Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730029/3/SR/ER/Jo

Linz, 24.10.2011

 

E R K E N NT N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. X, StA der VR China, vertreten durch den Verein X, Vollmachtinhaber X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 1. April 2010, AZ.: Sich40-40324, betreffend eine Ausweisung des Berufungswerbers nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

            I.      Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

        II.      Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 1. April 2010, AZ.: Sich40-40324, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 53 Abs. 1 in Verbindung mit 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, die Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich angeordnet.

 

Nach Wiedergabe der anzuwendenden Rechtsvorschriften führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein Staatsangehöriger der VR China, erstmalig eigenen Angaben zufolge im Oktober 1999 illegal über Ungarn nach Österreich eingereist sei und am 4. Jänner 2002 einen Asylantrag gestellt habe, der mit Bescheid vom 3. Juli 2002 abgewiesen worden sei. Eine dagegen gerichtete Berufung habe der Asylgerichtshof mit Bescheid vom 10. Jänner 2010 abgewiesen, weshalb sich der Bw seit Widerruf seiner Aufenthaltsberechtigungskarte nach dem Asylgesetz seit 19. Jänner 2010 nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

In Folge habe der Bw am 10. Februar 2010 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG in der damals geltenden Fassung gestellt, diesen im Zuge eines persönlichen Gesprächs am 19. Februar 2010 bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden dann auf § 44 Abs. 3 NAG gestützt, mit der Begründung, dass er die Sprachprüfung auf dem Niveau A2 nicht abgelegt habe.

Aufgrund dieses Antrags habe die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als für die Vollziehung des NAG zuständige Behörde mit Schreiben vom 22. Februar 2010 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (SID) gemäß      § 44b Abs. 2 NAG eine Stellungnahme eingeholt, der zufolge aufenthaltsbeendende Maßnahmen zulässig seien.

 

Die belangte Behörde hält in ihrer Würdigung der persönlichen Verhältnisse des Bw fest, dass er sich zum Entscheidungszeitpunkt bereits über zehn Jahre im Bundesgebiet befunden habe, während seines Asylverfahrens von 4. Jänner 2002 bis 19. Jänner 2010, also über acht Jahre, rechtmäßig. Er sei in einer Wohnung seines Dienstgebers gemeldet, die ihm während seines Beschäftigungsverhältnisses kostenfrei zur Verfügung stehe. Diese Wohnung könne als ortsüblich eingestuft werden, was anhand einer Wohnungsüberprüfung festgestellt worden sei. Der Bw lebe in keiner Lebensgemeinschaft.

Der Bw sei zum Entscheidungszeitpunkt in einem legalen Beschäftigungsverhältnis beschäftigt, und er sei selbsterhaltungsfähig. Es sei anhand von Versicherungsdatenauszügen auch festgestellt worden, dass der Bw von 14. August 2002 bis zum Entscheidungszeitpunkt mit Ausnahme von wenigen Tagen fast durchgehend beschäftigt gewesen sei. Der Bw habe noch nie Leistungen des AMS in Anspruch genommen und sei krankenversichert, weshalb ihm eine gewisse Integration am Arbeitsmarkt nicht abgesprochen werden könne.

Die Deutschkenntnisse des Bw seien als schlecht einzustufen, er habe trotz nachweislich besuchter Deutschkurse bis zum Entscheidungszeitpunkt die Sprachprüfung auf dem Niveau A2 nicht abgelegt.

Der Bw sei strafrechtlich und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.

Insgesamt stellt die belangte Behörde fest, dass der Bw sich ein gewisses Privat- und Berufsleben in Österreich aufgebaut und auch bereits ein gewisses Maß an Integration erreicht habe.

 

Das Privat- und Berufsleben sowie die Integration des Bw seien aber während eines Zeitraums entstanden, in dem sich der Bw seines unsicheren Aufenthaltstatus bewusst sein hätte müssen. Er hätte die erstinstanzliche negative Asylentscheidung vom 3. Juli 2002 als eindeutiges Indiz für seinen unsicheren Aufenthaltstatus erkennen müssen.

Der Bw habe außerdem vier eheliche Kinder; seine Mutter, seine Gattin und die Kinder würden in China leben, in Österreich bzw. im EWR habe der Bw keine Familienangehörigen.

Unter Abwägung der o.g. persönlichen Situation des Bw mit den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen stellt die belangte Behörde fest, dass die Ausweisung zur Erreichung der in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und zulässig sei. Die persönlichen Interessen des Bw hätten gegenüber den öffentlichen Interessen im vorliegenden Fall in den Hintergrund zu treten.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch die Beratungsstelle X rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 4. April 2010. Darin werden die Anträge gestellt, den Ausweisungsbescheid zu beheben und (sinngemäß) das Ausweisungsverfahren einzustellen sowie seinem Antrag auf Niederlassungsbewilligung stattzugeben.

