Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-730286/2/BP/Wu VwSen-730287/2/BP/Wu

Linz, 17.11.2011

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung 1. des X und 2. der X, beide StA von Mazedonien sowie beide vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen die Bescheide des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 27. September 2010, GZ.: Sich40-2672-2010 und Sich40-2673-2010, betreffend die Verhängung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen die Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.

 

İtirazın kabul edilmesine ve itiraz edilen kararın tazminsiz ortadan kaldırılmasına.

 

Rechtsgrundlage(Hukuki dayanak):

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheiden des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 27. September 2010, GZ.: Sich40-2672-2010 und Sich40-2673-2010, wurde über die Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 60 Abs. 2 Z. 7 iVm. §§ 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, jeweils ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt und unter Spruchpunkt II. jeweils für den Fall einer Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass die Bw, beide Staatsangehörige von Mazedonien, am 21. August 2010 gemeinsam mit ihren 5 Kindern über Slowenien nach Österreich eingereist seien und am 22. August 2010 vor dem BAA EAST-West jeweils einen Asylantrag gestellt hätten. Die Bw hätten angegeben, in Österreich über keine Bezugspersonen oder einen Wohnsitz zu verfügen und mittellos zu sein.  In Folge der Mittellosigkeit sei den Bw vorübergehend die Grundversorgung gewährt worden.

 

Mit Schriftsätzen des BAA vom 25. August 2010 sei den Bw gemäß § 29 Abs. 3 Z. 5 AsylG mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei die Asylanträge gemäß §§ 3 und 8 AsylG abzuweisen; gleichgehend seien die Ausweisungsverfahren eröffnet worden.

 

Noch am selben Tag habe die belangte Behörde gegen die Bw das gelindere Mittel angeordnet.

 

Mit Bescheiden des BAA EAST-West vom 29. August 2010 seien die Asylanträge der Bw gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG die Ausweisung ausgesprochen worden. Den dagegen erhobenen Beschwerden sei vom Asylgerichtshof gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt worden. Am 31. August 2010 seien die Bw nachweislich über ihre Ausreiseverpflichtung informiert worden.

 

Mit Erkenntnissen des AGH vom 16. September 2010 – rechtskräftig seit 26. September 2010 - seien die dagegen erhobenen Beschwerden sämtlich abgewiesen worden.

 

Nach Einleitung des Aufenthaltsverbotsverfahrens durch die belangte Behörde mit Schreiben vom 2. September 2010 sei eine Stellungnahme der Bw (rechtsfreundlich vertreten) vom 13. September 2010 eingelangt. Darin werde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bw aufgrund der rechtzeitig eingebrachten Beschwerden gegen den erstinstanzlichen negativen Asylbescheid ihren Status als Asylwerber nicht verloren hätten, weshalb lediglich ein Rückkehrverbot hätte erlassen werden können. Mittellosigkeit bzw. illegale Einreise und illegaler Aufenthalt für sich gesehen würden aber die Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht rechtfertigen.

 

Zu den privaten bzw. familiären Verhältnissen der Bw führt die belangte Behörde aus, dass sie über keinen familiären Bezug im Bundesgebiet bzw. in der EU, über keine wirtschaftliche oder soziale Integration (schon wegen des kurzen Aufenthalts von 1 Monat) verfügen.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass aufgrund der rechtskräftigen negativen Asylentscheidungen vom 26. September 2010 die Bw nicht mehr als Asylwerber – sondern bloß Fremde – anzusehen seien. Nach Abschluss des Asylverfahrens hätten sie zu keinem Zeitpunkt den Nachweis der erforderlichen finanziellen Mittel erbringen können. Mit rechtskräftiger Asylentscheidung hätten die Bw den Anspruch auf Grundversorgung verloren, weshalb der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG erfüllt sei. 

 

Die Bw, die Inhaber von mazedonischen, biometrischen Reisepässen seien, wären zu einem visumfreien Aufenthalt von 3 Monaten nach Einreise innerhalb von 6 Monaten berechtigt gewesen, insofern sie die Einreisevoraussetzungen des Art. 5 Schengener Grenzkodex erfüllten. Ua. bedeutete dies, dass sie die Mittel für den Aufenthalt und die Rückkehr bzw. die Möglichkeit zu deren legalen Erwerb hätten vorweisen müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen, weshalb von einer illegalen Einreise und einem illegalen Aufenthalt auszugehen sei.

