Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281340/16/Kl/Hu

Linz, 27.10.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, x, vertreten durch x, x, x und x Rechtsanwälte, x, x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 5.7.2011, BZ-Pol-09057-2010, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 8. September 2011 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass in der verletzten Rechtsvorschrift die BauV mit "§ 7 Abs.1 und Abs.2 Z1 und § 8 Abs.1 Z1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl.Nr. 340/1994 idF BGBl.II Nr.21/2010" zu zitieren ist.  

 

II. Der Berufungswerber hat einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 400 Euro, zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 5.7.2011, BZ-Pol-09057-2010, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 2.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 93 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm § 7 und § 161 Bauarbeiterschutzverordnung verhängt, weil er es als unbeschränkt haftender Gesellschafter und somit als iSd § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma x KG, x, x, zu verantworten habe, dass am 22.03.2010 auf der Reihenhäuserbaustelle x, im Bereich x-Straße, x, der Lichtschacht unmittelbar vor dem Hauszugang mit zwei Schaltafeln, somit weder tragsicher noch unverschiebbar, abgedeckt war, wobei beim Auftreten einer der Platten kippte bzw. verrutschte und dadurch x, ein Arbeitnehmer der Firma x, x, x, verunfallte und sich an der Schulter verletzte, obwohl aus dem im Polierbüro ausgehängten Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan hervorgeht, dass die Fa. Bauunternehmung x KG für folgendes zuständig ist: Abdeckungen von Schächten und Durchbrüchen: Abdecken, gegen Verrutschen sichern, täglich kontrollieren und obwohl bei Absturzgefahr Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen anzubringen sind und Absturzgefahr bei Öffnungen und Vertiefungen im Fuß- und Erdboden, wie Schächten, Kanälen, Gruben, Gräben und Künetten, bei Öffnungen in Geschossdecken, wie Installationsöffnungen oder in Dächern, wie Lichtkuppeln oder Sheddachöffnungen vorliegt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis im vollen Umfang angefochten. Es wurde die Aufhebung und Einstellung des Verfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass der Baupolier x unmittelbar vor Arbeitsschluss am 21.3.2010 die tragsichere Abdeckung entfernen ließ, um den Lichtschacht für die am nächsten Tag anstehende Schlosserarbeit vorzubereiten. Am Morgen des 22.3.2010 sollte ein Gitterrost im Winkel aufgeschraubt werden. Es gab daher vom 21.3.2010, ca. 17.00 Uhr, bis 22.3.2010, gegen 08.30 Uhr, keine Absicherung. Nach dem Entfernen der Absicherung wurde die Baustelle geschlossen und als solche gesichert. Am Morgen des 22.3.2010 sei das Fehlen der Abdeckung deutlich erkennbar gewesen und haben die Arbeitnehmer der Firma x die Baustelle betreten und vor dem Eintreffen des Schlossers sich Zugang zum Haus verschafft. Es war der offene Lichtschacht vor dem Hauseingang natürlich erkennbar und haben sich die Arbeitnehmer selbst an der Baustelle offensichtlich vorhandene Schaltafeln über den Lichtschacht gelegt. Die Abdeckung des Lichtschachtes ist nicht von Arbeitern der Bauunternehmung x durchgeführt worden. Es hätten daher der Bauleiter x und der Polier x die einschlägigen Vorschriften eingehalten. Die Kontrolle der Abdeckung sei regelmäßig erfolgt. Die Baustelle sei abgeschlossen gewesen und der Zutritt nur für Befugte ab Arbeitsbeginn am nächsten Tag gegeben gewesen. Aus dem Entfernen einer tragsicheren Abdeckung für den Zeitraum Arbeitsschluss bis Arbeitsbeginn am nächsten Morgen habe er kein Gefahrenmoment abgeleitet. Der abgedeckte Luftschacht sei leicht erkennbar gewesen. Die Arbeiter der Firma x hätten fahrlässig reagiert. Anstelle die tragsichere Abdeckung beim Polier zu urgieren oder abzuwarten, bis der Gitterrost aufgebracht war, hätten sie selbst eine offenbar untaugliche Absicherung mit Schalbrettern durchgeführt und das Unfallereignis kausal ausgelöst. Im Übrigen sei ein nicht vorhersehbares und unabwendbares Verhalten von verantwortlichen Dienstnehmern im Sinn einer spontanen Durchbrechung der Sicherheitsvorschriften erfolgt. Lässt der Polier x bei Betriebsschluss seine sichere Abdeckung zur Arbeitsvorbereitung für den nächsten Morgen beseitigen, liegt kein Organisationsverschulden oder eine unterlassene Überwachung bzw. Einweisung vor, sondern allenfalls ein schuldhaftes Verhalten des Poliers. Es sei bei der Größe des Unternehmens unmöglich, die Einhaltung aller Schutzvorschriften an allen Baustellen zu jeder Zeit zu kontrollieren. Der Berufungswerber habe das Personal in entsprechenden Sitzungen instruiert, regelmäßig geschult und für die jeweiligen Baustellen Bauleiter eingesetzt, und sei daher eine Delegation der Verantwortung von der Geschäftsführung zu den Bauleitern und Polieren erfolgt.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. September 2011, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Der Berufungswerber hat sich entschuldigt, er hat durch den Rechtsvertreter teilgenommen. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Ein Vertreter des zuständigen Arbeitsinspektorates hat an der Verhandlung teilgenommen. Weiters wurden die Zeugen x, x und x geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Berufungswerber ist unbeschränkt haftender Gesellschafter der x KG mit dem Sitz in x, x. Das Unternehmen führte auf der Baustelle Reihenhäuser x, im Bereich x-Straße in x Bauarbeiten durch und war aufgrund des gültigen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes zuständig für "Abdeckungen von Schächten und Durchbrüchen: Abdecken, gegen Verrutschen sichern, täglich kontrollieren". Am 22.3.2010 waren auf der Baustelle auch Arbeitnehmer der Firma x, x, nämlich Herr x, tätig. Diese waren schon seit Jänner 2010 auf der Baustelle tätig. Am 22.3.2010 wollte der Arbeitnehmer x kurz nach Arbeitsbeginn um 8.15 Uhr den Rohbau des ersten Reihenhauses betreten, um im 2. Obergeschoß beim Balkon noch Arbeiten durchzuführen bzw. nachzusehen, welches Material für die Arbeiten erforderlich sei. Vor dem Hauseingang dieses Reihenhauses befand sich ein Lichtschacht, welcher ca. 1,80 m tief ist. Er war mit zwei Schaltafeln nicht tragsicher und nicht unverschiebbar abgedeckt, sodass der Arbeitnehmer beim Betreten weggerutscht und in den Schacht gefallen ist. Der Arbeitnehmer war bereits vor dem Unfallszeitpunkt an Vortagen auf der Baustelle und auch in dem Reihenhaus tätig und war der Schacht immer abgedeckt. Der Arbeitnehmer hat nicht darauf geachtet, ob die Abdeckung befestigt war. Eine Warnung seitens des Bauleiters oder Poliers oder anderer Arbeitnehmer, dass eine sichere Abdeckung weggenommen wurde oder dgl., gab es weder am Vortag noch am Unfallstag selbst. Die Schaltafeln wurden jedenfalls nicht von dem Arbeitnehmer x dorthin gelegt.