 

Der Bw bringt in seiner Berufung vor, dass er nachweislich seit 28. Mai 2002 durchgehend in Österreich aufhältig sei und er selbst seinen Lebensunterhalt finanziere und krankenversichert sei. Er ersucht, die Art und Dauer seines Aufenthalts, die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens, den Grad seiner Integration sowie seine strafrechtliche Unbescholtenheit zu berücksichtigen. Eine Rückkehr in die VR China sei mit der Gefahr politischer Verfolgung verbunden, womit er auch seinen Asylantrag begründet habe. Aufgrund dieses Asylantrags sei es ihm auch nicht mehr möglich, mit offiziellen Stellen der VR China in Kontakt zu treten, um Dokumente wie Reisepass, Geburtsurkunde und Personalausweis zu beschaffen. Er sei auch gewillt, weitere Sprachkurse zu besuchen, um die deutsche Sprache besser zu erlernen.

 

3. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich – nach Inkrafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie durch Einsichtnahme in den aktuellen Versicherungsdatenauszug und einen aktuellen Strafregisterauszug sowie durch Auskunftserteilung des AMS Oö.

 

3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67d Abs. 2 Z. 1 AVG).

 

Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten unbestrittenen Sachverhalt aus.

Darüber hinaus stellt der Oö. Verwaltungssenat aufgrund der ergänzenden Unterlagen fest, dass der Bw nach wie vor strafrechtlich und verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist und einer versicherungspflichtigen, unselbstständigen, legalen Beschäftigung nachgeht.

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

4.1.2. Im vorliegenden Fall wurde die Ausweisung auf Basis des § 53 FPG (in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011) erlassen, weshalb diese Ausweisung als Rückkehrentscheidung im Sinne des § 52 FPG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzusehen und zu beurteilen ist.

 

4.2.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

4.2.2. Im vorliegenden Fall ist auch vom Bw selbst unbestritten, dass er über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist.

 

Allerdings ist bei der Beurteilung der Rückkehrentscheidung sowohl auf Art. 8 EMRK als auch auf § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

4.3. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Nach § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

4.4. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessenabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte ist es grundsätzlich zulässig und erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.4.1. Der belangten Behörde folgend ist, mangels Vorliegens eines Familienlebens im Bundesgebiet, im Wesentlichen eine Interessenabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG hinsichtlich des Privatlebens des Bw vorzunehmen, wobei insbesondere auf seine berufliche und soziale Integration, das Asylverfahren und die lange Aufenthaltsdauer Bedacht zu nehmen ist.

In Anbetracht seines mittlerweile zwölf Jahre währenden Aufenthaltes im Bundesgebiet ist dem Bw eine der Dauer seines Aufenthaltes entsprechende Integration zuzugestehen. Dieser Aufenthalt war nachweislich von 4. Jänner 2002 bis zum Widerruf seiner auf dem Asylgesetz fußenden Aufenthaltsberechtigung am 19. Jänner 2010, also rund acht Jahre, rechtmäßig.

Das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration wird jedoch angesichts der ständigen Judikatur des VwGH dadurch gemindert, als der Aufenthalt des Bw während des Asylverfahrens nur aufgrund eines Antrages, welcher sich letztendlich als unberechtigt erwiesen hat, temporär berechtigt war. Dem Bw musste bewusst sein, dass er ein Privatleben während eines Zeitraumes, in dem er einen "unsicheren" Aufenthaltsstatus hatte, geschaffen hat, (vgl. etwa Erkenntnis vom 08.11.2006, Zahl 2006/18/0344 sowie Zahl 2006/18/0226 ua.). Er durfte nicht von vornherein damit rechnen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

Im Hinblick auf den zwölf Jahre währenden Aufenthalt in Österreich ist im Besonderen auf die die jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abzustellen. Wie folgt wiedergegeben, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2009, GZ 2009/21/0348, einer sozialen Integration, obwohl sie in einem Zeitraum entstanden ist, während dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war, ein nicht unbeachtliches Gewicht beigemessen:

 

Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (E. vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293; E. vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0253; E. des VfGH vom 3. März 2008, B 825/07 mit Bezug auf die Urteile des EGMR vom 31. Jänner 2006, Rodrigues da Silva und Hoogkaamer gegen die Niederlande [Beschwerde Nr. 50435/99] und vom 31. Juli 2008, Darren Omoregie u.a. gegen Norwegen [Beschwerde Nr. 265/07]). Der EGMR stellt in den angesprochenen Urteilen darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes sei derart, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist. Sei das der Fall, bewirke eine Ausweisung des ausländischen Familienangehörigen nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art 8 EMRK (vgl.: E vom 19. Februar 2009, Zl. 2008/18/0721, E. vom 30. April 2009, Zl. 2009/21/0086). In diesem Sinn ist nach der Z. 8 des § 66 Abs. 2 FPG [in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011] aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Annordnung bei der Interessensabwägung darauf Bedacht zu nehmen, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war. Freilich hat die genannte Bestimmung schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthalts erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Erkenntnis vom 20. Jänner 2011, Zl. 2010/22/0158, hat der Verwaltungsgerichtshof bei einer im Wesentlichen vergleichbaren Sachlage, jedoch eines knapp über 10 Jahre bestehenden Aufenthaltes, dem persönlichen Interesse des Fremden am Verbleib in Österreich ein solches Gewicht beigemessen, dass eine Ausweisung unzulässig ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei wie folgt ausgeführt:

 

Der Beschwerdeführer verweist auf seine Erwerbstätigkeit und darauf, dass er sich während seines Aufenthaltes in Österreich "in privater Hinsicht sehr gut integriert" habe. Die belangte Behörde hob zwar zu Recht hervor, dass dem Beschwerdeführer bereits nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylantrages die Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er somit nicht mit einem legalen Aufenthalt in Österreich rechnen durfte. Sie ist auch darin im Recht, dass dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. für viele etwa das Erkenntnis vom 6. Juli 2010, 2008/22/0688). Dementsprechend haben Fremde nach Abweisung ihres Asylantrages grundsätzlich den rechtmäßigen Zustand durch Ausreise aus dem Bundesgebiet herzustellen. Demgegenüber vermag der Beschwerdeführer jedoch einen bereits über zehnjährigen Aufenthalt in Österreich für sich ins Treffen zu führen und es stellte die belangte Behörde auch fest, dass er erwerbstätig ist. Diese Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Ausweisung unverhältnismäßig erscheint (vgl. zu ähnlichen Fällen etwa die E. vom 26. August 2010, 2010/21/0206 und 2010/21/0009).

 

4.4.2. Mit zwölf Jahren Dauer kann der Bw auf einen langen, großteils rechtmäßigen, Aufenthalt in Österreich verweisen. Bezüglich des von der belangten Behörde ins Treffen geführten unsicheren Aufenthalts des Bw zum Zeitpunkt des Entstehens des Privatlebens ist insbesondere auf die oben zitierte jüngste Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.

 

Der Bw ist zum überwiegenden Teil seines Aufenthalts einer legalen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Integration am Arbeitsmarkt gelungen ist und auch in Zukunft gegeben sein wird, zumal er sich trotz des anhängigen Ausweisungsverfahrens eigenständig und rechtzeitig um die Verlängerung seiner Beschäftigungsbewilligung bemüht hat und nach Auskunft des AMS OÖ und der Oö. Gebietskrankenkasse auch tatsächlich einer rechtmäßigen, unselbstständigen  versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgeht und somit weiterhin selbsterhaltungsfähig und krankenversichert ist.  

 

Es kann dem Bw wohl nach einem zwölfjährigen Aufenthalt ein hohes Maß an Integration zugemessen werden, auch wenn er bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Bestätigung über seine Deutschkenntnisse in Form eines A2-Zertifikats vorlegen konnte. Zu berücksichtigen ist, dass der Bw nachweislich an Deutschkursen für das Kursniveau A1+ sowie A2 teilgenommen und somit seinen Willen zum Erlernen der deutschen Sprache dokumentiert hat.

 

Nach dem in Rede stehenden Zeitraum ist durchaus nachvollziehbar, dass die Bindung an den Heimatstaat keine relevante Ausprägung mehr erreicht. Demgegenüber ist nicht unerheblich, dass der Bw etwa 31 Jahre in der VR China gelebt hat und sich dort seine Frau und seine Kinder zum Zeitpunkt seiner Abreise befunden haben. Seinen Angaben, er würde keinen Kontakt zu seiner Familie pflegen, verleiht der Bw dadurch Glaubwürdigkeit, als er angibt, nicht zu wissen, ob sich seine Familie immer noch in der VR China befinde und sich aus dem vorgelegten Akt keinerlei Hinweise auf bestehende familiäre Kontakte ergeben.

 

Der Bw ist strafgerichtlich unbescholten.

 

Gemäß der oben angeführten Judikatur des VwGH und VfGH ist in diesem Fall hinsichtlich der Frage eines unsicheren Aufenthalts nach § 61 Abs. 2 Z. 8 FPG bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände festzustellen, dass die für die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sprechenden privaten Elemente die des öffentlichen Interesses gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK überwiegen.

 

Nicht zuletzt wird auch davon auszugehen sein, dass gemäß § 61 Abs. 2 Z. 9 FPG von einer eher in die Sphäre der Behörden fallenden langen Verfahrensdauer gesprochen werden muss, zumal das Asylverfahren bis zur rechtskräftigen letztinstanzlichen Entscheidung mehr als acht Jahre gedauert hat.   

 

Die dargelegten Umstände verleihen dem persönlichen Interesse des Bw an einem Verbleib in Österreich ein solches Gewicht, dass die Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig ist.

 

4.5. Im Ergebnis ist eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf das Privatleben des Bw auf Dauer unzulässig.

 

4.6. Es war daher der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Da der Bw ausreichend der deutschen Sprache mächtig ist, konnte gemäß      § 59 Abs. 1 FPG von der Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung Abstand genommen werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 22,10 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Mag. Stierschneider

 

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