Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730246/4/BP/MZ/Wu

Linz, 25.10.2011

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                      5A02, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, alias X, geb. X, StA von Armenien, X, vertreten durch Frau Rechtsanwältin X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Braunau am Inn vom 14. Juni 2011, GZ Sich40-29656, betreffend die Verhängung eines unbefristeten Rückkehrverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005, zu Recht erkannt:

 

Aus Anlass der Berufung wird der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

 

 

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Rechtsgrundlagen/Æñ³í³Ï³Ý ÑÇÙù:

§ 54 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2011/38

Art. 27 der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie)

§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Braunau am Inn vom 14. Juni 2011, GZ Sich40-29656, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein unbefristetes Rückkehrverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich erlassen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt im Wesentlichen aus, dass der Bw am 7. September 2005 gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Bruder illegal in Österreich eingereist sei und in Folge einen Asylantrag gestellt habe, der mit Bescheid des Bundesasylamtes Graz vom 6. November 2006 abgewiesen und worin zugleich eine Ausweisung in den Heimatstaat Armenien verfügt worden wäre. Die im Asylverfahren eingebrachte Berufung sei gegenwärtig zur Entscheidung beim Asylgerichtshof anhängig.

 

Während seines Gastaufenthaltes im Bundesgebiet der Republik Österreich sei der Bw wegen vorsätzlich begangener Straftaten wiederholt rechtskräftig verurteilt worden.

 

Der Bw sei mit Urteil des BG Vöcklabruck vom 6. November 2008 wegen Körperverletzung und Diebstahls zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je € 2.-, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, sowie mit Urteil vom 19. Mai 2010 wegen unbefugten Waffenbesitzes zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt worden.

Mit Urteil des LG Wels vom 26. Februar 2009 sei eine Verurteilung wegen versuchter schwerer Nötigung und Körperverletzung zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 3 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, sowie mit Urteil vom 30. März 2009 wegen teils vollendetem, teils versuchtem gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, 8 Monate davon bedingt, erfolgt.

 

Der ersten Verurteilung sei ein Nasenbeinbruch durch das Versetzen eines Kopfstoßes sowie die Wegnahme eines Sturzhelmes im Wert von 50.- Euro zugrunde gelegen.

Die zweite Verurteilung sei erfolgt, da der Bw einer näher genannten Person eine Schusswaffe an den Kopf gehalten habe, um sie dadurch von der Erstattung einer Strafanzeige abzuhalten. Weiters habe der Bw einer anderen Person durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht eine Nasenprellung und eine Halswirbelsäulenprellung zugefügt.

Der dritten Verurteilung läge zugrunde, dass der Bw anderen fremde bewegliche Sachen teils durch Einbruch in ein Gebäude, teils durch Einbruch in einen in einem Gebäude oder Transportmittel befindlichen geschlossenen Raum, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, teils weggenommen, teils wegzunehmen versucht habe. Es folgt eine detaillierte Auflistung der vom Bw begangenen Taten.

Schließlich liege der Grund der vierten Verurteilung darin, dass der Bw trotz aufrechten Waffenverbots einen Schlagring besessen habe.

 

Zum Familienleben des Bw führt die belangte Behörde aus, dass dessen Eltern und dessen Bruder als Asylwerber in Österreich aufhältig seien. Der Bw selbst lebe nicht mehr im gemeinsamen Familienverband.

 

Einer Aufforderung der nunmehr belangten Behörde, binnen einer gesetzten Frist zur beabsichtigten Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes Stellung zu nehmen, sei der Bw bis zur Bescheiderlassung nicht nachgekommen.

 

1.1.2. Verkürzt führt die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht nach Wiedergabe der einschlägigen legistischen Bestimmungen aus, dass das gegenständliche Rückkehrverbot in das Privat- und Familienleben des Bw eingreife. Der mittlerweile volljährige Bw lebe nicht mehr mit seiner Kernfamilie im gemeinsamen Familienverband, ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu diesem sei nicht erkennbar. Neben der Aufenthaltsdauer des Bw in Österreich sei auch dessen Gesamtverhalten sowie dessen derzeitige Lebenssituation zu berücksichtigen. Ein Versicherungsdatenauszug habe ergeben, dass der Bw während seines 6-jährigen Aufenthalts lediglich für etwa 5 ½ Monate erwerbstätig gewesen sei. Derzeit schienen keine Daten über eine bestehende Krankenversicherung auf, weshalb ernsthaft zu befürchten sei, dass im Falle von Krankheit oder Unfall des Bw Mittel der öffentlichen Hand für eine etwaige medizinische Behandlung aufgewendet werden müssen.

