Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730381/2/SR/MZ/Jo

Linz, 12.12.2011

                                                                                                                                                        

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Tunesien, unbekannten Aufenthalts, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Ried im Innkreis vom 3. April 2009, GZ Sich40-14257, betreffend der Erlassung eines mit 5 Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes für das Bundesgebiet der Republik Österreich zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

يُرفض الإعتراض حيث لا أساس له، ويُؤكَّد القرار المعترض عليه.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs 1a, 61 und 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011).

 

الأساس القانونى:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs 1a, 61 und 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 3. April 2009, GZ Sich40-14257, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf Grundlage der §§ 60 Abs. 1 und 2, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (im Folgenden: FPG) erlassen.

 

Im angefochtenen Bescheid wird von der belangten Behörde wie folgt ausgeführt:

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und Ihrer Anhörung durch die BH Ried i. I. am 20.03.2009 steht folgender Sachverhalt fest:

Sie besitzen nicht die österr. Staatsbürgerschaft, sind tunesischer Staatsangehöriger und somit Fremder gem. § 2 Abs. 4 Zi. 1 FPG.

Sie haben am X in X, Tunesien, die Ehe mit der österr. Staatsbürgerin X, geb. X, geschlossen und sind im Oktober 2002 nach Österreich eingewandert. Folgende Aufenthaltstitel wurden Ihnen laut Fremdenakt ausgestellt:

BH Schärding Niederlassungsbewilligung – Familiengemeinschaft mit Ö:

01.10.02-01.10.03

BH Schärding Niederlassungsbewilligung – beg. Drittstaatsangehöriger:

22.09.03-22.09.04

BH Ried im Innkreis Niederlassungsbewilligung – beg. Drittstaatsangehöriger:

20.09.04-30.05.05

BH Schärding Familienangehöriger 18.04.05-18.04.07

BH Schärding Familienangehöriger 19.04.07-18.04.09

Aus der Ehe mit Frau X entstammen folgende Kinder:

X, geb. X und

X, geb. X.

Am 08.03.2005 wurden Sie von der PI X erstmals wegen Verdachtes der Körperverletzung angezeigt, weil Sie am 19.09.2004 gegen 07.00 Uhr nach der Sperrstunde bei der X eine körperliche Auseinandersetzung mit X hatten. Der Bezirksanwalt des BG Ried im Innkreis trat am 18.07.2005 gem. § 90c Abs. 5 StPO von der Verfolgung zurück.

Das BG Schärding verurteilte Sie am 23.11.2006, 1U 132/2006 g, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen á 2 Euro (NEF 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe), davon je die Hälfte bedingt nachgesehen (rk seit 23.11.2006). In diesem Zusammenhang wurden Sie für schuldig befunden, dass Sie zu nachangeführten Zeiten in Schärding im Verlaufe von ehelichen Auseinandersetzungen X.

a) am 22.04.2006 durch einen Schlag mit dem Saugrohr des Staubsaugers

b) am 23.04.2006 durch den Wurf einer Haarbürste gegen das Gesicht und

c) am 24.04.2006 durch Versetzen von mehreren Ohrfeigen und Fußtritten gegen den Bauch

am Körper verletzt haben, wobei die Tat ein Hämatom am rechten Unterarm, Prellungen und Abschürfungen im Gesicht zur Folge hatte.

Aufgrund des Vorfalles vom 24.04.2006 wurde gegen Sie von der PI Schärding eine Wegweisung sowie ein Betretungsverbot nach § 38a SPG ausgesprochen. Nach Angaben Ihrer Frau bei der Polizei sei die Ehe von Anfang an problematisch verlaufen. Sie berichtete von wiederholten Misshandlungen Ihrerseits, die Sie meist in alkoholisiertem Zustand vorgenommen haben.

Die Ehe mit Frau X wurde vom BG Schärding mit Beschluss vom 09.04.2008, Zahl 1C 38/08a, rechtskräftig einvernehmlich geschieden. Laut Scheidungsvereinbarung wurde die Obsorge für die Kinder allein der Kindesmutter übertragen. Ein Besuchsrecht wird zwischen den Kindeseltern einvernehmlich festgelegt. Für die Kinder sind Sie zur monatlichen Unterhaltsleistung von je € 200,- verpflichtet. Nach Ihren Angaben haben Sie bisher nur für einen Monat Alimente bezahlt.