 

Durch die Mittellosigkeit bestehe die Gefahr der illegalen Beschäftigung. Dem Umstand, dass die Bw Grundversorgung in Anspruch genommen hätten, komme keine Bedeutung zu.

 

Eine Interessensabwägung im Sinne des § 66 FPG bzw. Art. 8 EMRK falle jedenfalls zu Gunsten der öffentlichen Interessen aus. Aufgrund des Verhaltens der Bw sei somit die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unbedingt erforderlich.

 

Hinsichtlich der Gültigkeitsdauer stellt die belangte Behörde fest, dass ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot angemessen und erforderlich sei, um die Bw von der Begehung weiterer Verstöße der oben beschriebenen Art abzuhalten.

 

Hinsichtlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung führt die belangte Behörde aus, dass die sofortige Ausreise der Bw aufgrund deren bislang gezeigten und auch weiterhin zu erwartenden Verstöße gegen die Einreise-, Aufenthalts- und Beschäftigungsbestimmungen Österreichs erforderlich sei.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 28. September 2010) erhoben die Bw durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 30. September 2010.

 

Eingangs werden die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und auf Aufhebung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes gestellt.

 

Begründend wird festgestellt, dass für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung jegliche Grundlage fehle und die diesbezüglichen Erläuterungen im angefochtenen Bescheid unzureichend seien. Wenn damit argumentiert werde, die Bw wären der Ausreiseverpflichtung nach Abschluss des Asylverfahrens nicht gefolgt, so sei entgegen zu halten, dass noch die – wie auch gegenständlich beabsichtigt – Möglichkeit zur Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bestehe.

 

Mit ihrer Vorgangsweise habe die belangte Behörde den Grundsatz des "fairen Verfahrens" verletzt.

 

Gegen die Bw als Asylwerber hätten nicht Verfahren zur Erlassung von Aufenthaltsverboten geführt werden dürfen, sondern lediglich Verfahren zur Erlassung von Rückkehrverboten, wobei hier aber Mittellosigkeit keine Rolle spiele. Die Beendigung des Asylverfahrens abzuwarten und dann unverzüglich ein Aufenthaltsverbot zu verhängen entspreche auch nicht § 1 Abs. 2 FPG und bedeute eine Umgehung der § 62 ff FPG über das Rückkehrverbot. Gegen die unverhältnismäßige und überschießende Vorgangsweise bestünden auch verfassungsrechtliche Bedenken.

 

Es sei nicht nachvollziehbar, warum zusätzlich zur bestehenden asylrechtlichen Ausweisung Aufenthaltsverbote – noch dazu für die Dauer von 10 Jahren – erlassen worden seien.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Aus dem Akt ergibt sich, dass die Bw am 28. September 2010 am Luftweg nach Mazedonien abgeschoben wurden und seither im Bundesgebiet nicht mehr polizeilich gemeldet waren.

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1. sowie 2.2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 14 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 38/2011, gelten vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Ausweisungen gemäß § 53 als Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 weiter, mit der Maßgabe, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 damit nicht verbunden ist.

 

3.1.2. Für eine allfällige Überleitung von Aufenthaltsverboten, die in der alten Fassung des FPG auf § 60 gestützt wurden, findet sich keine dem § 125 Abs. 14 FPG vergleichbare Bestimmung. Nun ist aber festzustellen, dass ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich aus zwei Elementen besteht: zum Einen ist dies der Außerlandes-Verweis (rechtsterminologisch: Ausweisung oder nunmehr auch Rückkehrentscheidung); zum Anderen ist dies das Verbot ins Bundesgebiet wieder einzureisen.

 

Genau diese rechtlichen Elemente normierte der Gesetzgeber in § 52 iVm. § 53 des FPG in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 38/2011 im Hinblick auf den Personenkreis nicht zum Aufenthalt berechtigter Drittstaatsangehöriger. Für EWR-Bürger, Schweizer Bürger, für begünstigte Drittstaatsangehörige, für Drittstaatsangehörige die Familienangehörige von österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern sind, sowie für Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel finden sich gesonderte Regelungen. 

