Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231234/2/WEI/Ba

Linz, 02.12.2011

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Strafberufung des M W, geb. , R, S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 24. Jänner 2011, Zl. S-8898/ST/10, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 82 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz - SPG (BGBl Nr. 566/1991 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 33/2010) zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 100 Euro herabgesetzt wird. Die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 66 Stunden wird bestätigt.

 

II.     Im erstbehördlichen Strafverfahren hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10 Euro (10% der verhängten Geldstrafe) zu leisten. Im Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines weiteren Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

III.    Die am 26. Dezember 2010 erlittene Vorhaft von 4,5 Stunden wird auf die unter Punkt I verhängte Strafe angerechnet, so dass sich die Geldstrafe auf 93,20 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 61,5 Stunden reduziert.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG;

zu II: §§ 64 Abs 1 und 2, 65 VStG;

zu III: § 19a Abs 1 und 3 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 24. Jänner 2011 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (im Folgenden kurz Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben sich am 26.12.2010 von 05:00 Uhr bis 05:15 Uhr, in S, B-K-S , trotz vorausgegangener Abmahnung, gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnahmen, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert. Sie schrieen die herbeigerufenen Polizisten unter anderem mit den Worten 'scheiß Kieberer, Arschlöcher, Volltrotteln und minder Bemittelte' an, und stellten ihr Verhalten trotz mehrfacher Abmahnung nicht ein, sondern Sie mussten festgenommen werden."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 1 SPG als erfüllt und verhängte nach dem dort vorgesehenen Strafrahmen eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 66 Stunden.

 

Danach heißt es missverständlich:

 

"Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher € 205,15"

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw nach einem erfolglosen Zustellversuch durch Hinterlegung am 27. Jänner 2011 (Beginn der Abholfrist) bei Postdienststelle  zugestellt worden ist, richtet sich die am 8. Februar 2011 per E-Mail rechtzeitig übersendete Berufung wegen Strafe, die wie folgt lautet:

 

"Sehr geehrter Herr Mag. Ö!

 

Ich finde es eine bodenlose Frechheit als der Bescheid 24.01.2011 bei mir ankam und Ich 200 euro zahlen muss.

Mein Bruder lag mit einem Anfall am Boden und die polizei verwerte den Rettungsdienst die Hilfe. Darum meine aussagen gegenüber der 'M' Polizei. Ich bin nicht gewillt eine so hohe Strafe zu Zahlen da sie nicht gerechtfertigt ist.

Sollten wir keine Beidseitige Lösung finden werde ich meinen Anwalt einschalten.

 

Ich hoffe wir kommen zum beiderseitigen Einverständnis und verbleibe

 

Mit freundlichen Grusse

 

M W

 

2. Im Straferkenntnis verweist die belangte Behörde begründend zu dem im Spruch angelasteten Sachverhalt auf die eigene dienstliche Wahrnehmung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (vgl Anzeige der PI Münichholz vom 26.12.2010, Zl. A2/13108/2010-ZIS), wonach feststehe, dass der Bw die angeführte Verwaltungsübertretung begangen habe.

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 3. Jänner 2011 (RSa-Brief), zugestellt nach erfolglosem Zustellversuch am 7. Jänner 2011 durch Hinterlegung am 10. Jänner 2011 (Beginn der Abholfrist), wurde dem Bw die Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 1 SPG im Wesentlichen wie im Spruch des Straferkenntnisses angelastet und die Möglichkeit eingeräumt, sich binnen 2 Wochen ab Zustellung schriftlich zu rechtfertigen oder persönlich vorzusprechen. Für den Fall der Nichtbeachtung wurde ihm die Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens ohne seine weitere Anhörung angedroht.

 

Der Bw hat auf die Aufforderung zur Rechtfertigung nicht reagiert, weshalb die belangte Behörde in weiterer Folge das angefochtene Straferkenntnis gegen ihn erließ. Nach Darstellung der Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde in der Sache aus, dass sie keinen Anlass hätte, an der Richtigkeit des zugrundeliegenden Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einwandfrei habe festgestellt werden können und Äußerungen des Bw dagegen unterblieben sind. Somit sei für die Behörde erwiesen, dass der Bw tatsächlich gegen die angeführte Bestimmung des Sicherheitspolizeigesetzes schuldhaft verstoßen habe.

