Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523017/2/Ki/Kr

Linz, 05.12.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des X, vom 28. November 2011, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 14. November 2011,
AZ: FE 550/2011, wegen Entziehung der Lenkberechtigung und weiterer Verbote und Anordnungen zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wird behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 7 und 24 FSG iVm § 66 Abs.4 AVG


Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid vom 14. November 2011, AZ: FE 550/2011, hat die Bundespolizeidirektion Linz dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Klasse B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 3 Monaten ab Rechtskraft des Bescheides entzogen, ihm ausdrücklich das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges für die Dauer von 3 Monaten gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides verboten, ihm das Recht aberkannt, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung für die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen und weiters angeordnet, der Führerschein sei unverzüglich nach Rechtskraft des Bescheides bei der Behörde abzuliefern.

 

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde unter anderem angeführt, dass der Rechtsmittelwerber nicht verkehrszuverlässig sei. Nicht verkehrszuverlässigen Kraftfahrzeuglenkern sei die Lenkberechtigung zu entziehen bzw. sei das Lenken von Kraftfahrzeugen zu untersagen.

 

Als bestimmte Tatsache legte die Bundespolizeidirektion Linz zu Grunde, dass der Berufungswerber gerichtlich nach §§ 83 Abs.1, 84 Abs.2 Z.4 StGB schuldig gesprochen und über ihn eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monten unter gleichzeitiger Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verhängt wurde.

 

1.2. Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung vom 28. November 2011. Der Rechtsmittelwerber argumentiert, er sei bei X beschäftigt und arbeite nur in der Nacht bis 3 Uhr früh. Ohne Führerschein würde er seine Arbeit verlieren, da er bei Dienstende keine Möglichkeit hätte, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu kommen. Daher sei er auf das Auto für seine Arbeit angewiesen.

 

2.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 29. November 2011 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 35 Abs.1 FSG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bundespolizeidirektion Linz eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht erforderlich war. Im Übrigen wurde eine solche auch von keiner Verfahrenspartei beantragt.

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1. September 2011, 25 Hv 57/11m, wurde der Berufungswerber des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs.1, 269 Abs.1 StGB, des Vergehens der fahrlässig schweren Körperverletzung nach § 88 Abs.1 und 4 StGB und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs.1, 84 Abs.2 Z.4 StGB für schuldig befunden. Es wurde über ihn eine Freiheitsstrafe von 5 Monaten verhängt, welche gemäß § 43 Abs.1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von
3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

 

Mit Schreiben vom 7. Oktober 2011 gab die Bundespolizeidirektion Linz dem Berufungswerber bekannt, dass sie beabsichtige, auf Grund der genannten gerichtlichen Verurteilung die Lenkberechtigung mangels Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen und er wurde zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert.

 

Nachdem keine derartige Stellungnahme erfolgte, hat die Bundespolizeidirektion Linz letztlich den nunmehr angefochtenen Bescheid erlassen.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 3 Abs.1 Z.2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind.

 

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

 

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

 

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z.9 FSG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs.3 Z.14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

 

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 30 Abs.1 FSG kann Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen das Recht von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für die Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen.

 

Gemäß § 32 Abs.1 FSG ist Personen, die nicht im Sinne des § 7 FSG verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, unter Anwendung der §§ 24 Abs.3 und 4, 25, 26 und 29 FSG entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges ausdrücklich zu verbieten.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen.

 

Dem Berufungswerber wurde zur Last gelegt, er habe am 17. April 2011 namentlich genannte Polizeibeamte mit Gewalt an Amtshandlungen zu hindern versucht und überdies einen Polizeibeamten am Körper verletzt, wobei ihm unter anderem das Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs.2 Z.4 StGB zur Last gelegt wurde. Der Berufungswerber hat demnach die verfahrensgegenständliche bestimmte Tatsache am 17. April 2011 verwirklicht.  

 

Dazu wird grundsätzlich festgestellt, dass die Begehung von Delikten gegen Leib und Leben auf eine Sinnesart hinweist, auf Grund der anzunehmen ist, dass die betreffende Person beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr. Es muss daher von Kraftfahrzeuglenkern wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktsituationen eine gegenteilige, nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart erwartet werden. Unbeherrschte Aggressivität lässt befürchten, dass die betreffende Person entweder mit betont aggressiver Fahrweise oder aggressivem Verhalten nach einem allfälligen Verkehrsunfall auf vermeintliches oder tatsächliches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer reagiert. Es kommt daher bei Gewaltdelikten nicht darauf an, dass sie im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen begangen werden. Der vom Gesetz vorausgesetzte Zusammenhang zwischen solchen Delikten und dem Lenken von Kraftfahrzeugen besteht vielmehr in der vorhin aufgezeigten Art und Weise (siehe diesbezüglich VwGH 98/11/0198 vom 27. Mai 1999).