 

3.1.3. Daraus folgt aber, dass für Personen, gegen die ein Aufenthaltsverbot gemäß § 60 FPG (alte Fassung) verhängt wurde und die über keinen Aufenthaltstitel für Österreich verfügen, im Berufungsverfahren nach dem FPG in der nunmehr geltenden Fassung zur Prüfung §§ 52 und 53 heranzuziehen sind.

 

3.1.4. Im vorliegenden Fall ist völlig klar, dass die in Rede stehenden Aufenthaltsverbote auf Basis des § 60 FPG ("alte Fassung") erlassen wurden, wie auch, dass die Bw über keinen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfügen, weshalb diese Maßnahmen grundsätzlich als Rückkehrentscheidungen im Sinne des nunmehrigen § 52 FPG und als Einreiseverbot gemäß § 53 FPG zu beurteilen sind.

 

Allerdings ergeben sich im konkreten Fall Umstände, die zunächst eine weiterführende Erörterung erforderlich machen.

 

3.2.1. Es ist vorweg dabei auf die maßgeblichen Bestimmungen des FPG und AsylG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 38/2011 zu verweisen.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 FPG, ist ein vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren nach Stellung eines solchen Antrages als Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen. Es ist nur über das Rückkehrverbot abzusprechen. Die Durchsetzung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Asylwerber ist erst zulässig, wenn die Ausweisung nach § 10 AsylG durchgesetzt werden kann.

 

Nach § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

  1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
  2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Das Rückkehrverbot gilt als Entzug des Aufenthaltsrechtes. § 13 AsylG 2005 gilt.

 

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14.

 

Gemäß Abs. 4 leg. cit. gilt das Rückkehrverbot als Aufenthaltsverbot, wenn eine Ausweisung durchsetzbar wird. § 12 AsylG 2005 gilt.

 

Nach § 60 Abs. 2 Z 7 FPG gilt als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

 

Gemäß § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG können Fremde, gegen die eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise verhalten werden, wenn sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise (§67 FPG, § 10 AsylG) nicht zeitgerecht nachgekommen sind.

 

Nach § 67 Abs. 3 FPG hat die Behörde Fremde, gegen die eine durchsetzbare Ausweisung gemäß § 10 AsylG erlassen wurde, über ihre Pflicht zur unverzüglichen Ausreise zu informieren. Dabei ist insbesondere auf die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr und der Rückkehrhilfe (§ 67 AsylG) und auf fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung hinzuweisen.

 

Kommt einer Beschwerde gegen eine Ausweisung die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist die Ausweisung durchsetzbar. Mit der Durchführung der diese Ausweisung umsetzenden Abschiebung oder Zurückschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen, bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Beschwerdevorlage zuzuwarten (§ 36 Abs. 4 AsylG).

 

Gemäß § 10 Abs. 6 AsylG bleiben Ausweisungen nach Abs. 1 binnen 18 Monaten ab Ausreise des Fremden aufrecht.

 

3.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG und AsylG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 stellen sich im Gegenzug wie folgt dar:

 

Gemäß § 1 Abs. 2 FPG, ist ein vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren nach Stellung eines solchen Antrages als Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen. Es ist nur über das Rückkehrverbot abzusprechen. Die Durchsetzung einer "Ausweisung" oder eines "Aufenthaltsverbotes" gegen einen Asylwerber ist erst zulässig, wenn die Ausweisung nach § 10 AsylG durchgesetzt werden kann.

 

Asylwerber ist ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Nach § 54 Abs. 1 FPG ist gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.  die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.  anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen   zuwiderläuft.

Das Rückkehrverbot gilt als Entzug des Aufenthaltsrechtes. §§ 12 und 13 AsylG 2005 gelten.

 

Nach § 54 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z. 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3 FPG. § 53 Abs. 5 und 6 und § 61 leg. cit. gelten.

 

Gemäß § 54 Abs. 3 FPG gilt ein Rückkehrverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des  § 53 Abs. 2 Z. 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für 5 Jahre.

