Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730179/8/Wg/Gru

Linz, 11.11.2011

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch X, X, X, gegen die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 29.11.2010, GZ: Sich40-7591, angeordnete Ausweisung, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG

 

İtirazın kabul edilmesine ve itiraz edilen kararın tazminsiz ortadan kaldırılmasına.

 

Hukuki dayanak:

§ 66 Abs.4 AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit Bescheid vom 29.11.2010, Sich40-7591, den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) gemäß § 54 Abs. 1 Z. 1 iVm. § 66 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) iVm. § 30 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Z. 4 und Abs. 2 Z. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen.

 

Dagegen richtet sich die Berufung vom 13.12.2011. Der Bw beantragte darin, die Berufungsbehörde wolle den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 29.11.2010 wegen Nichtigkeit beheben, in eventu möge jedenfalls eine öffentliche und mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt werden und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 29.11.2010 vollinhaltlich und ersatzlos aufgehoben werden, in eventu möge die Berufungsbehörde den angeführten Bescheid aufheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidungsfindung an die Behörde erster Instanz zurückverweisen.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat der SID den Verfahrensakt zur Entscheidung vorgelegt. Nachdem mit 1. Juli 2011 wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 – FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, in Kraft getreten sind, hat die Sicherheitsdirektion Oberösterreich dem Verwaltungssenat den Akt zuständigkeitshalber übermittelt.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:

 

Der Bw wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger der Türkei. Er reiste am 10.7.2001 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 11.7.2001 einen Asylantrag beim Bundesasylamt – Außenstelle Linz. Diesen Antrag zog er am 17.6.2002 zurück.

 

Am 6.5.2002 heiratete er die österreichische Staatsangehörige X, geb. X. Dem Bw wurde daraufhin eine Nieder­lassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck Familiengemeinschaft mit Österreicher, gültig von 17.9.2002 bis 17.9.2003 ausgestellt. Am 8.8.2003 stellte er einen Verlängerungsantrag. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hatte zwischenzeitig bereits Erhebungen bzgl. einer evtl. Scheinehe eingeleitet. Mit Bescheid vom 4.12.2003 erließ sie ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich, da sich der Bw auf die Ehe berufen habe, obwohl er ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nie geführt hat. Die Sicherheitsdirektion Oberösterreich hat der dagegen erhobenen Berufung mit Bescheid vom 9.3.2004, St 9/04, keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid bestätigt. Dagegen erhob der Bw Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts.

 

Die Ehe mit Frau X wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Grieskirchen am 7.7.2005 rechtskräftig geschieden. Am 23.12.2005 heiratete der Bw die österreichische Staatsbürgerin X, geb. X.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit Bescheid vom 9.3.2006 das Aufenthaltsverbot vom 4.12.2003 aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat daraufhin mit Beschluss vom 18.5.2006, Zl. 2004/18/0203, die gegen das Aufenthaltsverbot erhobene Beschwerde für gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

 

Auf Grund der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Gattin X wurde dem Bw am 11. 4.2006 ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger", zuletzt befristet bis 12.1.2011 ausgestellt.

 

Am 24.8.2010 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen ein Antrag von Frau X ein. Laut dem Antrag ist der Bw mit ihr seit 12. Juli 2010 verheiratet. Es stellte sich heraus, dass die Ehe zwischen dem Bw und X bereits am 2. Dezember 2009 geschieden worden war. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hielt dem Bw mit Schreiben vom 21. September 2010 vor, dass er am 7. September 2010 bzgl. Beantragung eines Visums für seine Ehegattin bei der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vorgesprochen habe. Er sei in der Folge zur Ehe mit Frau X einvernommen worden. Der Bw habe über Befragen angegeben, dass das gemeinsame Familienleben mit Juni 2008 beendet worden sei. Zum Vorhalt der Behörde, wonach er am 13. Jänner 2009 angegeben habe, dass er mit Frau X ein gemeinsames Familienleben führen würde, habe er angegeben, "wir hatten uns noch nicht getrennt". Seine geschiedene Ehegattin sei in der Folge am 17. September 2010 als Zeugin einvernommen worden. Diese habe angegeben, dass sie sich im März 2008 getrennt hätten.

