Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730268/4/BP/Wu

Linz, 29.11.2011

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von Kroatien, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Wels vom 31. März 2010, Zl.:1-1008135/FP/10, betreffend die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid   ersatzlos aufgehoben.

 

II.     Der Berufungsantrag auf Zuerkennung der aufschiebenden   Wirkung der in Rede stehenden Berufung wird als unzulässig       zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG


Entscheidungsgründe

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 31. März 2010, Zl.: 1-1008135/FP/10, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm. § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt und gleichgehend für den Fall einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung deren aufschiebende Wirkung gemäß § 64 FPG ausgeschlossen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der am 14. Juli 1986 geborene Bw, ein Staatsangehöriger von Kroatien, erstmals im Jahr 1991 nach Österreich eingereist sei. Nach Erhalt diverser Aufenthaltstitel sei der Bw zur Zeit im Besitz eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt – EG", gültig bis 7. August 2011. Bereits mit 15 Jahren sei er erstmals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen; so sei er am 25. Jänner 2002 wegen des Verdachtes der Hehlerei und des Diebstahls bei der Staatsanwaltschaft Wels angezeigt worden. Dieses Verfahren sei am 25. Februar 2002 gemäß § 90 Abs. 1 StPO iVm. § 6 Abs. 1 JGG eingestellt worden.

 

Am 14. Februar 2007 sei der Bw wegen des Verdachts nach § 27 SMG von der Staatsanwaltschaft angezeigt worden. Er sei mit Urteil des LG Wels, 15 HV 27/07z, wegen § 28 Abs. 2, 4. Fall SMG, § 27 Abs. 1, 1. und 2. Fall SMG und § 28 Abs. 3, 1. Fall SMG, zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt worden. Aufgrund einer weiteren Verurteilung sei die Probezeit auf 5 Jahre verlängert worden. Anlässlich der rechtskräftigen Verurteilung vom 25. September 2009 sei die bedingte Strafe widerrufen worden.

 

Bereits am 1. August 2007 habe der Bw die nächste Straftat begangen und sei am 27. November 2007 (rechtkräftig 20. November 2007) zu einer bedingten Freiheitsstrafe mit Urteil des LG Wels 15 HV 178/07f, von 3 Monaten wegen §§ 27 Abs. 1, 1. 2. 6. und 7. Fall SMG, 146 StGB verurteilt worden.

 

Mit Urteil des BG Wels, 16 U 548/07h, sei der Bw wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1, 1., 2. und 6. Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt worden. Diese Strafe sei am 1. Dezember 2008 vollzogen worden.

 

Am 14. Mai 2008 sei der Bw vom LG Wels, zu 12 HV 22/08v, rechtskräftig wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1, 5. Fall SMG zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 10 Monaten bedingt verurteilt worden. Er sei dabei schuldig gesprochen worden, in X, X und an anderen Orten, vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen zu haben, indem er in der Zeit von etwa August 2006 bis etwa Februar 2007 insgesamt rund 15g Heroin, etwa im Jänner / Februar 2007 insgesamt 30g Heroin an gesondert Verfolgte verkauft habe und in der Zeit von etwa Mitte Jänner 2007 bis etwa Mitte Oktober 2007 insgesamt rund 150 bis 170g Heroin bezogen und an unbekannt gebliebene Abnehmer verkauft habe.

 

Am 16. September 2008 sei der Bw vom BG Wels, zu 16 U 83/2008B, rechtskräftig mit 20. September 2008, wegen §§ 83 Abs. 1, 15 Abs. 1 und 127 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden.

 

Am 12. Februar 2009 sei er vom BG Wels, zu 16 U 83/2008B, rechtskräftig mit 17. Februar 2009, wegen § 133 –Abs, 1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden.

 

Am 11. März 2009 sei der Bw rechtskräftig, zu 12 HV 184/2008t, wegen §§ 15 Abs. 1, 127, 129 Abs. 2, 136 Abs. 1 und 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt worden.

 

Am 19. Mai 2009 sei er rechtskräftig mit 23. Mai 2009 wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Z. 1 (1. 2. und 8. Fall) SMG, vom BG Wels, zu 16 U 285/08h, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt worden. Das Vollzugsdatum sei der 15. November 2009 gewesen.

 

Am 2. Juni 2009 sei er von Beamten des LPK wegen § 28 SMG festgenommen und am 4. Juni 2009 in die JA X eingeliefert worden. Am 7. Dezember 2009 sei er in die JA X überstellt worden.