Am 30.06.2008 verurteilte Sie das BG Schärding unter Zahl 1 U 55/2008 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen á 2 Euro (NEF 75 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) – rk seit 04.07.2008. Das Gericht sprach Sie schuldig, dass Sie am 09.02.2008 in Schärding X und X durch Versetzen von Faustschlägen am Körper verletzt haben. Unter einem hat das Gericht die Probezeit der Erstverurteilung auf fünf Jahre verlängert. Die Auseinandersetzung ereignete sich am 09.02.2008 um 04.20 Uhr vor der Diskothek „X“ in X, wobei Sie unter Alkoholeinfluss standen (0,68 Promille). Sie schlugen dem X durch das geöffnete Seitenfenster eines Vw-Busses mit der Faust ins Gesicht, wodurch zwei Schneidezähne gelockert wurden und das Opfer einen Nasenbeinbruch erlitt. Dem aus dem Fahrzeug gestiegenen X schlugen Sie mit der Faust ins Gesicht, so dass er zu Boden stürzte und eine Rissquetschwunde oberhalb des linken Auges, einen Nasenbeinbruch, sowie eine Prellung des rechen Handgelenks erlitt.

Ende Juli 2008 sind Sie nach Tunesien ausgereist, weil Ihre Mutter am X verstorben sei. Sie geben zu, dass Sie an der letzten Wohnadresse in X, am 18.08.2008 nach Tunesien abgemeldet worden sind. An der besagten Anschrift hatten Sie für 200 Euro im Monat ein Zimmer gemietet, ab August 2008 bezahlten Sie keine Miete mehr. Sie blieben dann ca. 5 ½ Monate in Tunesien. Für diesen längeren Aufenthalt in Tunesien hätte es außer dem Umstand des Ablebens Ihrer Mutter keinen besonderen Grund gegeben. In Tunesien würden noch zwei Brüder im Alter von 17 und 21 Jahren und eine Schwester im Alter von 13 Jahren leben. Sie hätten sich etwas um sie gekümmert, weil auch der Vater schon tot sei und Sie der Älteste unter den Geschwistern seien. Ihre Brüder würden in X ein Lebensmittelgeschäft betreiben, in dem Sie in den vergangenen Monaten manchmal ausgeholfen hätten.

Zuletzt wurden Sie am 11.01.2009 am Flughafen X aufgrund eines offenen Haftbefehls festgenommen und in die JA X in Untersuchungshaft überstellt. Am 03.02.2009 verurteilte Sie das LG Ried im Innkreis zu Zahl 23 Hv 52/08i wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach den §§ 83 Abs. 1 und 85 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt nachgesehen (rk seit 07.02.2009). Das LG Ried im Innkreis befand Sie in diesem Fall für schuldig, dass Sie in Schärding

1) am 08.04.2008 X durch Versetzen von Faustschlägen, die eine Prellung der linken Hüfte und Nierenregion zur Folge hatte, am Körper verletzt haben;

2) am 23.04.2008 X dadurch, dass Sie ihr ein Glas in das Gesicht warfen, wodurch diese Schnittverletzungen in der rechten Gesichtshälfte erlitt, wobei die Tat für immer oder für lange Zeit eine auffallende Verunstaltung zur Folge hatte, am Körper verletzt haben.

Aufgrund des Vorfalles vom 08.04.2008 wurde gegen Sie von der PI Schärding wiederum eine Wegweisung sowie ein Betretungsverbot nach § 38a SPG ausgesprochen. Zu der Auseinandersetzung am 23.04.2008 mit der Prostituierten X im Nachtclub „X“ in X kam es deshalb, weil Sie auf ein privates Treffen mit der Genannten gedrängt hatten.

Das Strafende ist mit 11.04.2009 vorgemerkt. Anschließend wird noch eine verkehrsrechtliche Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 85 Stunden vollzogen.

