Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-165813/10/Bi/Kr

Linz, 15.11.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des X, vertreten durch Herrn RA X, vom 22. Februar 2011 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Ried im Innkreis vom 31. Jänner 2011,
VerkR96-1981-2010, wegen Übertretungen der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 10. November 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsver­handlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in allen Punkten behoben und die jeweiligen Verwaltungsstraf­verfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 1.Alt. und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretung gemäß 1) §§ 16 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 2) §§ 97 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 3) §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) und 2) je 80 Euro und 3) 100 Euro (jeweils 36 Stunden EFS) verhängt, weil er am 27. November 2009, 12.05 Uhr, in Weng im Innkreis, B148 in Fahrtrichtung Altheim bei km 23.200, Bushalte­stelle beim Gasthaus X, mit dem Pkw X

1) ein Fahrzeug überholt habe, wodurch andere Straßenbenützer behindert und gefährdet worden seien,

2) dem von einem Straßenaufsichtsorgan mittels erhobenen Armes deutlich sichtbar gegebenen Zeichen zu Anhalten nicht Folge geleistet, weil die Fahrt ununterbrochen fortgesetzt worden sei, und

3) die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschritten.   

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 26 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 10. November 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines Rechtsvertreters RA X, der Vertreterin der Erstinstanz Frau X, der Zeugen Meldungsleger X (Ml), PI Braunau/Inn, und X (GI S), PI Altheim, sowie des kfz-technischen Amtssachverständigen X bei km 23.2 der B148 durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz sei hinsichtlich des ihm angelasteten Überholmanövers ihrer Begründungspflicht nicht nachge­kommen, insbesondere dazu, inwiefern sie meine, er habe ein entgegen kommendes Fahrzeug gefährdet oder behindert. Fest stehe nur, dass ein entgegenkommender Pkw-Lenker auf Höhe er Gasthauszufahrt abgebremst habe, aber nicht, ob dieser Bremsvorgang auf das Überholmanöver zurück­zuführen gewesen sei. Die angelastete Geschwindigkeit bestreite er, weil derartige Geschwindigkeitsschätzungen schon von vornherein fragwürdig seien und auch die Geschwindigkeit des angeblichen Sattelkraftfahrzeuges mit 80 km/h nur geschätzt worden sei. Dort sei eine Freilandstraße, bei der 100 km/h Höchstgeschwindigkeit zulässig seien. Unklar sei auch der Beginn seines Überholmanövers und das Überholende. Er habe immer gesagt, er habe sich hinter dem Sattelkraftfahrzeug eingeordnet. Dass er im Zuge des Überholens ein Anhaltezeichen nicht gesehen habe, sei nicht verwunderlich, weil er sich auf das Überholen konzentriert habe. Er hätte aber auch im Zuge des Überholens links befindlich unmöglich anhalten können. Beantragt wird ein Ortsaugenschein unter Beiziehung eines technischen Sachverständigen zur Frage, ob überhaupt ein Überholvorgang mit der Sichtweite und den von den Beamten angegebenen Geschwindigkeiten möglich sei. Im Übrigen wird Verfahrenseinstellung beantragt, in eventu die Anwendung des § 21 VStG bzw Strafherabsetzung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung an Ort und Stelle bei der Einfahrt zum genannten Gasthaus, bei der beide Parteien gehört und die beiden Polizeibeamten unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB zeugenschaftlich einvernommen wurden und ein kfz-technisches SV-Gutachten eingeholt wurde.

 

Zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt ist zu sagen, dass die Angaben der beiden Polizeibeamten bei ihren getrennt durchgeführten Einvernahmen – nach zwei Jahren nicht verwunderlich – erheblich voneinander abwichen, sodass ein einwandfreies Ergebnis des Beweisverfahrens nicht zugrundegelegt werden kann. Der Ml befand sich auf dem Gasthausparkplatz beim Polizeifahrzeug und führte Lasermessungen in Richtung des aus Richtung Altheim ankommenden Verkehrs durch, dh unter Konzentration auf den Gegenverkehr des Bw. Er nahm dort nach Hinweis von GI S nur ein Abbremsen eines Pkw wahr, allerdings in einer Entfernung von etwa 250 bis 300 m vor dem nach dem Überholvorgang einscherenden Bw, sodass nach den Ausführungen des SV nicht mehr von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Bremsvorgang und Beendigung des Überholvorgangs des Bw die Rede sein kann – schon gar nicht von einer Behinderung oder Gefährdung durch den Bw.   

Der Standort von GI S wurde von den Beamten äußerst widersprüchlich angegeben; der Ml sprach davon, dass GI S sich nur zwei Meter von ihm entfernt an der B148 befunden habe, während dieser die Bushaltestelle als Standort angab, von der aus er seine Beobachtungen gemacht habe, dh der angegebene Standort differiert um ca 40 bis 50 m. Fest steht nur, dass GI S die vom Ml bei der Lasermessung für zu schnell befundenen Fahrzeuge anhalten sollte.

 

Zum Anhaltezeichen liegen ebenfalls widersprüchliche Angaben vor: GI S bestätigte, er habe den Arm senkrecht nach oben gehalten; allerdings habe ihn der Bw – im Zuge des Überholvorgangs auf der linken Fahrbahnseite – ignoriert. Der Ml beschrieb das von GI S gegebene Zeichen hingegen als Auf- und Abbewegen des Armes, dh als Anordnung, die hohe Geschwindigkeit zu vermindern. Dass der Bw im Zuge des Überholens nicht an Ort und Stelle anhalten konnte, war auch für GI S klar, zumal dieser angab, er habe auch nicht erwartet, dass der Bw vor ihm stehenbleibe – es hätte genügt, wenn er weiter vorne stehen geblieben wäre, was er aber auch nicht getan habe.

 




Dass die dem Bw zur Last gelegte Geschwindigkeit nur geschätzt war, wurde deutlich, wobei aber unklar ist, wie die Zeugen darauf gekommen sind. GI S konnte sich nicht an ein Sattelkraftfahrzeug in der Kolonne erinnern, während der Ml ein solches gesehen hat; allerdings differieren die Angaben der beiden Zeugen über die Zahl und die Art der Kolonnenfahrzeuge derart, dass der Überholvorgang schon von daher gedanklich nicht rekonstruiert werden konnte. Den Aussagen des Bw, er habe nur einen einzigen kleinen Pkw, nämlich eine mit 60 km/h fahrende Micra Mouse, überholt und sich gleich wieder eingeordnet, wobei er im Zuge des Überholmanövers von Polizeibeamten auf bzw nahe dem Gasthaus­parkplatz nichts bemerkt habe, war im Ergebnis nichts entgegen­zuhalten.

In rechtlicher Hinsicht war daher unter Hinweis auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens gemäß § 51i VStG nach fast genau 2 Jahren wegen Nichterweisbarkeit der einzelnen Tatvorwürfe spruchgemäß zu entscheiden – abgesehen davon, dass die Lasermessgeräte deshalb eingeführt wurden, um vage Geschwindigkeitsschätzungen zu vermeiden. Verfahrens­kosten­beiträgen fallen naturgemäß nicht an.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

Unmittelbarkeit –> Tatvorwürfe nicht nachvollziehbar -> Einstellung

 

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