 

Mit Urteil des LG Wels, zu HV 127/09m, sei der Bw von einem Schöffengericht am 25. September 2009, rechtskräftig schuldig gesprochen worden, mit abgesondert Verfolgten in X, X und an anderen Orten, vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Mange anderen überlassen zu haben, indem er in der Zeit von etwa Mitte März 2009 bis zuletzt am 1. Juni 2009 insgesamt zumindest rund 300g Heroin mit einem Reinheitsgehalt von rund 15,4 % an gesondert Verfolgte verkauft habe, wobei er die Straftat gewerbsmäßig begangen habe und schon wegen einer gleichartigen Straftat verurteilt worden sei sowie vorschriftswidrig Suchtgift zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen zu haben, nämlich Heroin und Substidol. Dadurch habe er das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1, 5. Fall, Abs. 2 Z. 1 und 3 SMG, das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1, 1. und 2. Fall und Abs. 2 SMG sowie das Vergehen nach § 50 Abs. 1 Z. 2 WaffenG begangen. Er sei zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Die belangte Behörde gibt einen inhaltlichen Überblick über die eben dargestellten Straftaten.

 

Nach Einleitung des Aufenthaltsverbotsverfahrens am 1. März 2010 habe der Bw in einer Stellungnahme vom 15. März 2010 ua. darauf hingewiesen, dass er zu 100% in Österreich integriert, hier seit seinem 5. Lebensjahr aufhältig, dass seine Muttersprache Deutsch sei und es für ihn keine zweite Heimat gäbe. Weder das Herkunftsland des Vaters (Kroatien), noch das der Mutter (Bosnien) kämen für ihn in Frage, da er dort lediglich alle 4 Jahre den Urlaub absolviere.

 

Der Bw habe in Österreich die Schlosserlehre absolviert, wenn auch ohne Lehrabschluss und sei von 2001 bis 2005 sowie von Februar bis Oktober 2006 und von September bis November 2007 bei verschiedenen Firmen beschäftigt gewesen; dies trotz der langjährigen Suchtgiftabhängigkeit. Daraus folge, dass er auch nach Haftentlassung wieder arbeiten werde, weshalb ein Aufenthaltsverbot und die Abschiebung nach Kroatien kontraproduktiv und nicht im Sinne des Gesetzgebers seien. Aufgrund der in Aussicht stehenden Therapie sei das Drogenproblem in den Griff zu bekommen.

 

Alle Verwandten des Bw würden zudem in Österreich leben. Zu Kroatien habe er keinen Bezug. Er sei ledig und kinderlos. Die letzten beiden Jahre habe er von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Drogenhandel gelebt. Er sei seit 5 Jahren drogensüchtig.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde ua. aus, dass im Fall des Bw trotz seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts von keiner gelungenen beruflichen Integration gesprochen werden könne. Die Integration werde auch noch durch die oa. Straftaten, ein von der belangten Behörde verhängtes Waffenverbot vom 4. April 2008 und durch zahlreiche Verwaltungsübertretungen (ua. Fahrerflucht nach Unfall mit Sachschaden oder 2 Verurteilungen wegen § 5 Abs. 1 StVO) geschmälert. Diese Umstände ließen eine gewisse Gleichgültigkeit österreichischen Normen gegenüber erkennen, weshalb von keiner verfestigten Integration ausgegangen werden könne.

 

Diese Feststellungen würden umso mehr für die soziale Integration des Bw gelten.

 

Hinsichtlich der angeführten Drogentherapie stellt die belangte Behörde fest, dass der Zeitraum noch nicht lange genug sei, um von der ursprünglichen Gefährlichkeitsprognose abzugehen.

 

Es müsse angemerkt werden, dass allein schon aufgrund der Tatsache der Verurteilungen im Fall des Bw die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sei. Das Aufenthaltsverbot sei zum Schutz des wirtschaftlichen Wohls des Landes, zum Schutz der Gesundheit Dritter sowie zur Verhinderung strafbarer Handlungen im Sinn des Art. 8 EMRK unbedingt erforderlich. Dabei wird auf die Gefährlichkeit und die hohe Rückfallsquote bei Drogendelikten hingewiesen.

Auch aus den privaten bzw. familiären Umständen im Sinne einer Interessensabwägung gemäß § 66 FPG ergebe sich, dass die verhängte Maßnahme unbedingt erforderlich sei.

 

In Einklang mit § 64 FPG sei aufgrund des persönlichen Verhaltens des Bw die sofortige Ausreise unbedingt notwendig, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit aufrecht zu erhalten.

 

Die Verurteilungen ließen erkennen, dass der Bw an der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung kaum interessiert sei, da auch die Probezeit der ersten Verurteilung von 3 auf 5 Jahre verlängert worden sei. Es könne derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der Grund der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Bw wegfallen werde, weshalb das Aufenthaltsverbot auf unbefristete Dauer zu verhängen gewesen sei.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Berufung mit Schriftsatz vom 15. April 2010.