 

Der Bw stellte daraufhin am 28. September 2010 einen Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt" im Wege eines Verlängerungs­antrages/Zweckänderungsantrages.

 

Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 29. November 2010 wurde der Bw ausgewiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, dass der Bw sich im Zuge der Verlängerungsverfahren zur Erteilung seines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" auf die Familiengemeinschaft mit seiner geschiedenen Gattin berufen habe, obwohl er zum damaligen Zeitpunkt kein Familienleben mehr mit ihr geführt habe.

 

Es steht jedenfalls unstrittig fest, dass der Bw mit seiner geschiedenen Gattin X von der am 23. Dezember 2005 erfolgten Eheschließung bis zur Trennung Anfang/Mitte März 2008 in Familiengemeinschaft gelebt hat. Seine nunmehrige Ehegattin lebt in der Türkei.

 

Der Bw steht seit 14. Mai 2002 mit Unterbrechungen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Laut Bestätigung der X vom 4. Oktober 2011 ist der Bw seit 13. Jänner 2011 bei dieser Firma beschäftigt und erhält einen Stundensatz von 11,77 € brutto bzw. einen Lohn von ca. 1.570 € netto. Laut KSV-Privatinformation vom 2. November 2011 besteht zwischen dem Bw und der Volksbank X ein Abstattungskredit in der Höhe von 18.500 €, mit der X ein Abstattungskredit in der Höhe von 799 €. In der Warnliste des KSV scheinen keine Eintragungen auf. Für den mit der Volksbank X bestehenden Kreditvertrag sind monatlich Raten in der Höhe von 380 € abzuzahlen.

 

Der Bw hat seinen gemeldeten Hauptwohnsitz an der X, X. Dieses Haus steht im Miteigentum von X, X und X. Laut Angaben der Berufung unterstützen sich alle Familienmitglieder gegenseitig und umfassend. Der vorgelegte Reisepass ist bis Oktober 2021 gültig.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Der Bw hat weiters am 2. November 2011 eine Bestätigung der Firma X vom 4. Oktober 2011, Verdienstnachweise über den Zeitraum Jänner bis September 2011, den Kaufvertrag vom 19. März 1993, eine Meldebestätigung und Kopie aus dem Reisepass sowie eine Auskunft des KSV1870 und eine Kontoübersicht des erwähnten Kreditvertrages mit der Volksbank X vorgelegt. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, kann gem. § 67d Abs. 2 Z. 1 AVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

 

Der Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 54 gelten als Ausweisungen gemäß § 62 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden gemäß § 11 Abs 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen wurde oder ein aufrechtes Rückkehrverbot gemäß § 54 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 oder 67 FPG besteht;

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3. gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

 

Aufenthaltstitel dürfen gemäß § 11 Abs 2 NAG einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

Ein Aufenthaltstitel kann gemäß § 11 Abs 3 NAG trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet gemäß § 11 Abs 4 NAG dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2. der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können.

 

Der Aufenthalt eines Fremden führt gemäß § 11 Abs 5 NAG zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

 

Der Richtsatz beträgt gemäß § 293 Abs 1 ASVG unbeschadet des Abs. 2

a) für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung,

aa) wenn sie mit dem Ehegatten (der Ehegattin) oder dem/der eingetragenen PartnerIn im gemeinsamen Haushalt leben

................................................................... .................. 1 189,56 €,

bb) wenn die Voraussetzungen nach aa) nicht zutreffen

................................ .....................793,40 €,

b) für Pensionsberechtigte auf Witwen(Witwer)pension oder Pension nach § 259 ................793,40 €,

c) für Pensionsberechtigte auf Waisenpension:

aa) bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres

................................................. .....................291,82 €,

falls beide Elternteile verstorben sind

....................................................... .....................438,17 €,

bb) nach Vollendung des 24. Lebensjahres

.................................................... .....................518,56 €,

falls beide Elternteile verstorben sind

....................................................... .....................793,40 €.

