Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730520/6/SR/MZ/Wu

Linz, 24.11.2011

                                                                                                                                                        

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der X, geboren am X, Staatsangehörige von Brasilien, vertreten durch Frau RA X; gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 20. September 2011, AZ: 1031398/FRB, betreffend der Abweisung eines Antrages auf Aufhebung eines auf 5 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes für das Bundesgebiet der Republik Österreich zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs 1a, 69 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 20. September 2011, AZ: 1031398/FRB, zugestellt am 20. September 2011 an den (ehemaligen) Vertreter der Berufungswerberin (im Folgenden: Bw), wurde der Antrag der Bw auf Aufhebung eines mit Bescheid vom 28. Juli 2008 erlassenen, auf 5 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf Grundlage des § 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (im Folgenden: FPG) in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung abgewiesen.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass gegen die Bw mit Bescheid vom 28. Juli 2008 ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, weil sie wegen des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten schweren Erpressung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt wurde, wobei auch eine Verurteilung vom 11. Juli 2003 nach dem Suchtmittelgesetz zu berücksichtigen gewesen wäre.

 

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion des Bundeslandes Oberösterreich vom 22. September 2008 sei einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt, eine gegen den Rechtsmittelbescheid eingebrachte Beschwerde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0571-6, als unbegründet abgewiesen worden.

 

In ihrem Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes habe die Bw – zusammengefasst – vorgebracht, dass mittlerweile nunmehr 3 Jahre des auf 5 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes verstrichen seien, sie sich seit ihrer Haftentlassung wohl verhalten habe und keinerlei Gefahren mehr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit von ihr ausgingen.

Sie wäre aufrecht (neuerlich) mit dem österreichischen Staatsbürger X verehelicht und lebe mit ihrem Gatten und ihren beiden Kindern aus früheren Beziehungen am gemeinsamen ehelichen Wohnsitz in ortsüblichen Verhältnissen. Der Ehegatte würde für die Bw und ihre Kinder sorgen und verfüge auch über ein entsprechendes Einkommen. Die Bw gibt an, sozialversichert zu sein, nahezu perfekt deutsch zu sprechen und in einem harmonischen und glücklichen Familienverband zu leben. Ihre minderjährigen Kinder wären ebenfalls in Österreich vollständig integriert. Die Bw führt weiters an, sie bemühe sich um die Obsorge für ihre Tochter, hinsichtlich ihres Sohnes bestehe eine gemeinsame Obsorge mit ihrem Ex-Gatten, wobei sie die Bezugsperson des bei ihr lebenden Sohnes sei.

Für den Fall, nach Brasilien zurückkehren zu müssen, müssten auch die beiden Kinder mitgenommen werden. Diese würden aus der laufenden Ausbildung herausgerissen; Brasilien sei für sie de facto ein fremdes Land.

Weiters führe die Bw in ihrem Antrag aus, die im Jahr 2008 ausgesprochene Verurteilung sei aufgrund eines strafbaren Verhaltens aus dem Jahr 2004 zustande gekommen. Seither sei sie nicht mehr straffällig geworden. Die gegen sie ausgesprochene Haftstrafe habe sie zu zwei Dritteln verbüßt, der Rest sei unter Gewährung einer Probezeit nachgesehen worden. Aufgrund der verstrichenen Zeit sei daher auch die bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe nunmehr bereits getilgt. Eine die Bw betreffende Zukunftsprognose habe daher zu ihren Gunsten auszufallen.

Zusammenfassend sei festzuhalten, dass vor dem Hintergrund des aufrechten Familienlebens, der finanziellen Absicherung durch den Ehegatten und der Tatsache eines mittlerweile langjährigen deliktfreien Zeitraumes die seinerzeit vorgelegen habenden Gründe zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht mehr vorliegen würden.

In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen könne, wenn sich seit Erlassung des Bescheides die dafür maßgeblichen Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen sei.

Maßgeblich sei, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen sei, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zur Abwendung einer vom Fremden ausgehenden erheblichen Gefahr im Bundesgebiet erforderlich ist.

Wie sich aus dem die Bw betreffenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 2011 ergebe, begegne bezüglich der Bw angesichts ihres Fehlverhaltens eine Gefährdungsprognose im Sinn der einschlägigen Bestimmung keinen Bedenken. Dies ergebe sich in erster Linie aus den dargestellten, gewerbsmäßig über mehrere Monate gesetzten Erpressungshandlungen und der daraus resultierenden beträchtlichen Schadenssumme, der Bedrohung des Genötigten mit dem Tode sowie der Verwirklichung des begangenen Suchtgiftdelikts im Jahr 2002. Die Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe wegen des Suchtgiftdeliktes samt dreiwöchiger Untersuchungshaft habe die Bw nicht davon abhalten können, nach nicht einmal einem Jahr die schwerwiegenden Erpressungshandlungen durchzuführen.

Zwar beziehe sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5. Juli 2011 auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung vom 22. September 2008, doch stelle das zwischenzeitige Wohlverhalten keine Änderung des Sachverhaltes zugunsten der Bw dar, weil bei der Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots davon auszugehen sei, dass die Behörde das Wohlverhalten des Fremden während der Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme voraussetze.

Die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes sei weiters zwar nicht unmittelbar von der Tilgung von Straftaten abhängig, der Umstand, ob Straftaten bereits getilgt sind, wäre aber ein Anhaltspunkt für die Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes.

Im Fall der Bw seien die Verfehlungen derart schwerwiegend gewesen, dass die festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes als Beobachtungszeitraum einzuhalten sei, um eine positive Umkehr des zur Verurteilung führenden Lebenswandels der Bw und somit eine positive Zukunftsprognose feststellen zu können.

Was die familiären Verhältnisse betreffe, so sei die Bw zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides auch mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet gewesen und habe 2 Kinder gehabt, was bei der Bescheiderlassung auch berücksichtigt worden sei.

 

2. Gegen den am 20. September 2011 per E-Mail zugestellten Bescheid der belangten Behörde hat die Bw durch ihre nunmehrige Vertreterin mit Fax vom 4. Oktober 2011 rechtzeitig Berufung erhoben. Der Berufung liegen 17 Empfehlungsschreiben, Meldedaten, ein Lebenslauf, eine Heiratsurkunde, Staatsbürgerschaftsnachweise von X und X, ein Übergabsvertrag, eine Teilnahmebestätigung, ein Schreiben bezüglich einer Wiederholungsprüfung und ein Jahreszeugnis von X, ein Einkommenssteuerbescheid aus dem Jahr 2009, ein Arbeitsplatzangebot, eine Schulbestätigung, ein ärztliches Gesundheitszeugnis sowie Ladungen des Bezirksgerichtes X bei.

 

Einleitend stellt die Bw die Anträge, die erkennende Behörde möge eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag auf Aufhebung des gegenständlichen Aufenthaltsverbots stattgegeben werde. In eventu solle der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Erstinstanz zurückverwiesen werden.