 

In der Berufung wird dem im angefochtenen Bescheid dargestellten Sachverhalt im Grunde nicht entgegengetreten, jedoch ergänzend festgestellt, dass die belangte Behörde die Wandlung der Strafe durch das OLG Linz bzw. das LG Wels gemäß § 39 SMG in die Anordnung der Therapie nicht abgewartet und berücksichtigt habe, was eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstelle. Weiters sei die Behörde nur ungenügend auf seine persönliche Situation eingegangen.

 

Sowohl das bloße Verhängen von Haftstrafen als auch des Aufenthaltsverbotes gegen den Bw als Drogensüchtigem, würden inadäquate Vorgangsweisen bilden. 

 

Darüber hinaus rügt der Bw die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Interessensabwägung und weist nochmals auf die integrationsbildenden Umstände hin. 

 

Sämtliche seiner Familienangehörigen befänden sich zudem im Bundesgebiet; im Herkunftsstaat verfüge er über kein soziales Netzwerk. Die fehlende Bindung zum Herkunftsstaat gründe sich auch auf den langjährigen Aufenthalt in Österreich.  

 

Abschließend werden die Berufungsanträge auf Aufhebung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes; in eventu auf Aufhebung und Zurückverweisung; jedenfalls auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung gestellt.

 

1.3. Mit Schreiben vom 15. April 2010 beantragt der Bw wiederum die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung und weist (gestützt auf Beilagen) auf den positiven Verlauf der angeordneten Drogentherapie hin.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte zunächst den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vor.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 38/2011 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung über die Berufung zuständig ist, weshalb der in Rede stehende Verwaltungsakt von der Sicherheitsdirektion – nach In-Krafttreten der Novelle am 1. Juli 2011 – dem Oö. Verwaltungssenat übermittelt wurde.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

2.2.2. Mit E-Mail vom 23. November 2011 urgiert der Bw die Entscheidung über den Berufungsantrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung seiner Berufung.

 

2.2.3. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.2. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 38/2011, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw im relevanten Zeitraum über einen Aufenthaltstitel verfügte bzw. aufgrund des am 8. August 2011 gestellten Verlängerungsantrages dessen Wirkungen noch gemäß § 24 NAG fortdauern, weshalb grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen sind.

 

Allerdings ist davor noch auf die besonderen Ausschließungsgründe des § 64 FPG einzugehen.

 

3.2.1. Gemäß § 64 Abs. 1 FPG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Ausweisung gemäß § 62 und ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 nicht erlassen werden, wenn

1.      ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die   Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes         1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

 2.     er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

3.2.2. Im vorliegenden Fall kommt zwar nicht Z. 2 dieser Bestimmung zur Anwendung, da der Bw erst mit 5 Jahren nach Österreich kam, jedoch erscheint Z. 1 leg. cit. einschlägig.

 

Vorab ist bezüglich der hiebei heranzuziehenden Fassung des § 10 Abs. 1 StbG festzustellen:

 

Der unter der Überschrift "Verweisungen" stehende § 124 FPG normiert, dass, soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind.

 

Die Kompetenzgrundlage für das Staatsbürgerschaftsgesetz stellt Art. 11 Abs. 1 Z 1 B-VG dar. Demnach obliegt die Gesetzgebung in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft dem Bund. § 124 FPG ist daher grundsätzlich bei Verweisungen auf das Staatsbürgerschaftsgesetz anzuwenden.

 

§ 64 Abs. 1 Z 1 FPG verweist jedoch ausdrücklich auf § 10 Abs. 1 StbG, BGBl. Nr. 311. Es ist daher vom Vorliegen einer lex specialis auszugehen und § 10 Abs. 1 leg cit in der explizit verwiesenen Fassung anzuwenden. Dies insbesondere auch deshalb, weil der Wortlaut der beiden widersprüchlichen Bestimmungen seit der Stammfassung des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl Nr. 100/2005, unverändert geblieben ist und die Bestimmungen zeitgleich in Kraft getreten sind.

