Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252814/10/Py/Hu

Linz, 18.11.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15. März 2011, GZ: 0013891/2010, wegen Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 9. November 2011 zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15. März 2011, GZ: 0013891/2010, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 iVm § 111 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl.Nr. 189/1955 idgF eine Geldstrafe in Höhe von 365 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 46 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 36,50 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben als Gewerbeinhabern der Firma x, welche für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keinen Bevollmächtigten bestellt hat, folgende Verwaltungsübertretung zu verantworten:

 

Die oa. Firma hat als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs.1 ASVG, am 08.05.2009 den nigerianischen Staatsbürger Herrn x, geboren x, wohnhaft x, als Paketzusteller gegen Entgelt – 25,-- oder 26,-- Euro als Ersatz der Benzinkosten – und somit als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit geringfügig beschäftigt. Der in Rede stehende Beschäftigte war der Firma organisatorisch sowie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit maßgeblich unterworfen. Auch bestand eine persönliche Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit.

 

Obwohl dieser Dienstnehmer nicht von der Teilversicherung ausgenommen und daher in der Unfallversicherung versicherungspflichtig ist, wurde hierüber eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstraße 77, als zuständigem Krankenversicherungsträger nicht vor Aufnahme der Tätigkeit, erstattet.

 

Die gegenständliche Firma hat somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs.1 ASVG verstoßen."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass der im Spruch angeführte Ausländer vom Bw mit einer Zustellfahrt beauftragt wurde und diese namens der Firma x durchgeführt wurde, obwohl dieser Firma für Herrn x keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung ausgestellt wurde. Der objektive Tatbestand der dem Bw angelasteten Verwaltungsübertretung ist daher erfüllt. Zur Rechtfertigung, es habe sich um einen Gefälligkeitsdienst gehandelt, wird ausgeführt, dass Gefälligkeitsdienste lediglich zwischen Privatpersonen aufgrund spezifischer Bindungen erbracht werden können, jedoch niemals gegenüber Firmen. Herr x hat die Zustellfahrt für die Firma x durchgeführt, da nur die Firma x mit x in einem Vertragsverhältnis stand. Auch stehen die Angaben des Bw, dass Herr x die Zustellung angeboten habe, in Widerspruch mit der durchaus glaubwürdigen Aussage des Herrn x bei seiner Einvernahme, wo er angegeben hat, dass sie ihn gebeten hätten, an diesem Tag die Zustellfahrten zu übernehmen. Es wurde somit eindeutig und zweifelsfrei vom Bw ein Auftrag für die Durchführung einer Tätigkeit, die normalerweise in einem Dienstverhältnis erledigt wird, erteilt.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass als strafmildernd die bisherige Unbescholtenheit gewertet wurde, straferschwerende Gründe waren nicht vorhanden und ging die Behörde von einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 700 Euro und keinen Sorgepflichten aus.

 

2. Dagegen erhob der Bw rechtzeitig zunächst mündlich vor der belangten Behörde und dann schriftlich Berufung und führte aus, dass Herr x nicht organisatorisch in den Betrieb des Bw eingegliedert war, sondern nur die Auslieferung der Pakete ausführte und diesbezüglich keiner Dienstaufsicht unterlag. Er sollte nur einen Tag lang für den Bw "einspringen" und handelte es sich um einen reinen Gefälligkeitsdienst aufgrund eines kurz zuvor vorgefallenen Unfalls, durch den der Pkw des Bw dermaßen beschädigt war, dass ihm die Paketlieferung an besagtem Kontrolltag nicht weiter möglich war. Herrn x wurde kein Entgelt geleistet, sondern ersetzte der Bw diesem lediglich seine Aufwendungen, nämlich die Benzinkosten.