Aus dem Verwaltungsvorstrafenauszug der BH Schärding vom 19.01.2009 ergeben sich bei Ihnen folgende Vormerkungen:

VerkR96-7656-2004

§ 43 Abs. 4 lit. b KFG1967       30.12.2004          72,-            24 Std

VerkR96-647-2005

§ 103 Abs. 1 ZI. 1 KFG iVm      14.02.2005          100,-          33 Std

§ 102 Abs. 5 lit. b KFG             14.02.2005          25,-            12 Std

§ 102 Abs. 1 KFG iVm § 36      14.02.2005          36,-            12 Std

VerR96-5510-2005

§ 4 Abs. 5 StVO                       29.09.2005          190,-          72 Std

§ 4 Abs. 1 lit. c StVO                29.09.2005          220,-          96 Std

VerR96-4745-2006

§ 7 Abs. 5 StVO                       26.09.2006          60,-            19 Std

§ 14/4 KFG iVm § 102/1 KFG 26.09.2006          30,-            8 Std

§ 18/1 KFG iVm § 102/1 KFG 26.09.2006          40,-            12 Std

VerR96-4745-2006

20/1c KFG iVm § 102/1 KFG    26.09.2006          25,-            8 Std

14/6 KFG iVm § 102/1 KFG     26.09.2006          15,-            8 Std

VerkR96-6225-2006

4/2 KFG iVm § 102/1 KFG       01.12.2006          50,-            16 Std

41 Abs. 4 2. Satz KFG 1967     01.12.2006          30,-            8 Std

42 Abs. 1 KFG 1967                01.12.2006          36,-            12 Std

VerR96-708-2008

§ 37a iVm § 14 Abs. 8 FSG      19.02.2008          365,-          144 Std.

Laut Versicherungsdatenauszug vom 20.03.2009 sind Sie seit 2004 im Bundesgebiet diversen Beschäftigungen als Arbeiter nachgegangen. Das gesamte Beschäftigungsausmaß betrug in diesem Zeitraum etwas mehr als 40 Monate. Zuletzt waren Sie von 21.05.2007 bis 28.06.2008 bei der X beschäftigt. Danach bezogen Sie von 29.06.2008 bis 17.08.20008 Arbeitslosengeld. Sie sind im Besitz eines bis 29.05.2013 gültigen Befreiungsscheines. Momentan haben Sie keinen festen Wohnsitz im Bundesgebiet.

Sie sind derzeit mittellos und bei der Sparkasse X mit € 8.000,- bis € 9.000,- verschuldet.

Im Rahmen der Wahrung des Parteiengehörs sprachen Sie sich gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aus, weil in Österreich Ihre beiden Kinder leben würden. Mit Ihrer geschiedenen Frau hätten Sie ausgemacht, dass Sie die Kinder zweimal im Monat, jeweils von Samstag auf Sonntag, zu sich nehmen dürfen. Sie möchten wegen der Kinder in Österreich bleiben und sich auch wieder Arbeit suchen. Aus diesem Grund seien Sie auch aus Tunesien zurückgekehrt. Ihnen sei ja bewusst gewesen, dass Ihnen in Österreich noch eine Strafverfolgung drohe. Ihre Ex-Frau habe Sie in der JA in Begleitung der Kinder ein paar Mal besucht.

Wie bereits im Sachverhalt ausführlich dargestellt, wurden Sie erstmals am 23.11.2006 vom BG Schärding nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt, weil Sie Ihre damalige Ehegattin zwischen 22.04. und 24.04.2005 in drei tätlichen Angriffen am Körper verletzt hatten. In diesem Zusammenhang fällt besonders nachteilig ins Gewicht, dass Ihre Frau im Zeitpunkt der Übergriffe im 9. Monat schwanger war und gleichsam um das Leben ihres ungeborenen Kindes fürchten musste.

Am 30.06.2008 wurden Sie vom BG Schärding wiederum wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt, da Sie am 09.02.2008 zwei Personen durch Faustschläge verletzt hatten.

Nunmehr verurteilte Sie das LG Ried im Innkreis am 03.02.2009 wegen des Vergehens der Körperverletzung und wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten, weil Sie am 08.04.2008 wieder Ihre Frau mit Faustschlägen verletzten sowie am 23.04.2008 die Prostituierte X, indem Sie Ihr ein Glas in das Gesicht warfen, wodurch sie Schnittverletzungen erlitt, die eine für immer oder für lange Zeit dauernde Verunstaltung zur Folge hat.

Durch die angeführten Verurteilungen sind die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 60 Abs. 2 Zi. 1 zweiter und vierter Fall Fremdenpolizeigesetz 2005 erfüllt.