 

Es folgt eine Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen des Staates an der Erlassung eines Rückkehrverbotes und der privaten Interessen des Bw am Verbleib in Österreich. In einer im Anschluss vorgenommenen Gesamtabwägung gelangt die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Erlassung des gegenständlichen Rückkehrverbots insbesondere zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten ist. Abschließend erfolgen Ausführungen bezüglich der Bemessung der Dauer des Rückkehrverbots.

 

1.2. Gegen diesen – am Montag den 20. Juni 2011 zugestellten – Bescheid erhob der Bw durch seine rechtsfreundliche Vertretung mit Schriftsatz vom 4. Juli 2011, zur Post gegeben am gleichen Tage, rechtzeitig Berufung.

 

In der Berufung wird dem im angefochtenen Bescheid dargestellten Sachverhalt im Wesentlichen nicht entgegengetreten. Der Bw bringt jedoch – zusammengefasst – ergänzend vor, am X am Standesamt der Gemeinde X die deutsche Staatsbürgerin X, geb. am X, geheiratet (eine Kopie der Heiratsurkunde liegt dem Rechtsmittel bei) und mit dieser einen Hauptwohnsitz in X, gegründet zu haben.

Frau X gehe in Österreich einer regelmäßigen Beschäftigung nach und könne so für den gemeinsamen Unterhalt sorgen.

 

Der Bw gibt weiters an, sein strafrechtlich relevantes Verhalten zutiefst zu bereuen. Er habe eingesehen, dass dieses eine Gefahr für die Allgemeinheit und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellte und werde in Hinkunft nie wieder straffällig werden.

 

Der Bw stellt daher die Anträge, die Berufungsbehörde möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass das gegen ihn erlassene unbefristete Rückkehrverbot aufgehoben und das Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes eingestellt, in eventu der gegenständliche Bescheid behoben und zur neuerlichen Entscheidung an die Erstinstanz zurückverwiesen wird.

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit der Bitte um Berufungsentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor. Bezüglich der sachlichen Zuständigkeit der erkennenden Behörde gilt es festzuhalten:

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl I 2011/38 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG 2005 in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen zuständig sind. Darüber hinaus stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, 2011/22/097, zusammengefasst fest, dass nach den maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle des rechtmäßigen Aufenthalts eines Fremden sowohl über die Beendigung des Aufenthaltsrechts entschieden als auch dem nicht mehr länger zum Aufenthalt berechtigten Drittstaatsangehörigen die Pflicht zum Verlassen des Bundesgebietes, sohin eine Rückkehrverpflichtung im Sinne der Rückführungsrichtlinie, auferlegt sowie der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet für einen bestimmten Zeitraum oder für unbefristete Zeit untersagt, sohin auch ein Einreiseverbot im Sinne der Rückführungsrichtlinie ausgesprochen werde. Diese Vorgangsweise, nämlich mit einer einzigen Entscheidung das Aufenthaltsrecht zu beenden sowie unter einem die Rückkehr des Drittstaatsangehörigen anzuordnen und ihm den künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verbieten, stelle sich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 6 Rückführungsrichtlinie als zulässig dar. Ungeachtet dessen seien dabei nach dieser Bestimmung die Verfahrensgarantien des Kapitels III der Rückführungsrichtlinie einzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es sohin als nicht zweifelhaft, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes – unabhängig von der Benennung des innerstaatlich festgelegten Rechtsinstituts – um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Z 4 Rückführungsrichtlinie und ein Einreiseverbot im Sinne des Art. 3 Z 6 dieser Richtlinie handelt, bei deren Erlassung die in der Richtlinie festgelegten Verfahrensgarantien einzuhalten seien. Daraus folge aber, dass für Entscheidungen über eine dagegen gerichtete Berufung seit Ablauf der Frist zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie die Unabhängigen Verwaltungssenate zuständig seien.

 

Gleiches hat im gegenständlichen Fall zu gelten, da sich das vom Bw bekämpfte Rückkehrverbot von der Wirkung her von einem Aufenthaltsverbot nicht unterscheidet.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister sowie durch Einholung eines Versicherungsdatenauszugs betreffend Frau X. Weiters erfolgte ein Telefonat mit Herrn X, Standesbeamter der Gemeinde X.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1.1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten und vom Bw in keinster Weise bestrittenen Sachverhalt aus.