 

3.2.3. § 10 Abs. 1 StbG in der Fassung BGBl. Nr. 311 lautet:

"Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

1. er seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat;

2. er durch ein inländisches Gericht

a) weder wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten

b) noch wegen eines Finanzvergehens zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist;

hiebei stehen der Verleihung der Staatsbürgerschaft auch Verurteilungen wegen einer strafbaren Handlung entgegen, die der Fremde vor der Vollendung des 18. Lebensjahres begangen hat; (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 8)

3. gegen ihn nicht

a) wegen des Verdachtes einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten bedroht sind, noch

b) wegen des Verdachtes eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist; (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 8)

4. er nicht von einem ausländischen Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist, die strafbaren Handlungen auch nach inländischem Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren ergangen ist; (BGBl. Nr. 202/1985, Art. I Z 6)

5. gegen ihn kein Aufenthaltsverbot besteht; (BGBl. Nr. 703/1974, Art. I Z 1)

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet;

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder er sich ohne sein Verschulden in einer finanziellen Notlage befindet und

8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigen würde."

 

3.2.4. Nun ergibt sich aber aus dem Sachverhalt, dass der Bw bereits seit dem Jahr 1991 legal in Österreich aufhältig war und erst im Jahr 2007 erstmals strafgerichtlich verurteilt wurde. In diesem 16-jährigen Zeitraum hätte ihm gemäß den Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können.

 

Daraus folgt aber, dass § 64 Abs. 1 Z. 1 FPG zur Anwendung gebracht werden muss, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw nach nunmehriger Rechtslage nicht zulässig ist. Es war daher der angefochtene Bescheid – ohne auf die weiteren Berufungsgründe einzugehen – ersatzlos aufzuheben.

 

3.3.1. In der Berufung wird explizit und mehrfach die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den angefochtenen Bescheid gefordert.

 

Zunächst hat sich der Oö. Verwaltungssenat jedoch mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch die belangte Behörde zu befassen.

 

3.3.2. Durch die Novelle des Fremdenpolizeigesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 wurde der vormalige § 61 Z. 3 und 4  in der eben dargestellten Version neu gefasst.

 

Wies § 61 Z. 4 noch die Einschränkung auf "es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten 2-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden", besteht gerade diese Einschränkung in der nunmehrigen Fassung nicht mehr. Es folgt daraus, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unter § 64 Abs. 1 FPG zu subsumierende Personen – wie oben gezeigt - generell nicht mehr zulässig  ist.

 

Zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung konnte die belangte Behörde also noch völlig zurecht von der Zulässigkeit der Maßnahme ausgehen, da im Übrigen der vorliegende Sachverhalt fraglos geeignet war, eine besonders hohe und weiterhin negative Gefährlichkeitsprognose hinsichtlich des Bw, der jahrelang in der Suchtgiftkriminalität und  deren Umfeld verhaftet war, anzunehmen und dazu eine mehr als 2-jährige unbedingte Freiheitsstrafe vorliegt.

In Anbetracht der – auch im konkreten Fall gegebenen – hohen Rückfallsquote des Bw, der sich auch durch verschiedene Verurteilungen nicht von seinem bis da hin an den Tag gelegten Lebenswandel abwendete, ist der belangten Behörde kein Vorwurf daraus zu machen, dass sie den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen den angefochtenen Bescheid auszuschließen für erforderlich erachtete, zumal die eben erst begonnene Therapie nicht per se schon geeignet sein kann, dem Bw die besonders hohe und akute Gefährlichkeit abzusprechen, da hiefür ein doch langjähriger Beobachtungszeitraum von Nöten gewesen wäre.

 

Aufgrund der oben dargelegten Erwägungen, die die Verhängung des Aufenthaltsverbotes nach nunmehriger Rechtslage als unzulässig erkennen, folgt der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem Schicksal des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides.

 

3.3.3. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nachstehendes auszuführen.

 

Korrespondierend zur Vorgängerbestimmung § 64 FPG normiert § 68 Abs. 3 FPG in der geltenden Fassung, dass bei Fremden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden kann, wenn die sofortige Ausreise des Fremden oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.

 

Eine Regelung, dass die aberkannte aufschiebende Wirkung während des Berufungsverfahrens vorab wieder zuerkannt werden könnte, wie vom Bw offenbar intendiert, findet sich jedoch nicht. Der Gesetzgeber überlässt die Klärung dieser Frage somit der Berufungsinstanz, gemeinsam mit der Hauptsache auch über die Rechtmäßigkeit der Aberkennnung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden.

 

Nachdem aber kein Antrag auf Wiederzuerkennung der aufschiebenden Wirkung gesetzlich normiert ist, war der diesbezügliche Berufungsantrag als unzulässig zurückzuweisen. In diesem Sinn äußern sich auch Hengstschläger/Leeb im AVG-Kommentar zu § 64 AVG, Rn. 34f.

 

3.4.1. Es war daher unter I. der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben sowie unter II. der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung als unzulässig zurückzuweisen.  

 

3.4.2. Nachdem der Bw offenkundig der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung verzichtet werden. 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 22,10 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

Bernhard Pree

 

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