Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730271/3/BP/Jo

Linz, 31.10.2011

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                      5A02, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von Bosnien – Herzegowina, vertreten durch X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Wels vom 27. April 2010, Zl.: 1-1027995/FP/10, betreffend die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


Entscheidungsgründe

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 27. April 2010, Zl.: 1-1027995/FP/10, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm. § 63 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt und gleichgehend die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein Staatsangehöriger von Bosnien - Herzegowina, laut Aktenlage im Juni 1990 erstmals nach Österreich gekommen und zur Zeit im Besitz eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung unbeschränkt" sei.

 

Bereits mit 14 Jahren sei der Bw erstmals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, da er mit Urteil des LG Linz, zu 22 HV 75/2002Y, vom 1. April 2003 rechtskräftig wegen § 107 Abs. 1 und 127 StGB verurteilt worden sei (Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe).

 

In den Jahren 2003 und 2004 seien gegen den Bw verschiedene Anzeigen wegen Diebstahls und Körperverletzung erhoben worden. Am 29. August 2004 sei beim Bw zudem Suchtgift gefunden worden.

 

Nach weiteren Anzeigen sei der Bw mit Urteil des LG Linz vom 2. Mai 2005 zu 25 HV 27/2005 wegen § 28 Abs. 2 4. Fall und Abs. 3  1. Fall, § 27 Abs. 1 1., 2., und 6. Fall SMG, wegen §§ 15 Abs. 1 iVm. 105 Abs. 1, § 83 Abs. 1, §§ 15 iVm. 91 Abs. 2 1. Fall, wegen § 241, § 146, § 147 Abs. 1 Z. 1, § 148 2. Fall, § 229 Abs. 1, § 135 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon 10 Monate bedingt, auf 3 Jahre (die Probezeit sei in einem späteren Verfahren verlängert worden). Der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe sei ab 21. Juni 2005 vollzogen worden.

 

Mit Urteil des BG Linz vom 8. März 2006 zu 14 U 35/2006, sei der Bw wegen
§ 27 Abs. 1 SMG zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden.

 

In der Folge sei er wegen verschiedener Straftaten – alle im Zusammenhang mit Suchtgiftkonsum bzw. –verkauf (ua. Heroin in unbestimmten Mengen) – angezeigt und inhaftiert worden, wobei ihm auch unbefugter Waffenbesitz einer Faustfeuerwaffe (Kaliber 9 mm) vorgeworfen worden sei. Über den gesamten Tatzeitraum sei der Bw keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen.

 

Mit Urteil des LG Linz, zu 33 HV 3/2007, vom 12. Februar 2007, sei der Bw rechtskräftig wegen § 28 Abs. 2 4. Fall, 28 Abs. 3 1. Satz 1. Fall SMG, wegen
§§ 105 Abs. 1, 107 Abs. 1 und 2, 83 Abs. 1 74 Abs. 1 StGB und § 50 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden. Die Haft sei ab 28. April 2008 vollzogen worden.

 

Mit Urteil des BG Linz, zu 14 U 314/2007, vom 13. Februar 2007, sei der Bw rechtskräftig wegen § 83 Abs. 1 StGB, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Wochen verurteilt worden.

 

Mit Urteil des LG Wels, zu 12 HV 127/09m, sei der Bw wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall und Abs. 2 Z. 1 sowie Abs. 4 Z. 3 SMG, wegen § 28  Abs. 1 5. Fall, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 4 Z. 3 SMG, wegen § 15 Abs. 1 StGB iVM. § 28 Abs. 1 1. Fall SMG, wegen § 27 Abs. 1 Z. 1 1. und 2. Fall sowie Abs. 2 SMG, wegen § 83 Abs. 1 StGB sowie § 231 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt worden.

 

Die belangte Behörde schließt diesen Ausführungen Schilderungen der einzelnen Taten an und führt dann weiter aus, dass, nach Einleitung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der Bw mit Stellungnahme vom 18. März 2010 ua. angegeben habe seit Juni 1990 wie auch seine Eltern und Geschwister in Österreich zu leben und nicht verheiratet oder sorgepflichtig zu sein. Er habe seine Schulausbildung in Österreich absolviert (Volksschule, Hauptschule lediglich bis zur 3. Klasse). Er verfüge über keinen Hauptschulabschluss, keine Berufsausbildung und sei von den Eltern finanziell unterstützt worden.

 

In einer weiteren Stellungnahme vom 24. März 2010 habe die Mutter des Bw ausgeführt, dass ihr Sohn nie in Bosnien gelebt habe und Österreich seine Heimat von frühster Kindheit an sei. Die negative Entwicklung des Bw führe die Mutter auf die Tatsache zurück, dass der Bw aufgrund ihrer Berufstätigkeit viel alleine gewesen sei.

 

In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde ua. aus, dass der – seit 1990 in Österreich lebende Bw – zuletzt an der Wohnanschrift der Eltern in Linz gemeldet gewesen sei und zwar von 10. Oktober 1994 bis 14. Mai 2009, also nicht bis zu seiner Inhaftierung am 3. Juni 2009 bzw. seiner Festnahme am 1. Juni 2009. Er sei schon zuvor mit dem Vermerk "Verzogen in NICHT – EU – RAUM" abgemeldet worden.