Aus dem Umstand, dass Sie insgeheim dreimal wegen Körperverletzung – also wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen – verurteilt worden sind, und Sie durch die Anzeige aus dem Jahr 2005 und die Erstverurteilung im Jahr 2006 nicht davon abgehalten werden konnten, neuerlich mehrfach einschlägig straffällig zu werden, ist der Schluss zu ziehen, dass bei Ihnen eine hohe Gewaltbereitschaft vorliegt. Speziell unter Alkoholeinfluss dürfen Sie zu Gewaltausbrüchen neigen. Erschwerend kommt hinzu, dass Sie die Intensität der Aggressionsdelikte im Verlauf der Zeit sogar noch gesteigert haben.

Festgehalten sei, dass der zweiten und dritten Verurteilung zusammen insgesamt fünf Tathandlungen zugrunde liegen. Mit Ihrem Handlungsstil geht eine potentielle Gefährlichkeit einher. In den Relevanzbereich dieser Gefährlichkeit fallen offenbar jene Personen, von denen Sie sich beeinträchtigt bzw. benachteiligt fühlen, betroffen ist aber Ihr gesamtes soziales Umfeld. Die Begehung weiterer Taten, vergleichbar mit jener der abgeurteilten Tathandlungen, erscheint sehr nahe liegend.

Mit den von Ihnen begangenen strafbaren Handlungen gegen die körperliche Integrität dritter Personen haben Sie die öffentlichen Interessen in nachhaltiger Weise beeinträchtigt, was sich auch in der vom Gericht zuletzt verhängten Freiheitsstrafe manifestiert. Aus Ihrem Fehlverhalten ist klar ersichtlich, dass Sie nicht davor zurückschrecken, Ihren Aggressionen freien Lauf zu lassen und Gewalt gegen Angehörige oder aber auch gegen fremde Personen einzusetzen.

Letztlich lassen die Zahl und Schwere der bei Ihnen vorgemerkten Verwaltungsvorstrafen auf mangelnde Verbundenheit mit straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften schließen.

Die mit Ihrem Gesamt(fehl)verhalten in hohem Ausmaß verbundene Gefährdung der öffentlichen Interessen lässt aber auch für den Zeitpunkt Ihrer Entlassung ausschließlich eine negative Zukunftsprognose zu. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ist im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Volksgesundheit und der Rechte anderer, dringend geboten. Die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme trifft zu.

Aufgrund Ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich von Oktober 2002 bis Juli 2008, Ihrer Bindungen zu den beiden leiblichen Kindern, welche auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sowie im Hinblick auf die Beschäftigungszeiten in Österreich ist mit dem Aufenthaltsverbot ein Einriff in Ihr Recht auf Ausübung des Privat- und Familienlebens verbunden. Dieser Eingriff ist jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz des Lebens, der Gesundheit, der körperlichen Unversehrtheit anderer) dringend geboten und daher im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig. Sie haben durch Ihr strafbares Verhalten dokumentiert, dass Sie nicht in der Lage bzw. nicht gewillt sind, die zum Schutz maßgeblicher Rechtsgüter aufgestellten Normen einzuhalten. Trotz Zurücklegung einer Körperverletzungsanzeige im Jahr 2005 und Erstverurteilung durch das BG Schärding im Jahr 2006 sowie diverser polizeilicher Amtshandlungen sind Sie 2008 wieder mehrfach einschlägig straffällig geworden und haben Ihr deliktisches Verhalten sogar noch gesteigert. Ihre Integration im Bundesgebiet hat in der für Sie wesentlichen sozialen Komponente durch die Straftaten doch eine erhebliche Minderung erfahren. Durch Ihr gravierendes Fehlverhalten wurden maßgebliche öffentliche Interessen gefährdet, sodass Ihre privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich zurückstehen müssen. Die Behörde verkennt nicht, dass Sie sich etwas mehr als sechs Jahre rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben und im Hinblick auf die hier wohnhaften minderjährigen Kinder maßgebliche familiäre Bezugspunkte aufweisen. Das Gewicht dieser Bindungen wird aber dadurch stark gemindert, dass Sie mit den Kindern schon über ein Jahr nicht mehr im gemeinsamen Haushalt leben und Ihnen auch nicht die Obsorge zukommt. Von einem normalen „Familienleben“ kann daher keine Rede sein. Überdies befanden Sie sich von Juli 2008 bis Jänner 2009 durchgehend in Tunesien und haben offenbar seit Ihrer Scheidung nur für einen Monat Alimente zu Gunsten der Kinder geleistet. Besuche der österreichischen Kinder werden durch das Aufenthaltsverbot sicherlich erschwert, aber nicht gänzlich unterbunden, da Kontaktaufnahmen auch in Tunesien realisierbar sind. Ihren Unterhaltspflichten können Sie auch vom Ausland aus nachkommen.

