Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522935/9/Zo/Gr

Linz, 02.11.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Gottfried Zöbl über die Berufung des Herrn X, vertreten durch X vom 1. August 2011 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 6. Juli 2011, Zahl: VerkR21-323-2009, wegen Entziehung der Lenkberechtigung zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Abs.1 AVG iVm § 7 Abs.1, Abs.3 Z.11, 24 Abs.1 und 25 Abs.1 FSG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag des Berufungswerbers vom 10. Juni 2011 auf Wiedererteilung der Lenkberechtigung für die Klasse B abgewiesen. Weiters wurde ihm die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 18 Monaten, gerechnet ab 10. Juni 2011, dass ist bis einschließlich 12. Februar 2012, entzogen. Für denselben Zeitraum wurde ihm auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Motorfahrrädern verboten.  

 

2. Der Berufungswerber hat dagegen am 1. August 2011 eine Berufung eingebracht, in welcher anführte, dass er die Begründung nach Rücksprache mit seinem Rechtsbeistand nachreichen werde. In dieser Berufungsbegründung, welche am 8. September 2011 beim UVS einlangte, führte der Vertreter des Berufungswerbers zusammengefasst aus, dass er zwar mit Urteil des LG Wels vom 11. Februar 2011 wegen verschiedener Tatbestände des § 28a Abs.1 sowie § 28 Abs.1 Suchtmittelgesetz zu einer neunmonatigen Haftstrafe, allerdings zur Gänze bedingt, verurteilt worden sei. Er nehme seit Dezember 2010 keinerlei Drogen mehr zu sich und diese positive Zukunftsprognose sei auch der Grund für die relativ geringfügige und zur Gänze bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe gewesen. Das LG Wels sei daher der Ansicht gewesen, dass es keiner unbedingten Freiheitsstrafe bedürfe, um ihn von weiteren Suchtmitteldelikten abzuhalten.

 

Sein Verhalten sei zwar durchaus verwerflich gewesen, allerdings bestehe zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Gefährlichkeit mehr.

 

Die von der Erstinstanz festgesetzte Entzugsdauer von 18 Monaten sei daher nicht gerechtfertigt sondern es hätte mit einer Entzugsdauer von maximal sechs Monaten das Auslangen gefunden werden müssen.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der UVS des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Wahrung des Parteingehörs bezüglich der möglichen Verspätung der Berufung. Daraus ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber hat in der Zeit von Ende 2006 bis 1. Dezember 2010 eine große Menge Cannabispflanzen angebaut, bis zur Erntereife aufgezogen und daraus insgesamt ca. 2400 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von etwa zehn Prozent gewonnen. Er hat einen Teil davon, nämlich mehr als 500 Gramm Cannabisprodukte und außerdem etwa 760 Gramm Amphetamine sowie etwa fünf bis sechs Gramm Kokain an zahlreiche Abnehmer verkauft und mehrere weitere Übertretungen des SMG begangen hat. Er wurde deshalb zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt, welche gemäß    § 43 Abs.1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

 

Dem Berufungswerber war bereits mit Bescheid vom 26. November 2010 die Lenkberechtigung entzogen worden, weil er einen rechtskräftig angeordneten Facharztbefund für Innere Medizin nicht vorlegt hatte. Am 10. Juni 2011 wurde von der Amtsärztin der Erstinstanz seine befristete Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 festgestellt. Er beantragte daraufhin die Wiedererteilung der Lenkberechtigung, wobei auch darüber von der Erstinstanz mit dem angefochtenen Bescheid entschieden wurde.

 

Zur Rechtzeitigkeit der Berufung ist daraufhin zu weisen, dass der angefochtene Bescheid am 13. Juli 2011 beim Postamt X hinterlegt wurde. Der Berufungswerber befand sich nach seinem glaubwürdigen Vorbringen (Bestätigung des Arbeitgebers sowie eidestättlichen Erklärungen seiner Lebensgefährtin und seines Vaters) zum Zeitpunkt der Hinterlegung bei seiner Tante in Deutschland und holte den Bescheid erst am 18. Juli 2011 bei der Post ab. Seine Berufung vom 1. August 2011 ist daher rechtzeitig.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.      die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.      die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder

2. um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

 

 

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1.        die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2.        sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 hat gemäß § 7 Abs.3 Z11 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß § 28a oder § 31a Abs.2 – 4 SMG, BGBl. I Nr. 112/1997 in der Fassung BGBl I Nr. 111/2010 begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei in den in Abs. 3 Z. 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen sind.