Für die Baustelle der Reihenhausanlage gab es einen SiGe-Plan und war dieser sowohl dem Bauleiter x als auch dem Polier x von der x KG bekannt. Vom Bauleiter x wurde vor Beginn der Baustelle eine Evaluierung vorgenommen, um mögliche Gefahrenquellen zu erkennen. Das Ergebnis wurde mit dem Polier besprochen und auch mit den Arbeitern auf der Baustelle. Es wurde darauf hingewiesen, worauf bei dieser Baustelle im Hinblick auf Sicherheit zu achten ist. Zur Absicherung der Lichtschächte war ein Pfostenbelag mit Verschraubung an Kanthölzern vorgesehen. Es haben auch regelmäßige Begehungen durch den Baukoordinator stattgefunden, zuletzt vor dem Unfall am 18.3.2010, wobei außer einem kleinen Mangel an einem Gerüst keine Mängel auf der Baustelle vorgefunden wurden. Am 22. März 2010 in der Früh bei Arbeitsbeginn hätten der Gitterrost für den Lichtschacht montiert werden sollen. Das Naturmaß wurde schon ca. 2 Monate vorher abgenommen und der Gitterrost dann von der Firma nach Maß angefertigt. Es war auch nach Bauzeitplan so vorgesehen. Damit die Montage sofort beginnen konnte, wurden am Vortag, dem 21.3.2010 kurz vor Arbeitsschluss vom Polier x bzw. seinen von ihm angewiesenen Arbeitern die Absicherungen bzw. Abdeckung der Lichtschächte entfernt. Ein Ersatz für die entfernten Abdeckungen war nicht vom Polier vorgesehen. Die Baustelle war mit einem Bauzaun umgeben und wurde zu Arbeitsschluss am Abend versperrt. Es konnten daher Unbefugte die Baustelle nicht betreten. Am Morgen macht der Polier bzw. sein Vorarbeiter den Zaun wieder auf, dass die Arbeitnehmer auf die Baustelle können. Am Morgen des 22. März 2010 war jedoch weder der Polier noch der Bauleiter auf der Baustelle. Bei Eintreffen des später Verunfallten um ca. 8 Uhr auf der Baustelle war der Bauzaun bereits offen und waren noch andere Arbeitnehmer bereits auf der Baustelle tätig. Am 22.3.2010 am Morgen bzw. zum Unfallszeitpunkt war weder der Bauleiter noch der Polier auf der Baustelle anwesend. Der Bauleiter betreut mehrere Baustellen und kommt jedenfalls einmal in der Woche zur Baubesprechung, gelegentlich, wenn es notwendig ist, auch dazwischen auf die Baustelle. Der Polier betreut zu diesem Zeitpunkt drei Baustellen gleichzeitig, war aber am Tag einige Stunden auf der gegenständlichen Baustelle. Es war vereinbart, dass der Schlosser zu Arbeitsbeginn, also um 7 Uhr früh am 22.3.2010, kommen sollte. Dieser ist jedoch nicht rechtzeitig eingetroffen, sodass keine Gitterroste montiert waren.