 

Die Anträge begründet die Bw – auf das Wesentliche gekürzt – wie folgt:

 

Die Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich der familiären Verhältnisse seien pauschal bzw die persönliche Situation der Bw nicht erfassend. Diesbezüglich werde auf den beiliegenden Lebenslauf hingewiesen. Den jetzigen Gatten habe die Bw vor etwa 1 ½ Jahren kennen und lieben gelernt und erstmals in einer Beziehung Stabilität und Familienleben erfahren können. Die familiäre Situation habe sich insbesondere auch für X und X, die Kinder der Bw, welche im gemeinsamen Familienverband lebten, sehr zum positiven gewandelt. Zwischen dem Gatten der Bw und deren Kindern bestehe eine sehr gute, väterliche Beziehung. Die Kinder seien österreichische Staatsbürger, in Österreich fest verankert und besuchten die Schule. Die drohende Abschiebung der Mutter löse natürlich massive Ängste aus. Es könne den Kindern auch nicht zugemutet werden, mit ihrer Mutter nach Brasilien zu gehen, wo sie wiederum vor dem existenziellen Nichts stehen würden.

 

Die persönliche Geschichte des Gatten der Bw – diesbezüglich wird auf einen Brief desselben hingewiesen – gehe sicherlich sehr nahe. Der Ehemann der Bw und dessen Tochter hätten kein einfaches Schicksal hinter sich und es sei auch in einem wesentlichen Ausmaß der Bw zu verdanken, dass die Familie wieder mit beiden Füßen im Leben stehe. Der Gatte der Bw betreibe erfolgreich ein Unternehmen und könne für sich und seine Familie für den Lebensunterhalt sorgen. Die gesamte Situation gehe dem Gatten der Bw sehr nahe und wirke sich bereits auf seine Gesundheit aus.

 

Zusammengefasst stelle sich die Situation so dar, dass die Bw im Ort X bestens integriert und das Verhältnis zu den Nachbarn und zur Familie, zu Kunden, Arbeitskollegen und Freunden des Gatten sehr gut sei. Insbesondere werde immer wieder die liebenswerte und ehrliche Art der Bw hervorgestrichen. In einem Obsorgeverfahren bemühe sich derzeit der Gatte der Bw um die Obsorge des minderjährigen Sohnes der Bw. Die Bw spreche ausgezeichnet deutsch und bei Erhalt eines Visums würde zudem ein Arbeitsplatz gesichert sein. Die Bw leide an starken Magenschmerzen und stehe in ständiger ärztlicher Behandlung.

 

Die Lektüre aller Fakten und der vielen Empfehlungsschreiben ergebe ein sehr differenziertes Bild der derzeitigen Familiensituation der Bw. Es gehe darum, die Interessen der Kinder, welche mittlerweile 3 Jahre älter seien, miteinzubeziehen, aber auch die Interessen des nunmehrigen Gatten, dessen Tochter und der übrigen Verwandten. Den Sachverhalt damit abzuhandeln, dass eine Änderung des ursprünglichen Sachverhaltes nicht stattgefunden habe, da die Bw nunmehr auch wieder mit einem Österreicher verheiratet sei und zwei Kinder habe, entspreche nicht den verfahrensrechtlichen Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens, im Zuge dessen sehr wohl eine Auseinandersetzung mit dem vorgebrachten, aktuellen Sachverhalt zu erfolgen habe. Dies sei im gegenständlichen Fall nicht geschehen und werde von der erkennenden Behörde nachzuholen sein.

 

Seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien beinahe 3 ½ Jahre vergangen, in denen sich die Bw immer wohlverhalten und intensive familiäre Bindungen in Österreich geschaffen habe. Ein deliktsfreier Zeitraum von mehr als 7 Jahren sei gegeben und beinahe drei Viertel des Zeitraumes des verhängten Aufenthaltsverbotes verstrichen. Die Bw habe sich im ländlichen Ort X bestens integriert und sozialisiert und es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bw eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen würde. Die Gefährlichkeitsprognose hätte daher – entgegen der Ansicht der belangten Behörde – zugunsten der Bw ausfallen müssen.

 

Dem Rechtsmittel beiliegendem, von der Bw verfassten, Lebenslauf vom 3. Oktober 2011 sei zu entnehmen, dass die Bw 1996 in Brasilien den österreichischen Staatsbürger X kennen gelernt habe, kurz darauf erstmals nach Österreich eingereist sei und X 1997 geheiratet habe. Im gleichen Jahr sei die gemeinsame Tochter X geboren worden. Die aus einer früheren Beziehung stammende Tochter X sei vorerst in Brasilien geblieben und später nach Österreich nachgeholt worden. Noch 1997 sei der damalige Gatte arbeitslos geworden, habe zu trinken begonnen und sei der Bw gegenüber gewalttätig geworden.

 

1998 habe die Bw X, den künftigen Vater ihres Sohnes X, kennengelernt und diesen noch im selben Jahr – nach Scheidung vom bisherigen Gatten X – geheiratet. In Folge sei die Familie (die Bw, X und die Töchter X und X) auf Betreiben des Gatten hin nach Brasilien gezogen und habe dort bis 2001 gelebt. In dieser Zeit sei auch Sohn X geboren worden. Aufgrund finanzieller Probleme habe die Bw begonnen, in anderen brasilianischen Provinzen zu arbeiten. In dieser Zeit sei Sohn X bei seinem Vater, die Töchter bei der Mutter der Bw aufhältig gewesen. Mit X hätten zu diesem Zeitpunkt Beziehungsprobleme bestanden.

 

2001 sei die Bw mit X und ihrem Gatten nach Österreich geflogen, die Töchter seien in Brasilien geblieben. Die Beziehungsprobleme zwischen der Bw und X hätten weiter bestanden. Irgendwann 2001 sei dann X aus Brasilien nachgekommen, die Bw hingegen wiederum nach Brasilien geflogen, um über ihre familiäre Situation nachzudenken. In Brasilien sei sie von ihrem Gatten beauftragt worden, von einem Freund eine Schachtel abzuholen und nach Österreich zu schicken. Dass sich darin Kokain befunden habe, sei ihr nicht bewusst gewesen. Kurz nach ihrer Rückkehr nach Österreich sei die Bw dann verhaftet worden und habe 3 Wochen in Untersuchungshaft verbracht. In Folge sei X wegen eines früher begangenen Bankraubes verurteilt und in Haft genommen worden. Im Zuge eines Haftfreiganges habe X versucht, die Bw zu vergewaltigen. Da habe die Bw gemerkt, für ihren Mann nicht wertvoll zu sein, den Respekt vor ihm verloren und in Folge einen anderen Mann, X (Anmerkung der erkennenden Behörde: das spätere Erpressungsopfer), kennengelernt.