Das Ausmaß Ihrer Integration in Österreich wird letztlich auch dadurch geschwächt, dass Sie zuletzt arbeitslos waren. Dem steht gegenüber, dass Sie in Tunesien maßgebliche Bindungen zu den Geschwistern haben, wo Sie auch das zweite Halbjahr 2008 verbracht und im Lebensmittelgeschäft mitgeholfen haben. Ihr berufliches Fortkommen erscheint in Tunesien durchaus gesichert. Mit der Sprache und den Lebensumständen in Tunesien sind Sie gut vertraut.

Bei der Gesamtbetrachtung wiegen die öffentlichen Interessen an Ihrer Aufenthaltsbeendigung schwerer als Ihre gegenläufigen privaten Interessen. Dem Aufenthaltsverbot steht somit § 66 Abs. 1 und 2 FPG nicht entgegen.

Im Lichte der strafgerichtlichen Verurteilungen und der Dauer Ihres Aufenthaltes in Österreich ist bei Ihnen keine Aufenthaltsverfestigung gegeben. Gründe für die Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sind nicht hervorgekommen.

Unter Berücksichtigung der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe ist nach § 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 eine Dauer des Aufenthaltsverbotes von fünf Jahren angemessen und zumutbar. Bei der Bemessung der Frist war auch auf den Umstand, dass in Österreich zwei minderjährige Kinder von Ihnen leben, Bedacht zu nehmen. Somit kann mit einer Befristung von fünf Jahren das Auslangen gefunden werden. Die Behörde nimmt an, dass nach Ablauf dieses Zeitraumes die Gründe für die Maßnahme weggefallen sein werden.

 

2.1. Gegen den am 3. April 2009 dem Bw persönlich ausgehändigten und damit zugestellten Bescheid erhob dieser mit Telefax vom 15. April 2009 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

Im Schriftsatz führt der Bw Folgendes aus:

Ich habe Ihren Bescheid zur Kenntnis genommen und befinde die Anordnung für nicht zumutbar.

Ich habe meine Schuld eingesehen und die damit verbundene Haftstrafe abgesessen. Jetzt möchte ich zu meinen Kindern wieder eine intensive Bindung eingehen und ich möchte auch erwähnen, dass ich mich um einen festen Wohnsitz sowie um ein festes Arbeitsverhältnis bemühen werde.

Daher ersuche ich Sie, mir die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern und mir die Möglichkeit zu geben, ein normales Leben zu führen.

Eine aktuelle Meldebescheinigung lege ich Ihnen bei.

 

3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vorgelegt.

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl I 2011/38 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG 2005 in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen zuständig sind. Darüber hinaus stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, 2011/22/097, zusammengefasst fest, dass nach den maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle des rechtmäßigen Aufenthalts eines Fremden sowohl über die Beendigung des Aufenthaltsrechts entschieden als auch dem nicht mehr länger zum Aufenthalt berechtigten Drittstaatsangehörigen die Pflicht zum Verlassen des Bundesgebietes, sohin eine Rückkehrverpflichtung im Sinne der Rückführungsrichtlinie, auferlegt sowie der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet für einen bestimmten Zeitraum oder für unbefristete Zeit untersagt, sohin auch ein Einreiseverbot im Sinne der Rückführungsrichtlinie ausgesprochen werde. Diese Vorgangsweise, nämlich mit einer einzigen Entscheidung das Aufenthaltsrecht zu beenden sowie unter einem die Rückkehr des Drittstaatsangehörigen anzuordnen und ihm den künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verbieten, stelle sich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 6 Rückführungsrichtlinie als zulässig dar. Ungeachtet dessen seien dabei nach dieser Bestimmung die Verfahrensgarantien des Kapitels III der Rückführungsrichtlinie einzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es sohin als nicht zweifelhaft, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes – unabhängig von der Benennung des innerstaatlich festgelegten Rechtsinstituts – um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Z 4 Rückführungsrichtlinie und ein Einreiseverbot im Sinne des Art. 3 Z 6 dieser Richtlinie handelt, bei deren Erlassung die in der Richtlinie festgelegten Verfahrensgarantien einzuhalten seien. Daraus folge aber, dass für Entscheidungen über eine dagegen gerichtete Berufung seit Ablauf der Frist zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie die Unabhängigen Verwaltungssenate zuständig seien.