Der Richtsatz nach lit. a erhöht sich um 122,41 € für jedes Kind (§ 252), dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nicht erreicht.

 

Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung des Aufenthaltstitels Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 1 und 2, so hat die Behörde - gegebenenfalls nach Einholung einer fremdenpolizeilichen Stellungnahme – gemäß § 25 Abs 1 NAG den Antragsteller davon in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung gemäß §§ 52 ff. FPG beabsichtigt ist und ihm darzulegen, warum dies unter Bedachtnahme auf den Schutz seines Privat- oder Familienlebens (§ 61 FPG) zulässig scheint. Außerdem hat sie ihn zu informieren, dass er das Recht hat, sich hiezu binnen einer gleichzeitig festzusetzenden, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist zu äußern. Nach Ablauf dieser Frist hat die Behörde die zur Aufenthaltsbeendigung zuständige Fremdenpolizeibehörde - gegebenenfalls unter Anschluss der Stellungnahme des Fremden - zu verständigen. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 73 AVG gehemmt.

 

Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist gemäß § 25 Abs 2 NAG das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.

 

Fehlen in einem Verfahren zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels besondere Erteilungsvoraussetzungen des 2. Teiles, hat die Behörde gemäß § 25 Abs 3 NAG den Antrag ohne weiteres abzuweisen.

 

Familienangehörige mit einem Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5 und 8 haben gemäß § 27 Abs 1 NAG ein eigenständiges Niederlassungsrecht. Liegen die Voraussetzungen für den Familiennachzug nicht mehr vor, ist dem Familienangehörigen ein Aufenthaltstitel auszustellen, dessen Aufenthaltszweck jedenfalls dem bisherigen Aufenthaltszweck entspricht, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 vorliegt und er die Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 erfüllt.

 

Der Familienangehörige hat gemäß § 27 Abs 4 NAG die Umstände nach Abs. 1 bis 3 der Behörde unverzüglich, längstens jedoch binnen einem Monat, bekannt zu geben.

 

Ehegatten oder eingetragene Partner, die ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht führen, dürfen sich gemäß § 30 Abs 1 NAG für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe eingetragene Partnerschaft berufen.

 

Drittstaatsangehörige, die sich während eines Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG im Bundesgebiet aufhalten, sind gemäß § 62 Abs 1 FPG mit Bescheid, sofern kein Fall des § 64 vorliegt, auszuweisen, wenn

1. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

2. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

 

Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig mit einem Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalten, sind gemäß § 62 Abs 2 FPG mit Bescheid, sofern kein Fall des § 64 vorliegt, auszuweisen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

2. ihnen ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, sie der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen und im ersten Jahr ihrer Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sind oder

3. ihnen ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, sie länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen sind und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sind.

 

Die Behörde hat gemäß § 62 Abs 3 FPG in Verfahren gemäß Abs. 1 nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG bei der Behörde nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bereits hätte nachweisen können und müssen.

 

 

Der Bw lebte jedenfalls von der Eheschließung am 23. Dezember 2005 bis zur Trennung Anfang/Mitte März 2008 mit seiner österreichischen Gattin X in Familiengemeinschaft. Ihm wurde auch ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" ausgestellt.  Der Bw hat sich im Verlängerungsverfahren zur Erteilung seines Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" auf die Ehe mit seiner Ex-Gattin berufen, obwohl er zum damaligen Zeitpunkt kein gemeinsames Familienleben mehr führte. Die Verlängerung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" iSd § 47 NAG ist daher gemäß § 11 Abs 1 Z 4 iVm § 30 Abs 1 NAG ausgeschlossen. Liegen die Voraussetzungen für den Familiennachzug nicht mehr vor, ist dem Familienangehörigen aber gemäß 27 Abs 1 NAG ein Aufenthaltstitel auszustellen, dessen Aufenthaltszweck jedenfalls dem bisherigen Aufenthalts­zweck entspricht, wenn kein Erteilungshindernis gem. § 11 Abs. 1 vorliegt und er die Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 erfüllt.

