Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166455/4/Br/Th

Linz, 11.11.2011

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb. X, c/o X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 10. Februar 2010, Zl. VerkR96-626-2009,  zu Recht:

 

 

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass unter Anwendung des § 21 Abs.1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 111/2010 - AVG iVm § 21 Abs.1, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 111/2010 - VStG;

Zu II.: § 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber Geldstrafen in Höhe von 1.200 und 365 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen und 120 Stunden  verhängt, weil er am 31.01.2009 um 13.45 Uhr in Linz, Hafferlstraße X,

1.) als Lenker des PKW, Opel Vectra mit dem Kennzeichen X,  nach Aufforderung eines besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht sich geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet werden haben können, dass er zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe;

2.)   habe er das angeführte Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichen Verkehr gelenkt, obwohl er nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung gewesen sei.

Dadurch habe er gegen § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 StVO 1960 und § 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.3 Z1 FSG verstoßen.

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:

"Zum Sachverhalt und dem bisherigen Verfahrensgang:

 

Ihnen wird zur Last gelegt, dass Sie sich nach Aufforderung durch ein besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert haben, Ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet werden konnte, dass Sie das angeführte Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt haben. Weiters wird Ihnen angelastet, das oben angeführte Fahrzeug gelenkt zu haben, obwohl Sie nicht im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung waren.

 

Dieser Sachverhalt wurde bei der Bezirkshauptmannschaft Freistadt durch die Anzeige des Stadtpolizeikommandos Linz vom 02.02.2009 (GZ: E1/5669/2009) anhängig gemacht. Daraufhin erging an Sie von der Behörde eine schriftliche Aufforderung, datiert mit 02.03.2009, binnen einer Frist bis 24.03.2009 zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen. Von dieser Möglichkeit haben Sie keinen Gebrauch gemacht.

 

Folgender Sachverhalt wird daher als erwiesen angenommen:

 

Sie haben am 31.01.2009 um 13:45 Uhr im Stadtgebiet von Linz, auf Höhe des Hauses Hafferlstraße X, das Fahrzeug mit dem Kennzeichen X gelenkt. Das Organ der Straßenaufsicht vermutete aufgrund eindeutiger Alkoholisierungsmerkmale (leichter Alkoholgeruch, veränderte Sprache, schwankender Gang, deutliche Rötung der Augen und enthemmtes Benehmen), dass Sie das Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt haben, weshalb Sie zu einer Atemluftalkoholuntersuchung aufgefordert wurden. Sie haben jedoch die Durchführung einer Atemluftuntersuchung verweigert. Weiters wurde von einem Organ der Straßenaufsicht im Zuge der Erhebungen festgestellt, dass Sie über keine gültige Lenkberechtigung verfügen.

Als Beweis gilt die Anzeige des Stadtpolizeikommandos Linz vom 02.02.2009.

 

Gegenständlicher Sachverhalt unterliegt folgender rechtlicher Beurteilung:

Zu Spruchpunkt: 1

Gemäß § 5 Abs 2 StVO sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder 2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

 

Gemäß § 99 Abs.1 lit. b StVO (alt) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1.162 Euro bis 5.813 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der amtsärztlichen Untersuchung unterzieht.

 

Zu Spruchpunkt 2:

Gemäß § 1 Abs.3 FSG ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers, ausgenommen in den Fällen des Abs. 5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt. Nach Abs.4 ist eine von einer zuständigen Behörde eines EWR-Staates ausgestellte Lenkberechtigung einer / Lenkberechtigung gemäß Abs.3 gleichgestellt. Das Lenken von Kraftfahrzeugen mit einer solchen Lenkberechtigung ist jedoch nur zulässig, wenn der Lenker das in § 6 Abs.1 genannte Mindestalter erreicht hat. Das Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung ist nur im Rahmen der Bestimmungen des § 23 zulässig.

 

Nach § 37 Abs.1 FSG begeht, wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen zuwiderhandelt, eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis zu 2 180 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Nach Abs.3 ist eine Mindeststrafe von 363 Euro für das Lenken eines Kraftfahrzeuges entgegen der Bestimmung des § 1 Abs.3 zu verhängen, sofern der Lenker überhaupt keine gültige Klasse von Lenkberechtigungen besitzt.