 

Der Bw sei beruflich nicht integriert und verfüge auch über keinen Schulabschluss. Weiters schmälere sich die soziale Integration trotz des langen Aufenthalts durch die vielfachen Straftaten.

 

Der festgestellte Sachverhalt rechtfertige die Annahme, dass der weitere Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit massiv gefährden würde. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zum Schutz des wirtschaftlichen Wohles der Republik sowie zur Verhinderung von Straftaten, somit zur Erreichung von in Art. 8 genannten Zielen, dringend geboten. Auch eine Interessensabwägung führe dazu, dass die privaten Interessen des Bw am Verbleib in Österreich von den öffentlichen Interessen bei weitem überwogen würden. Unter Bedachtnahme auf ihr Ermessen habe die Dauer des Aufenthaltsverbotes wegen der permanenten, weder durch familiäre Einflüsse noch durch Vorstrafen regulierbaren Gefährlichkeit und kriminellen Energie des Bw, ohne Befristung festgesetzt werden müssen.

 

Die belangte Behörde begründet weiters in Hinblick auf § 64 FPG, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Berufung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit unbedingt erforderlich sei.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 21. April 2010.

 

Eingangs werden die Berufungsanträge auf Aufhebung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes; in eventu auf Aufhebung und Zurückverweisung; in eventu auf Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes gestellt.

 

Der Bw bestreitet nicht den von der belangten Behörde erhobenen Sachverhalt, vermeint aber, dass sie bei richtiger rechtlicher Würdigung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen. Er bereue seine Straftaten zutiefst und es sei aufgrund der langen Haftdauer die Gewähr gegeben, dass er nicht mehr rückfällig werde. In Bosnien verfüge er über kein familiäres Netzwerk, weshalb eine Abschiebung einer völligen Entwurzelung gleichkomme.

 

Die Interessensabwägung nach § 66 FPG müsse in seinem Fall zum Ergebnis führen, dass die familiären bzw. privaten Interessen die öffentlichen Interessen überwögen.

 

Der Bw führt weiters aus, bemüht zu sein, in der Haft eine Drogentherapie zu erlangen, weshalb auch aus diesem Grund eine positive Zukunftsprognose erstellt werden könne. 

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 38/2011, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw im relevanten Zeitraum über einen Aufenthaltstitel verfügte, weshalb grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen wären. Allerdings ist davor noch auf die besonderen Ausschließungsgründe des
§ 64 FPG einzugehen.

 

3.2.1. Gemäß § 64 Abs. 1 FPG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Ausweisung gemäß § 62 und ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 nicht erlassen werden, wenn

1.      ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die   Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes         1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

 2.     er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

3.2.2. Es ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass der Bw mit noch nicht ganz 3 Jahren (im Juni 1990) nach Österreich kam und sich seither aufgrund von Aufenthaltstiteln rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt.

 

Durch die Novelle des Fremdenpolizeigesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 wurde der vormalige § 61 Z. 3 und 4  in der eben dargestellten Version neu gefasst. Wies
§ 61 Z. 4 noch die Einschränkung auf "es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten 2-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden", besteht gerade diese Einschränkung in der nunmehrigen Fassung nicht mehr. Es folgt daraus, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unter § 64 Abs. 1 FPG zu subsumierende Personen generell nicht mehr zulässig  ist.

 

Zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung konnte die belangte Behörde also noch völlig zurecht von der Zulässigkeit der Maßnahme ausgehen, da im Übrigen der vorliegende Sachverhalt fraglos geeignet ist, eine besonders hohe und weiterhin negative Gefährlichkeitsprognose hinsichtlich des Bw, der jahrelang in der Suchtgiftkriminalität und  deren Umfeld verhaftet ist, anzunehmen und dazu eine mehr als 2-jährige unbedingte Freiheitsstrafe vorliegt. Auch eine Interessensabwägung hätte eindeutig zugunsten der öffentlichen Interessen ausgehen müssen. Allein der Gesetzgeber hat der Tatsache eines besonders langen rechtmäßigen Aufenthalts ein exklusives Gewicht zugemessen.

 

3.2.3. Der am 15. Juli 1987 geborene Bw kam im Juni 1990 als noch nicht dreijährig mit seinen Eltern nach Österreich. Es ist dabei fraglos das Tatbestandselement "von klein auf im Bundesgebiet aufgewachsen" erfüllt. Auch, dass er über Aufenthaltstitel verfügte, ist unbestritten. Es ist also auf ihn die Bestimmung des § 64 Abs. 1 FPG anzuwenden, weshalb die Anordnung eines Aufenthaltsverbots gegen den Bw nicht zulässig ist. 

 

3.3. Es war daher – ohne auf die weiteren Berufungsvorbringen einzugehen – der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Nachdem der Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung verzichtet werden. 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

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