 

Gemäß § 11 Abs 2 Z 1 NAG kommt die Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann in Betracht, wenn der Aufenthalt des Fremden öffentlichen Interessen nicht widerstreitet.

           

Der Bw hat die Beendigung der Familiengemeinschaft nicht unverzüglich bzw binnen einem Monat bekanntgegeben und damit das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens beeinträchtigt (vgl § 27 Abs 4 NAG).  Es liegt daher der Versagungsgrund nach § 11 Abs 2 Z 1 NAG vor.

 

Gemäß § 11 Abs 3 NAG ist dessen ungeachtet ein Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn das persönliche Interesse des Fremden an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiegt. 

 

Bei der Gewichtung des öffentlichen Interesses ist auf die Strafbestimmungen des § 120 Abs 2 Z 1 FPG und § 77 Abs 1 NAG abzustellen. Anders als bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach den §§ 63 Abs 2 iVm § 53 Abs 3 Z 4 FPG kommt es dabei nicht darauf an, dass eine rechtskräftige Bestrafung tatsächlich erfolgte. Eine rechtskräftige Verwaltungsstrafe wäre aber zweifelsohne als erschwerend zu berücksichtigen.

 

Wer als Fremder in einem Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder eines Aufenthaltstitels vor der zur Ausstellung eines solchen Titels berufenen Behörde wissentlich falsche Angaben macht, um sich einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß § 120 Abs 2 Z 1 FPG mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen.

 

§ 120 Abs 2 Z 1 FPG gilt auch im Verlängerungsverfahren. Ein "Erschleichen" iSd § 120 Abs 2 Z 1 FPG würde voraussetzen, dass dem Fremden der beantragte Aufenthaltstitel bzw. die damit verbundenen Privilegien (insbesondere nach dem AuslBG) nicht zukommen würden. Der Bw hat gemäß § 27 Abs 1 NAG ein eigenständiges Niederlassungsrecht erworben. Er hat zweifelsohne wissentlich die Unwahrheit behauptet. Ob er irrtümlich der Ansicht war, ihm würde bei Auflösung der Familiengemeinschaft kein Aufenthaltsrecht mehr zukommen, mag dahingestellt sein. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass er über das Vorliegen eines relevanten Versagungsgrundes (zB fehlende Unterhaltsmittel iSd § 11 Abs 2 Z 4 NAG) hinwegtäuschen wollte. Es liegt daher keine Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs 2 Z 1 FPG vor.

 

Wer

1. eine Änderung des Aufenthaltszweckes während der Gültigkeit des Aufenthaltstitels der Behörde nicht ohne unnötigen Aufschub bekannt gibt (§ 25 Abs. 1) oder Handlungen setzt, die vom Zweckumfang nicht erfasst sind (§ 8 Abs. 5);

2. ein ungültiges, gegenstandsloses oder erloschenes Dokument nicht bei der Behörde abgibt;

3. zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet ist und den Nachweis zwei Jahre nach Erteilung des Aufenthaltstitels nach diesem Bundesgesetz aus Gründen, die ausschließlich ihm zuzurechnen sind, nicht erbringt, es sei denn, ihm wurde eine Verlängerung gemäß § 14a Abs. 2 gewährt;

4. eine Anmeldebescheinigung, eine Aufenthaltskarte oder eine Daueraufenthaltskarte nach §§ 53, 54 und 54a nicht rechtzeitig beantragt oder

5. seiner Meldepflicht gemäß §§ 19 Abs. 11, § 27 Abs. 4, 51 Abs. 3 oder 54 Abs. 6 nicht rechtzeitig nachkommt,

begeht gemäß § 77 Abs 1 NAG eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen.