 

Etwa 2004 sei die Bw während aufrechter Ehe mit X von X schwanger geworden und nach Auffliegen der Affäre mit ihrem mittlerweile nicht mehr inhaftierten Gatten und den 3 Kindern X, X und X nach Brasilien zurückgekehrt. Vorher habe sie von ihrem X immer wieder aus freien Stücken große Geldbeträge erhalten und zwischenzeitlich sei – auf Betreiben der Gattin ihres Liebhabers hin – ein Haftbefehl gegen sie erwirkt worden. In Brasilien habe die Bw Zwillinge geboren, wobei ein Zwilling verstorben, der andere zur Adoption freigegeben worden sei.

 

Der Gatte der Bw sei 2007 nach Österreich zurückgekehrt, 2008 wieder nach Brasilien gekommen und habe die Bw überredet, mit ihm und Sohn X in die X zu gehen, da sie dort vor dem Haftbefehl sicher sei. Tochter X wäre bei ihrem Vater X in Österreich gewesen. (Anmerkung der erkennenden Behörde: Der Verbleib der Tochter X wird nicht weiter thematisiert.) Dort sei es schwer gewesen, Fuß zu fassen. Als die Bw nach einiger Zeit gemeinsam mit X nach Österreich fahren wollte, um Einrichtungsgegenstände abzuholen, sei sie an der Grenze festgenommen und in Folge nach gut 4 Monaten Untersuchungshaft zu einer Freiheitsstrafe von "acht Monate[n] unbedingt wegen schwerer Erpressung oder so" verurteilt worden. Wegen guter Führung wäre sie jedoch nur 4 Monate in Haft verblieben. Während der Haft seien ihre Kinder bei ihren leiblichen Vätern gewesen.

 

Kurz vor der Entlassung sei die Fremdenpolizei zur Bw gekommen und habe ihr mitgeteilt, dass sie Österreich nach der Haft verlassen müsse. Nach Haftende sei die Bw zu ihrem Gatten X zurückgekehrt, welcher sie sehr schlecht behandelt habe. Nach einem Gespräch mit einem Psychotherapeuten habe sie ihren Mann verlassen. Der damalige Freund X habe der Bw geholfen, eine neue Wohnung zu finden. Seither lebe sie in X.

 

Kurz darauf habe die Bw einen neuen Mann, X, kennengelernt und mit diesem eine einjährige Beziehung begonnen. Von ihrem bisherigen Gatten sei sie 2009 geschieden worden. Auch die neue Beziehung habe nicht funktioniert. X sei sehr eifersüchtig gewesen, habe die Bw einsperren und mit anderen Leuten nicht reden lassen wollen, weshalb die Bw diese Beziehung beendet habe. Danach sei die Bw mit ihren heutigen Ehemann X zusammen gekommen. X habe sie daraufhin angezeigt. Vor Gericht sei bewiesen worden, dass alles gelogen war. Im heutigen Heimatort habe X ca. 3000 Flugzettel verbreitet. Darauf sei die Bw als gefährliche Prostituierte bezeichnet worden.

 

Seit nunmehr etwa 1 ½ Jahren sei die Bw mit X liiert. X und X wären bei der Bw, die Lebenssituation sei stabil, alles laufe bestens. Der nunmehrige Gatte der Bw könne aufgrund seines guten Verdienstes für die Familie sorgen, die Bw selbst sei Hausfrau ohne Arbeitsmarktzugang (Anmerkung der erkennenden Behörde: Der Berufung liegt jedoch ein Schreiben der Firma X, X, vom 30. September 2011 bei, worin der Bw aufgrund ihrer Ausbildung ein Arbeitsplatz in der Änderdungsschneiderei angeboten wird). X und X hätten wie sie ihren Lebensmittelpunkt in Österreich. Die Bw habe in Brasilien kaum Bekannte und keine Möglichkeit dort unterzukommen. Die älteste Tochter X sei 20 Jahre alt und lebe in Brasilien.

 

Den dem Rechtsmittel beiliegenden Schreiben von Freunden, Bekannten und Proponenten der Familie der Bw bzw von deren Familie selbst ist – sinngemäß und verkürzt – zu entnehmen, dass die Bw nach schweren Schicksalsschlägen für deren Gatten X Stabilität in dessen Leben gebracht habe und die derzeit bestehende Familiensituation sich auf alle Beteiligten positiv auswirke. Die Bw habe sich in X voll integriert und stelle eine menschliche Bereicherung für ihr Umfeld dar.

 

Mit Schreiben der rechtsfreundlichen Vertreterin der Bw vom 24. Oktober 2011 wurden der erkennenden Behörde zwei ärztliche Atteste übermittelt. Eines dieser Atteste betrifft den Gatten der Bw, das andere die Bw selbst. In letzterem wird von X, Facharzt für X, bestätigt, dass bei der Bw eine Helicobacter ass. Gastritis bestehe, bei der, bei Ausbleiben einer entsprechenden Therapie, es gehäuft zu Magenkarzinomen komme.

 

3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte trotz diesbezüglichem Antrag abgesehen werden, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

Ausdrücklich festgehalten wird in diesem Zusammenhang, dass sämtliche Vorbringen der Bw hinsichtlich ihrer Integration und familiären Situation nach Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht in Zweifel gezogen werden. Durch die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zum Nachweis ihrer Vorbringen könnte die Bw daher nicht besser gestellt sein als ohne die Durchführung einer solchen.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

3.3.1. Die Bw reiste 1996 erstmals nach Österreich ein, hielt sich ab 6. August 1996 in Österreich auf und heiratete 1997 den österreichischen Staatsbürger X; im gleichen Jahr wurde die gemeinsame Tochter X geboren. Die aus einer früheren Beziehung stammende Tochter X blieb vorerst in Brasilien und wurde später nach Österreich nachgeholt. Derzeit lebt X in Brasilien.

 

1998 lernte die Bw X, den künftigen Vater ihres Sohnes X, kennen und heiratete diesen– nach Scheidung vom bisherigen Gatten – am X. In Folge zog die Familie (die Bw, deren Gatte und die Töchter X und X) nach Brasilien und lebte dort bis 2001. In dieser Zeit wurde Sohn X geboren. Die Bw arbeitete längere Zeit in anderen brasilianischen Provinzen; während dessen war Sohn X bei seinem Vater und waren die Töchter bei der Mutter der Bw aufhältig.