 

Wie aus der Anzeige ersichtlich befand sich der Bw aus Anlass der gegenständlichen Verwaltungsübertretung am 26. Dezember 2010 in der Zeit von 05:15 bis 09:45 Uhr in Verwaltungshaft. Eine am 26. Dezember gegen 08:20 Uhr durchgeführte Atemluftuntersuchung mit dem ALCOMAT W807 ergab noch eine Atemalkoholkonzentration von 0,80 mg/l, was bekanntlich 1,6 Promille entspricht.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die Berufung und den vorgelegten Verwaltungsstrafakt. Aus der Aktenlage ergab sich, dass im Berufungsverfahren nur Rechtsfragen zu lösen waren.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 82 Abs 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und kann mit Geldstrafe bis 218 Euro, bei Vorliegen erschwerender Umstände mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche und im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen bestraft werden,

 

wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

 

Diese Verwaltungsübertretung trat an die Stelle des in Art IX Abs 1 Z 2 EGVG aF (Beseitigung mit Wirkung vom 1.05.1993 durch EGVG-Novelle BGBl Nr. 143/1992) geregelten Verwaltungsstraftatbestandes des ungestümen Benehmens.

 

In der Regierungsvorlage 1991 zum Sicherheitspolizeigesetz (vgl RV SPG 148 BlgNR, 18. GP, 52) wird dazu ausgeführt:

 

"Der Tatbestand des Art. IX Abs. 1 Z 2 ist ebenfalls einer Einschränkung unterworfen worden. Zunächst wurden – ohne inhaltliche Änderung – die Worte 'ungestüm benimmt' durch die Worte 'aggressiv verhält' ersetzt, und dann wurde als zusätzliches Tatbestandsmerkmal, das kumulativ vorliegen muß, die Behinderung der Amtshandlung eingefügt. Damit ergibt sich, daß ein strafbares Verhalten nur dann vorliegt, wenn zum aggressiven Verhalten die Behinderung der Amtshandlung hinzutritt."

 

Im vorliegenden Berufungsfall ist die Frage der Verwirklichung des Tatbestands nach § 82 Abs 1 SPG nicht mehr Verfahrensgegenstand. Der Bw hat im erstinstanzlichen Verfahren den Vorwurf nicht bestritten und auch in seiner Berufung den Schuldspruch nicht bekämpft. Es ist daher hinsichtlich des Verhaltensvorwurfes der Sache nach von einem Zugeständnis des Bw auszugehen. Da sich die Berufung ausdrücklich gegen die Strafhöhe wendet, ist der Schuldspruch des Straferkenntnisses in Rechtskraft erwachsen und im Berufungsverfahren keiner rechtlichen Überprüfung mehr zugänglich.

 

4.2. Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Die belangte Behörde ging von einem Monatseinkommen von 1.000 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten aus. Diesen persönlichen Verhältnisse hat der Bw nicht widersprochen. Sie waren daher auch im Berufungsverfahren maßgebend.

 

Die belangte Behörde ging unter Hinweis auf § 5 VStG von fahrlässigem Verschulden des Bw aus. Sie wertete als mildernd die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit und als erschwerend das zur Festnahme führende Verhalten des Bw. Der Annahme des Erschwerungsgrundes kann sich der erkennende Verwaltungssenat nicht anschließen. Ein aggressives Verhalten geht typischer Weise über bloße Beschimpfungen hinaus und kann daher schon im Fall der Fortsetzung trotz zumindest zweifacher Abmahnung zur Festnahme gemäß dem § 35 Z 3 VStG führen. Eine gewisse Nachhaltigkeit und Intensität des aggressiven Verhaltens folgt auch aus dem weiteren Erfordernis der Behinderung einer Amtshandlung. Diese Überlegungen zeigen, dass vom Tatbild des § 82 Abs 1 SPG her gesehen die Möglichkeit einer zumindest vorübergehenden Festnahme oft nahe liegt und nicht als besondere Qualifikation anzusehen ist.