 

Zusätzlich ergibt sich aus den vom Oö. Verwaltungssenat erhobenen Beweisen, dass der Bw sehr gut deutsch spricht, seit X mit der deutschen Staatsbürgerin X verheiratet ist und mit dieser einen gemeinsamen Wohnsitz teilt. Frau X ist seit 25. Juli 2011 als Arbeiterin bei der Firma X, X, beschäftigt; zuvor war sie als Arbeiterlehrling seit 6. April 2011 in Österreich sozialversichert. Ihr Hauptwohnsitz in X, besteht laut Zentralem Melderegister seit 14. März 2011.

 

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

3. In der Sache hat das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 16 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG , BGBl I 2005/100 in der Fassung BGBl I 2011/38, bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 2011/38 erlassene Rückkehrverbote gemäß § 62 bis zum festgesetzten Zeitraum weiterhin gültig.

 

Aufgrund der zwischen dem Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde und dem Entscheidungszeitpunkt der Rechtsmittelbehörde erfolgten Novellierung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 durch das Bundesgesetz BGBl I 2011/38 gelangt bei der rechtlichen Beurteilung im gegenständlichen Fall nicht mehr – wie von der Erstbehörde zu Recht herangezogen – § 62 FPG 2005 (alt) sondern § 54 2005 (neu) zur Anwendung.

 

3.1.2. Gemäß § 54 Abs. 1 FPG 2005 ist gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

3.2.1. Asylwerber sind § 2 Abs. 1 Z 14 des Asylgesetzes 2005 zufolge Fremde ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens. Wie aus einer EKIS-Abfrage hervorgeht, ist das Asylverfahren des Bw noch nicht abgeschlossen; er ist daher Asylwerber im Sinne der zitierten Legaldefinition. Daran vermag auch die Tatsache, dass der Bw eine deutsche Staatsbürgerin, Frau X, welche in Österreich arbeitet und damit von der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheit des freien Personenverkehrs (konkret: von der Arbeitnehmerfreizügigkeit) Gebrauch macht, am X geehelicht hat, nichts zu ändern.

 

3.2.2. § 54 FPG 2005 ist aufgrund der Asylwerbereigenschaft des Bw im gegenständlichen Rechtsmittelverfahren daher grundsätzlich anzuwenden. Dies führt allerdings insofern zu einem Systemkonflikt, als das Fremdenpolizeigesetz 2005 für bestimmte Personengruppen einen – gegenüber "bloßen" Fremden – erhöhten Aufenthaltsschutz vorsieht.

 

Die für die verschiedenen Personengruppen unterschiedlichen Regelungen finden sich zum einen im 1. Abschnitt des 8. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005, der unter der Überschrift "Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen nicht rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige" steht, und dem auch der hier prima vista einschlägige § 54 angehört. Zum anderen normiert der 4. Abschnitt des 8. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 "Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige sowie Familienangehörige von nicht unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und Österreichern".

 

Wer als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinne des 4. Abschnitts des 8. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 anzusehen ist, wird in § 2 Abs. 4 Z 11 FPG 2005 legal definiert. Demnach ist der Ehegatte einer EWR-Bürgerin, welche ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von mehr als 3 Monaten in Anspruch genommen hat, begünstigter Drittstaatsangehöriger, sofern ihm Unterhalt tatsächlich gewährt wird.

Frau X, die Gattin des Bw, hat am 14. März 2011 in Österreich einen Hauptwohnsitz gegründet und ist seit 6. April 2011 in Österreich sozialversichert. Sie nimmt daher seit mehr als 3 Monaten ihr aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit erfließendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet in Anspruch. Anhaltspunkte, dass Frau X ihrem im gemeinsamen Haushalt lebenden Gatten nicht tatsächlich Unterhalt gewähren würde, bestehen keine. Der Bw ist vor dem Hintergrund dieser Ausführungen daher als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen.