 

2001 flog die Bw mit ihrem Sohn und ihrem Gatten nach Österreich, die Töchter blieben in Brasilien. Im Laufe des Jahres 2001 kam Tochter X aus Brasilien nach Österreich nach, die Bw hingegen flog wiederum nach Brasilien, um über ihre Situation nachzudenken. Seit der Rückkehr nach Österreich war die Bw mehrmals zu ihren Familien nach Brasilien auf Besuch oder zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten geflogen. Im Juni 2002 hatte der Ehegatte der Bw die Idee, die Reise der Bw zum Ankauf von in Brasilien preislich sehr günstigem Kokain zu nutzen und dieses den bestehenden Vorschriften zuwider nach Österreich einzuführen. Mit der Bw vereinbarte er, das Kokain in einem präparierten Teddybären zu verstecken und das Stofftier gemeinsam mit anderen Spielsachen nach Österreich zu schicken.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 11. Juli 2003, Zl. 12 Hv 151/02f, wurde die Bw schuldig erkannt, Ende Juni / Anfang Juli 2002 den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG), nämlich 192,6 g Kokain mit einer Reinsubstanz von 27 g Kokain aus Brasilien aus- und nach Österreich eingeführt zu haben, indem sie es mittels Paketsendung aus X an die Adresse des X in X zur unmittelbaren Entgegennahme durch X verschickt habe. Die Bw hat dadurch das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 2. und 3. Fall SMG begangen und wurde zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt.

Erschwerend wurden keine Umstände gewertet, strafmildernd wirkte sich die Unbescholtenheit, das Geständnis sowie die Sicherstellung der großen Suchtgiftmenge und die Tatbegehung unter Einwirkung des Ehegatten aus.

 

Etwa 2004 wurde die Bw laut ihren Angaben während aufrechter Ehe mit X von X schwanger und kehrte Ende 2004 nach Auffliegen der Affäre mit ihrem Gatten und den Kindern nach Brasilien zurück.

 

Ende Februar 2008 übersiedelte die Bw mit X und Sohn X von Brasilien in die X; Tochter X war zu dieser Zeit bei ihrem Vater X in Österreich aufhältig. Nach einem kurzfristigen Aufenthalt in Österreich wurde die Bw am 15. April 2008 festgenommen und am 16. April 2008 nach Österreich und in der Folge in die JA X überstellt.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Befragung am 25. Juni 2008 (fremdenpolizeiliches Referat der BPD Linz) führte die Bw aus, dass ihre Tochter X derzeit bei ihrem Vater in Brasilien, die Tochter X beim Vater X in X und der Sohn X beim Vater X in X, leben würden. In den letzten drei Jahren hätten sich alle Kinder in Brasilien aufgehalten.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 4. Juli 2008, Zl. 28 Hv 77/08 w, wurde die Bw schuldig erkannt, in X, X, X und an anderen Orten im Zeitraum 10. Mai bis Ende Oktober 2004 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, durch Drohung mit dem Tod sowie mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz bzw. der gesellschaftlichen Stellung X zu Handlungen, nämlich der Ausfolgung von Bargeld im Gesamtausmaß von 110.200,-- Euro genötigt bzw. weiterer 42.000,-- Euro zu nötigen versucht, die X im angeführten Betrag am Vermögen schädigten bzw. schädigen sollten, indem sie einerseits behauptete, ihr Kindermädchen besitze Fotos von Sexszenen zwischen ihr und X, die das Kindermädchen an den Gatten der X weitergeben werde und ihr Ehegatte werde sie beide (Bw und X) umbringen, falls die Geldforderungen nicht erfüllt werden, andererseits, dass sie die Ehegattin des X von dem Verhältnis unterrichten werde, falls die Geldforderungen nicht erfüllt würden, wobei sie die Erpressung gewerbsmäßig beging und gegen X längere Zeit hindurch fortsetzte. Auf Grund des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten schweren Erpressung nach den §§ 141 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1 und 2 StGB wurde die Bw zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt. Davon wurden 16 Monate bedingt nachgesehen.

 

Mildernd wurde der teilweise Versuch und erschwerend die einschlägige Vorstrafe und die mehrfache Qualifikation gewertet. Trotz mangelnder Schuldeinsicht und der einschlägigen Vorstrafe war eine teilbedingte Strafnachsicht gerade noch vertretbar.

 

Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde.

Die Bw lernte den erfolgreichen Unternehmensberater X in einem X Lokal im X 2003 kennen. Auf Grund der miterlebten Großzügigkeit trat sie an diesen heran, um auch von ihm Geld zu erhalten und begann eine engere Beziehung, die sehr bald in sexuelle Kontakte mündete. Im Zuge von regelmäßigen Treffen, die teilweise in X und an anderen Orten stattfanden, kam es zu regelmäßigen und intensiven Sexualkontakten zwischen der Bw und X, der der Bw immer wieder teils kleinere, teils größere Geldbeträge überwies bzw. übergab. Nachdem sich die Bw mit den so erhaltenen Geldbeträgen bald nicht mehr begnügte und X aber nach einiger Zeit nicht mehr bereit war, aus welchen Motiven heraus auch immer, freiwillig weiteres Geld zu übergeben, ging die Bw dazu über, X unter Druck zu setzen. So behauptete die Bw im X 2004, dass ihr brasilianisches Kindermädchen wegen deren angeblich gleichgeschlechtlicher sexueller Ausrichtung nicht mehr tragbar sei und nach Brasilien zurückkehren solle, diese nicht einverstanden sei, die Bw mit verfänglichen Fotos (die Bw und X betreffend) erpresse und 15.000,-- Euro als Schweigegeld fordere. Zudem erklärte die Bw, dass ihr Gatte, sollte er von dem Verhältnis erfahren, sie und X umbringen werde. Aus Angst übergab X die geforderte Geldsumme an die Bw. Ende Mai 2004 behauptete die Bw neue Geldforderungen des Kindermädchens und X war aus Angst wiederum bereit zu bezahlen und überwies der Bw 56.000,-- Euro. In einem weiteren Treffen Ende August 2004 erklärte die Bw, dass sie nach Brasilien zurückkehren werde und forderte dafür von X 35.000,-- Euro. Wenn er das Geld nicht bezahle, werde sie seiner Gattin von dem Verhältnis erzählen. X, der nicht nur seine Ehe sondern auch seine gesellschaftliche Existenz gefährdet sah, konnte den Betrag noch auf 27.000,-- Euro "herunterhandeln" und überwies diese Summe in drei Teilbeträgen. Entgegen der nicht ernstgemeinten Ankündigung, nach Brasilien zurückzukehren, forderte die Bw wenige Tage später 15.200,-- Euro von X. Um ein Auffliegen der Beziehung samt der damit verbundenen Konsequenzen zu verhindern, zahlte X bis zum X 2004 insgesamt 12.200,-- Euro. Ende September 2004 behauptete die Bw gegenüber X, von ihm schwanger zu sein (obwohl sie angeführt hatte, sterilisiert zu sein) und forderte Mitte November 2004 42.000,-- Euro. Da dessen Barmittel so gut wie aufgebracht waren, informierte X seine Gattin. Nunmehr versuchte die Bw auch von der Gattin das geforderte Geld zu erlangen. Kurz vor der Anzeige bei der belangten Behörde am 2. Dezember 2004 setzte sich die Bw nach Brasilien ab.

