Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166180/2/Fra/Gr

Linz, 03.08.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X vertreten durch Herrn Rechtsanwalt X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 16. Juni 2011, AZ: S-21509/11-4, betreffend Übertretung des § 1 Abs.3 FSG, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z.2 VStG; § 66 Abs.1 VStG

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 1 Abs.3 FSG gemäß §§ 37 Abs.1 iVm § 37 Abs.4 Z.1 leg.cit eine Geldstrafe von 726 Euro (EFS 14 Tage) verhängt, weil er am 18. April 2011 um 09:52 Uhr in Linz, Untere Donaulände 36, das KFZ, Kennzeichen: X, gelenkt hat, ohne im Besitz einer von der Behörde erteilten, gültigen Lenkberechtigung für die Klasse "B" zu sein, da ihm diese bescheidmäßig entzogen wurde.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 Prozent der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bundespolizeidirektion Linz – als nunmehr belangte Behörde – legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51 c erster Satz VStG).

 

3. Dem Bw wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. Dezember 2010, AZ: FE-1210/2010, die von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn am 26. Mai 1995 unter der Zahl: VerkR20-2581-1994/BR, für die Klassen B, C, E und F erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7 FSG) gemäß § 24 Abs.1 FSG für die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen. Weiters wurde er verpflichtet, seinen Führerschein unverzüglich nach Rechtskraft dieses Bescheides bei der Bundespolizeidirektion Linz abzuliefern.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat mit Erkenntnis vom 4. April 2011, VwSen-522777/8/Fra/Bb/Gr, die dagegen erhobene Berufung abgewiesen und den angefochtenen Bescheid bestätigt. Dieses Erkenntnis wurde dem Vertreter des Bw am 12. April 2011 zugestellt. Dem Bw war daher die Lenkberechtigung vom 12. April 2011 (Zustellung des o.a. Erkenntnisses) bis einschließlich 26. April 2011 entzogen.

 

Der Bw lenkte am 18. April 2011 um 09:52 Uhr in Linz, Untere Donaulände 36, das KFZ mit dem Kennzeichen: X. Der Bw hat sohin innerhalb der o.a. Entziehungsdauer das angeführte Kraftfahrzeug trotz entzogener Lenkberechtigung gelenkt. Die Bundespolizeidirektion Linz hat daher mit Mandatsbescheid vom 19. April 2011, AZ: FE-494/2011, dem Bw die von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn am 26. Mai 1995 unter der Zahl: VerkR20-2581-1994/Br, für die Klassen B, C, E und F erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab 27. April 2011, entzogen. Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Bw am 20. April 2011 zugestellt. Dagegen erhob der Bw binnen offener Frist einen mit 2. Mai 2011 datierten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie das Rechtsmittel der Vorstellung. Am 3. Mai beantragte der Bw die Wiederausfolgung seines Führerscheines. Die Bundespolizeidirektion Linz wies mit Bescheid vom 4. Mai 2011, AZ: FE-494/2011, FE-1210/2010, den Antrag des Bw vom 2. Mai 2011 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Unzulässigkeit zurück und den Antrag vom 2. Mai 2011 auf ersatzlose Behebung des Mandatsbescheides vom 19. April 2011, AZ: FE-494/2011, ab und bestätigte diesen Mandatsbescheid. Weiters wies sie den Antrag vom 3. Mai 2011 auf Wiederausfolgung des Führerscheines gemäß § 28 Abs.1 Z.2 FSG ab.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wies die dagegen erhobene Berufung mit Erkenntnis vom 1. Juni 2011, VwSen-522865/2/Fra/Gr,als unbegründet ab und bestätigte diesen Bescheid. Der Begründung dieses Erkenntnisses ist zu entnehmen, dass das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 4. April 2011, VwSen-522777/8/Fra/Bb/Gr, am 12. April 2011 dem ausgewiesenen Vertreter zugestellt wurde. Mit diesem Bescheid wurde der Bw verpflichtet, unverzüglich nach Rechtskraft dieses Bescheides den Führerschein bei der Behörde abzuliefern. Durch diesen Bescheid wurde keine Leistungsfrist in Gang gesetzt, sondern lediglich auf die gesetzlich normierte Ablieferungspflicht hingewiesen. Der Vertreter des Bw war jedoch am 12. April 2011 – dem Zustelldatum des o.a. UVS-Erkenntnisses-ortsabwesend und kam erst am 18. April 2011 wieder in seine Kanzlei zurück. Dem Bw wurde bis zu diesem Zeitpunkt nicht mitgeteilt, dass er unverzüglich den Führerschein bei der Behörde abzugeben habe. Unbestritten ist sohin, dass der Bw am 18. April 2011 um 09:52 Uhr, weil er ein Kraftfahrzeug trotz entzogener Lenkberechtigung gelenkt hat, eine Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z.6 lit.a FSG verwirklicht hat. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wies in seinem Erkenntnis vom 1. Juni 2011, VwSen-522865/2/Fra/Gr, im letzten Absatz darauf hin, das Argument des Bw, es müsse auch die subjektive Tatseite beurteilt werden, sei deshalb nicht zielführend, weil dieses Element lediglich im Strafverfahren von Bedeutung ist. Faktum ist, dass der Bw die Tatsache "Lenken eines Kraftfahrzeuges trotz entzogner Lenkberechtigung" verwirklicht hat.