 

3.2.3. Verallgemeinernd lässt sich im Hinblick auf die beiden genannten Abschnitte des Fremdenpolizeigesetzes 2005 vergleichend festhalten, dass der Aufenthalt von Fremden, die dem 1. Abschnitt zu unterstellen sind, beendet werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass der weitere Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Der Aufenthalt von unter den 4. Abschnitt zu subsumierenden Fremden kann hingegen nur dann beendet werden, wenn deren Verbleib im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde. Zudem müssen, etwa bei gegebener längerer Aufenthaltsdauer, weitere, eine Aufenthaltsbeendigung erschwerende Gründe hinzutreten. Dem Anwendungsbereich des 4. Abschnitts unterfallende Personen sind somit gegenüber jenen, die dem 1. Abschnitt zu unterstellen sind, in Verfahren, die eine Aufenthaltsbeendigung im weiteren Sinne zum Gegenstand haben, als privilegiert anzusehen.

 

Aus Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist im gegenständlichen Fall daher zu klären, ob aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Personen, die zugleich Asylwerber und begünstigte Drittstaatsangehörige sind, aufgrund des 1. Abschnittes oder aufgrund des 4. Abschnittes des 8. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 zu erlassen sind. Anhaltspunkte, welchem Abschnitt in diesem Sonderfall der Vorrang zukommen soll, finden sich weder im Gesetz noch in den Materialien. Oder anders gewendet: Der hier vorliegende Fall, dass ein Fremder gleichzeitig dem 1. und dem 4. Abschnitt des 8. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 zu unterstellen ist, wurde vom Gesetzgeber weder ausdrücklich noch implizit geregelt.

 

3.2.4. Auf innerstaatlicher Ebene spräche aus Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich im konkreten Fall nichts gegen eine Anwendung der Bestimmungen über die Erlassung von Rückkehrverboten, da § 54 FPG 2005 einzig an den Status des Asylwerbers anknüpft. Anhaltspunkte dahingehend, dass es durch die zeitgleich gegebene Privilegierung als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu diesbezüglichen Einschnitten kommen soll, bestehen nicht.

Ein solches Ergebnis, bei dem letztlich bei der Beurteilung des im gegenständlichen Verfahren bekämpften Rückkehrverbots die Verehelichung des Bw mit einer von der unionsrechtlich gewährleisteten Personenfreizügigkeit Gebrauch machenden Person keinen besonderen Niederschlag finden würde, stünde jedoch im Widerspruch zur Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (im Folgenden: Unionsbürgerrichtlinie).

 

Die am 30. April 2004 in Kraft getretene und bis zum 30. April 2006 durch die Mitgliedstaaten umzusetzende Unionsbürgerrichtlinie harmonisiert die Bestimmungen und Verfahren, welche in Mitgliedstaaten bezüglich der Geltendmachung von Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit für die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats und ihrer Familienangehörigen zur Anwendung kommen. Aufgrund des Ablaufs der Umsetzungsfrist haben die mit dem Vollzug des Fremdenpolizeigesetzes 2005 betrauten Behörden nicht in innerstaatliches Recht umgesetzte Teile der Richtlinie, die inhaltlich ausreichend konkret ("self executing") sind und die die Verfahrensparteien einseitig begünstigen, unmittelbar anzuwenden.

 

3.2.5. Art. 27 Abs. 1 und 2 UnionsbürgerRL legen fest, dass die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen – im Sinne von Art. 2 Z 2 lit a leg cit ist der Bw unzweifelhaft als Familienangehöriger anzusehen –, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken dürfen. Bei beschränkenden Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen ohne Weiteres nicht begründen. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

3.2.6. Die Art. 27 Abs. 1 und 2 UnionsbürgerRL sind vor dem Hintergrund der oben gemachten Ausführungen unmittelbar anzuwenden. Die darin befindlichen Tatbestände treten sohin zu den in § 54 festgelegten Tatbestandsmerkmalen hinzu respektive überlagern sie diese im Fall des Widerspruchs aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts.

 

3.3.1. In weiterer Folge gilt es zuvorderst, die Zulässigkeit des erlassenen Rückkehrverbots dem Grunde nach zu prüfen. Nur wenn diese zu bejahen ist, hat im Anschluss eine Auseinandersetzung mit der Befristung des Rückkehrverbotes zu erfolgen.

 

Im Rahmen dieser Prüfung ist festzustellen, ob das persönliche Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

3.3.2. Für den Bw und damit gegen die Erlassung eines Rückkehrverbotes spricht, dass der Bw sich seit nunmehr etwa 6 Jahren in Österreich aufhält. Es ist ihm weiters sein Bestreben, die deutsche Sprache zu erlernen bzw der diesbezügliche Erfolg – nach Aussage des befragten Standesbeamten verfügt der Bw über sehr gute Sprachkenntnisse – zugute zu halten.