Im Verfahren hat sich die Bw bis zuletzt als nicht schuldigt bezeichnet, obwohl sich die belasteten Angaben nicht nur von den Anzeigern sondern auch aus ihren eigenen Einlassungen ergeben haben. Die behauptete Zwillingsschwangerschaft sei rein auf Grund der zeitlichen Angaben der Bw nicht zu verifizieren gewesen und im Zuge der Befragung seien signifikante Widersprüche aufgetreten.

 

3.3.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. Juli 2008, AZ 1031398/FRB, wurde über die Bw ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt.

 

Die dagegen fristgerecht eingebrachte Berufung wies der Sicherheitsdirektor für das Bundesland Oberösterreich mit Bescheid vom 22. September 2008, GZ St. 207/08 ab.

 

Innerhalb offener Frist brachte die Bw beim Verwaltungsgericht Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Mit Beschluss vom 13. Oktober 2008 erkannte der Verwaltungsgerichthof der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.

 

Mit Erkenntnis vom 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0571-6, wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde ab. In der Begründung (bezogen auf den Bescheiderlassungszeitpunkt) wies der Verwaltungsgerichtshof auf die aus der bisherigen Delinquenz erschließbare große Gefährlichkeit der Bw hin, die in Anbetracht der oben aufgezeigten Umstände nach wie vor als aktuell zu beurteilen war. Weiters falle wesentlich ins Gewicht, dass die Bw mit ihrer Familie schon in der Vergangenheit über Jahre hindurch in Brasilien gelebt hat, was eine gemeinsame Rückkehr dorthin zulässig und nicht unzumutbar erscheinen lasse. Dies gelte jedenfalls für den Ehemann der Bw (zu diesem Zeitpunkt: X) und den im Jahr 2000 in Brasilien geborenen Sohn. Was die 1997 geborene Tochter anlange, so habe die Bw selbst eingeräumt, dass kein gemeinsamer Haushalt mehr bestehe.

 

3.3.3. Nach der Haftentlassung zog die Bw zu ihrem Ehemann X nach X. Im Juni 2009 lernte sie X kennen und begann mit ihm eine Beziehung. Die Scheidung von X erfolgte am X. Da X auf Grund einer Krankheit fast nichts sehen konnte, schlug ihm die Bw vor, nach Brasilien zu fliegen, um sich dort operieren zu lassen. Die Bw und X hielten sich im X und X 2009 in Brasilien auf. Der Aufenthalt wurde von X finanziert, die Ausgaben betrugen in etwa 25.000,-- Euro, wobei der größte Teil davon von der Bw verbraucht wurde, da X krankheitsbedingt kaum Geld benötigt hat. Im Jänner 2010 "lieh" sich die einkommenslose Bw von X 10.000,-- Euro, damit sie ihre beschädigten Silikonbrüste behandeln lassen könne. Über die Rückzahlung wurde keine Vereinbarung getroffen. Im Mai 2010 erstattete X Anzeige (Verdacht des schweren Diebstahls und des schweren Betrugs). Das Gerichtsverfahren endete mit einem Freispruch der Bw.

 

Im Ermittlungsverfahren brachte die Bw vor, dass sie ihren Lebensunterhalt durch finanzielle Zuwendungen diverser Männer bestreite. Neben X, der u.a. die Miete, das Auto und das Telefon bezahlte, bekam die Bw während dieser Beziehung auch finanzielle Zuwendungen von X. Jedenfalls ab Juni 2010 bestritt die Bw ihren Lebensunterhalt durch finanzielle Zuwendungen des damaligen Lebensgefährten, Vermieters ihrer Wohnung und derzeitigen Ehegatten (die polizeiliche Meldung in X erfolgte am 7. Oktober 2009).

 

Seit 26. März 2011 ist die Bw mit dem österreichischen Staatsbürger X verheiratet und lebt mit ihrem Gatten und den Kindern X und X am gemeinsamen ehelichen Wohnsitz in ortsüblichen Verhältnissen. Der Ehegatte verfügt über ein entsprechendes Einkommen und kann für die Bw und ihre Kinder sorgen. Die Bw ist sozialversichert, spricht nahezu perfekt deutsch und lebt in einem harmonischen Familienverband. Die minderjährigen Kinder besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft und sind in Österreich integriert. In ihrer Umgebung wird die Bw als eine Bereicherung wahrgenommen.

 

Sowohl die Bw als auch ihr Gatte haben gesundheitliche Probleme.

 

3.3.4. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 20. September 2011, AZ: 1031398/FRB, wurde der Antrag der Bw auf Aufhebung eines mit Bescheid vom 28. Juli 2008 erlassenen, auf 5 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf Grundlage des § 69 Abs. 2 FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, abgewiesen.

 

Das Aufenthaltsverbot gegen die Bw wurde erlassen, weil nach Verurteilungen wegen schwerer Erpressung bzw nach dem Suchtmittelgesetz eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit für die Dauer von 5 Jahren prognostiziert wurde. Der Bescheid durchlief die Instanzen und wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 2011 bestätigt. Zuvor war der Beschwerde der Bw aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

 

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes war die Bw mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet und hatte 3 Kinder von drei verschiedenen Vätern. Die familiäre Situation wurde bei der Bescheiderlassung berücksichtigt.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Vorab wird einleitend festgehalten, dass im Zuge des gegenständlichen Verfahrens keine Überprüfung des rechtskräftigen Aufenthaltsverbotsbescheides vorgenommen wird respektive eine solche auch nicht zulässig wäre (VwGH 2.9.2008, 2006/18/0512). Die Anhängigkeit eines Verfahrens über den Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ändert dementsprechend auch nichts an dessen Rechtswirksamkeit (vgl zur wortgleichen Vorläuferbestimmung VwGH 27.3.2007, 2006/21/0050). Konsequenterweise ist auf Grund dieser Überlegungen im Verfahren bezüglich die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes der erkennenden Behörde auch eine bloße Verkürzung des Befristungszeitraumes versagt (vgl VwGH 18.6.2009, 2008/22/0605).

 

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist die Bw daher jedenfalls seit dem Zeitpunkt der Zustellung des ihre Bescheidbeschwerde gegen das 5-jährige Aufenthaltsverbot abweisenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 2011 – auf die Auswirkungen, welche im Zusammenhang mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof resultieren könnten, wird hier zugunsten der Bw nicht weiter eingegangen – nicht mehr zum Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich berechtigt und verstößt durch ihren Aufenthalt gegen die fremdenpolizeilichen Vorschriften.

 

4.2. Gemäß § 69 Abs. 2 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zur Erlassung desselben geführt haben, weggefallen sind.