Im Unternehmen gibt es eine jährliche Schulung, bei der alle  Mitarbeiter, Bauleiter und Poliere unterwiesen werden. Es ist Herr x für die jährliche Unterweisung zuständig. Weiters werden die Baustellen auch von Vertretern des ASZ kontrolliert und eventuelle Missstände aufgezeigt. Sicherheitsrelevante Themen werden auch bei den wöchentlichen Bauleitersitzungen besprochen. Herr x ist für die Sicherheitskonzepte und die Schulungen zuständig. Er kommt aber nicht auf die Baustellen. Die Baustellen werden von den Bauleitern kontrolliert. Die Mitarbeiter werden auch zu Beginn der Baustelle über Gefahrenquellen unterwiesen. Auch jeder Vorarbeiter jeder Firma und jeder Subfirma wird unterwiesen. So wurde auch der verunfallte x als Vorarbeiter der Firma x unterwiesen. Diese Unterweisung musste auch mit Unterschrift bestätigt werden.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ist einerseits durch die im Akt aufliegenden Fotos dokumentiert und erwiesen. Andererseits ist der Sachverhalt auch durch die Aussagen der einvernommenen Zeugen erwiesen. Grundsätzlich besteht an der Richtigkeit und Wahrheitsgemäßheit der Aussagen kein Zweifel. Wenn der Baupolier angibt, dass am 22.3. erst die Abmessungen des Gitterrostes abgenommen hätten werden sollen, der Bauleiter jedoch angibt, dass die Gitterroste selbst hätten montiert werden sollen, so ist die Darlegung des Bauleiters insbesondere im Hinblick auf den dargelegten Bauzeitplan nachvollziehbar und wird daher zugrunde gelegt. Im Übrigen steht aber im Grunde sämtlicher Aussagen zweifelsfrei fest, dass die sicheren Pfosten entfernt wurden und daher die Öffnung zum Lichtschacht im Eingangsbereich des Hauses ab Baustellenende am 21.3.2010 etwa 17.00 Uhr ungesichert verblieb. Es ist daher auch nicht erheblich, wer die nicht tragsicheren und nicht unverschiebbaren Schaltafeln auf den Schacht gelegt hat. Wesentlich ist, und dies ist auch als erwiesen festzustellen, dass zu Baustellenbeginn am 22.3.2010 eine ordnungsgemäße und sichere Abdeckung des Lichtschachtes nicht vorhanden war. Dies ergab die Aussage sämtlicher Zeugen und kann daher der Entscheidung zugrunde gelegt werden.  

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9), oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

Gemäß § 7 Abs.2 Z1 BauV liegt Absturzgefahr vor bei Öffnungen und Vertiefungen in Fuß- oder Erdboden, wie Schächten, Kanälen, Gruben, Gräben und Künetten. ...

Gemäß § 8 Abs.1 Z1 BauV sind geeignete Absturzsicherungen tragsichere und unverschiebbare Abdeckungen von Öffnungen und Vertiefungen.