 

Nach dem Strafrahmen des § 82 Abs 1 SPG ist für die gegenständliche Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von 218 Euro und unter erschwerenden Umständen auch eine Freiheitsstrafe vorgesehen. Im vorliegenden Fall war der Geldstrafrahmen auf den Bw als Ersttäter anzuwenden. Abgesehen vom Milderungsgrund der Unbescholtenheit war die für die Strafzumessung relevante Schuld des Bw auch deshalb nicht so schwerwiegend, weil bei ihm zumindest von einem Tatsachengeständnis auszugehen ist.

 

Im gegenständlichen Fall erachtet der Oö. Verwaltungssenat die verhängte Geldstrafe in Höhe von 200 Euro und damit von 91,7 % des anzuwendenden Strafrahmens bei einem Ersttäter selbst dann nicht mehr für vertretbar, wenn die Festnahme als erschwerend zu werten wäre. Nach Abwägung der oben dargelegten Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung der eher ungünstigen Einkommens- und Vermögenssituation des Bw erscheint vielmehr eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro angemessen und in präventiver Hinsicht ausreichend, um den Bw künftig von der Begehung gleichartiger Übertretungen abzuhalten.

 

Die Ersatzfreiheitsstrafe war gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG innerhalb von 2 Wochen festzusetzen. Sie wurde von der belangten Behörde im Vergleich zur hohen Geldstrafe (91,7 %) mit geringen 66 Stunden und damit mit bloß 19,6 % des Ersatzfreiheitsstrafrahmens unverhältnismäßig niedrig festgesetzt. Sie kann daher aus der Sicht des Bw nicht beanstandet werden und war im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot nach § 51 Abs 6 VStG im Berufungsverfahren zu bestätigen.

 

4.3. Gemäß § 19a Abs 1 VStG sind u.a. verwaltungsbehördliche Haftzeiten, soweit sie – wie im gegenständlichen Fall - noch nicht auf andere Strafen angerechnet wurden, auf die Strafe anzurechnen, wenn sie der Täter wegen der Tat oder sonst nach Begehung der Verwaltungsstraftat erlitten hat. Eine Festnahme nach § 35 lit c (nunmehr Z 3) VStG ist dabei im Rahmen des Strafausspruches zu berücksichtigen, wenn ein gewisser Zusammenhang mit der verwaltungsbehördlich geahndeten Tat besteht und eine Anrechnung in einem Gerichtsverfahren nicht erfolgt ist (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] E 4 zu § 19a VStG).

 

Nach § 19a Abs 3 VStG ist für die Anrechnung der Vorhaft auf in Geld bemessene Unrechtsfolgen die an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Dabei ist die Vorhaft auf die Geldstrafe und auf die Ersatzfreiheitsstrafe anzurechnen (VwSlg 11497 A/1984).

 

Der Bw hat am 26. Dezember 2010 eine Vorhaft im Ausmaß von 4,5 Stunden erlitten, was im Verhältnis zur bestätigten Ersatzfreiheitsstrafe 6,8 % ausmacht. Die nunmehr festgesetzte Geldstrafe von 100 Euro vermindert sich durch Anrechnung der Vorhaft um diesen Prozentsatz und damit um 6,8 Euro auf den Betrag von 93,2 Euro. Die Ersatzfreiheitsstrafe vermindert sich durch die Anrechnung der Vorhaft von 4,5 Stunden auf 61,5 Stunden.

 

5. Nach Herabsetzung der Geldstrafe entfällt gemäß § 65 VStG die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrags im Berufungsverfahren.

 

Die nach § 64 Abs 1 und 2 VStG vorzuschreibenden Kosten des Strafverfahrens erster Instanz sind dem geänderten Strafausspruch anzupassen. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Strafverfahren beträgt gemäß § 64 Abs 2 VStG 10 % der verhängten Strafe. Der Bw hat demnach für das erstbehördlichen Strafverfahren 10 % der verhängten Geldstrafe von 100 Euro und damit 10 Euro zu leisten.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

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