 

Von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich wurde der gegenständliche Akt daher nunmehr dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsichtnahme das Zentrale Melderegister.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1 dargestellten, völlig unstrittigen Sachverhalt aus.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 60 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 38/2011, konnte gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde für die Verhängung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes daher grundsätzlich zu Recht die zitierte Bestimmung herangezogen.

 

Da – sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes angeordnet ist – im Berufungsverfahren von der angerufenen Behörde die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt deren Entscheidung heranzuziehen ist, sind die durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 38/2011, vorgenommenen Änderungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in diesem Verfahren zu berücksichtigen.

 

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Nach § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3 [§ 53 Abs.  5 und 6 gelten].

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z. 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z. 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen nicht rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige werden nunmehr durch § 52 f FPG geregelt. Die Bestimmungen lauten auszugsweise:

 

"Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

(2) […]

 

Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung wird ein Einreiseverbot unter Einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

 

(2) […]

 

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

 

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

2. […]

 

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat […] rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist.

 

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

(5) […]"

 

4.3. Dass der Bw Drittstaatsangehöriger und im Sinne des § 63 FPG zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war, bedarf aufgrund der Feststellungen der belangten Behörde keiner weiteren Begründung. Im Hinblick auf § 52 Abs. 1 letzter Satz war eine umfassende Prüfung vorzunehmen.

 

4.3.1. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes stellt – wie schon von der belangten Behörde ausgeführt – unzweifelhaft einen Eingriff in das Privatleben des Bw dar. Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen gilt es daher zunächst, die Zulässigkeit dieses Eingriffs dem Grunde nach zu prüfen. Dabei ist auf die von Art. 8 EMRK geschützten Interessen des Bw sowie § 61 FPG 2005 Bedacht zu nehmen.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung der Rechte gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.3.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG 2005 ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG 2005 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Im Sinne der zitierten Norm gilt es im gegenständlichen Verfahren eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

4.3.3. Vorweg ist festzuhalten, dass es nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und die Verbringung einer Person außer Landes grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

4.3.4. Es ist der belangten Behörde folgend festzustellen, dass eine Subsumtion des gegenständlichen Sachverhalts unter die Tatbestandselemente des § 61 Abs. 2 FPG 2005 nicht zu einem unzulässigen Eingriff in das Privatleben des Bw führt.

 

4.3.4.1. Hinsichtlich der Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und der Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war, ist festzuhalten, dass dieser im Oktober 2002 ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist ist und dieses am 7. August 2010 verlassen hat. Vor der Ausreise (Unterkunftsaufgabe) hat der Bw weder einen Zustellungsbevollmächtigten noch eine neue Abgabestelle bekannt gegeben.

 

Wo sich der Bw derzeit aufhält, ist unbekannt. Es kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass er sich zur Zeit im Bundesgebiet befindet.

 

Legt man die gesicherten Fakten für die Beurteilung der Dauer des Aufenthalts des Bw im Inland zugrunde, ergibt sich eine Gesamtaufenthaltsdauer von knapp 8 Jahren. Im gesamten Zeitraum war der Bw rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

 

4.3.4.2. Weiters hat das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens in die Beurteilung einzufließen.

 

Der Bw hat am 10. März 2002 in Tunesien die österreichische Staatsangehörige X geehelicht und ist im Oktober 2002 nach Österreich eingewandert. Aus der Ehe mit Frau X (vormals X) entstammen 2 Kinder.

 

Die Ehe wurde nach schweren körperlichen Misshandlungen der Gattin durch den Bw mit Beschluss vom 9. April 2008 rechtskräftig einvernehmlich geschieden. Laut Scheidungsvereinbarung wurde die Obsorge für die Kinder allein der Kindesmutter übertragen, ein Besuchsrecht einvernehmlich festgelegt. Der Bw wäre zur monatlichen Unterhaltsleistung von je € 200,- verpflichtet, kommt dieser Verpflichtung aber nach eigenen Angaben nicht nach.

 

Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich besteht vor dem Hintergrund dieser Ausführungen kein Familienleben des Bw in Österreich. Durch seine wiederholten Tätlichkeiten und die nachhaltige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit seiner Ex-Gattin – der Bw versetzte dieser am Tag vor der Scheidung noch Faustschläge, die eine Prellung der linken Hüfte und Nierenregion zur Folge hatten – hat der Bw eindeutig zu erkennen gegeben, dass ihm der Wert einer Familie nichts bedeutet. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch zu erwähnen, dass die Gattin des Bw im Zeitpunkt der Übergriffe im 9. Monat schwanger war und der Bw daher das Leben eines seiner (damals ungeborenen) Kinder gefährdete.

Der Eindruck, dass der Bw weder an einem gemeinsamen Familienleben im klassischen Sinne noch an einer anderweitigen Bindung zu seinen Kindern tatsächlich interessiert ist, wird durch die Abgabe der Obsorge der Kinder an die Mutter sowie die Nichtleistung der monatlichen Unterhaltsleistungen noch verstärkt.

 

4.3.4.3. Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich unter anderem aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Bw alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen. Dem Höchstgericht zufolge hat der dem § 61 Abs. 2 FPG 2005 (neu) vergleichbare § 66 Abs. 2 FPG 2005 (alt) schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates bzw familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte.

 

Im Sinne dieser Ausführungen geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa 10 Jahren das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG 2005 – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).

 

Im konkreten Fall war der Bw wie gezeigt knapp 8 Jahre in der Republik Österreich aufhältig. Die in die Rechtsgüterabwägung zugunsten des Bw einfließende Aufenthaltsdauer liegt daher noch klar unter der höchstgerichtlich judizierten Schwelle von etwa 10 Jahren.

 

Hinzu tritt, dass vom Beschwerdeführer im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zudem 9 Jahre lang ein Beruf in Österreich ausgeübt wurde und der Gerichtshof das Vorliegen weiterer Integrationsmerkmale fordert. Da vom Bw eine berufliche Tätigkeit in Österreich hingegen lediglich für ca 40 Monate, als nicht einmal 3 ½ Jahre lang, ausgeübt wurde, wird auch dieses wesentliche Merkmal für eine alleinige positive Gesamtbeurteilung nicht erfüllt.

 

4.3.4.4. Aus dem Sachverhalt gehen zudem keine besonderen Merkmale sozialer Integration hervor.

 

4.3.4.5. Der 36-jährige Bw hat den überwiegenden Teil seines Lebens – nämlich etwa 28 Jahre – in Tunesien verbracht. Selbstverständlich spricht er die Sprache des Landes. In Tunesien leben zwei Brüder und eine Schwester, um die sich der Bw während seines Aufenthaltes 2008 längere Zeit gekümmert hat. Der Bw findet daher in Tunesien Strukturen vor, auf die er zurückgreifen kann. Eine Reintegration im Heimatland ist dem Bw somit ohne weiteres zuzumuten.

 

4.3.4.6. Bezüglich der strafrechtlichen Verurteilungen des Bw wird auf die – unter Punkt 1 angeführte – detaillierte Auflistung der belangten Behörde verwiesen.

 

4.3.4.7. Ein Verstoß des Bw gegen die öffentliche Ordnung kam im Verfahren nicht hervor.

 

4.3.4.8. Vor dem Hintergrund der in den Punkten 4.3.4.1. bis 4.3.4.7. getroffenen Feststellungen ist zusammenfassend hinsichtlich des Eingriffs in den geschützten Bereich des Privat- und Familienlebens des Bw festzuhalten, dass sich eine Eingriffsunzulässigkeit dem Grunde nach nicht ergibt.

 

Wenn dem Bw auch durch seine Aufenthaltsdauer von knapp 8 Jahren und der Tatsache, dass seine beiden Kinder österreichische Staatsbürger sind und auch hier leben, ein gewisses Interesse am Weiterverbleib im Bundesgebiet nicht abzusprechen ist, ist die vorhandene Integration schon dadurch zu relativieren, als – wie oben dargelegt – der Bw offensichtlich in keinster Art und Weise an einem aufrechten Familienleben interessiert ist. Der Bw ist zudem arbeitslos, mittellos und verschuldet. Demgegenüber ist eine Reintegration im Heimatland des Bw, in welchem er einen guten Teil seines Lebens verbracht hat und in welchem auch seine restliche Familie lebt, keinesfalls unzumutbar. Wesentlich für eine Gesamtabwägung zu Lasten des Bw ist jedoch, dass er durch die zahlreichen Verurteilungen wegen Verletzung der körperlichen Unversehrtheit und Integrität zu erkennen gegeben hat, sich an die Rechtsordnung jenes Staates, in dem er aufhältig war (ist), nicht gebunden zu fühlen, weshalb er unzweifelhaft eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auch in der Republik Österreich darstellt.