Wird eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG durchsetzbar, gilt das Rückkehrverbot als Einreiseverbot (§ 53 Abs. 9 FPG).

 

Nach § 53 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot unter einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß Abs. 2 Z. 6 ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

 

Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem FPG und der Fremde hat binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 7 AsylG).

 

3.3.1. Zum Zeitpunkt der Erlassung der Aufenthaltsverbote (27. September 2010) waren die Bw Fremde und nicht mehr Asylwerber, da die Zustellung der zweitinstanzlichen negativen Asylentscheidungen mit 26. September 2010 erfolgte.

 

Grundsätzlich kann gegen Fremde nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot erlassen werden.

 

Im vorliegenden Fall war jedoch die Erlassung der angefochtenen Aufenthaltsverbotsbescheide dennoch unvertretbar.

 

3.3.2. Gemäß § 2 Abs. 1 und § 62 FPG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 konnte gegen einen Asylwerber bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Rückkehrverbot erlassen werden. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes während der Asylwerbereigenschaft war gesetzlich unterbunden. Ein zuvor eingeleitetes Aufenthaltsverbotsverfahren war als ein Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes weiterzuführen.

 

Ein Rückkehrverbot unterschied sich von einem Aufenthaltsverbot nicht nur dadurch, dass Letzteres auch zur Außerlandesbringung berechtigte, quasi eine "Ausweisungsentscheidung" mitumfasste, sondern auch Tatbestände vorgesehen waren, die ausschließlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigten.

 

Während eines laufenden Asylverfahrens war der Fremdenpolizeibehörde daher das Führen eines Aufenthaltsverbotsverfahrens untersagt. Die Fremdenpolizeibehörde hätte allenfalls ein Rückkehrverbotsverfahren führen können. Lagen die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht vor, hatte die Fremdenpolizeibehörde von einem Rückkehrverbotsverfahren Abstand zu nehmen.

 

Dem Fremdenpolizeigesetz ist nicht zu entnehmen, dass bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden (mangels Tatbestandsvoraussetzungen war die Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht zulässig) ein Aufenthaltsverbotsverfahren während eines laufenden Asylverfahrens "auf Vorrat geführt" werden kann, um unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltsverbot erlassen zu können.

 

3.3.3. Unmittelbar nach der Zustellung der Entscheidung des Asylgerichtshofes, somit nach der vorerst rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens, stellte die belangte Behörde den Bw die angefochtenen Aufenthaltsverbotsbescheide zu.

 

Der belangten Behörde wird zu folgen sein, dass nach Abschluss des Asylverfahrens ein Rückkehrverbot nicht mehr zu erlassen ist.

 

Im Hinblick auf die geltende Rechtslage wäre ausschließlich ein Einreiseverbot zu verhängen gewesen. Gemäß § 10 Abs. 7 AsylG sind durchsetzbare Ausweisungen nach dem AsylG als Rückkehrentscheidungen zu betrachten und gemäß § 54 Abs. 9 FPG gelten Rückkehrverbote im Falle des Vorliegens einer durchsetzbaren Ausweisung nach § 10 AsylG als Einreiseverbote.

 

Es stellt sich daher die Frage, ob unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens zu Recht ein Aufenthaltsverbot gestützt auf § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassen werden konnte.

 

3.3.4. Stellt man auf die Intention des Gesetzgebers ab, ist ein Rückkehrverbot gegen Asylwerber nur bei einem "a-typischen" Verlauf eines Asylverfahrens zu erlassen; d.h., wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt des Asylwerbers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder dieser Aufenthalt anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

In der Regel, also bei typischen Fallkonstellationen, sind die allgemeinen Bestimmungen (§ 10 Abs. 6 AsylG) ausreichend und ist gegen Asylwerber kein Rückkehrverbot zu erlassen. Da grundsätzlich von der Mittellosigkeit der Asylwerber auszugehen sein wird, hat der Gesetzgeber gerade für solche Fälle die Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht vorgesehen. Dies bedeutet dennoch nicht, dass der Fremde nach erfolgter Außerlandesbringung wieder unverzüglich in das Bundesgebiet der Republik Österreich einreisen darf. Ohne ein abgesondertes Verfahren führen zu müssen (Einreiseverbot/Rückkehrverbot) legt § 10 Abs. 6 AsylG fest, dass Ausweisungen nach § 10 Abs. 1 AsylG 18 Monate nach Ausreise des Fremden aufrecht bleiben.

