Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240859/2/WEI/Ba

Linz, 30.11.2010

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des J W, Unternehmer, L S ,  O, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. C P, V, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 16. August 2011, Zl. SanLA 96-22-2011, betreffend Zurückweisung des Einspruchs gegen die Strafverfügung vom 11. Juli 2011 wegen verspäteter Einbringung zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Strafverfügung vom 11. Juli 2011, Zl. SanLA 96-22-2011-Ni/Pe, hat die belangte Behörde den Berufungswerber (im Folgenden nur Bw) auf der Grundlage eines Gutachtens der A vom 7. März 2011 in insgesamt drei Spruchpunkten wegen Übertretungen nach § 5 Abs 2 Z 1 und 2 iVm § 90 Abs 1 Z 1 LMSVG und der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 iVm § 90 Abs 3 Z 3 LMSVG schuldig erkannt, über ihn Geldstrafen von je 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafen von je 4 Stunden) verhängt und ihn zum Ersatz der Untersuchungskosten der A von 907,29 Euro verpflichtet.

 

1.2. Gegen diese Strafverfügung, die dem Bw nach einem erfolglosen Zustellversuch durch Hinterlegung beim Postamt  O am 15. Juli 2011 (Beginn der Abholfrist) zugestellt wurde, richtet sich der näher begründete und rechtsfreundlich verfasste Einspruch vom 29. Juli 2011, der laut Eingangsstempel der belangten Behörde am 1. August 2011 bei ihr eingelangte.

 

2.1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. August 2011, Zl. SanLA 96-22-2011-Stu, wies die belangte Behörde den Einspruch des Bw gegen die Strafverfügung gemäß § 49 Abs 1 und 3 VStG als verspätet zurück.

 

Zur wesentlichen Begründung führte die belangte Behörde aus:

 

"Die oben angeführte Strafverfügung wurde nachweislich am 15.07.2011 beim Postamt  O hinterlegt. Mit diesem Tag begann die Frist zu laufen.

Demnach ist die  Strafverfügung mit Ablauf des 29.07.2011 in Rechtskraft erwachsen. Der von Ihnen am 01.08.2011 an die Post übergebene Einspruch gegen die Strafverfügung langte am 01.08.2011 bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung ein. Ihr mit diesem Tag bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung eingelangter Einspruch gegen die Strafverfügung ist somit verspätet eingegangen und mit Bescheid zurückzuweisen."

 

2.2. Gegen diesen Zurückweisungsbescheid, der dem Bw nach dem aktenkundigen Zustellnachweis zu Händen seines Rechtsvertreters am 19. August 2011 zugestellt wurde, richtet sich die per Einschreiben am 2. September 2011  (W, Post-Partner) rechtzeitig zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, die am 6. September 2011 bei der belangten Behörde einlangte und mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides angestrebt wird.

 

Als Berufungsgrund wird unrichtige Sachverhaltsfeststellung geltend gemacht und begründend dazu ausgeführt:

 

"Bekämpft wird die Feststellung, dass der Einspruch des Berufungswerbers vom 29.7.2011 gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 11.7.2011 GZ SanLA96-22-2011-Ni/Pe am 1.8.2011 zur Post übergeben worden und damit der Einspruch nach Ablauf der Einspruchsfrist und somit verspätet erfolgt sei.

 

Richtig ist, dass gemäß dem in der Kopie beigeschlossenen Postaufgabeschein der Einspruch am 29.7.2011 an die Post übergeben wurde und der Einspruch daher innerhalb der Einspruchsfrist erhoben und somit rechtzeitig erfolgt ist.

 

Beweis: beiliegende Kopie des Postaufgabescheines, Zeuge Dr. C P, RA,                                   L

 

3. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat mit Vorlageschreiben vom 9. November 2011 die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid und ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, ohne eine Gegenschrift zur Berufung zu erstatten.

