Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522944/4/Kof/Gr

Linz, 09.11.2011

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, X, vertreten durch Rechtsanwälte X gegen den Bescheid
der Bundespolizeidirektion Linz vom 17. August 2011, FE-980/2011 betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, Lenkverbot, amtsärztliches Gutachten, verkehrspsychologische Stellungnahme, Aberkennung des Rechts von einer allfälligen bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch
zu machen und Ablieferung des Führerscheines, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass

-         die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung

-         das Verbot des Lenkens eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges und

-         die Aberkennung des Rechts von einer allfälligen bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen

für den Zeitraum von sechs Monaten

– gerechnet ab Zustellung des Berufungsbescheides – festgesetzt wird.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und 25 Abs.3  iVm  §§ 7 Abs.1 Z1, 7 Abs.3 Z5 und 7 Abs.4 FSG,

 BGBl I Nr.120/1997 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 93/2009

 (= FSG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 117/2010)

§ 32 Abs.1 Z1 FSG

§ 30 Abs.1 FSG

§ 24 Abs.3 FSG

§ 29 Abs.3 FSG

 


 

 

Entscheidungsgründe:

Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem/den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit

-         die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides entzogen

-         für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädriges Leichtkraftfahrzeuges oder Invaliden-KFZ verboten.

-         für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung das Recht aberkannt,
von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen

-         verpflichtet, bis zum Ablauf der Entziehungsdauer

-         ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum

      Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 8 FSG beizubringen

-         eine verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen.

-         verpflichtet, den Führerschein unverzüglich abzuliefern.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Bw innerhalb offener Frist eine umfangreich begründete Berufung erhoben.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 67 a Abs.1 AVG) erwogen:

 

Gemäß § 67d Abs.1 und Abs.3 erster Satz AVG ist die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung nicht erforderlich, da der – durch einen Rechtsanwalt vertretene – Bw diese in der Berufung nicht beantragt hat;

VwGH vom 28.04.2004, 2003/03/0017.

 

Der Bw lenkte am 18. Juli 2011 um ca. 13:45 Uhr einen – auf ihn zugelassenen – dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW auf näher bezeichneten Straßen mit öffentlichem Verkehr in Linz.

 

In der P.straße kam er links von der Fahrbahn ab und stieß die am Gehsteig stehende Fußgängerin Frau LS nieder.

 

Frau LS wurde dabei auf der Stelle getötet.

 

Der Bw – welcher nicht angehalten hatte – fuhr anschließend einen Lichtmast, einen Leitpflock, einen weiteren Lichtmasten sowie eine Standsäule um und
stieß noch gegen einen am rechten Fahrbahnrand der F.straße abgestellten dem Kennzeichen näher bestimmten PKW.   Erst danach kam er zum Stillstand.

Der Bw stieg aus und blickte sich um, stieg jedoch danach wieder ein und fuhr mit seinem – schwer beschädigten – PKW weiter zur nächsten Werkstätte.

 

Anschließend ging der Bw zu Fuß in Richtung Unfallstelle, wo er von einem inzwischen an der Unfallstelle amtshandelnden Polizeibeamten angetroffen wurde.

 

Die beim Bw vorgenommene Messung der Atemluft hat einen

Atemluftalkoholgehalt von 0,00 mg/l ergeben.

 

Der Bw machte zu diesem Zeitpunkt einen teilnahmslosen und verwirrten Eindruck;  siehe den Abschlussbericht des Stadtpolizeikommando Linz vom

18. Juli 2011, Seite 6.

 

Gemäß dem – im Auftrag der Staatsanwaltschaft Linz eingeholten – Gutachten

des Herrn Dr. HS, Sachverständiger für das Kraftfahrwesen hat die "Anstoßgeschwindigkeit" des Bw an die Fußgängerin Frau LS ca. 50 km/h betragen.

Die Anstoßgeschwindigkeit hat

-         an den ersten Laternenmast ebenfalls ca. 50 km/h,

-         an den zweiten Laternenmast – bedingt durch den kollisionsbedingten Geschwindigkeitsabbau – ca. 40 bis 45 km/h und

-         an das stehende Fahrzeug ca. 30 km/h

betragen.

 

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird.

Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrs-zuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs.3 leg.cit. angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie aufgrund ihrer Sinnesart beim Lenken
von KFZ die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten
im Straßenverkehr gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z5 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 zu gelten, wenn jemand es unterlassen hat, nach einem durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges selbst verursachten Verkehrsunfall, bei dem eine Person verletzt wurde, sofort anzuhalten und erforderliche Hilfe zu leisten oder herbeizuholen.

 

Unstrittige Tatsache ist, dass der Bw die in § 7 Abs.3 Z5 FSG angeführte "bestimmte Tatsache" verwirklicht hat.

 

Entscheidungswesentlich ist im vorliegenden Fall einzig und allein,

ob der Bw im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls "zurechnungsfähig" war oder nicht.

