Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720300/2/BP/Wu

Linz, 24.11.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, Staatsangehöriger von Portugal, X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 8. Juni 2011, AZ.: 1-1018799/FP/10, mit dem über den Berufungswerber ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nach dem Fremdenpolizeigesetz verhängt wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als das gegen den Berufungswerber auf unbefristet erlassene Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf eine Befristung von zehn Jahren herabgesetzt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Steyr vom 8. Juni 2011, AZ.: 1-1018799/FP/10, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) gemäß § 86 Abs. 1 iVm. § 63 Abs. 1 FPG idgF. ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt.

 

Zunächst führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein portugiesischer Staatsangehöriger, am 15. September 2010 vom LG Steyr wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach 27 Abs.1 2 1 1. und 2. Fall, Abs.2 SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 2. und 3. Fall, Abs.4 Z 3 SMG und § 15 Abs.1 StGB, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs. 1 5. Fall, Abs.2 Z 3 SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs.1 2. Fall SMG, des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs.1 StGB, der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 129 Abs.1 StGB, des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs.3 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs.1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs.1 StGB nach § 28a Abs.4 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren unbedingt verurteilt worden sei. Der dagegen erhobenen Berufung an das OLG Linz sei nicht Folge gegeben worden.

Das Urteil sei mit 24. März 2011 in Rechtskraft erwachsen.

 

Gegen den Bw lägen zudem weitere Verurteilungen vor:

1.      Urteil des BG Kirchdorf a.d. Krems vom 6. April 2005, rk seit 12. April 2005, Zl.: 1 U 38/2005h wegen § 89 StGB, Geldstrafe von 100 Tagsätzen zu je € 2,- (€ 200,-) im NEF 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe;

2.      Urteil des BG Wels vom 24. April 2005, rk seit 17. Juni 2005, Zl.: 16 U 351/2004H wegen § 133/1 StGB, Freiheitsstrafe 1 Monat, bedingt auf eine Probezeit von 2 Jahren;

3.      Urteil des LG Wels vom 26. August 2009, rk seit 1. September 2009, Zl.: 12 HV 125/2009t wegen § 27 Abs. 2 u 3 SMG, Freiheitsstrafe 4 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren;

4.      Urteil des LG Steyr vom 11. Februar 2010, rk seit 23. Juni 2010, Zl.: 13 HV 133/2009t wegen §§ 207 Abs. 1, 212 Abs. 1, 1. Fall StGB, Freiheitsstrafe von 22 Monaten unbedingt;

5.      Urteil des LG Steyr vom 15. Juli 2010, rk seit 2. September 2010, Zl.: 13 HV 76/2010M wegen § 206 Abs. 1 und § 211 Abs. 1 StGB, Freiheitsstrafe von 26 Monaten.

 

 

Der Bw habe – nach Einleitung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - in einer Stellungnahme vom 30. Mai 2011 angegeben, dass er sich seit dem Jahr 2000 in Österreich aufhalten würde, hier auch gearbeitet habe, in Deutschland aufgewachsen und der portugiesischen Sprache kaum mehr mächtig sei.

 

Die belangte Behörde gibt zum Sachverhalt ferner an, dass der Bw ledig sei und zu seiner Ex-Freundin und der 10-jährigen Tochter keinen Kontakt habe. In Österreich verfüge er nicht über familiäre Bindungen. Er sei zwar hin und wieder einer Beschäftigung nachgegangen, laut aktuellem Versicherungs­datenauszug habe er aber überwiegend (wie auch momentan) Arbeitslosen- und Sozialhilfe bezogen.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass der Bw als portugiesischer Staatsangehöriger den Bestimmungen des § 86 FPG unterliege.

 

Unter Hinweis auf die §§ 60 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und 66 FPG sowie im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen gegen die Sittlichkeit sowie zum Schutz der Gesundheit anderer) als dringend geboten zu erachten.

 

Verbrechen nach § 201 ff. StGB gehörten zu den verwerflichsten und verabscheuenswürdigsten Handlungen, die das Gesetz unter Strafe stelle. Die Vornahme von geschlechtlichen Handlungen an der unmündigen Tochter, das zwangsweise Abverlangen der Duldung abartiger sexueller Handlungen könne mit nichts gerechtfertigt werden. Erschwerend komme hinzu, dass der Bw das Gesamtverhalten noch der Intensität nach gesteigert habe. Zu seinem Nachteil sei auch zu werten, dass er die Wehr- und Hilflosigkeit seines Opfers ausgenutzt habe und ihm jegliche Schuldeinsicht fehle.