Bezüglich der Gründe, die zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes gegen die Bw geführt haben, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das die Beschwerde der Bw gegen den diesem Verfahren zugrunde liegenden Aufenthaltsverbotsbescheid abweisende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 2011, GZ 2008/21/0571, verwiesen, dieses jedoch in Folge auch auszugsweise sinngemäß wiedergegeben.

 

4.3. Ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbots kann nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des bzw der Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbots eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist (statt vieler VwGH 2.9.2008, 2006/18/0512). Bei einer auf Straftaten gegründeten Gefährdungsprognose kommt es immer auch maßgeblich auf das zugrundeliegende Verhalten des bzw der Fremden an und ist auf das sich aus deren Art und Schwere ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (VwGH 22.10.2009, 2007/21/0053).

 

4.3.1. Die im Aufenthaltsverbotsbescheid prognostizierte, von der Bw ausgehende Gefahr stützt sich im Wesentlichen auf das oben wiedergegebene strafrechtliche Fehlverhalten der Bw. Wie schon im Aufenthaltsverbotsverfahren selbst ist auch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Bw über einen mehrmonatigen Zeitraum hinweg den Tatbestand der schweren gewerbsmäßigen Erpressung verwirklicht hat. Sie schreckte dabei auch nicht davor zurück, den Genötigten mit dem Tode zu bedrohen. Zudem wurde von der Bw zuvor auch ein schweres Suchtgiftdelikt begangen.

 

Bei der Zeichnung des Persönlichkeitsbildes der Bw ist weiters wesentlich, dass diese, obgleich sie wegen des Suchtgiftdeliktes eine rund dreiwöchige Untersuchungshaft zu erdulden hatte und zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, schon nach nicht einmal einem Jahr die schwerwiegenden und lange andauernden Erpressungshandlungen vornahm.

 

Es zeugt aus Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich unzweifelhaft von konstanter und enormer krimineller Energie, (insbesondere) in einem fremden Staat, von welchem man sich Aufnahme und Integration erhofft, in dem man eine Familie gründen und sich längerfristig niederlassen möchte, mehrfach strafrechtlich relevante Delikte zu setzen. Die Verhinderung insbesondere der von der Bw begangenen Taten berührt ein Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert, da gerade den Gütern Leib und Leben sowie Eigentum ein besonders hoher Stellenwert zukommt. Die Vornahme einer schweren gewerbsmäßigen Erpressung unter Androhung des Todes zeugt davon, dass die Bw sehr weit von den Werten der hiesigen Gesellschaft entfernt ist, und es eines langjährigen Zeitraumes bedarf, bis von einer Gefahr durch die Bw nicht mehr ausgegangen werden kann. Hinzu tritt, dass aufgrund der zunehmenden Suchtmittelmissbrauchsraten Suchtgiftdelikte zu einem gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor geraten. Wenn auch das von der Bw in diesem Zusammenhang gesetzte Delikt schon länger zurückliegt, gibt dieses dennoch nach wie vor über ihre Persönlichkeit Auskunft.

 

Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch, welche Einstellung die Bw zu den von ihr begangenen Straftaten hat. Wie der Begründung des zuletzt angeführten Urteiles des Landesgerichtes zu entnehmen ist, war die Bw bis zuletzt uneinsichtig und hat die Taten geleugnet. Der im Oktober 2011 erstellte Lebenslauf zeichnet ein ähnliches Bild. Egal ob es sich um gescheiterte Ehen oder um Straftaten handelt, die Bw versucht in ihren Darstellungen durchgängig die Schuld den Mitbeteiligten aufzubürden. Der Lebenslauf kann eindeutig als geschönte Version der Realität betrachtet werden. Bereits ein Blick in die Begründung der ersten Verurteilung zeigt, dass die Bw in das "Suchtmittelgeschäft" voll eingebunden war und der Verstoß gegen das SMG nur durch ihre aktive Beteiligung möglich gewesen ist. Im Lebenslauf liest sich dies so, dass sie gutgläubig eine Schachtel von einem Freund des damaligen Ehemannes abgeholt und nach Österreich geschickt hat, ohne zu wissen, dass sich darin ein Teddybär mit Kokain befunden hat. Auch die Tathandlungen, die zur zweiten Verurteilung geführt haben, werden geschickt geändert. So habe sie die finanziellen Zuwendungen (in der Höhe von mehr als 100.000,-- Euro) vom Opfer freiwillig erhalten und zu einem Gerichtsverfahren sei es nur gekommen, weil die Gattin des Opfers dies anders gesehen und einen Haftbefehl gegen sie erwirkt habe.

 

4.3.2. Wenn die Bw mehrfach ins Treffen führt, von ihr gehe aufgrund ihres mehrjährigen Wohlverhaltens keine aktuelle Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich mehr aus, ist dieser entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof im sie betreffenden Erkenntnis vom 5. Juli 2011 – "zumindest bezogen auf den Bescheiderlassungszeitpunkt" – zum Ergebnis gelangt ist, dieser Einwand vernachlässige sowohl den raschen Rückfall der Bw nach dem Suchtmitteldelikt als auch, dass sich die Bw ihrer Strafverfolgung wegen der begangenen Erpressungshandlungen durch Flucht nach Brasilien und in die X entzogen hat und dass seit der bedingten Entlassung aus der Strafhaft mit X bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht einmal zwei Monate vergangen waren.

 

Wenn seit der Haftentlassung mittlerweile auch mehr als 3 Jahre vergangen sind, ändert dies nichts daran, dass vom Verwaltungsgerichtshof – "zumindest" bezogen auf das Jahr 2008 – eine 5-jährige Gefährdungsprognose als rechtens angesehen wurde. Des weiteren ist der belangten Behörde vollinhaltlich zuzustimmen, wenn diese im angefochtenen Bescheid darauf verweist, dass ein Wohlverhalten ab Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme keine Änderung des Sachverhaltes zugunsten des bzw der Fremden darstellt, da die Behörde ein solches bei der Erstellung ihrer Gefährdungsprognose und damit bei der Festlegung der Gültigkeitsdauer der fremdenpolizeilichen Maßnahme voraussetzt. Oder anders gewendet: wäre die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die Bw sich während des Befristungszeitraumes nicht wohl verhalten werde, hätte die Aufenthaltsverbotsbefristung mehr als 5 Jahre betragen respektive wäre aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich in letzter Konsequenz ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen gewesen.