 

Bei seiner Einvernahme am 15. Juni 2011 vor der belangten Behörde im gegenständlichen Strafverfahren führte der Vertreter des Bw u.a. aus, dass ihm am 12. April 2011 das o.a. UVS-Erkenntnis in seine Kanzlei zugestellt wurde, welches am selbigen Tag in Rechtskraft erwuchs. Mit diesem UVS-Erkenntnis wurde die Entziehung der Lenkberechtigung seines Mandanten verfügt und angeordnet, dass diese unverzüglich der zuständigen Behörde abgeliefert werden muss. Er habe seinen Mandanten vom UVS-Erkenntnis am 18. April 2011 nach der Amtshandlung, welchem diesem Strafverfahren zugrunde liegt, in Kenntnis gesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sein Mandant nicht gewusst, dass er seinen Führerschein abzugeben gehabt hätte. Er selbst sei zwischen dem Zustelldatum des UVS-Erkenntnisses und dem 18. April 2011 nicht im Büro gewesen, habe jedoch regelmäßig mit seiner Sekretärin Kontakt gehabt. Auf seine Frage, ob es etwas Dringendes gebe, habe sie geantwortet: "Nichts, was nicht bis Montag Zeit hätte". Sie habe damit gemeint, dass noch Zeit genug übrig bliebe, um ein außerordentliches Rechtsmittel gegen das o.a. UVS-Erkenntnis zu ergreifen.

 

4. Die belangte Behörde vertritt in rechtlicher Beurteilung des o.a. Sachverhaltes die Auffassung, dass bei der Frage, ob und inwieweit das Verhalten der Sekretärin dem Vertreter des Bw zuzurechnen ist, derselbe strenge Maßstab der Judikatur anzulegen sei, wie bei Fristversäumnissen, die auf Fehler von Mitarbeitern eines berufsmäßigen Parteinvertreters zurückzuführen sind. Das Verhalten der Sekretärin des Vertreters des Bw und die daraus resultierende,um insgesamt vier Tage verspätete Weitergabe des Inhaltes des UVS-Erkenntnisses an den Bw sei insofern dem Vertreter des Bw zuzurechnen, als die Zustellung des UVS-Erkenntnisses, mit welchem die 14-tägige Entziehung der Lenkberechtigung des Bw ab Rechtskraft – welche ebenfalls vom 12. April 2011 eintrat-verfügt wurde, am 12. April 2011 rechtmäßig und wirksam in dessen Zurechnungssphäre zugestellt wurde und zwischen diesem Zustelldatum bzw. ab Rechtskraft des Erkenntnisses vom 12. April 2011 bis zum 26. April 2011 jedes Lenken eines Kraftfahrzeuges durch den Bw den Tatbestand des § 1 Abs.3 FSG iVm § 37 Abs.4 Z.1 leg.cit FSG erfüllte.

 

5. Der Vertreter des Bw hält in seinem Rechtsmittel dieser Argumentation der belangten Behörde entgegen, dass eines der wesentlichen Grundrechte im Verwaltungsstrafrecht im verfassungsrechtlichen Schuldprinzip bestehe. Der Begriff der Strafe als ein mit Tadel verbundenes Übel wegen schuldhafter Verletzung von Ver- oder Geboten der Rechtsordnung setze voraus, dass der Täter gegen eine ihn treffende Verhaltensregelung verstoßen habe. Der Grundsatz, das strafrechtliche Verantwortlichkeit nur an eigenes Verhalten geknüpft sein darf, ist für den VfGH so selbstverständlich, dass er in den einschlägigen verfassungsrechtlichen Garantien (Art. 90 ff B-VG, Art. 6 und 7 EMRK) unausgesprochen vorausgesetzt wird. (VfSlg. 15.200/1998). Eine Vorschrift, welche die Strafbarkeit einer physischen Person an die Übertretung von Verboten, die eine andere physische Person betreffen, knüpft, verletze diese Verfassungsbestimmung regelmäßig. Gerade dies habe jedoch die belangte Behörde mit diesem Straferkenntnis verwirklicht. Die Behörde stelle den unbestrittenen Sachverhalt, dass er vom Entzug der Lenkberechtigung nichts wusste, demnach das seinem Rechtsvertreter vorwerfbare Verhalten seinem Verhalten gleich. Der Beschuldigte bleibe immer dann von Strafe frei, wenn er glaubhaft macht, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist. Sohin falle eine Schuld nur dem zu Last, der sich auch der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst ist oder doch bei gehöriger Aufmerksamkeit bewusst sein konnte. Von der Behörde werde auch richtigerweise nicht in Zweifel gezogen, dass er bei seiner Anhaltung am 18. April 2011 keine Kenntnis über den rechtskräftigen Entzug der Lenkberechtigung hatte. Somit stehe völlig unzweifelhaft fest, dass ihn keine persönliche Schuld am Lenken eines Fahrzeuges ohne Lenkberechtigung treffen kann.