 

Wer – wie der Bw – zusätzlich dem Suchtgifthandel nachgehe, noch dazu mit besonders großen Mengen, lasse seine Geringschätzung für maßgebliche Schutzgüter und Werte der Gesellschaft erkennen. 

 

Eine Interessensabwägung gemäß § 66 FPG müsse eindeutig zugunsten der öffentlichen Interessen ausfallen. Aus der Schwere und besonderen Verwerflichkeit der oben angeführten gerichtlichen Verurteilungen sei klargestellt, dass das öffentliche Interesse hier besonders hoch einzuschätzen sei. Hingegen bestünden derzeit keine familiären Bindungen im Bundesgebiet.

 

Zu Gunsten des Bw sei der langjährige Aufenthalt im Bundesgebiet berücksichtigt worden, den Abbruch der familiären Bindung (welche er wieder aufnehmen wolle) habe der Bw selbst zu verantworten, da er seine Tochter sexuell massivst genötigt habe.

 

Da unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen – im Hinblick auf die für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose – die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthalts­verbotes wesentlich schwerer zu wiegen schienen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig.

 

Zudem sei der Bw zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden und habe dadurch jenes Maß an unbedingter Freiheitsstrafe erreicht, bei dem der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine positive Ermessens­übung von vornherein ausschließe. Darüber hinaus sei der Bw 2mal rechtskräftig wegen des Verbrechens gegen die Sittlichkeit verurteilt worden, wobei zum Nachteil gewertet worden sei, dass die Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers ausgenützt und jegliche Schuldeinsicht fehlen würde.

 

Nachdem nicht abzusehen sei, wann das vom Bw ausgehende Gefährdungspotential nicht mehr vorliege sei das Aufenthaltsverbot unbefristet zu verhängen gewesen. Aufgrund der großen Gefährlichkeit des Bw sei zudem kein einmonatiger Durchsetzungsaufschub zu gewähren.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitige Berufung datiert vom 22. Juni 2011, zur Post gegeben am 24. Juni 2011.

 

Darin führt der Bw aus, dass Portugal für ihn ein fremdes Land und er der Sprache nicht mächtig sei. Weiters habe er gesundheitliche Probleme (Diabetes, Asthma, 40 %-Invalide) und er müsse sich in Portugal Sorgen um seine Gesundheit machen. Entsprechende Befunde werde er noch nachsenden. Der Bw habe eine Therapieplatzzusage und werde alles unternehmen, um künftig ein straffreies Leben führen zu können.

 

Er ersucht daher abschließend von der Verhängung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen.

 

 

2.1.  Mit Schreiben vom 27. Juni 2011 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat von der Bundespolizeidirektion Steyr vorgelegt.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

Hiezu ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen ua. vom 21. Dezember 2010, Zl. 2007/21/0528 und vom 5. Juli 2011; Zl. 2008/21/0671-6, explizit ausgeführt hat, dass im fremdenpolizeilichen Administrativverfahren ein Recht des Fremden von der Berufungsbehörde mündlich gehört zu werden, nicht besteht.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter dem Punkt 1.1.1. dieses Erkenntnisses dargestellten widerspruchsfreien Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

3.1.2. Beim Bw handelt es sich um einen portugiesischen Staatsangehörigen, der von seiner Freizügigkeit Gebrauch machte, indem er sich in Österreich niederließ, also um eine Person des in § 67 Abs. 1 FPG erster Satz angesprochenen Adressatenkreises.

 

3.2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nachhaltig und schwerwiegend zu gefährden.

 

Nachdem der Bw seit rund 11 Jahren im Bundesgebiet aufhältig ist, kommt der besonders erhöhte Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1, 5. Satz FPG zum Tragen, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen Personen, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, dann zulässig ist, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

 

3.2.2. Zunächst ist das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik näher auszulegen. Es muss sich demnach um eine Gefährdung eines Sicherheitsinteresses der Republik handeln, das seiner Natur nach ein nicht punktuelles sondern ein, der Beeinträchtigung nach, breit gestreutes oder seiner Eigenheit nach von der Gesellschaft als besonders verwerflich eingestuftes Phänomen darstellt und bei dem der Staat ein besonders hohes Interesse haben muss, dessen Bedrohung und Verletzung nachhaltig und effektiv abzuwenden.

 

Ein geradezu klassisches Beispiel hiefür bildet fraglos der Suchtgifthandel. Dies hat nicht nur der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt, sondern auch der Verwaltungsgerichtshof festgestellt. "Die Suchtgiftdelinquenz stellt – auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben – ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und besteht an dessen Verhinderung ein besonders großes  Interesse Angesichts dessen ist es nicht rechtswidrig in diesen Fällen die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 86 Abs. 1" (nunmehr § 67 Abs. 1) "FPG anzusehen" (VwGH vom 12. Oktober 2010, 2010/21/0335).