 

Allgemeines:

Gemäß § 5 Abs.1 VStG 1991 genügt zur Strafbarkeit grundsätzlich fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens,  oder einer Gefährdung nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Die Behörde hat darüber Folgendes erwogen:

 

Die Verwirklichung des Tatbestandes der zitierten Norm steht für die Behörde insbesondere aufgrund der Sachverhaltsschilderung des Polizeibeamten fest. Es wurde von Ihnen gegenständlich nicht bestritten, dass Sie sich trotz deutlicher Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert haben, sich einer Atemluftalkoholuntersuchung zu unterziehen.

 

Zudem konnten Sie auch keine gültige Lenkberechtigung vorweisen, da sie nie eine erworben haben.

 

Da Sie keine Einwendungen erhoben haben, mit denen es Ihnen gelungen wäre, glaubhaft zu machen, dass Sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, geht die Behörde davon aus, dass jedenfalls ein fahrlässiges Verhalten bezüglich der Ihnen in Spruchpunkt 1 vorgeworfenen Tat vorliegt, was für die Strafbarkeit ausreicht.

Nach Ansicht der Behörde haben Sie die zweite Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung in Schuldform des Vorsatzes begangen. Vorsatz ist nach der herrschenden Auffassung in Lehre und Judikatur das Wissen und Wollen der Tatverwirklichung, das vom Wissen getragene Wollen (siehe statt vieler Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht4 [2009] Rz 688). Bezüglich dieser Tat geht die Behörde davon aus, dass Sie von Ihnen wissentlich und damit vorsätzlich begangen wurde. Wissentlich handelt der Täter, wenn er den Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiss hält (= dolus principalis). Es ist Ihnen bekannt gewesen, dass Sie keine gültige Lenkberechtigung besitzen und wussten Sie im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Kraftfahrzeug, dass Sie zu einer derartigen Handlung nicht berechtigt sind, weshalb das Vorliegen von dolus principalis zu bejahen ist.

 

Zur Strafbemessung:

 

Die Strafbemessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Demgemäß ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

 

Zur Strafbemessung ist aufgrund des Begehungsdatums, das vor dem Inkrafttreten der Novelle der StVO (BGBl. I Nr. 93/2009) am 01.09.2009 liegt, der damals geltende Strafrahmen heranzuziehen.

 

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetz­buches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Trotz schriftlicher Aufforderung der erkennenden Behörde vom 02.03.2009 haben Sie es unterlassen, Ihre Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse zum Zweck der Strafbemessung bekannt zu geben. Daher geht die Behörde - wie in diesem Schreiben angeführt - davon aus, dass Sie ein monatliches Einkommen von etwa 300,00 Euro beziehen, kein für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren relevantes Vermögen besitzen und keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten haben. Die Behörde erlaubt sich in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung eine Geldstrafe auch dann gerechtfertigt ist, wenn der Bestrafte kein Einkommen bezieht, und diese auch zu verhängen ist, wenn ihre Bezahlung aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse unwahrscheinlich ist (VwGH 21.3.1975, 770/74; 15.10.2002, 2001/21/0087).

 

Die erste Tat schädigt im erheblichen Maß das Interesse der Verkehrssicherheit. Alkoholdelikte zählen zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen Verkehrsvorschriften (VwGH 11.7.2000, 2000/11/0011). Die Verwirklichung eines solchen zeigt Ihre verwerfliche Einstellung zur Sicherheit im Straßenverkehr, bringt es doch die Teilnahme am Straßenverkehr im alkoholisierten Zustand immer wieder mit sich, dass andere Verkehrsteilnehmer zu Schaden kommen (VwGH 20.3.2001, 2000/11/0089).

 

Die zweite Tat schädigt ebenfalls im erheblichen Maß das Interesse der Verkehrssicherheit. Schutzzweck der Norm ist es zu verhindern, dass eine Person ein Fahrzeug lenkt, ohne dass die hierfür gesetzlich normierten Voraussetzungen vorliegen. Das Lenken von Fahrzeugen ohne die entsprechenden Kenntnisse ist häufig Ursache schwerer Verkehrsunfälle.

 

Erschwerungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Als Milderungsgrund wird berücksichtigt, dass bei der Bezirkshauptmannschaft Freistadt keine einschlägigen Vorstrafen aufscheinen.

