Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252819/2/Kü/Ba

Linz, 13.12.2011

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung des Herrn X X, vertreten durch X, X, Rechtsanwälte X, X, vom 15. April 2011 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 31. März 2011, BZ-Pol-76005-2011, wegen Übertretungen des Ausländerbe­schäftigungsgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

zu II.:   § 66 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 31. März 2011, BZ-Pol-76005-2011, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs.1 Z 1 lit.a iVm § 3 Abs.1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils 1.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit jeweils Ersatzfreiheitsstrafen von 34 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben als unbeschränkt haftender Gesellschafter und somit als iSd § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma X KG, X, X (Arbeitgeberin) zu verantworten, dass durch diese Firma von 01.10.2010 bis zumindest 13.12.2010 (Zeitpunkt der Kontrolle) L P, geb. X, Staatsbürgerschaft Ungarn, als Paketzusteller und

N G, geb. X, Staatsbürgerschaft Ungarn als Zustellerin und Sekretärin (Büroarbeiten)

beschäftigt wurden, obwohl für diese Ausländer weder eine Beschäftigungs­bewilligung oder Zulassung als Schlüsselkraft erteilt, noch eine EU-Entsende­bestätigung oder eine Anzeigebestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein oder eine Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt oder ein Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt – EG' oder ein Niederlassungsnachweis ausgestellt wurde."

 

Begründend wurde nach Darstellung der Schriftsätze des erstinstanzlichen Verfahrens festgehalten, dass die objektive Tatseite der Verwaltungsüber­tretung aufgrund des angeführten Sachverhaltes (Angaben in der Anzeige des Finanz­amtes Grieskirchen Wels samt Beilagen) als erwiesen anzusehen und vom Beschuldigten nicht geleugnet worden sei. Der Beschuldigte hätte die Pflicht gehabt, sich bei der Beschäftigung von Ausländern über die Bestimmungen des AuslBG laufend vertraut zu machen.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter des Bw eingebrachte Berufung, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Begründend wurde festgehalten, dass der erstinstanzliche Bescheid an elemen­taren Mängeln leide, die eine schlüssige Überprüfung nach den Grundsätzen der juristischen Methodenlehre verhindern würden. Der angefochtene Bescheid enthalte keinerlei Sachverhaltsfeststellungen. Es sei nicht erkennbar, von welchem tatsächlichen Geschehensablauf die Behörde ausgegangen sei.

 

Wenn im angefochtenen Bescheid ausgeführt würde, dass die objektive Tatseite vom Beschuldigten nicht geleugnet würde, sei dies eine aktenwidrige Unrichtig­keit, da in der Rechtfertigung vom 3.3.2011 eindeutig zum Ausdruck gebracht worden sei, dass im vorliegenden Fall kein "beschäftigen" im Sinne des § 2 AuslBG vorliege, sodass der objektive Tatbestand des angelasteten Delikts gerade nicht verwirklicht worden sei.

 

Auch mit der in der Rechtfertigung ausführlich behandelten Problematik der subjektiven Tatseite sowie der rechtlichen Argumentation, insbesondere im Hinblick auf § 32a Abs.7a AuslBG habe sich die Erstinstanz in keiner Weise auseinander gesetzt. Mangels inhaltlichen Substrats könne daher auch keine nähere konkrete Auseinandersetzung mit dem behördlichen Standpunkt statt­finden, sondern müsse darauf verwiesen werden, dass schon aus rechtlichen Gründen nach § 32a Abs.7a AuslBG die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nicht gegeben seien und jedenfalls nach Aufnahme der beantragten Beweise sich ergeben hätte, dass das gegenständliche Delikt weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht verwirklicht worden sei.

 

3. Der Bürgermeister der Stadt Wels hat mit Schreiben vom 26. April 2011 die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

Dem Strafantrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels liegt ein Firmenbuchaus­zug der X KG mit dem Sitz in X, X, bei. Diesem Auszug ist zu entnehmen, dass der Bw mit Gesellschaftsvertrag vom 30.9.2010 mit den Kommanditisten P L und G N die X KG gegründet hat, in der der Bw selbst als unbeschränkt haftender Gesellschafter fungiert. P L und G N sind ungarische Staatsangehörige.

 

Aus der mit dem Bw aufgenommenen Niederschrift vom 13.12.2010 ergibt sich, dass der Kommanditist P L für die X KG über das Internet eine Reihe von Aufträgen lukriert hat und selbst diese Transportfahrten durchge­führt hat. Herr L konnte auch die Preisgestaltung für diese Transportfahrten übernehmen. Außerdem war er zeichnungs- und verfügungsberechtigt für die X KG. Auch die Kommanditistin G N hatte die gleichen Berechtigungen wie der Kommanditist P L. Ihre Tätigkeit in der X KG beschränkte sich vorwiegend auf Büroarbeiten und Auftrags­annahmen. Entlastungsweise hat sie auch selbst Zustellfahrten durchgeführt.

 

P L und G N waren seit Gründung der X KG, und zwar ab 1.10.2010 für diese tätig.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich – wie bereits erwähnt – aus den dem Strafantrag beiliegenden Schriftstücken.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 3 Abs.1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung, eine Zulassung als Schlüsselkraft oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein oder eine "Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt"  oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" oder einen Niederlassungsnachweis besitzt.

 

Nach § 2 Abs.2 AuslBG gilt als Beschäftigung die Verwendung

a)     in einem Arbeitsverhältnis,

b)    in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis,

c)     in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs.5 leg.cit.

d)    nach den Bestimmungen des § 18 leg.cit. oder

e)     überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs.4 des Arbeitskräfte­überlassungsgesetzes, BGBl.Nr. 196/1988.