 

5.2. Aufgrund es rechtskräftigen Urteils des LG Wels steht bindend fest, dass der Berufungswerber strafbare Handlungen gemäß § 28a SMG – und damit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z.11 FSG begangen hat. Diese Handlungen sind gemäß § 7 Abs.4 FSG zu werten, wobei insbesondere die Gefährlichkeit, die seither vergangene Zeit und das Verhalten des Berufungswerbers in dieser Zeit zu berücksichtigen sind. Der Berufungswerber hat über einen langen Zeitraum große Menge an Cannabisprodukten erzeugt, indem er selbst Cannabispflanzen aufgezogen hat. Diese hat er nicht nur für seinen eigenen Bedarf verwendet, sondern in einem durchaus erheblichen Ausmaß auch an Dritte weiterverkauft. Er hat auch große Menge an Amphetaminen sowie geringe Mengen Kokain an Dritte Personen weiterverkauft. Dieses Verhalten ist ausgesprochen verwerflich und wegen der von Suchtmitteln ausgehenden Gefahren auch besonders gefährlich. Suchtmitteldelikte im Zusammenhang mit Cannabis sind nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als so schwerwiegend einzuschätzen, weil die von Cannabis ausgehenden Gefahren nicht so hoch sind wie bei den sogenannten harten "Drogen", es darf aber auch nicht übersehen werden, dass der Berufungswerber auch mit Amphetaminen in großer Mengen und Kokain (wenn auch nur geringfügig) gehandelt hat. Der Berufungswerber war daher jedenfalls zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Bescheides verkehrsunzuverlässig.

 

Andererseits darf zu seinen Gunsten nicht übersehen werden, dass die Freiheitsstrafe vom Landesgericht Wels zur Gänze bedingt nachgesehen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof misst diesem Umstand in letzter Zeit eine erhebliche Bedeutung zu. (vgl. zum Beispiel die Entscheidung vom 14. Mai 2009, Zl. 2009/11/0048). Unter Berücksichtigung der in § 43 Abs.1 StGB genannten Kriterien (Art der Tat, Person des Rechtsbrechers, Grad seiner Schuld, Vorleben und Verhalten nach der Tat) genügte nach Ansicht des Strafgerichtes die bloße Androhung der Vollziehung allein, um den Beschwerdeführer von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Diese Umstände sind auch bei der Prognose bei der Verkehrsbehörde, ob sich der Berufungswerber wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, weiterer strafbarer Handlungen schuldig machen wird (§ 7 Abs.1 Z.2 FSG) zu berücksichtigen. Im konkreten Fall hat der Berufungswerber die strafbaren Handlungen am 1. Dezember 2010 beendet. Die Erstinstanz hat seiner Berufung gegen den Entzugsbescheid die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, weshalb der UVS den Entzugsbescheid nur dann bestätigen könnte, wenn der Berufungswerber auch zum jetzigen Zeitpunkt (und noch für mindestens für drei weitere Monate - § 25 Abs.3 FSG) als verkehrsunzuverlässig anzusehen wäre. Dise würde im Ergebnis eine Gesamtdauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von 13 Monaten gerechnet ab Tatende bedeuten. Unter Abwägung aller oben dargestellten Überlegungen - insbesondere der zur Gänze bedingten Strafnachsicht – erscheint eine derart lange Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit jedoch nicht vertretbar, weshalb der Berufung im Ergebnis zur Gänze stattzugeben war.

 

Festzuhalten ist, dass die Erstinstanz unter Berücksichtigung des amtsärztlichen Gutachtens vom 10. Juni 2010 die Lenkberechtigung des Berufungswerbers entsprechend einzuschränken hat.


 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

Mag. Gottfried Zöbl

 

 

 

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