Nach Abwägung der erschwerenden und mildernden Umstände sowie unter Berücksichtigung der dargelegten Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse erscheint der Behörde der gesetzte Strafbetrag als angemessen und ausreichend, um Sie in Hinkunft von derartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

 

Die festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe bildet einen gleichwertigen Ersatz und genügt nach Ansicht der Behörde - im Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe - Sie von künftigen Übertretungen ebenso wirksam abzuhalten.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

 

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung.

Vorweg ist betreffend die Zustellung des Straferkenntnisses festzustellen, dass lt. Bericht der Strafvollzugsanstalt Garsten vom 4.11.2011 von der Ausfolgung des angefochtenen Bescheides per 24.10.2011 auszugehen ist.

Am 25.10.2011 ersucht der Berufungswerber vorerst bloß um Ratenzahlung hinsichtlich der ausgesprochenen Strafe. Am 28.10.2011 erhob er, jedoch offenbar über Empfehlung des Sozialen Dienstes der Justizanstalt Garsten,  Berufung gegen das Straferkenntnis. Darin bestreitet er ohne nähere Begründung die Aufforderung zur Atemluftuntersuchung und vermeint weiter, er habe das Auto nur weggestellt um der Kriminalpolizei die Vorbeifahrt zu ermöglichen.

 

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur  Berufungsentscheidung vorgelegt; die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates wurde damit begründet. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigenden Geldstrafen verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Gewährung von Parteiengehör.

Auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte, in Verbindung mit der aus dem Akt sich klar darstellenden Beweislage und der Reaktion auf das gewährte  Parteiengehör – er könne sich nicht mehr erinnern ob er den Alkotest verweigert habe, sei aber nur 10 m ohne Führerschein gefahren -  insbesondere auch wegen des Zeitlaufes von fast schon drei Jahren seit dem Vorfall - verzichtet werden.

 

 

4. Faktenlage:

Am 31.1.2009 wurde von einer Zivilstreife im Rahmen einer Schwerpunktaktion der Kriminalpolizei der oben bezeichnete Pkw wahrgenommen. Der Berufungswerber befand sich in diesem von einem Mann namens X gelenkten Pkw als Beifahrer an Bord. Beim Haus Hafferlstraße X stellte dieser Lenker den Pkw ab und entfernte sich. Da die Polizei durch den abgestellten Pkw an der Weiterfahrt behindert wurde, rief der Polizist dem sich entfernende Lenker zu, dieser solle wegfahren.

Dieser wiederum signalisierte dem Beifahrer dies zu tun. Daraufhin stieg der Berufungswerber  vom Beifahrersitz aus und fuhr laut Anzeige und vor den Augen der Polizeibeamten ca. 15 Meter um das Fahrzeug wieder abzustellen.

Da den Beamten von vorherigen Amtshandlungen bekannt war, dass es sich beim nunmehrigen Lenker um einen "drogenabhängigen Georgier ohne Führerschein" gehandelt haben soll, wurde dieser in der Folge zum Alkotest aufgefordert, wobei dieser vermeint haben soll, "er sei krank im Kopf und mache keinen Alkotest."

 

 

4.1. Zusammenfassend beurteilen lässt sich dieses Ergebnis dahingehend, dass offenbar die Beamten diese im Ergebnis von ihnen selbst herbeigeführte Fahrt, offenbar sehenden Auges duldeten und keine Veranlassung gesehen haben dürften diese allenfalls zu verhindern. Sohin kann der Schluss gezogen werden, dass dahinter wohl keinerlei Gefährdung für Dritte erblickt wurde. Motive über die  unterbliebene Verhinderung dieser Fahrt können auf sich bewenden. Das beim Berufungswerber keine Fahrabsicht im eigentlichen Sinn vorlag und wohl betreffend eine allfällige Fahruntauglichkeit bzw. seine Führerscheinlosigkeit in der Bewegung des KFZ von nur wenigen Metern, kein subjektives Unrechtsbewusstsein vorlag, kann angesichts der unmittelbaren Anwesenheit der Polizei als erwiesen gelten. Offenbar tappte der Berufungswerber durch den Zuruf oder das Handzeichen "wegzufahren" im wahrstem Sinne des Wortes in diese Falle, welche für ihn  nach nunmehr fast drei Jahren, mit Kosten von mehr als 1.500 Euro zu Buche schlagen soll.