 

Seitens der Staatsanwaltschaft Linz wurde zu dieser Frage ein medizinisches Gutachten in Auftrag gegeben, welches jedoch bis dato nicht vorliegt.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist es bereits auf Grund eines "situationsbezogenen" Verhaltens eines Kraftfahrzeuglenkers entbehrlich, ein (amts-)ärztliches und/oder fachärztliches Sachverständigengutachten über dessen Zurechnungsfähigkeit einzuholen;

 

VwGH vom 26.01.2007, 2007/02/0013; vom 22.04.1994, 94/02/0108;
vom 25.09.1991, 91/02/0055; vom 25.09.1991, 90/02/0217; vom 03.10.1990, 90/02/0120; vom 30.11.2007, 2007/02/0268; vom 23.05.2006, 2006/02/0091;

 

vom 30.10.2006, 2005/02/0332; vom 23.07.2004, 2004/02/0215; vom 09.09.2005, 2004/02/0097; vom 30.01.2004, 2003/02/0223; vom 28.01.2000, 99/02/0042; vom 28.02.1997, 96/02/0562; vom 27.05.1999, 96/02/0388;

 

vom 13.03.1991, 90/03/0267.

 

 

 

 

Das Verhalten des Bw unmittelbar nach dem Verkehrsunfall

-         aussteigen und kurz zurücksehen

-         weiterfahren zur Werkstätte – zu einer "Fachwerkstätte" für jene PKW-Marke, welche der Bw gelenkt hat und

-         zurückgehen zum Tatort

war offenbar zielgerichtet und "in diesem Sinne auch erfolgreich";

VwGH vom 25.09.1991, 90/02/0217.

 

Aufgrund dieses "situationsbedingten Verhalten des Bw"

kommt der UVS somit zum Ergebnis, dass der Bw

-         zur Tatzeit bzw. im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls "zurechnungsfähig" war

     und dadurch

-         eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs.3 Z5 FSG verwirklicht hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.3 leg.cit. beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit (allfällige) berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der (Dauer der) Entziehung der Lenkberechtigung verbunden sind,  kein wie immer geartetes Beweisthema;

Erkenntnisse v. 30.5.2001, 2001/11/0081; vom 23.4.2002, 2000/11/0182;

vom 11.4.2002, 99/11/0328; vom 28.9.1993, 93/11/0142 mit Vorjudikatur;

vom 25.2.2003, 2003/11/0017; vom 4.10.2000, 2000/11/0176.

 

Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab Tathandlung bzw. Beendigung des strafbaren Verhaltens zu bemessen;

VwGH vom 17.10.2006, 2006/11/0120;  vom 21.3.2006, 2005/11/0196; vom 22.2.2007, 2005/11/0190; vom 21.11.2006, 2005/11/0168; vom 21.3.2006, 2005/11/0153; vom 27.3.2007, 2005/11/0115; vom 18.12.2007, 2007/11/0194.

 

Das "Imstichlassen eines tödlich verletzten Unfallsopfer" ist schon

"an sich verwerflich";  VwGH vom 29.06.1993, 93/11/0108;

  vom 21.10.1993, 92/11/0295; vom 15.12.1992, 92/11/0206 u.a.

 

Betreffend die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung bzw. die Festsetzung der Entziehungsdauer wird auf folgende Judikatur des VwGH verwiesen:

vom 15.12.1992, 92/11/0206; vom 21.10.1993, 92/11/0295; vom 29.06.1993, 93/11/0108; vom 26.02.2002, 2002/11/0016; vom 28.04.2011, 2010/11/0217.

 

Diesen VwGH-Erkenntnissen ist zu entnehmen, dass bei "Imstichlassen eines tödlich Verletzten" – gerechnet ab Tat – eine Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von zwölf Monaten angenommen werden kann.

 

Seit der Tat (18. Juli 2011) ist ein Zeitraum von ca. vier Monaten vergangen.

 

Die von der belangten Behörde festgesetzte Entziehungsdauer – sechs Monate,  gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides – ergibt somit insgesamt eine Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von ca. zehn Monaten und wird daher als rechtmäßig bestätigt.

 

Als Gründen der Rechtssicherheit bzw. "Rechtsklarheit" wird im Spruch als Beginn der Entziehungsdauer: "Zustellung des Berufungsbescheides" angeführt.

 

Gemäß § 32 Abs.1 Z1 FSG ist Personen, die nicht iSd § 7 leg. cit. verkehrs-zuverlässig sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder
ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, das Lenken eines derartigen KFZ ausdrücklich zu verbieten.

 

Gemäß § 30 Abs.1 FSG kann Besitzern von – allfällig bestehenden – ausländischen Lenkberechtigungen das Recht aberkannt werden, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen;

VwGH vom 17.3.2005, 2005/11/0057.

 

Dem Bw war daher für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung

       das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges zu verbieten

       das Recht abzuerkennen, von einer allfällig bestehenden ausländischen 

     Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen.

 

§ 24 Abs.3 FSG lautet auszugsweise:

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung kann die Behörde die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen.

Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung

einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden.

 

Da der Bw – trotz seins zielgerichteten Verhaltens – bei der Amtshandlung einen teilnahmslosen und verwirrten Eindruck machte, wird die Verpflichtung zur Beibringung

-         eines amtsärztlichen Gutachtens und

-         einer verkehrspsychologischen Stellungnahme

als erforderlich erachtet.

 

Die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines ist in der zitierten Rechtsgrundlage (§ 29 Abs.3 FSG) begründet.

 

Es war daher

-         die Berufung als unbegründet abzuweisen,

-         der erstinstanzliche Bescheid mit der im Spruch angeführten Maßgabe

      zu bestätigen   und

-         spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;   diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Mag. Josef Kofler

Beachte:

 

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

 

VwGH vom 16. Oktober 2012, Zl.: 2011/11/0214-5

 

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