 

Dies gilt wohl nicht so sehr für den Drogen-Eigenkonsum, sondern insbesondere für den Handel mit Suchtgiften.

 

Ein weiteres derartiges Phänomen bildet fraglos jegliche Form des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger, das entschieden zu bekämpfen – wie gesellschaftlich überwältigend anerkannt – oberstes Prinzip einer jeden Strafrechtspflege sowie staatlichen Macht sein muss. Auch durch derartige Delikte ist somit die öffentliche Sicherheit massivst gefährdet und der Staat aus moralischen und ethischen Beweggründen zu einem effektiven Handeln gezwungen.

 

Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

3.2.3. Im vorliegenden Fall steht außer Zweifel, dass der Bw wiederholt gerade im Bereich der Suchtgiftkriminalität aktiv wurde. Im Rahmen der letzten Verurteilung sticht besonders der Umfang der gehandelten Suchtgifte ins Auge.

 

Den Erwägungen der belangten Behörde folgend muss jedoch das Augenmerk im vorliegenden Fall besonders auf die Verbrechen des Bw gegen die Sittlichkeit gelegt werden.

 

Verbrechen nach § 201 ff. StGB gehören tatsächlich zu den verwerflichsten und verabscheuenswürdigsten Handlungen, die das Gesetz unter Strafe stellt. Der Bw wurde wegen §§ 206, 207, 211 und 212 gleich zweifach verurteilt.

 

Die Vornahme von geschlechtlichen Handlungen an der unmündigen Tochter, das zwangsweise Abverlangen der Duldung abartiger sexueller Handlungen bedeutet eine wahrhaft verabscheuenswürdige Tat. Erschwerend kommt hinzu, dass der Bw das Gesamtverhalten noch der Intensität nach steigerte. Zu seinem Nachteil ist auch zu werten, dass er die Wehr- und Hilflosigkeit seiner eigenen Tochter ausnutzte. Die nunmehr in der Berufung enthaltene lapidare Beteuerung eines beabsichtigten zukünftigen Wohlverhaltens ist keinesfalls geeignet, eine günstige Zukunftsprognose hinsichtlich des Gefährdungspotentials zu dokumentieren.

 

Dazu wird angemerkt, dass keinerlei stichhaltige Gründe auszumachen sind, dass der Bw tatsächlich seine seit 6 Jahren verfestigt eingeschlagene "kriminelle Laufbahn" hinter sich gelassen hätte. Abschließend ist hiezu auch auf die weite Streuung seiner kriminellen Energie zu verweisen, die sich von Körperverletzungs- über Eigentums-, Suchtgift- bis zu Sittlichkeitsdelikten manifestierte.

 

Es muss – ohne den Grundsatz "in dubio pro reo" außer Acht zu lassen, auch weiterhin von einem akuten, nachhaltigen und besonders hohen Gefährdungspotential für die Sicherheit der Republik Österreich ausgegangen werden, weshalb die Tatbestände des § 67 Abs. 1 FPG als gegeben anzunehmen sind.

 

Allerdings ist im in Rede stehenden Fall auch besonders auf das Privat- und Familienleben des Bw im Sinne einer Interessensabwägung Bedacht zu nehmen.

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß § 125 Abs. 20 FPG  gelten, vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 vorgenommene Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 66 als Beurteilungen und Entscheidungen gemäß § 61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter.

 

3.4.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.4.2. Es steht außer Frage, dass das in Rede stehende Aufenthaltsverbot in das Privatleben des Bw eingreift. Ein Eingriff in das Familienleben des Bw ist hingegen nicht zu erkennen, da er mit seiner Ex-Freundin und seiner Tochter nicht im gemeinsamen Haushalt lebt und auch sonst keine Familienangehörigen in Österreich aufhältig sind. Das Bemühen um Wiederaufnahme des Kontakts zu Ex-Freundin und Tochter, wie in der Berufung angekündigt, ist nicht geeignet in der aktuellen Beurteilung besonders releviert zu werden; überdies seien hier begründete Zweifel angemeldet, inwieweit ein derartiger Wunsch auf Seiten des Opfers der sexuellen Nötigung und der Mutter aufgenommen würde.