Nun steht wohl zweifelsfrei fest, dass einerseits ein Fahrzeug – wenn nur zehn bis fünfzehn Meter und ohne typische Lenkabsicht im verkehrsüblichen Verständnis – dennoch gelenkt wurde. Ebenso ist auch glaubhaft, dass Bedenken betreffend eine mögliche Beeinträchtigung bestanden haben mögen und vor diesem Hintergrund – mit dem möglicher Weise präjudizierenden Wissen "um einen drogenabhängigen führerscheinlosen Georgier" – dieser dann zum Alkotest aufgefordert wurde, welchen er letztlich mit dem Hinweis "nur zehn Meter gefahren und wegen den Substitol im Kopf krank zu sein, keinen Test zu machen", verweigerte.

Vor diesem Hintergrund sind wohl die Tatbestände erfüllt, andererseits liegen die Anwendungsvoraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG im Sinne des Geistes der diesbezüglich einschlägigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vollumfänglich vor (VfGH 15. März, 2000, G 211/98-9 und G 108/99-7).

Darin befand das Höchstgericht im Ergebnis, dass in solchen absoluten Grenzfällen um der Einzelfallgerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen ein gewisser Ermessenspielraum der vollziehenden Behörde (damals auch dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oö.) eingeräumt bleiben müssten.

Vor diesem Hintergrund wurde der generelle Anwendungsausschluss des § 21 Abs.1 VStG für Alkofälle als verfassungswidrig aufgehoben.

 

 

5. Der § 5 Abs.2 StVO lautet:

"Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,

die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben ....."

Die Verpflichtung dieser Personen sich der Untersuchung zu unterziehen, ist im § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 normiert.

Die Untersuchung ist grundsätzlich mittels Alkomat vorzunehmen.

 

5.1. Betreffend die Beurteilung und Bewertung eines derart von der Regel abweichenden Sachverhaltes führte der Verfassungsgerichtshof mit Blick auf die Einzelfallgerechtigkeit im Erkenntnis vom 15. März, 2000, G 211/98-9 und G 108/99-7 mit Hinweis auf VfSlg 14973/1997 in der Substanz folgendes aus:

"…… Ausgehend davon könne aber nach Auffassung der Bundesregierung (in der Gegenschrift) kein Zweifel bestehen, dass der Berufungswerber das hier allein maßgebende Tatbild des §99 Abs1 litb StVO 1960 - die Weigerung, trotz Vorliegens der in §5 Abs.2 StVO 1960 festgelegten Voraussetzungen die Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen - nicht bloß fahrlässig, sondern sogar vorsätzlich erfüllt habe. Der Berufungswerber habe nämlich mit dem Wissen und in der Absicht gehandelt, durch die Verweigerung der Untersuchung der Atemluft die Feststellung, ob er in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt und somit den Tatbestand des §99 Abs.1 lit.a StVO 1960 erfüllt habe, unmöglich zu machen. Selbst wenn man die Auffassung vertreten wollte, daß das Verschulden nicht nur dann geringfügig sein könne, wenn es sich um eine leichte Fahrlässigkeit handle, so könne das Verschulden einer Handlung, die mit dem stärksten Grad des Vorsatzes getätigt worden sei, wohl keinesfalls mehr als "geringfügig" angesehen werden.

……

Diese Auffassung gelangt hier auch seitens der
Behörde erster Instanz zum Ausdruck.

Im Tenor gelange in diesen Entscheidungen  (des Höchstgerichtes) zum Ausdruck, daß geringe Schuld im Sinne des § 42 Abs.1 StGB ein erhebliches Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt verlange. Im Lichte dieser Spruchpraxis scheine das nicht von der Unmittelbarkeit der Beweiswürdigung getragene Vorbringen der Bundesregierung unzutreffend.

….

Dabei werde grundsätzlich nicht übersehen, daß bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung dem Gesetzgeber auch in der Gestaltung des Strafrechts rechtspolitisch ein durchaus breiter Gestaltungsspielraum eingeräumt sein möge, dieser jedoch im verfassungsrechtlich determinierten Sachlichkeitsgebot begrenzt sei. Die Überschreitung dieser Grenze könne hier insbesondere in einer auf Einzelfälle als unangemessen hart wirkenden, aber anzuwendenden Sanktionsnorm erblickt werden.