 

Dei nicht rechtzeitige Meldung, dass die Familiengemeinschaft aufgehoben wurde, stellt nach der am 7. September 2010 geltenden Bestimmung des  § 77 Abs 1 Z 1 NAG idF BGBl I Nr. 122/2009 eine Verwaltungsübertretung dar. Erst mit Inkrafttreten des FRÄG BGBl I Nr. 38/2011 am 1.7.2011 wurde der gesonderte Verwaltungsstraftatbestand des § 77 Abs 1 Z 5 iVm § 27 Abs 4 NAG eingeführt. Die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist begann am 7. September 2010, als der Bw die Auflösung der Familiengemeinschaft bekannt gab, zu laufen. Die Strafbarkeit ist daher durch Eintritt der Verfolgungsverjährung aufgehoben. Schon der verhältnismäßig geringe Strafrahmen von 50 Euro bis 250 Euro zeigt, dass der Gesetzgeber von einem sehr geringen typisierten Unrechtsgehalt ausgeht.

 

Gem. § 293 Abs. 1 ASVG ist im Verlängerungsverfahren ein monatliches Nettoeinkommen von 793,40 € nachzuweisen. Dies entspricht dem Ausgleichszulagenrichtsatz für eine alleinstehende Person. Bringt man die monatliche Kreditrate in Abzug, so ist bei einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 1.570 € dieser Richtsatz erfüllt. Das Beschäftigungsverhältnis mit der Firma X ist nach wie vor aufrecht. Es ist nicht zu befürchten, dass der Aufenthalt des Bw zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Es liegt daher kein Versagungsgrund im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG vor.

 

Die allfällige Scheinehe mit seiner ersten Ehegattin X fällt nicht mehr entscheidend ins Gewicht, da der Bw auf Grund der Ehe mit seiner zweiten Gattin ein von der ersten Ehe unabhängiges Aufenthaltsrecht erworben hat. Zudem wurde das Aufenthaltsverbot aufgehoben.

 

Der Bw hält sich seit dem 10. Juli 2001 im Bundesgebiet auf. Wenn auch seine Einreise illegal war, weist er doch lange Zeiträume einer rechtmäßigen Niederlassung auf. Seit 4. April 2006 ist er durchgehend rechtmäßig niedergelassen.  Der Aufenthaltstitel ist daher gem. § 11 Abs. 3 NAG trotz Ermangelung der Voraussetzung nach § 11 Abs 2 Z 1 NAG zu erteilen, da dies zur Aufrechterhaltung des Privatlebens im Bundesgebiet iSd Artikel 8 EMRK geboten ist.

 

Der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels steht gemäß § 62 Abs 1 Z 1 FPG kein Versagungsgrund entgegen. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen ist verpflichtet, dem Bw einen Aufenthaltstitel auszustellen, dessen Aufenthaltszweck jedenfalls dem bisherigen Aufenthaltszweck entspricht (vgl. § 27 Abs. 1 NAG).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Berufung von 29,90 Euro (14,30 Euro Eingebegebühr, 15,60 Euro Beilagen) angefallen.

 

 

 

Hukuki itiraz yolu bilgilendirilmesi

İşbu karar karşı olağan kanun yolu açık değildir.

 

Talimat

(Verilen karara karşı kararın tebliğ gününden itibaren altı hafta içinde Anayasa Mahkemesi’nde ve/veya Danıştay‘da itiraz edilebilinir. Yasal istisnalar hariç, şikayetin vekil tayin edilmiş bir avukat tarafından yapılması gerekmektedir. Her itiraz için 220.- Euro dilekçe harcı ödenilir.

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

 

 

 

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