 

Solange also der Fremde Asylwerber ist, stellt die Mittellosigkeit keine Tatsache dar, die eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bedingen würde. Dass mit Wegfall der privilegierten Stellung unmittelbar nach Zustellung des Bescheides des Asylgerichtshofes bzw. nach Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung die wiederum als Fremde anzusehenden Bw, bedingt durch ihre Mittellosigkeit, schlagartig eine potentielle Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen sollten, lässt sich schon im Hinblick auf das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 nicht einmal ansatzweise argumentieren.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 GVG-B 2005 leistet der Bund Fremden, deren Asylantrag im Zulassungsverfahren abgewiesen und wenn der Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, solange diese nicht wieder zuerkannt wird, Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes, bis diese das Bundesgebiet verlassen haben.

 

3.3.5. Mangels anderslautender Übergangsbestimmungen sind die einschlägigen Bestimmungen in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 anzuwenden.

 

Am 28. September 2010 wurden die Bw per Flug nach Mazedonien abgeschoben. Dies stellte das erste Verlassen des Bundesgebietes nach der Erlassung des Aufenthaltsverbotes am 27. September 2010 dar. Entscheidungsrelevant ist somit der Sachverhalt (vor allem im Bezug auf die Mittellosigkeit der Bw) vor diesem Zeitpunkt. 

 

Gemäß § 10 Abs. 7 AsylG gelten durchsetzbare Ausweisungen als durchsetzbare Rückkehrentscheidungen nach dem FPG.

 

Bei Vorliegen der Voraussetzung des § 53 Abs. 2 Z. 6 FPG kann ein Einreiseverbot höchstens für 5 Jahre erteilt werden. Damit scheitert allein schon die von der belangten Behörde gewählte Dauer der Aufenthaltsverbote am aktuellen klaren Gesetzestext. Es sei aber jedenfalls angemerkt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes für 10 Jahre lediglich wegen des Umstandes der Mittellosigkeit – auch unter Zugrundelegung der vorherigen Rechtsgrundlagen – als völlig unverhältnismäßig zu qualifizieren wäre.

 

Die Bw hatten bis zur Abschiebung am 28. September 2010 Anspruch auf Versorgung in einer Bundeseinrichtung. Bis zu diesem Zeitpunkt barg die an sich bestehende Mittellosigkeit kein Gefährdungspotential in sich. Diese Form der Mittellosigkeit der Bw stellte somit keine Tatsache dar, die die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rechtfertigen würde. Unbestritten waren die Bw zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr Asylwerber sondern (nur) mehr Fremde im Sinne des FPG. Anschließend hielten sie sich in Mazedonien auf. Alleine auf Grund des Aufenthaltes in Mazedonien (der auch zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt offensichtlich weiterhin besteht) treffen die rechtlichen Überlegungen der belangten Behörde, denen ein Sachverhalt - kein Anspruch auf Bundesbetreuung in Österreich, Mittellosigkeit in Österreich, kein Wohnsitz in Österreich, keine Selbsterhaltungsfähigkeit in Österreich, keine aufrechte Krankenversicherung in Österreich – zugrunde liegt, nicht einmal ansatzweise zu.

 

Aus diesem Grund waren die angefochtene Bescheide rechtswidrig.

 

3.4. Es war daher – ohne auf die weiteren Berufungsgründe näher einzugehen - der Berufung stattzugeben und die angefochtenen Bescheide ersatzlos aufzuheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 28,60 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

Hukuki itiraz yolu bilgilendirilmesi

İşbu karar karşı olağan kanun yolu açık değildir.

 

Talimat

Verilen karara karşı kararın tebliğ gününden itibaren altı hafta içinde Anayasa Mahkemesi’nde ve/veya Danıştay‘da itiraz edilebilinir. Yasal istisnalar hariç, şikayetin vekil tayin edilmiş bir avukat tarafından yapılması gerekmektedir. Her itiraz için 220.- Euro dilekçe harcı ödenilir.

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum