keine Festlegung, ab wann die Mitarbeiter zur Verfügung stehen müssen. Pkt. 4 der Bewerbungsunterlage verlange lediglich, dass die Eignungskriterien zum Ende der Teilnahmeantragsfrist erfüllt sein müssen. Da dieses Eignungskriterium keine Angabe über den Zeitpunkt der Verfügbarkeit enthalte, werde es nicht schon deshalb nicht erfüllt, wenn der Mitarbeiter noch nicht am 7.10.2011 verfügbar sei. In einer systematischen Auslegung der gesamten Bewerbungsunterlage ergebe sich, dass die Mitarbeiter spätestens zu Beginn der Leistungsfrist zur Verfügung stehen müssen. Dies sei also voraussichtlich April 2012. Auch wenn die tatsächliche Leistungsfrist schon früher beginnen sollte, wäre jedenfalls ein Beginn der tatsächlichen Verfügbarkeit bis spätestens zum Abschluss der Rahmenvereinbarungen ausreichend.

 

Mit den bisher von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen habe die Auftraggeberin nicht davon ausgehen können, dass Herr S nicht zeitgerecht zur Verfügung gestanden habe.

Soweit die Auftraggeberin Zweifel an der Erfüllung dieses Eignungskriteriums habe, hätte sie die Antragstellerin zunächst gemäß § 126 Abs.1 BVergG 2006 zur Aufklärung auffordern müssen. Die Antragstellerin wäre daher zunächst aufzufordern gewesen, einen Nachweis zu erbringen, dass ihr vier iSd Bewerbungsunterlage geeignete Mitarbeiter spätestens zum 7.10.2011 zur Verfügung gestanden seien. Dabei hätte die Antrag­stellerin auch die Möglichkeit gehabt, einen von der Auftraggeberin als nicht geeignet qualifizierten Mitarbeiter durch einen anderen auszutauschen.

 

Mangelt es an einem ordnungsgemäßen Mängelbehebungsauftrag unter Setzung einer angemessenen Erfüllungsfrist innerhalb derer die Antragstellerin dem Auftrag hätte nachkommen können, gelange der Ausscheidensgrund der nicht vollständigen und fristgerechten Übermittlung der geforderten Eignungs­nach­weise nicht zur Anwendung (BVA 23.3.2007, N/0015-BVA/05/2007-32). Daraus folge, dass die Auftraggeberin ihre Entscheidung zur Nicht-Zulassung zur Teilnahme nicht auf die in der abverlangten Dienstantrittsbestätigung ersicht­lichen Informationen stützen habe können.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antrag­stellerin zunächst auf die Ausführungen im Hauptantrag. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass der einstweiligen Aussetzung und der Untersagung der Weiterführung des Vergabeverfahrens kein allfälliges besonderes Interesse der Antragsgegnerin entgegenstehe. Zudem finde sich in den Ausschreibungsunter­lagen kein Hinweis, dass mit dem Vorhaben nicht bis zum Ende des Nachprüfungsverfahrens zugewartet werden könne, zumal die angeführten Leistungsbilder voraussichtlich ab April 2012 zu erbringen seien. Eine einstweilige Aussetzung stelle daher für die Auftraggeberin keine unverhältnismäßige Belastung dar. Es sei durchaus realistisch, noch vor dem geplanten Beginn des Leistungszeitraumes das Vergabeverfahren abzuschließen.

 

Im gegenständlichen Vergabeverfahren würden im Vergleich zu den Bewerber­interessen keine schützenswerten Interessen an der Erhaltung höherwertiger Rechtsgüter wie Leib oder Leben, Gesundheit und Eigentum bestehen. Darüber hinaus würden keine Auftraggeberinteressen bestehen, die durch die Verzögerung beschädigt werden könnten, oder seien diese nicht beachtlich. Da nur die Interessen der Antragstellerin bei der Fortführung des Vergabeverfahrens bedroht seien, eine vorläufige Maßnahme aber keine beachtlichen Interessen der Auftraggeberin oder sonstiger Mitbewerber schädige und auch sonst keine öffentlichen Interessen an der Fortführung des Vergabeverfahrens bestehen, habe die Interessensabwägung gemäß § 11 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 zu Gunsten der Antragstellerin zu erfolgen.

 

Nach Auffassung der Antragstellerin sei die in diesem Verfahrensstadium gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme die im Hauptantrag beantragte Aussetzung der angefochtenen Entscheidung und die Untersagung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens. Nur diese Maßnahmen sind gemeinsam geeignet, den für die Antragstellerin drohenden Schaden (Wettbewerbsnachteil),  abzuwenden.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Oö. G- und S AG als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Mit Eingabe vom 28. November 2011 wurde mitgeteilt, dass seitens der Auftraggeberin keine Einwände hinsichtlich der Erlassung der einstweiligen Verfügung erhoben werden.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Die Oö. Gesundheits- und Spitals AG ist öffentliche Auftraggeberin iSd § 1 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 und liegt im Vollziehungsbereich des Landes iSd Art. 14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG, sodass das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006 unterliegt.  

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungs­senat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Lieferauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3.   Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungs­senat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art.2 Abs.5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechts­schutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftrag­geber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des dis­kriminier­ten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben oder Eigentum nicht aktuell ist bzw. kein solcher Mangel an den ausgeschriebenen Produkten bestehen würde, dass eine Beeinträchtigung der medizinischen Versorgung der Patienten in den Krankenhäusern der Auftraggeberin gegeben sein könnte. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen der vorübergehenden Aussetzung des Vergabeverfahrens nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist.

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit eine Angebotslegung unmöglich wäre und daher der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die nicht Fortsetzung des Vergabeverfahrens abgewendet werden kann.

Dies stellt nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates auch das gelindeste zum Ziel führende Mittel iSd § 11 Abs.2 Oö. VergRSG 2006 dar, da nur dadurch sicher­gestellt werden kann, dass für die Antragstellerin durch das Nachprüfungs­verfahren keine Fristen ablaufen, die ihre Teilnahme am Vergabeverfahren verhindern.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Untersagung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Ver­waltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Untersagung der Fort­setzung des Vergabeverfahrens betreffend Los 2 für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen ab­gesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

 

 

 

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