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

5.2. Im Grunde der Feststellungen ist erwiesen, dass an der näher genannten Baustelle am 22.3.2010 gegen 8.15 Uhr der Arbeitnehmer x von der Firma x, x, Dacharbeiten ausführen wollten, konkret das Haus betreten und zum Balkon des zweiten Stockwerkes gelangen wollte, dabei den unmittelbar vor dem Hauszugang mit zwei Schaltafeln nicht tragsicher und nicht unverschiebbar abgedeckten Lichtschacht betrat, wobei sich eine Platte beim Auftreten verschob bzw. verrutschte und dadurch der Arbeitnehmer in den ca. 1,8 m tiefen Schacht stürzte und sich verletzte. Nach dem an der Baustelle befindlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan ist die Firma x KG zuständig für die Abdeckung von Schächten und Durchbrüchen und sollte diese abdecken, gegen Verrutschen sichern und täglich kontrollieren. Entgegen dieser Anordnung wurden am Vortag vor Baustellenende die gesicherten Pfosten von Arbeitnehmern der x KG entfernt, weil am darauffolgenden Tag der Schlosser den Gitterrost montieren solle. Da sich der Schlosser verspätete, blieb der Lichtschacht am 22.3.2010 trotz Wiederbeginns der Baustelle ungesichert.

 

Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt. Der Berufungswerber ist unbeschränkt haftender Gesellschafter der x KG und hat daher die Übertretung verwaltungsstrafrechtlich gemäß § 9 Abs.1 VStG zu verantworten.

Dass hingegen gemäß den Ausführungen des Berufungswerbers die Schachtabdeckung erst abends vor Baustellenende am 21.3.2010 entfernt wurde und die Baustelle mit einem Bauzaun gesichert ist, kann jedoch die Übertretung nicht rechtfertigen. Insbesondere ist dem entgegen zu halten, dass ein Baustellenzaun lediglich eine Abgrenzung gegenüber Außenstehenden darstellt und Unbefugten das Betreten der Baustelle verwehren soll. Hingegen sind die an der Baustelle tätigen Arbeitnehmer berechtigt, die Baustelle zu betreten und haben diese auch bei Wiederbeginn der Baustelle am nächstfolgenden Tag auf der Baustelle weitergearbeitet. So auch der dann verunfallte Arbeitnehmer. Hingegen führte der Berufungswerber selbst sowie auch die Zeugen im Beweisverfahren aus, dass eine Schachtabdeckung entfernt wurde, eine sichere Ersatzmaßnahme aber nicht vorgesehen war, sondern am Morgen des darauffolgenden Tages, also am Unfalltag, dem 22.3.2010, der Schlosser den Gitterrost montieren sollte und daher eine Abdeckung nicht vorgesehen war. Da aber ein Betreten des Hauses vor dem Schlosser nicht ausgeschlossen war, Arbeiten auch vor Eintreffen des Schlossers am 22.3.2010 tatsächlich auf der Baustelle durchgeführt wurden und eine Sicherung des Schachtes am Morgen des 22.3.2010 nicht vorgesehen und auch nicht vorhanden war, hat der Berufungswerber seine Pflicht der zitierten Bestimmungen der BauV nicht erfüllt und daher rechtswidrig gehandelt. Im Übrigen widerspricht diese von ihm gewählte Vorgangsweise auch den Anordnungen des bestehenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes.

 

5.3. Der Berufungswerber hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmungen ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

 