 

Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verfahrensakt und die Berufung samt Beilage festgestellt, dass der angefochtene Bescheid schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 49 Abs 1 VStG kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Bei rechtzeitigem Einspruch ist gemäß § 49 Abs 2 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten. Wurde der Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben, dann ist nach § 49 Abs 3 VStG die Strafverfügung zu vollstrecken.

 

Nach § 32 Abs 2 AVG (iVm § 24 VStG) enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats. Durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen können gemäß § 33 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG weder verkürzt noch verlängert werden.

 

4.2. Im gegenständlichen Fall wurde mit der Berufung eine Farbkopie des Postaufgabescheins zum Einspruch gegen die Strafverfügung vorgelegt. Aus diesem ist ersichtlich, dass laut Poststempel am 29. Juli 2011 beim Postamt  L eine Sendung zur vorgedruckten Aufgabenummer RQ 11 540 644 7 AT an die belangte Behörde übergeben worden ist. Auf dem zum Einspruch gehörenden Aufgabekuvert des Rechtsvertreters des Bw befindet sich die gleiche Aufgabenummer auf dem aufgeklebten Etikett "R EINSCHREIBEN REGISTERED". Somit lässt sich der Postaufgabeschein eindeutig dem aktenkundigen Aufgabekuvert des Rechtsvertreters des Bw zuordnen. Die insgesamt 4 aufgeklebten Briefmarken sind mit zwei Poststempeln entwertet, wobei einer nicht lesbar ist und der andere vom Postamt  L/U per 1. August 2011 stammt. Aus diesem Umstand hat die belangte Behörde auf eine Postaufgabe am 1. August 2011 geschlossen.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hält die voreilige Annahme der belangten Behörde bezüglich der Postaufgabe des Einspruchs am 1. August 2011 schon deshalb für bedenklich, weil der Einspruch nach dem Eingangsstempel der Behörde auch am 1. August 2011 bei ihr einlangte. Der Umstand dass bei einem normalen Einschreibebrief der Tag der Postaufgabe und jener der Postzustellung identisch sind, erscheint derart unwahrscheinlich (Ausnahme nur bei speziellen Eilsendungen denkbar), dass die belangte Behörde dies schon nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht hätte annehmen dürfen, ohne dazu vorher Parteiengehör zu gewähren.

 

Dazu kommt noch, dass der Stempel auf zwei Briefmarken vom Postamt L/U und damit vom Zustellpostamt (Zustellbasis) für die belangte Behörde stammt. Das für den Kanzleisitz des Rechtsvertreters näher gelegen Aufgabepostamt war im gegenständlichen Fall aber  L. Es ist anzunehmen, dass nach Postaufgabe am Freitag, dem 29. Juli 2011, erst am darauffolgenden Montag, dem 1. August 2011, die Zustellung über das Zustellpostamt  erfolgte. Möglichweise waren noch nicht alle Briefmarken durch Poststempel entwertet, weshalb dann zwei Briefmarken mit 1. August 2011 vom Postamt  abgestempelt wurden. So könnte sich dieser Poststempel erklären, den die belangte Behörde fälschlich als Postaufgabestempel interpretierte.

 

Im Ergebnis ist jedenfalls nunmehr durch die Berufung hinlänglich bescheinigt worden, dass die tatsächliche Postaufgabe am 29. Juli 2011 und damit noch innerhalb der Einspruchfrist von 2 Wochen (Zustellung am 15.07.2011) erfolgte. Da gemäß § 33 Abs 3 AVG die Tage des Postlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden, schadet es nicht, dass der rechtzeitig aufgegebene Einspruch erst am 1. August 2011 bei der belangten Behörde einlangte.

 

5. Aus den dargelegten Gründen ist der wegen Verspätung erlassene Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde zu Unrecht ergangen. Im Falle eines rechtzeitig eingebrachten Einspruchs ist nach § 49 Abs 2 Satz 1 VStG das ordentliche Verfahren einzuleiten.

 

Im Ergebnis war der Berufung stattzugeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

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