 

Insbesondere ist dem Bw auch durch die Tatsache, dass er am X Frau X geehelicht und mit dieser gemeinsam in einer Wohnung lebt, dessen Kernfamilie also in Österreich aufhältig ist, ein bestimmtes Maß an Integration bzw ein gewisses Interesse am Weiterverbleib im Bundesgebiet zuzubilligen. Zu einem bestehenden Privat- und Familienleben des Bw trägt weiters bei, dass dessen Eltern und dessen Bruder in Österreich aufhältig sind.

 

Schließlich ist zugunsten des Bw festzustellen, dass er sich – soweit ersichtlich – seit seiner letzten Verurteilung im Mai 2010 Wohlverhalten, dh keine weiteren Straftaten verübt, hat.

 

3.3.3. Die in obigem Punkt aufgezeigte längere Aufenthaltsdauer des Bw und die damit einhergehende Integration in Österreich ist insofern etwas zu relativieren, als der Bw am 7. September 2005 illegal in das Bundesgebiet eingereist ist. Legitimiert wurde dessen Aufenthalt bis zur Heirat von Frau X lediglich durch die Stellung eines Asylantrags, weshalb sich der Bw den Großteil der Aufenthaltsdauer über seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste.

 

Gegen den Bw und damit für die Erlassung eines Rückkehrverbotes spricht weiters – neben einer kaum vorhandenen Teilnahme am Erwerbsleben –, dass dieser in einem fremden Staat, in welchem er sich Aufnahme und Integration erhoffte, durch seine mehrmaligen Straftaten eine nicht unerheblich kriminelle Energie manifestiert hat. Vom Bw wurden mehrfach Eigentumsdelikte begangen sowie Delikte gegen Leib und Leben realisiert. Vor allem die Verwirklichung des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch wie auch Verstöße gegen das Waffengesetz zeugen davon, dass der Bw zumindest im Tatzeitraum weit von den Werten der hiesigen Gesellschaft entfernt war.

 

3.4. Die in den Punkten 3.3.2. und 3.3.3. getroffenen Feststellungen sind nunmehr zur Klärung der Frage, ob gegen den Bw ein Rückkehrverbot zu erlassen ist, gegeneinander abzuwiegen.

 

Im Wesentlichen für die Erlassung eines Rückkehrverbots sprechen die durch den Bw verwirklichten Straftaten. Eine genaue Analyse der erfolgten Verurteilungen ergibt jedoch, dass es sich dabei um sogenannte "Kleinkriminalität" handelt. Vielfach wurden Lebensmittel und Getränke gestohlen, mehrfach wurden vom Bw auch "lediglich" Aufpasserdienste geleistet.

Zudem können allein strafrechtliche Verurteilungen Art. 27 Abs. 2 UnionsbürgerRL zufolge ohne Weiteres keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen begründen. Maßgeblich ist daher nicht primär, dass strafgerichtliche Verurteilungen ausgesprochen wurden, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

Zum gegenwärtigen Verhalten des Bw ist festzustellen, dass dieser seit längerem keine Straftat begangen hat. Durch die nunmehr gegebenen Gesamtumstände scheint es auch eher unwahrscheinlich zu sein, dass der Bw in Hinkunft wieder kriminell in Erscheinung tritt. Gegen einen Rückfall in alte Verhaltensmuster spricht nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich insbesondere die Heirat von Frau X, deren Muttersprache deutsch und die in Österreich erwerbstätig ist. Frau X hat damit beste Voraussetzungen für eine private und berufliche Integration außerhalb des bisherigen Milieus des Bw, weshalb auch von einem Milieuwechsel des Bw selbst ausgegangen werden kann. Schließlich sichert das Einkommen der Gattin des Bw deren beider Lebensunterhalt, weshalb eine Notwendigkeit zum Diebstahl von Lebensmitteln, Getränken, Zigaretten und kleineren Bargeldbeträgen in Zukunft nicht gegeben sein dürfte.

 

Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vermag es freilich nicht ausgeschlossen werden, dass der Bw in Zukunft wieder straffällig werden wird. Es vermag der belangten Behörde auch nicht entgegengetreten zu werden, dass ohne die Privilegierung, welche sich im konkreten Fall aufgrund der unmittelbaren Anwendung der Unionsbürgerrichtlinie ergibt, eine Gesamtabwägung der hier aufeinanderprallenden Schutzgüter zulasten des Bw ausgehen dürfte, dh ein Rückkehrverbot zu erlassen wäre. Dass der Bw jedoch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, darstellt, kann vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht erkannt werden.