 

Wenn dazu der Rechtsmittelwerber vermeint, er benötige den Führerschein für seine Arbeit, so ist dem entgegen zu halten, dass es sich bei der Entziehung der Lenkberechtigung um keine Strafe sondern um eine Maßnahme im Sinne der Verkehrssicherheit handelt. Dementsprechend können wirtschaftliche und soziale Belange in diesem Fall nicht berücksichtigt werden.

 

Dennoch war der Berufung aus nachstehenden Gründen Folge zu geben:

 

Festgestellt wird, dass die Entziehung der Lenkberechtigung bzw. die weiteren Anordnungen spruchgemäß erst ab Rechtskraft des Bescheides ausgesprochen wurden. Nachdem der angefochtene Bescheid noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, ist auch die Lenkberechtigung des Berufungswerbers nach wie vor aufrecht bzw. sind die weiteren Anordnungen noch nicht rechtswirksam.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtssprechung zu § 25 Abs.3 FSG ausgesprochen, dass eine Entziehungsdauer von weniger als 3 Monaten nicht festgesetzt werden darf. Trifft daher die Annahme, der Betroffene werde für einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten verkehrsunzuverlässig sein, nicht mehr zu, so darf eine Entziehung der Lenkberechtigung nicht ausgesprochen bzw. von der Berufungsbehörde nicht bestätigt werden (VwGH 2009/11/0207 vom
26. Jänner 2010).

 

Auf den vorliegenden Fall bezogen würde es bedeuten, dass die zu beurteilende Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers noch bis Anfang März 2012 angenommen werden müsste, was einen Zeitraum von insgesamt mehr als 10 Monaten zum Ergebnis hätte.

 



Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt die Auffassung, dass trotz der nicht zu billigenden Verhaltensweise des Berufungswerbers zu berücksichtigen ist, dass er vorher unbescholten war bzw. die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind. Auch ist zu berücksichtigen, dass er sich seit der Tatbegehung keiner weiteren strafbaren Handlung schuldig gemacht hat. Dies ist zwar ein Umstand, welchem in Anbetracht eines laufenden Verfahrens geringere Bedeutung zugemessen wird, im vorliegenden Falle kann jedoch auch dieser Umstand bei der Wertung nicht unberücksichtigt bleiben. Demgemäß kommt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zum Ergebnis, dass eine 10 Monate überschreitende Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers nicht vorliegt.

 

Die Wertung des konkreten Verhaltens des Berufungswerbers ergibt, dass die Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht weniger als 3 Monate andauern würde. Nachdem die Verkehrsunzuverlässigkeit ab dem Zeitpunkt der Verwirklichung der bestimmten Tatsache zu rechnen ist, kann zum nunmehrigen Zeitpunkt von einer noch 3 Monate andauernden Verkehrsunzuverlässigkeit im Sinne der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr ausgegangen werden. Aus diesem Grunde konnte der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben werden. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.


 

 

 

Mag. Alfred Kisch

 

 

VwSen-523017/2/Ki/Kr vom 5. Dezember 2011

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz 1

 

FSG §3;

FSG §7;

FSG §24

 

Die Begehung von Delikten gegen Leib und Leben (§§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß § 83 StGB) weist auf eine Sinnesart hin, auf Grund der anzunehmen ist, dass die betreffende Person beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, gefährden wird. Es muss daher von Kraftfahrzeuglenkern wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktsituationen eine gegenteilige, nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart erwartet werden. Unbeherrschte Aggressivität lässt befürchten, dass die betreffende Person entweder mit betont aggressiver Fahrweise oder aggressivem Verhalten nach einem allfälligen Verkehrsunfall auf vermeintliches oder tatsächliches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer reagiert. Es kommt daher bei Gewaltdelikten nicht darauf an, dass sie im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen begangen werden.

 

 

 

Rechtssatz 2

 

FSG §25 Abs3

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtssprechung zu § 25 Abs 3 FSG ausgesprochen, dass eine Entziehungsdauer von weniger als 3 Monaten nicht festgesetzt werden darf. Trifft daher die Annahme, der Betroffene werde für einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten verkehrsunzuverlässig sein, nicht mehr zu, so darf eine Entziehung der Lenkberechtigung nicht ausgesprochen bzw von der Berufungsbehörde nicht bestätigt werden.

 

 

 

 

 

 

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