 

Unabhängig davon, dass im Sinne der soeben gemachten Ausführungen einem Wohlverhalten der Bw während des Aufenthaltsverbotszeitraumes nicht allzu viel Gewicht beizumessen ist, verhält sich die Bw – entgegen ihrem Vorbringen – auch nicht in jeder Hinsicht wohl. Wie oben bereits dargelegt ist die Bw nämlich spätestens seit der Zustellung des ihre Beschwerde gegen den diesem Verfahren zugrunde liegenden Aufenthaltsverbotsbescheid abweisenden verwaltungs-gerichtlichen Erkenntnisses unrechtmäßig in der Republik Österreich aufhältig und verstößt damit gegen die fremdenpolizeilichen Vorschriften (vgl in diesem Zusammenhang die Strafbestimmung des § 120 FPG). Diesbezüglich ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, der zu entnehmen ist, dass der unrechtmäßige Verbleib von Fremden im Bundesgebiet ohne hiezu berechtigt zu sein eine massive Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen darstellt (idS VwGH 30.4.2009, 2008/21/0307; 8.7.2009, 2008/21/0276 uvm).

 

Die Ignorierung der fremdenpolizeilichen Anordnung ist bei der Beurteilung des Antrags auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots in die Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen. Wenn also die Bw zwar aus der Sicht des Kernstrafrechts – soweit ersichtlich – seit längerer Zeit keine Delikte verwirklicht hat, so erachtet sie sich jedoch zumindest im Bereich des Verwaltungsrechts offenbar nach wie vor nicht an die im Rechtsstaat existierenden Rechtsvorschriften als gebunden, was das von ihr vorgebrachte mehrjährige Wohlverhalten aus Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich stark relativiert.

 

In diesem Zusammenhang ist auch auf § 61 Abs. 2 Z 7 FPG hinzuweisen, wonach bei der Beurteilung, ob durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in das Privat- und Familienleben eines Fremden zulässigerweise eingegriffen wird, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, besonders zu berücksichtigen sind.

 

4.3.3. Wenn die Bw als Argument für die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vorbringt, dass etwa drei Viertel des in Rede stehenden 5-jährigen Aufenthaltsverbotszeitraums bereits abgelaufen sind, lässt sich aus Sicht der erkennenden Behörde daraus für sie allein schon deshalb nichts gewinnen, da die fremdenpolizeibehördlich festgesetzte Frist gemäß § 67 Abs. 4 FPG erst mit Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes zu laufen beginnt.

 

Im konkreten Fall bedeutet dies, dass die Frist auf Grund der von der Bw im Aufenthaltsverbotsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof beantragten und von diesem auch zuerkannten aufschiebenden Wirkung erst am Tag der Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses vom 5. Juli 2011 in Gang gesetzt wurde. Es kann daher keine Rede davon sein, dass ein Gutteil der Aufenthaltsverbotsdauer bereits abgelaufen ist.

 

4.3.4. So weit sich die Bw auf das von ihr mittlerweile geführte intakte Familienleben beruft, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 69 Abs. 2 FPG ein Aufenthaltsverbot aufzuheben ist, "wenn die Gründe, die zur Erlassung desselben geführt haben, weggefallen sind."

 

Aufgrund des Wortlauts der zitierten Bestimmung ist zwischen den zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots führenden Gründen und jenen, die gegen die Erlassung des Verbots sprechen, zu differenzieren. Ein bestehendes Privat- und Familienlebens ist unzweifelhaft der letztgenannten Kategorie zuzuordnen und kann daher immer nur einen Grund gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen respektive in keinem Fall für die Erlassung ein solchen sprechen. Die Bw vermag daher mit ihrer Argumentation schon allein auf Grund der vom Fremdenpolizeigesetzgeber gewählten Diktion nichts für ihren Antrag zu gewinnen.

 

Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. September 2008, GZ 2006/18/0512, auch ausgesprochen, dass sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür (Anmerkung der erkennenden Behörde: die FÜR die Erlassung des Aufenthaltsverbotes) maßgebenden Umstände zugunsten des bzw der Fremden geändert haben müssen, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbots eingetretenen und GEGEN DIE AUFHEBUNG (Hervorhebung durch die erkennende Behörde) dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist.

Im Gegenschluss muss der höchstgerichtlichen Rechtsprechung daher entnommen werden, dass bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme noch nicht existierende, erst im Verfahren auf Aufhebung der Maßnahme geltend gemachte Gründe, die einer neuerlichen Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegenstehen könnten, unbeachtlich sind.

 

Selbst wenn dem nicht so wäre, ist auch hier der in Punkt 4.3.3. umrissene Grundgedanke dienlich zu machen, wonach der Entstehung bzw im konkreten Fall der Änderung eines bestehenden Privat- und Familienlebens während unsicheren Aufenthaltes kein allzu großes Gewicht beizumessen ist. Oder anders gewendet: Das Gewicht des persönlichen Interesses der Bw am Verbleib im Bundesgebiet aufgrund der familiären Situation wird dadurch relativiert, dass die Bw ihre nunmehr in Rede stehenden familiären Bindungen zu einem Zeitpunkt begründet bzw zum Teil weiter intensiviert hat, zu dem sie entgegen einem rechtskräftigen Aufenthaltsverbot unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben ist, und dass sie und ihr Gatte nicht damit rechnen konnten, das neu gegründete Familienleben in Österreich fortsetzen zu können (vgl VwGH 2.9.2008, 2006/18/0512).

 

4.3.5. Unabhängig der im vorigen Punkt gemachten Ausführungen ist hinsichtlich des Privat- und Familienlebens der Bw festzustellen:

 

4.3.5.1. Gemäß den Angaben der Bw in dem von ihr verfassten, dem hier zu beurteilenden Rechtsmittel beigefügten, Lebenslauf ist diese seit dem Jahr 1996 immer wieder im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhältig. Im Groben hat sich die Bw von 1996 bis 1998 und von 2001 bis 2004 in Österreich aufgehalten bzw hält sie sich von 2008 mit einer mehrmonatigen Unterbrechung im Jahre 2009 bis dato hier auf. Von 1998 bis 2001 sowie von 2004 bis 2008 war die Bw in Brasilien (bzw für kurze Zeit in der X) aufhältig. Dem Aufenthaltszeitraum im Inland steht demzufolge ein etwa gleich langer Aufenthaltszeitraum im Herkunftsstaat gegenüber. Gleiches gilt im Wesentlichen für die Kinder der Bw. Während des Aufenthaltes im Herkunftsstaat wohnten die Töchter der Bw den eigenen Angaben nach zufolge bei deren Mutter. Ebenso ist die mittlerweile erwachsene Tochter X in Brasilien wohnhaft. Sohn X wurde in Brasilien geboren und verbrachte dort die ersten Jahre seines Lebens.

 

Wenn die Bw als Argument für ihren Verbleib im Bundesgebiet der Republik Österreich ins Treffen führt, eine Rückkehr nach Brasilien würde für sie de facto eine Rückkehr in ein fremdes Land bedeuten, sie hätte dort kaum Bekannte und keine Möglichkeit unter zu kommen, vermag das vor dem Hintergrund obiger Ausführungen und des vorliegenden unbestrittenen Sachverhalts die erkennende Behörde nicht zu überzeugen.