 

3.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

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Bernhard Pree

Beschlagwortung:

Asylwerber und begünstigter Drittstaatsangehöriger; Unionsbürgerrichtlinie


VwSen-730246/4/BP/MZ/Wu vom 25. Oktober 2011

 

Erkenntnis

 

FPG 2005 §54;

UnionsbürgerRL Art27

 

Gemäß § 54 Abs1 FPG 2005 ist gegen einen Asylwerber unter näher genannten Voraussetzungen ein Rückkehrverbot zu erlassen. Der Bw ist Asylwerber iSd § 2 Abs1 Z14 AsylG 2005. Daran vermag auch die Tatsache, dass der Bw eine deutsche Staatsbürgerin geehelicht hat, welche in Österreich arbeitet und damit von der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheit des freien Personenverkehrs (konkret: von der Arbeitnehmerfreizügigkeit) Gebrauch macht, nichts zu ändern. Jedoch ist der Bw vor dem Hintergrund dieser Ausführungen auch als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen.

 

Dies führt allerdings insofern zu einem Systemkonflikt, als das FPG 2005 für bestimmte Personengruppen, ua für begünstigte Drittstaatsangehörige, einen – gegenüber "bloßen" Fremden – erhöhten Aufenthaltsschutz vorsieht. Verallgemeinernd lässt sich festhalten, dass der Aufenthalt von "bloßen" Fremden beendet werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass der weitere Verbleib im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Der Aufenthalt von begünstigten Drittstaatsangehörigen kann hingegen nur dann beendet werden, wenn deren Verbleib im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde. Zudem müssen, etwa bei gegebener längerer Aufenthaltsdauer, weitere, eine Aufenthaltsbeendigung erschwerende Gründe hinzutreten.

 

Fraglich ist, aufgrund welcher Bestimmungen aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Personen, die zugleich Asylwerber und begünstigte Drittstaatsangehörige sind, zu erlassen sind. Dahingehende Anhaltspunkte finden sich jedoch weder im Gesetz noch in den Materialien.

 

Auf innerstaatlicher Ebene spräche im konkreten Fall nichts gegen eine Anwendung der Bestimmungen über die Erlassung von Rückkehrverboten, da § 54 FPG 2005 einzig an den Status des Asylwerbers anknüpft. Anhaltspunkte dahingehend, dass es durch die zeitgleich gegebene Privilegierung als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu diesbezüglichen Einschnitten kommen soll, bestehen nicht. Ein solches Ergebnis, bei dem letztlich bei der Beurteilung des im gegenständlichen Verfahren bekämpften Rückkehrverbots die Verehelichung des Bw mit einer von der unionsrechtlich gewährleisteten Personenfreizügigkeit Gebrauch machenden Person keinen besonderen Niederschlag finden würde, stünde jedoch im Widerspruch zur UnionsbürgerRL.

 

Die am 30. April 2004 in Kraft getretene und bis zum 30. April 2006 durch die Mitgliedstaaten umzusetzende UnionsbürgerRL harmonisiert die Bestimmungen und Verfahren, welche in Mitgliedstaaten bezüglich der Geltendmachung von Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit für die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats und ihrer Familienangehörigen zur Anwendung kommen. Aufgrund des Ablaufs der Umsetzungsfrist haben die mit dem Vollzug des FPG 2005 betrauten Behörden nicht in innerstaatliches Recht umgesetzte Teile der Richtlinie, die inhaltlich ausreichend konkret ("self executing") sind und die die Verfahrensparteien einseitig begünstigen, unmittelbar anzuwenden.

 

Art 27 Abs1 und 2 UnionsbürgerRL legen fest, dass die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen – iSv Art 2 Z2 lita leg cit ist der Bw unzweifelhaft als Familienangehöriger anzusehen –, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken dürfen. Bei beschränkenden Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen ohne Weiteres nicht begründen. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

Die Art 27 Abs1 und 2 UnionsbürgerRL sind vor dem Hintergrund der oben gemachten Ausführungen unmittelbar anzuwenden. Die darin befindlichen Tatbestände treten sohin zu den in § 54 FPG 2005 festgelegten Tatbestandsmerkmalen hinzu respektive überlagern sie diese im Fall des Widerspruchs aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts.

 

 

 

 

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