 

6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Beim gegenständlichen Tatvorwurf handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt. Bei diesen Delikten ist das Verschulden des Täters nicht von der Behörde zu beweisen, sondern "ohne weiteres" anzunehmen. Dem Beschuldigten steht es jedoch frei, diese Vermutung durch Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit zu widerlegen. Der "Entlastungsbeweis" ist aber nicht notwendig, wenn die Behörde schon bei der Ermittlung des äußeren Tatbestandes schuldausschließende Umstände feststellt (§ 5 Abs.1 VStG). Einen Schuldausschließungsgrund bildet u.a. auch der Tatbildirrtum. Beim Tatbildirrtum irrt der Täter über jene Umstände, die zum Tatbild gehören, also über die äußere Tatseite. Wenn der Beschuldigte über die (das Tatbild) erfüllende Sachlage irrt, bedeutet dies noch nicht, dass ihm sein Verhalten nicht vorwerfbar ist. Vorsatz ist ihm zwar nicht vorzuwerfen, aber sehr wohl Fahrlässigkeit, wenn sein Irrtum auf Fährlässigkeit beruht. Fährlässiges Verhalten setzt das Außerachtlassen zumutbarer Vorsicht voraus (VwGH 26. April 2001, 2000/07/0039).

 

Die Ansicht, dass ein Irrtum der Verschuldensform der Fahrlässigkeit zu zurechnen sei, ist irrig. Auch der Irrtum beseitigt, falls dieser unverschuldet ist, die culpa. Dies ergibt sich bereits aus der Fassung des § 5 Abs.2 VStG, wonach die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens nicht einsehen konnte. Wenn demnach unter gewissen Umständen die Unkenntnis der Gesetzesvorschrift, also ein Rechtswidrigkeitsirrtum, als beachtlich anerkannt wird, so ergibt sich daraus, dass umsomehr ein entschuldbarer Tatbestandsirrtum vor allem dann, wenn er einen error facti darstellt, die culpa ausschließen muss. Ein Schuldausschließungsgrund kann nur von jener Person ins Treffen geführt werden, bei der er eingetreten ist (VwSlg. 3534A/1954).

 

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der Bw zum Zeitpunkt der Anhaltung am 18. April 2011 um 09:52 Uhr von der Ablieferungspflicht des Führerscheines bzw. der Entziehung der Lenkberechtigung nichts wusste, da er von seinem Rechtsanwalt trotz Zustellung des o.a. UVS-Erkenntnisses am 12. April 2011 bis zu diesem Zeitpunkt nicht verständigt wurde. Wenn daher der Bw irrig der Auffassung war, er dürfe das KFZ: X, berechtigterweise lenken, liegt es völlig auf der Hand, dass dieser Irrtum nicht auf Fährlässigkeit beruhen kann, zumal es ihm nicht zumutbar ist, sich jeden Werktag bei seinem Rechtsanwalt zu erkundigen, ob nicht ein allenfalls abschlägiger Bescheid zugestellt wurde. Der Bw hat in objektiver Hinsicht tatbildlich gehandelt, ein Verschulden ist ihm jedoch nicht nachweisbar.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

7. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Johann Fragner

 

 

 

 

VwSen-166180/2/Fra/Gr vom 3. August 2011

 

Erkenntnis

 

FSG §1 Abs3;

FSG §37 Abs4 Z1;

VStG §5

 

Bei Ungehorsamsdelikten ist ein Tatbildirrtum dann schuldausschließend, wenn der Irrtum nicht auf Fahrlässigkeit beruht. Wird einem Rechtsanwalt ein Bescheid betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung zugestellt, der auch die unverzügliche Ablieferung des Führerscheines zur Folge hat und sein Mandant lenkt ein Kraftfahrzeug ohne von der Entziehung der Lenkberechtigung zu wissen, weil er von seinem Vertreter nicht verständigt wurde, hat er eine Übertretung des § 1 Abs3 iVm § 37 Abs4 Z1 FSG nicht zu verantworten.

 

 

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