Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252741/15/Py/Hu

Linz, 22.11.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. vom 10. Februar 2011, GZ: SV96-240-2010-Di, wegen Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 14. Oktober 2011 zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. vom 10. Februar 2011, GZ: SV96-240-2010-Di, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs.1 iVm § 111 Abs.1 Z1 und Abs.2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl.Nr. 159/1955 idgF und § 9 Abs.1 VStG 1991, BGBl.Nr. 52/1991 idgF eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 73 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben als Verantwortlicher der Firma x in x, zu verantworten, dass die genannte Firma als Dienstgeber nachstehende Person, bei welcher es sich um eine in der Krankenversicherung (vollversicherte) pflichtversicherte Person handelt, von 12.03.2010 bis 26.04.2010 beschäftigt hat, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Träger der Krankenkasse zur Pflichtversicherung als vollversicherte Person angemeldet wurde. Die genannte Firma wäre als Dienstgeber verpflichtet gewesen, die Beschäftigte vor Arbeitsantritt anzumelden und wurde die Meldung nicht erstattet.

Namen und Geburtsdatum der Ausländerin: x, geb. x

Staatsangehörigkeit: Tschechische Republik

Ort der Beschäftigung: x

Beschäftigung: Prostituierte."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass die dem Bw zur Last gelegte Verwaltungsübertretung durch die Erhebungen der Fremdenpolizei Braunau a.I., die Anzeige des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom 3. Mai 2010 und nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen ist. Unter Hinweis auf die Judikatur führt die belangte Behörde zusammenfassend aus, dass es für den Bereich des Sozialversicherungsrechtes darauf ankommt, ob der die Arbeit Leistende gegenüber dem Empfänger seiner Leistung in einem faktischen Verhältnis wirtschaftlicher Gebundenheit und persönlicher Abhängigkeit steht. Aufgrund der Aussage von Frau x am 26. April 2010, sie sei auf den Club angewiesen, da sie sonst keine Kunden hätte, hat die Behörde somit keine Zweifel, dass der Bw die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

 

Zur Strafbemessung wird angeführt, dass die verhängte Mindeststrafe dem Unrechtsgehalt der Übertretung angepasst und schuldangemessen erscheint.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 3. März 2011. Darin führt der Bw aus, dass eine Übertretung des ASVG schon deshalb nicht vorliegen kann, weil aufgrund mehrfacher Erkundigungen – wie schon in der Rechtfertigung ausgeführt – die Oö. GKK nicht bereit ist, die Prostituierten zu versichern. Diese sind – ebenso wie Frau x – selbst bei der gewerblichen Sozialversicherung sozialversichert, weshalb die Behebung des gegenständlichen Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt wird.

 

3. Mit Schreiben vom 9. März 2011 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 14. Oktober 2011, die gemäß § 51e Abs.7 VStG aufgrund des den Verfahren zugrunde liegenden sachlichen Zusammenhangs gemeinsam mit der im Verfahren zu VwSen-252738, 252739, 252740, 252744 und 252745 anberaumten mündlichen Berufungsverhandlung durchgeführt wurde. Zur Verhandlung ist der Rechtsvertreter des Bw erschienen, die Bezirkshauptmannschaft Braunau entschuldigte sich für die Berufungsverhandlung, ein Vertreter des Finanzamtes Braunau Ried Schärding ist trotz ordnungsgemäßer Ladung zur Verhandlung nicht erschienen. Als Zeuge wurde Herr x einvernommen.

 

Aus einem im Akt einliegenden Versicherungsdatenauszug vom 30. April 2005 betreffend Frau x, Versicherungsnummer x geht hervor, dass diese im gegenständlichen Zeitraum bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft versichert war.

 

Über Anfrage teilte die Oö. Gebietskrankenkasse dem Unabhängigen Verwaltungssenat mit Schreiben vom 18. März 2011 mit, dass beim vorliegenden Sachverhalt keine Dienstnehmereigenschaft gemäß § 4 ASVG festgestellt werden konnte. Demnach wurde auch kein Beitragszuschlag im Sinn des § 113 Abs.2 ASVG vorgeschrieben.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma x, die am Standort x, den Nachtclub "x" betreibt. In diesem Nachtclub war die tschechische Staatsangehörige Frau x, geb. am x, in der Zeit vom 12. März 2010 bis 26. April 2010 als Prostituierte tätig. Frau x war in dieser Zeit bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft sozialversichert.

 

Im Berufungsverfahren konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass Frau x ihre Tätigkeit als Prostituierte im "x" in wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit gegen Entgelt durchführte.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, dem in der mündlichen Berufungsverhandlung verlesenen Schreiben der Oö. GKK über das Nichtvorliegen der Dienstnehmereigenschaft im gegenständlichen Fall sowie den Aussagen des in der mündlichen Berufungsverhandlung einvernommenen Zeugen x. Die Aussagen des in der Berufungsverhandlung einvernommenen, von diesem glaubwürdig vorgebrachten Zeugen waren geeignet, die Angaben in der mit der Ausländerin aufgenommenen Niederschrift in Zweifel zu ziehen. Zudem ist darauf zu verweisen, dass die Einvernahme der gegenständlichen Ausländerin ohne Beiziehung einer sprachkundigen Person erfolgte und im Hinblick auf das Ergebnis der Berufungsverhandlung Widersprüche in den Aussagen auftraten. Eine Einvernahme von Frau x im Rahmen des Berufungsverfahrens zur Aufklärung dieser Widersprüche musste unterbleiben, da dem Unabhängigen Verwaltungssenat eine ladungsfähige Zustelladresse der Zeugin nicht vorlag.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 33 Abs.2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Gemäß § 4 Abs.2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

5.2. Im gegenständlichen Verfahren teilte die Oö. GKK mit Schreiben vom 18. März 2011 mit, dass im vorliegenden Sachverhalt eine Dienstnehmereigenschaft gemäß § 4 ASVG nicht festgestellt werden konnte. Zudem ist festzuhalten, dass die gegenständliche ausländische Staatsangehörige bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft versichert war. Da eine Einvernahme der ausländischen Staatsangehörigen im Berufungsverfahren mangels Vorliegen einer ladungsfähigen Zustelladresse unterbleiben musste, konnten im Rahmen des Beweisverfahrens keine zweifelsfreien Sachverhaltsfeststellungen getroffen werden, inwieweit Frau x im genannten Zeitraum vom Bw in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt wurde.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Im Hinblick auf die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs.2 EMRK, wonach bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet wird, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist, war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Der Kostenausspruch ist in der angeführten gesetzlichen Bestimmung begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

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