Linz, 02.12.2011
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 23. September 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung der Frau E T, H, S/T., Deutschland, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 10. März 2011, BauR96-510-2010, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II. Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in der Höhe von 60 Euro zu leisten.
zu I: §§ 16 Abs. 2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;
zu II: § 64 Abs.1 und 2 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin (Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden verhängt, weil sie als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen X am 25. Juli 2010 um 15.37 Uhr die mautpflichtige I A, A, Gemeinde W, Bezirk G, O, Fahrtrichtung Knoten V, benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut (Vignette) unterliege, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Es sei am Fahrzeug keine gültige Mautvignette angebracht gewesen.
2. In der Berufung brachte die Bw vor, dass die Trägerfolie von der Vignette abgelöst geworden sei, wobei kleine Teile verblieben wären. Sie habe auch darauf geachtet, dass diese vollkommen und mit allen Daten lesbar war. Auch sei die Vignette mit dem originären Klebstoff angebracht und geklebt worden. Da die Vignette unter Verwendung des originären Vignettenklebers, nach Ablösen der Trägerfolie, unbeschädigt und direkt auf der Innenseite der Windschutzscheibe angeklebt gewesen war, habe die Bw die geforderten Umstände erfüllt.
3. Aus dem Akt ist ersichtlich:
Dem Akt liegt eine Anzeige der A vom 20. Dezember 2010 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Demnach sei am Kfz keine Mautvignette angebracht gewesen. Gemäß § 19 Abs.4 BStMG sei der Zulassungsbesitzer am 2. September 2010 schriftlich zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert worden. Dieser Aufforderung wurde nicht entsprochen, da die Ersatzmaut nicht innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist dem angegebenen Konto gutgeschrieben wurde.
Gegen die Strafverfügung vom 30. Dezember 2010 erhob die Bw Einspruch. In der Rechtfertigung führte die Bw an, dass sie auf ein Schreiben der A Einspruch eingelegt und um ein Beweisfoto gebeten habe. Eine Antwort und auch ein Foto habe sie nie erhalten, aber fast 4 Monate später eine Strafverfügung. Die Bw widersprach ausdrücklich der Strafverfügung und habe erneut ein Beweisfoto gefordert.
Einer Stellungnahme der A vom 1. Februar 2011 ist Folgendes zu entnehmen:
Einer neuerlichen am 4. Februar 2011 bei der Erstbehörde eingelangten Stellungnahme der Bw ist zu entnehmen, dass zum fraglichen Zeitpunkt eine gültige Mautvignette an der Windschutzscheibe angebracht gewesen und sie darauf geachtet hätte, dass die Gültigkeit sichtbar sei. Schon im September 2010 habe sie den Fahrzeugschein zugefaxt, aber auf ihren Widerspruch und Bitte um Beweisfoto keine Antwort erhalten. Inzwischen sei das Auto auf die Tochter zugelassen und bitte sie erneut um ein Beweisfoto.
Mit Schreiben vom 22.2.2011 teilte die Bw mit, dass die Trägerfolie durchaus von der gültigen Vignette abgelöst worden sei, nur ein "Zipfel drangelassen" wurde, um es zuhause besser von der Scheibe entfernen zu können. Es sei eine haltlose Behauptung, dass damit eine Manipulation ihrerseits beabsichtigt worden sei. Sie sei, wie auf den Fotos ersichtlich, mit einer leserlichen gültigen Vignette zum Zeitpunkt der Beschuldigung gefahren.
Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.
4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde dem Vertreter der Bw das aktenkundige Foto mit der Feststellung vorgelegt, dass auf diesem ersichtlich, dass das Kreuz auf der Vignette sichtbar und sich aus dieser Situation daraus notwendig ergebe, dass die Trägerfolie nicht abgelöst und daher die Vignette nicht ordnungsgemäß aufgeklebt worden sei. Der Vertreter der Bw brachte vor, dass ihm dies geläufig sei. Er habe mit der Bw gesprochen und sie habe erklärt, dass, wenn sie die Trägerfolie abgelöst hätte, das Entfernen der Vignette mühsam gewesen wäre. Sie habe die Vignette gekauft, aber sie habe nicht gewusst, dass ihr Vorgehen falsch sei. Der Vertreter der Bw ersuchte um Herabsetzung der Strafe.
5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:
5.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.
Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.
Nach Punkt 7.1. der Mautordnung ist an jedem mautpflichtigen Kraftfahrzeug vor Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes eine gültige der jeweiligen Fahrzeugkategorie entsprechende Vignette ordnungsgemäß (unter Verwendung des originären Vignettenklebers) anzubringen. Jede andere Art der Anbringung (z.B. durch [zusätzliche] Klebestreifen) ist nicht gestattet und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung. Die Vignette ist - nach vollständigem Ablösen von der Trägerfolie - unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist (z.B. kein Ankleben hinter einem dunklen Tönungsstreifen).
Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis 3.000 Euro zu bestrafen.
§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).
Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die A- u S-F-A ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs.2 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs. 4).
Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht (Abs. 6).
5.2. Die Bw benutzte das mautpflichtige Straßennetz, ohne die Maut mittels einer ordnungsgemäß geklebten Vignette zu entrichten. Dies wurde von der automatischen Vignettenkontrolle erkannt und registriert. Auf dem aktenkundigen Foto ist ersichtlich, dass die Trägerfolie nicht abgelöst und die Allonge abgeschnitten wurde, was zusätzlich ein Hilfsmittel zum Befestigen auf der Windschutzscheibe nötig macht. Vom Vertreter der Bw wurde diese Vorgangsweise in der Berufungsverhandlung nicht bestritten. Die Bw hat somit das ihr vorgeworfene Delikt in objektiver Hinsicht verwirklicht.
Nicht entschuldigend wirkt die vorgebrachte Unkenntnis der österreichischen Rechtslage, da nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für ausländische Kraftfahrer die Verpflichtung besteht, sich über die Rechtsvorschriften, die er bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich zu befolgen hat, ausreichend zu unterrichten (vgl. u.a. VwGH 18.12.1997, Zl. 97/06/0224). Vorwerfbare Rechtsunkenntnis bewirkt daher Fahrlässigkeit, die bei "Ungehorsamkeitsdelikten" ausreicht. Zusätzlich sind auch auf der Rückseite der Vignette die wesentlichen Anbringungsvorschriften abgedruckt. Keinesfalls entschuldigend wirkt das Argument der Bw, dass das Entfernen der Vignette bei Ablösen von der Trägerfolie mühsam gewesen wäre. Andere Entschuldigungsgründe liegen nicht vor, weshalb die Verwaltungsübertretung der Bw auch subjektiv vorzuwerfen ist.
Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis ohnehin die gesetzliche Mindestgeldstrafe und eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde. Mildernd wirkt lediglich die (bei ausländischen Kraftfahrern häufig gegebene) Unbescholtenheit. Überwiegende Milderungsgründe im Sinne des § 20 VStG sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgebracht. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt wäre. Insbesondere ist der Schuldgehalt als nicht geringfügig anzusehen, da die Bw vor Benützung einer Mautstrecke für eine ordnungsgemäße Mautentrichtung (iSd Aufklebens einer gültigen Mautvignette) zu sorgen gehabt hätte.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. Ewald Langeder