 

Gemäß § 2 Abs.4 erster Satz AuslBG ist für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs.2 vorliegt, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn

1.     ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder

2.     ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25%

Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag binnen drei Monaten fest, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen. Nach Ablauf dieser Frist darf die Tätigkeit auch ohne den erforderlichen Feststellungsbescheid aufgenommen werden. Wird der Antrag nach Ablauf der Frist abgewiesen, ist die bereits begonnene Tätigkeit umgehend, spätestens jedoch binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides, zu beenden.

 

Gemäß § 32a Abs.7a AuslBG idF. BGBl.I Nr. 91/2009 gelten die gesetzliche Vermutung und die Verpflichtung zur Einholung eines Feststellungsbescheides gemäß § 2 Abs. 4 nicht für Gesellschafter, die Staatsangehörige eines in den Abs. 1 und 10 genannten Mitgliedstaates der Europäischen Union sind. Die Firmenbuchgerichte haben jedoch die Eintragung solcher Gesellschafter in das Firmenbuch der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu melden, sofern sie Grund zur Annahme haben, dass die Gesellschafter Arbeitsleistungen im Sinne des § 2 Abs. 4 für die Gesellschaft erbringen. Die regionale Geschäftsstelle hat die Tätigkeit des Gesellschafters nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt zu prüfen. Die Gesellschafter haben an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken. Stellt die regionale Geschäftsstelle fest, dass die Tätigkeit der Bewilligungspflicht nach diesem Bundesgesetz unterliegt, oder wirkt der Gesellschafter trotz schriftlicher Aufforderung nicht binnen angemessener Frist an der Ermittlung des Sachverhaltes mit, hat sie – sofern keine entsprechende Bewilligung vorliegt – die Beschäftigung zu untersagen und das für die Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuständige Finanzamt zu verständigen.

 

5.2. Dem Bw wird angelastet, die beiden ungarischen Staatsangehörigen P L und G N, die gemäß Firmenbuchauszug Kommanditisten der in X situierten X KG sind, beginnend mit Oktober 2010 bis 13.12.2010 als Paketzusteller bzw. Zustellerin und Sekretärin beschäftigt zu haben. Diese Tätigkeiten der beiden stellen grundsätzlich Arbeitsleistungen für die Gesellschaft dar, die typischer­weise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden und könnte auf Grund der in § 2 Abs.4 AuslBG normierten gesetzlichen Vermutung von einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs.3 AuslBG ausgegangen werden.

 

§ 32 Abs.7a AuslBG regelt in diesem Zusammenhang eine Ausnahme für ungarische Staatsangehörige. Demnach gilt die gesetzliche Vermutung und die Verpflichtung zur Einholung eines Feststellungsbescheides gemäß § 2 Abs.4 nicht für Gesellschafter, die Staatsangehörige der Republik Ungarn sind. Durch die Novelle des AuslBG BGBl.Nr. 91/2009 wurde mit dem § 32a Abs.7a AuslBG während des Geltungszeitraumes des Übergangs­arrangements zur EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit für Arbeitsgesellschafter aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten ein gesondertes Kontrollsystem eingerichtet, das den Vorgaben des EuGH (Urteil vom 22.12.2008, C-161/07) entspricht. Dementsprechend sind die Firmenbuchgerichte verpflichtet, die Eintragung von Arbeitsgesellschaftern im Sinne des § 2 Abs.4 AuslBG aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten der zuständigen regionalen Geschäfts­stelle des Arbeitsmarktservices zu melden, welche sodann allenfalls nach Einsicht in das Firmenbuch sowie allfälliger zusätzlicher Ermittlungen, an denen die Arbeitsgesellschafter jedenfalls mitzuwirken haben, prüft, ob die Tätigkeit des Gesellschafters ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach tat­sächlich in selbstständiger Stellung ausgeübt wird oder eine bewilligungspflichtige Beschäftigung darstellt. Erst wenn die Geschäftsstelle feststellt, dass die Tätigkeit der Bewilligungspflicht nach dem AuslBG unterliegt, hat diese – sofern keine entsprechende Bewilligung vorliegt – die Beschäftigung zu untersagen. Die Beschäftigung trotz Untersagung erfüllt den Tatbestand des § 28 Abs.1 Z1 lit.d AuslBG.

 

Der im gegenständlichen Verfahren eingebrachte Strafantrag basiert aus­schließlich auf der gesetzlichen Vermutung des § 2 Abs.4 AuslBG, ohne auf die gesonderten Bestimmungen des § 32 Abs.7a AuslBG Bezug zu nehmen. Eine Untersagung der Tätigkeit der beiden ungarischen Staatsangehörigen für die X KG durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices ist dem Akt nicht zu entnehmen. Dem Bw kann daher in Zusammenschau der Bestimmungen des § 2 Abs.4 sowie § 32a Abs.7a AuslBG die Beschäftigung der beiden ungarischen Staatsangehörigen entgegen den Bestimmungen des AuslBG nicht angelastet werden. Der Bw ist mit seinem Berufungsvorbringen zum § 32a Abs.7a AuslBG im Recht, weshalb der Bw die angelastete Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs.1 Z1 lit.a AuslBG nicht begangen hat und somit der Berufung Folge zu gegeben, das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben und das Ver­waltungsstrafverfahren einzustellen war.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

 

 

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