 

4.3.5.2. Die Bw versucht weiters in ihren schriftlichen Eingaben, ihre persönlichen Anbindungen in Österreich in den Vordergrund zu stellen und damit im Hinblick auf das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Privat- und Familienleben eine Aufenthaltsverfestigung zu begründen.

 

Insofern die Bw eine besonders enge Bindung zu ihren Kindern geltend macht, ist festzuhalten, dass sie im Laufe der Jahre diese immer wieder bei ihren verschiedenen Männern oder ihrer Mutter belassen hat. Dies selbst dann, wenn sie selbst längere Zeit in einem anderen Kontinent aufhältig war. Es überzeugt daher schon deshalb nicht, dass die Bw als Mutter die einzige Bezugsperson der – aufgrund des Alters und Aufenthalts in Österreich im gegenständlichen Verfahren allenfalls relevanten – Kinder X und X sein soll.

 

Auch der noch recht kurzen Beziehung der Bw zu ihrem nunmehrigen Ehegatten ist hinsichtlich ihrer bisherigen Beziehungen kein großes Gewicht beizumessen. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich drängt sich vor dem Hintergrund der Darstellungen der Bw in ihrem Lebenslauf vielmehr der Eindruck auf, dass die Bw eine Beziehung jeweils solange führt, als sie daraus für sich einen Vorteil zu ziehen vermeint.

 

4.3.5.3. Aus Sicht des erkennenden Mitgliedes des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich geht aus den im Akt befindlichen Unterlagen ein überwiegendes wirtschaftliches Motiv der Bw am Aufenthalt in Österreich hervor.

 

In diesem Zusammenhang ist etwa auf Seite 2 des Lebenslaufes der Bw zu verweisen. In Brasilien mit ihrer Familie lebend stellte die Bw ihren damaligen Mann vor die Wahl, mit ihr nach Österreich zurückfliegen oder alleine in Brasilien bleiben zu können. "Ich wollte die Hälfte des verdienten Geldes und mir ein Leben in Österreich mit meinen Kindern aufbauen."

 

In Bezug auf das spätere Erpressungsopfer X schreibt die Bw auf Seite 4: "Er hat alles für mich gemacht. Die Wohnung war zu klein für uns. Er hat eine größere Wohnung für uns besorgt, ich hatte einen Chauffeur, eine neue Wohnung, ich habe gelebt wie eine Prinzessin. Ich hatte Kleider, Schmuck, usw. er hat ein Hausmädchen aus Brasilien einfliegen lassen, damit diese sich um die Kinder kümmert und ich Zeit für ihn habe."

 

In der Berufung selbst findet sich schließlich der Hinweis, es könne den Kindern der Bw nicht zugemutet werden, mit der Mutter nach Brasilien zurückzugehen, "wo sie wiederum vor dem existenziellen Nichts stehen würden."

 

In diesem Zusammenhang ist auch das Vorbringen der Bw, ihr Ehegatte verfüge über ein entsprechendes Einkommen und könne für die Bw und ihre Kinder sorgen, zu relativieren.

 

Aus all diesen Zitaten erhellt, dass es der Bw nicht primär darauf ankam, ein intaktes Familienleben zu führen, sondern sie schlichtweg darauf Bedacht war, materielle Vorteile zu erlangen. Die Erlangung materieller Vorteile unterfällt allerdings nicht dem Schutzbereich des Art. 8 EMRK.

 

4.3.6. Auch die von der Bw geltend gemachten gesundheitlichen Probleme vermögen eine Stattgabe ihres Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots nicht zu tragen. Dem der erkennenden Behörde vorgelegten ärztlichen Attest ist zu entnehmen, dass bei der Bw eine Helicobacter ass. Gastritis besteht, und es bei Ausbleiben einer entsprechenden Therapie zu Magenkarzinomen kommen kann.

 

Es ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht ersichtlich und wird von der Bw auch nicht geltend gemacht, dass die Bw ihre Magenschmerzen in Brasilien nicht entsprechend therapieren lassen könne. Schon deshalb vermag die gesundheitliche Beeinträchtigung im gegenständlichen Verfahren keine Wirkung zu zeitigen.

 

Bezüglich der Gesundheitsprobleme ihres Ehegatten ist auf Punkt 4.3.7. zu verweisen.

 

4.3.7. Wenn es der Berufung zufolge in diesem Verfahren auch darum gehe, die Interessen der Kinder der Bw miteinzubeziehen, aber auch die Interessen des nunmehrigen Gatten, dessen Tochter und der übrigen Verwandten, ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Verfahren ausschließlich das Privat- und Familienleben der Bw von Relevanz sein kann.

 

Ausdrücklich gilt es in diesem Zusammenhag auch darauf hinzuweisen, dass es der Bw – soweit sie aufgrund der zivilrechtlichen Vorschriften diesbezüglich Handlungen setzen darf – freisteht zu beurteilen, ob es für das Wohl ihrer Kinder X und X während der Dauer des gegen sie erlassenen Aufenthaltsverbotes besser ist, diese in Österreich bei den jeweils Obsorgeberechtigten bzw deren Vätern zu belassen oder sie nach Brasilien mitzunehmen. Die Bw hat sich auch in der Vergangenheit nicht gescheut, während monatelanger Abwesenheit die Kinder den Vätern zu überantworten bzw. das überlebende Kind der Zwillingsgeburt (sofern der Bw zu glauben ist und eine solche überhaupt stattgefunden hat) ohne weitere Bedenken zur Adoption freizugeben.

 

4.3.8. Vor dem dargestellten Hintergrund kann die Auffassung der belangten Behörde, dass der Antrag der Bw auf Aufhebung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG als unbegründet abzuweisen war, vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht als rechtswidrig angesehen werden. Die mit der Effektuierung des Aufenthaltsverbotes einhergehende Trennung von Ehemann und Kindern – im Falle dass diese nicht nach Brasilien mitreisen wollen – muss zur Abwehr der von der Bw nach wie vor ausgehenden Gefahren im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden.

 

In diesem Zusammenhang ist letztlich anzumerken, dass eine örtliche Trennung im Kommunikationszeitalter (man denke etwa an die Möglichkeit der Bildtelefonie) nicht zwangsläufig mit einem Abbruch jeglicher familiärer Kontakte einhergehen muss.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Auf eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in eine andere Sprache (vgl § 59 Abs. 1 FPG) kann aufgrund der geltend gemachten nahezu perfekten Deutschkenntnisse der Bw verzichtet werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 143,00 Euro (Eingabe- + Beilagengebühr) angefallen.

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

Beschlagwortung:

Aufenthaltsverbot, Antrag auf Aufhebung, § 69 Abs. 2 FPG

Beachte:

vorstehende Entscheidugn wurde aufgehoben;

VwGH vom 20.03.2012, Zl. 2011/21/0298-5

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