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Auch hat der VwGH darauf hingewiesen, dass es für ein wirksames Kontrollsystem nicht ausreichend ist, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter bzw. Vorarbeiter und Poliere mit der Überwachung und Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind (VwGH 26.9.2008, 2007/02/0317). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Es reicht nicht, dass der Verunfallte selbst Vorarbeiter ist und an der Baustelle unterwiesen wurde. Es reicht auch nicht aus, dass die Arbeitnehmer bei jährlichen Schulungen über Sicherheitsvorkehrungen unterwiesen sind. Vielmehr ist ein Kontrollsystem aufzubauen und nachzuweisen, dass mit gutem Grund erwarten lässt, dass die Verordnungen und Unterweisungen auch tatsächlich von den Arbeitnehmern eingehalten werden. Ein solches Kontrollnetz wurde vom Berufungswerber nicht geltend gemacht und auch nicht unter Beweis gestellt. Vielmehr stellte sich heraus, dass der zuständige Polier des Unternehmens des Berufungswerbers selbstständig auf der Baustelle tätig ist und in Erwartung des Schlossers und des Montierens der Gitterroste die sichere Abdeckung des Schachtes entfernt hat und sohin gegen alle Anordnungen und Unterweisungen und gegen die Verwaltungsvorschriften verstoßen hat. Eine Kontrolle am Vortag sowie am Unfallstag hat es durch den Bauleiter oder den Berufungswerber nicht gegeben. Auch gab es keine Anweisungen hinsichtlich Ersatzmaßnahmen. Der vom Berufungswerber ins Treffen geführte Bauzaun hingegen ist nicht geeignet, den Berufungswerber zu entlasten. Der Bauzaun ist lediglich dafür geeignet, Unbefugten das Betreten der Baustelle nicht zu ermöglichen. Allerdings sind die auf der Baustelle tätigen Arbeitnehmer berechtigt, die Baustelle zu betreten. Sonstige Sicherheitsmaßnahmen bzw. Ersatzmaßnahmen wurden nicht getroffen. Insbesondere wurden keine Maßnahmen bzw. Kontrollmaßnahmen geltend gemacht, dass der Vorarbeiter entgegen der Anordnung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes und entgegen den Verwaltungsvorschriften Abdeckungen entfernt und einen Schacht ungesichert bis zum Eintreffen des Schlossers lässt. Dies ist als Verschulden zu werten. Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrmals ausgesprochen, so auch am 26.9.2008, Zl. 2007/02/0317, dass ein lückenloses Kontrollsystem insbesondere auch für den Fall Platz zu greifen hat, dass Arbeitnehmer – wie hier der Polier – aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen. Das Kontrollsystem soll nämlich genau dazu dienen, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen treffen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Vielmehr ist nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.9.2010, Zl. 2009/02/0097-5, für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich ua. aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, dh. sicher zu stellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

Indem der Berufungswerber ein diesen Anforderungen gerecht werdendes Kontrollsystem nicht eingerichtet und nicht nachgewiesen hat, hat er seiner Sorgfaltspflicht betreffend Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht entsprochen und liegt daher Verschulden, nämlich zumindest sorgfaltswidriges, nämlich fahrlässiges Verhalten des Berufungswerbers, vor.

 

Dass hingegen im Betrieb Herr x für die Schulungen der Mitarbeiter verantwortlich ist und jährliche Schulungen im Betrieb organisiert, reicht für eine Entlastung nicht aus. Vielmehr ist auch die Einhaltung der Anordnungen und Maßnahmen laut der Unterweisung zu kontrollieren. Hiebei ist wesentlich, dass nicht nur gelegentliche Kontrollen, wie zB. vom ASZ, stattfinden, sondern dass eine regelmäßige laufende Kontrolle auf der jeweiligen konkreten Baustelle durch den jeweils Vorgesetzten in der Hierarchieebene erfolgt.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß  der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde hat bei der Strafbemessung auf das besonders hohe Gefährdungspotential für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer Bedacht genommen und in der objektiven Strafbemessung berücksichtigt. Strafmilderungsgründe hat sie nicht zugrunde gelegt. Die persönlichen Verhältnisse wurden mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 4.500 Euro und keinen Sorgepflichten geschätzt.

 

Diesen Erwägungen wurde in der Berufung nichts entgegen gesetzt und wurden keine mildernden Umstände geltend gemacht. Es lagen daher keine Milderungsgründe vor. Erschwerend jedoch ist der Strafbemessung zugrunde zu legen, dass gegen den Berufungswerber vier rechtskräftige Vorstrafen vorliegen, darunter einschlägige Vorstrafen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. Diese Strafen waren nicht geeignet, den Berufungswerber zur Errichtung eines Kontrollsystems anzuhalten und ihn zu einer gesetzeskonformen Vorgehensweise zu bewegen. Es war daher eine angemessene Geldstrafe gerechtfertigt. Darüber hinaus war auch noch bei den objektiven Strafbemessungsgründen zugrunde zu legen, dass auch nachteilige Folgen, nämlich die Körperverletzung des verunfallten Arbeitnehmers, eingetreten sind. Dies hat bei der Schwere des Unrechtsgehaltes der Tat Berücksichtigung zu finden. Da die verhängte Geldstrafe nur im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens liegt, kann daher nicht gefunden werden, dass die verhängte Geldstrafe überhöht ist. Die verhängte Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe erweist sich als tat- und schuldangemessen und auch den persönlichen Verhältnissen angepasst. Sie konnte daher bestätigt werden.

 

Ein Überwiegen von Milderungsgründen war nicht festzustellen, weil keine Milderungsgründe vorliegen, sodass eine außerordentliche Milderung gemäß § 20 VStG nicht in Betracht zu ziehen war. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das tatbildmäßige Verhalten des Beschuldigten nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Mangels dieser Voraussetzung war daher auch von einem Absehen der Strafe gemäß § 21 VStG nicht Gebrauch zu machen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 400 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

 

 

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