 

3. Mit Schreiben vom 27. April 2011 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 9. November 2011, die aufgrund des den Verfahren zugrunde liegenden sachlichen Zusammenhangs gemäß § 51e Abs.7 VStG gemeinsam mit der Berufungsverhandlung im Verfahren hinsichtlich der Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (VwSen-252813) durchgeführt wurde. An der Verhandlung nahm der Bw sowie ein Vertreter des Finanzamtes Linz als Parteien teil. Als Zeuge wurde der gegenständliche ausländische Staatsangehörige Herr x, einvernommen.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw führt Paketzustellungen für die Firma x durch. Am 8. Mai 2009 verunfallte der Bw während einer Zustellfahrt mit seinem Fahrzeug. Eine weitere Auslieferung der Pakete war ihm aufgrund der Beschädigungen am PKW an diesem Tag nicht mehr möglich. In einem Telefonat, dass der Bw daraufhin mit einem Vertreter der Firma x führte, wurde ihm aufgetragen, für die zeitgerechte Auslieferung der Pakete zu sorgen. Daraufhin suchte der Bw nach Lösungen und wandte sich in weiterer Folge an seinen Freund, den nigerianischen Staatsangehörigen Herrn x, geboren am x. Dieser sagte seine Unterstützung zu und stellte mit seinem eigenen PKW die noch ausständigen Pakete zu. Es war zwischen den Freunden die Unentgeltlichkeit dieser Tätigkeit schlüssig vereinbart, jedoch ersetzte der Bw Herrn x zumindest dessen Benzinkosten. Um den dafür aufgewendeten Betrag in Höhe von 26,25 Euro buchhalterisch erfassen zu können, schrieb der Bw über Anraten seiner Steuerberaterin namens Herrn x einen entsprechenden Rechnungsbeleg über die Benzinkosten für seine Buchhaltungsunterlagen.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und den nachvollziehbaren Aussagen des Bw sowie des in der mündlichen Berufungsverhandlung einvernommenen Zeugen, Herrn x. Der Bw konnte in der mündlichen Berufungsverhandlung glaubwürdig seine langjährige Freundschaft zu Herrn x darlegen und schilderte zudem lebensnah die näheren Umstände, die dazu führten, dass Herr x am 8.5.2009 für ihn die Paketauslieferungen übernahm.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4 Abs. 1 Z1 ASVG sind in der Kranken-. Unfall- und Pensionsversicherung die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Gemäß § 4 Abs.2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 33 Abs.2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Gemäß § 49 Abs.1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Schabezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst-(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst-(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

 

Gemäß § 49 Abs.3 erster Halbsatz ASVG gelten nicht als Entgelt iSd Abs.1 und 2 Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlassten Aufwendungen des Dienstgebers abgegolten werden (Auslagenersatz);

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

5.2. Gemäß § 4 Abs.1 Z1 ASVG sind u.a. die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer vollversichert, wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß de, §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet. Dienstnehmer ist gemäß § 4 Abs.2 ASVG, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird.

 

Im Beweisverfahren konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass Herr x am 8. Mai 2009 im Rahmen eines unentgeltlichen Freundschaftsdienstes für den Bw tätig wurde. Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schon deshalb nicht vor (vgl. VwGH vom 2..4.2008, Zl. 2007/08/0038). Wie sowohl der Bw als auch der in der Berufungsverhandlung einvernommene Zeuge glaubwürdig darlegten, wäre es Herrn x ohne weiteres möglich gewesen, das Ersuchen seines Freundes um Unterstützung in der durch den Unfall hervorgerufenen Notsituation abzulehnen. Es bestand somit die Befugnis, die übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte vornehmen zu lassen oder Aufträge sanktionslos ablehnen zu können, weshalb eine persönlichen Arbeitspflicht nicht vorlag (vgl. VwGH vom 21. Dezember 2005, Zl. 2004/08/0066, mwN). Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall zwischen Herrn x und dem Bw Unentgeltlichkeit – zumindest schlüssig – vereinbart war. Der Ersatz der Aufwendungen durch die Fahrt mit dem eigenen PKW des Herrn x ist nicht als Entgelt zu werten, weshalb auch das Kriterium einer wirtschaftlichen Abhängigkeit im gegenständlichen Fall zu verneinen ist.

 

Die Voraussetzungen des § 4 Abs.2 erster Satz ASVG sind somit nicht erfüllt, da eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit des Herrn x vom Bw nicht festgestellt werden konnte.

 

6. Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

7. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

 

 

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