 

Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist daher dem Grunde nach zulässig und der Bw kann sich nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

4.4. Abschließend gilt es nunmehr, die Dauer, für welche der Bw nicht in das Gebiet der Mitgliedstaaten einreisen darf, zu prüfen.

 

4.4.1. Gemäß §§ 63 Abs. 3 iVm 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

 

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

 

2. […]

 

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat […] rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist."

 

4.4.2. Folgende gerichtlichen Verurteilungen des Bw liegen vor:

 

1)     Verurteilung des BG Schärding am 23. November 2006 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen á 2 Euro

2)     Verurteilung des BG Schärding vom 30. Juni 2008 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen á 2 Euro

3)     Verurteilung des LG Ried vom 3. Februar 2009 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach den §§ 83 Abs. 1 und 85 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt nachgesehen

Zu den gerichtlichen Verurteilungen hinzu treten 15 verwaltungsgerichtliche Delikte im Zeitraum vom 30. Dezember 2004 bis 19. Februar 2008.

 

4.4.3. Durch die Verwirklichung der unter 4.4.2. angeführten gerichtlichen Verurteilungen hat der Bw eine unter §§ 63 Abs. 3 iVm 53 Abs. 3 Z 4 FPG 2005 zu subsumierende Handlung – Verurteilung(en) wegen einer Wiederholungstat – gesetzt. Vor diesem Hintergrund beträgt die maximale Dauer des zu erlassenden Einreiseverbots 10 Jahre. Zumindest hat das Aufenthaltsverbot gemäß § 63 Abs. 3 mindestens 18 Monate zu betragen.

 

Bei der konkreten Bemessung der Dauer des über den Bw zu erlassenden Aufenthaltsverbotes ist dessen bisheriges gesamtes Verhalten miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

4.5. Die Verhinderung von Straftaten gegen die höchsten Güter unserer Gesellschaft – in concreto Gesundheit und Leben –, zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert.

 

Es zeugt fraglos von konstanter und erheblicher krimineller Energie, binnen kürzester Zeit nach Einreise in ein fremdes Land mehrfach schwerwiegende Delikte gegen Leib und Leben zu verwirklichen und sich auch von gerichtlichen Verurteilungen nicht von weiteren Taten abhalten zu lassen. Erschwerend tritt hinzu, dass der Bw schon gegen ihm nahe stehende Personen mit immenser Brutalität vorgeht und deswegen zu erwarten ist, dass er bei Gewalttätigkeiten gegen ihm nicht familiär verbundene Menschen mit noch größerer Brutalität vorgehen wird.

 

Auch die äußerst hohe Anzahl an verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen innerhalb relativ kurzer Zeit zeigt, dass der Bw nicht bereit ist, sich in das im Bundesgebiet der Republik Österreich geltende Rechts- und Wertesystem einzuordnen bzw dieses zu akzeptieren.

 

Es liegt bei einem so massiven Missachten der gesamten Rechtsordnung auf der Hand, dass der Bw, der noch dazu über keine familiären oder beruflichen Bindungen in Österreich, die ihm Stabilität geben könnten, verfügt, auch in Hinkunft eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet darstellt und es eines längeren Zeitraumes bedarf, bis von einer Gefahr durch den Bw nicht mehr ausgegangen werden kann.

 

Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber ein Aufenthaltsverbot von bis zu 10 Jahren für Fälle wie den hier zu beurteilenden vorsieht, kann der belangten Behörde vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich keinesfalls entgegengetreten werden, wenn von dieser ein Aufenthaltsverbot von 5 Jahren als angemessen erachtet wurde.

 

4.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

تعليمــات قانونيــة

 

لا يجوز الإعتراض العادى على هذا القرار.

 

ملحوظــة

 

يجوز الإعتراض على هذا القرار خلال ستة أسابيع بعد توصيله، ويقدم هذا الإعتراض إلى المحكمة الدستورية العليا و/أو المحكمة الإدارية العليا. يقوم محامى موكل أو محامية موكلة، بغض النظر عن إستثناءات قانونية، بتقديم هذا الإعتراض ويكون مرفق به رسوم قدرها ٢٢٠ يورو.

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

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