 

Hinsichtlich der Aufenthaltsdauer kann der Bw jedenfalls auf einen 10-jährigen Zeitraum in Österreich verweisen, wobei hier nicht überprüft werden soll, inwieweit der Bw die für die Ausübung der Freizügigkeit erforderlichen Kriterien (ausreichendes Einkommen, Krankenversicherung) kontinuierlich erfüllte. Es ist dem Bw eine eher durchschnittlich verfestigte Integration zuzubilligen, die weder durch eine konstante berufliche noch durch eine sehr positive soziale Komponente an den Tag tritt. Die Schutzwürdigkeit seines Privatlebens ist ebenfalls nicht als besonders ausgeprägt zu erachten.

 

Auch, wenn der Bw anführt, in seinem Heimatland Portugal wäre ihm eine Reintegration nicht zumutbar, ist darauf zu verweisen, dass das Aufenthaltsverbot zunächst für das Bundesgebiet der Republik Österreich ausgesprochen werden soll. Darüber hinaus bringt der Wohnsitzwechsel innerhalb der EU-Staaten fraglos keine unüberbrückbaren kulturellen Hindernisse mit sich, wie allein auch daraus schon sichtbar wird, dass sich der Bw nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern auch in den Niederlanden aufgehalten hat. Eine Integration außerhalb Österreichs wäre ihm also jedenfalls zumutbar.

 

Gleiches gilt im Ergebnis für die vom Bw vorgebrachten Erkrankungen, deren Behandlung in allen in Frage kommenden Ländern der Europäischen Union zweifelsfrei möglich wäre.

 

Auf die strafrechtlichen Verurteilungen – die hier als besonders schwerwiegend gewertet werden müssen – braucht nicht mehr näher eingegangen zu werden.

 

Weiters sind keine Umstände bekannt, die die Annahme der Säumigkeit der österreichischen Behörden annehmen lassen würden.

 

3.4.3. Aus all dem folgt, dass zwar ein Eingriff in das Privatleben des Bw durch die Maßnahme zu bejahen ist, dass dieser aber im Verhältnis zu dem unter dem Punkt 3.2. eingehend dargestellten öffentlichen Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes weniger stark zu gewichten ist.

 

3.4.4. Auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips kommt man zu den eben dargestellten Überlegungen, wodurch grundsätzlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw gerechtfertigt ist.

 

3.5.1. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist auf § 67 Abs. 2 und 3 FPG zu verweisen.

 

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens 10 Jahren erlassen werden.

 

Gemäß § 67 Abs. 3 FPG kann ein Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

     1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

     2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

     3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

     4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

Gemäß § 67 Abs. 4 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

 

3.5.2. Im angefochtenen Bescheid hatte die belangte Behörde – gestützt auf die vorgehende Rechtslage – ein unbefristetes aufenthaltsverbot verhängt. Im Hinblick auf § 67 Abs. 3 Z. 1 FPG, der hier allenfalls einschlägig sein könnte, ist aber darauf hinzuweisen, dass in der aktuellen Fassung eine rechtskräfitige Verurteilung von über 5 Jahren vorliegen müsste, um ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu rechtfertigen. Bei grammatikalischer Interpretation dieser Bestimmung wird deutlich, dass nicht mehrere rechtskräftige Verurteilungen

Kumuliert werden können, auch wenn diese insgesamt über 5 Jahre unbedingter Haft ergeben würden.

 

3.5.3. Daraus folgt aber die Anwendung des § 67 Abs. 2 FPG, wodurch eine Obergrenze von maximal 10 Jahren normiert sind. In Anbetracht des extremen Gefährdungspotentials und der besonders großen Verwerflichkeit des Tuns des Bw ist jedenfalls ein Zeitraum von 10 Jahren voll auszuschöpfen, um die Republik Österreich vor weiteren kriminellen Aktivitäten des Bw zu schützen. Es kann nicht damit gerechnet werden, dass vor diesem Zeitpunkt eine positive Zukunftsprognose, betreffend das vom Bw ausgehende Gefährdungspotential, erstellt werden könnte.

 

3.6.1. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

3.6.2. Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird dieser gesetzlichen Vorgabe insoweit gerecht, als der belangten Behörde kein Vorwurf gemacht werden kann, dass sie aufgrund des als besonders groß zu bezeichnenden Gefährdungspotentials für die Sicherheit der Republik Österreich eine sofortige Ausreise des Bw für erforderlich erachtete.

 

3.7. Es war daher der Berufung hinsichtlich der Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes stattzugeben und diese auf eine 10-jährige Befristung herabzusetzen; im Übrigen war der angefochtene Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Auf eine Übersetzung des Spruchs bzw. der Rechtsmittelbelehrung konnte in Hinblick auf § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG verzichtet werden, da der Bw offenkundig der deutschen Sprache mächtig ist.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Bernhard Pree

 

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