….

Der Verfassungsgerichtshof hat sowohl aus Art91 Abs2 und 3 B-VG als auch wegen des aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebots verfassungsrechtliche Grenzen des für die Ahndung von Übertretungen durch Verwaltungsbehörden vom Gesetzgeber anzuordnenden Strafrahmens festgestellt. In ständiger Judikatur (VfSlg. 12151/1989, bekräftigt mit VfSlg. 12282/1990, 12389/1990, 12471/1990, 12546/1990, 12547/1990, 12920/1991 sowie vor allem VfSlg. 14361/1995 u.a.) hat er die Auffassung vertreten, daß ein vom Gesetzgeber als besonders sozialschädlich bewertetes und demgemäß mit schwerwiegender (Geld-)Strafe bedrohtes Verhalten verfassungsrechtlich der Strafgerichtsbarkeit vorbehalten ist. Gleichzeitig betrachtete der Gerichtshof eine das Strafausmaß betreffende gesetzliche Regelung als gleichheitswidrig, die ein extremes Mißverhältnis zwischen dem Gewicht der strafbaren Handlung und der Sanktion aufweist, weil derartige Strafdrohungen 'mit den hergebrachten, der Rechtsordnung immanenten Zwecken der Verwaltungsstrafe nicht mehr vereinbar sind' (VfSlg. 12151/1989)."

5.2. Die Behörde kann (und hat) demnach ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Wie auch dem Anlassfall für den Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu Grunde lag, ist auch hier die Tatschuld an der Verweigerung insofern von bloß geringem Umfang zu qualifizieren, als der Berufungswerber vor den Augen der Polizei und darüber hinaus in deren Interesse und Veranlassung das Fahrzeug wenige Meter bewegte und er selbst aus subjektiver Sicht in nachvollziehbarer Weise wohl von keiner substanziellen Lenkeigenschaft ausging. Aus der Sicht des Betroffenen ist es daher durchaus nachvollziehbar, dass er angesichts einer nicht vordergründig einleuchtenden Grundlage für einen Alkotest nicht geneigt gewesen sein mag diesen auch durchzuführen.

Es konnten mit der Verweigerung objektiv besehen in Wahrheit auch keine nachteiligen Folgen verbunden gewesen sein. Da die Atemluftuntersuchung nicht als Selbstzweck, sondern letztlich im Kontext mit einem "Lenken in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und was unter Lenken allgemein verstanden zu werden pflegt" in Beziehung zu setzen ist, fällt dieses Beziehungsgefüge im Falle des Nachweises des Bewegens eines Fahrzeuges im Ausmaß von einigen Metern in einem allenfalls durch Alkohol oder Suchtmittel – hier wohl wenn überhaupt durch Substitol - beeinträchtigten Zustand weg.

Das Absehen von einer Bestrafung scheint daher auch hier im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit geboten. In dem im Rahmen der Beweiswürdigung festgestellten geringen Verschuldens und der fehlenden nachteiligen Tatfolgen, besteht auf die Anwendung des § 21 VStG letztlich ein Rechtsanspruch der im Sinne der neu gestalteten Rechtslage nicht vorenthalten werden darf (VwGH 13.12.1990 90/09/0141 und VwGH 27.2.1992, 92/02/0033 mit Hinweis auf VfGH v. 15.3.2000, G 211/98-9).

Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

H i n w e i s:

Gegen diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220,00 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

 

Beschlagwortung:

Bewegen eines KFZ im Auftrag der Polizei von nur 10 m. Absehen von Strafe.

 

 

 

 

VwSen-166455/4/Br/Th vom 11. November 2011

 

Erkenntnis

 

VStG §21 Abs1

StVO 1960 §99 Abs1 litb

 

Im Sinne der einschlägigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfSlg 15.772/2000) scheint ein Absehen von einer Bestrafung gem § 21 Abs 1 VStG auch bei Erfüllung des Verwaltungsstraftatbestandes des § 99 Abs 1 lit b StVO 1960(Verweigerung der Atemluftuntersuchung) dann – im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen – geboten, wenn etwa die Fahrt nur im Wegstellen eines Fahrzeuges – hier im Auftrag der Polizei – motiviert ist.

 

Beachte:


Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.


VwGH vom 11. September 2013, Zl.: 2012/02/0021-8

 

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