Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252720/12/Kü/Ba

Linz, 15.12.2011

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung von Frau X X, vertreten durch Rechtsanwalt X, X, X, vom 8. Februar 2011 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 21. Jänner 2011, Gz. 0005854/2010, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7. September 2011 zu Recht erkannt:

 

 

I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Die Berufungswerberin hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.:       § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF        iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991     idgF.

Zu II.:   § 66 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 21. Jänner 2011, Gz. 0005854/2010, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs.1 und 1a iVm § 111 Allge­meines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) eine Geldstrafe von 730 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 112 Stunden verhängt.

 

Diesem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben als Gewerbeinhaberin der Firma X X, X, X, welche für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keinen Bevoll­mächtigten bestellt hat, folgende Verwaltungs­übertretung zu verantworten:

 

Die oa. Firma hat als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG seit 20.01.2010 Herrn F G, geboren X, wohnhaft X, X als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt - € 1.200,00 netto pro Monat - im Ausmaß von 40 Stunden pro Woche als Kellner beschäftigt. Der in Rede stehende Beschäftigte war der Firma organisa­torisch sowie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit maßgeblich unterworfen. Auch bestand eine persönliche Arbeitsverpflichtung und Weisungsgebundenheit.

 

Obwohl dieser Dienstnehmer nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG aus­genommen und daher in der Kranken- Unfall- und Pensions­ver­sicherung vollversichert ist, wurde hierüber eine zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der OÖ. Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstraße 77 als zuständigem Sozialversicherungsträ­ger nicht vor Aufnahme der Tätigkeit erstattet.

Die gegenständliche Firma hat somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des § 33 Abs.1 ASVG verstoßen."

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Rechtsvertreter der Bw eingebrachte Berufung, mit der beantragt wird, das Verwaltungsstrafverfahren gegen die Bw einzustellen.

 

Die Behörde erster Instanz stelle fest, dass der Zeuge F G seit 20.01.2010 bei der Bw am Standort X, X, beschäftigt gewesen sei. Diese Feststellung sei schlechthin falsch. Richtig sei vielmehr, dass der Zeuge G F seit 15.02.2009 ununterbrochen bei Frau G Y am Standort Cafe-B, X, X, mit 40 Stunden als Kellner beschäftigt gewesen sei. Der Zeuge F stehe in keinem wie immer gearteten Beschäftigungsverhältnis mit der Bw. Ein weiteres Be­schäftigungsverhältnis wäre absurd und denkunmöglich, zumal der Zeuge F G auf 80 Stunden pro Woche kommen würde.

 

Faktum sei, dass der Zeuge G F gelegentlich bei der mit ihm befreundeten Bw im Lokal L, X, aufhältig gewesen sei und dort maximal Handreichungen vorgenommen habe. Ein Beschäftigungsver­hältnis zur Bw liege nicht vor und sei der Zeuge F weder organisatorisch in die Firma der Bw eingebunden, noch einem Arbeitsort oder einer Arbeitszeit unterworfen gewesen.

 

Bei richtiger Würdigung dieses Sachverhaltes hätte die Behörde erster Instanz niemals eine Übertretung nach dem ASVG erblicken können.

 

3. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat mit Schreiben vom 25. Februar 2011 die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, an welcher der Vertreter der Bw sowie Vertreter der belangten Behörde und des Finanzamtes Linz teilgenommen haben. In der Verhandlung wurde Herr G F als Zeuge einvernommen.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Die Bw verfügt am Standort X, L, über die Gewerbe­berechtigung "Gastgewerbe in der Betriebsart eines Pubs" und wird von ihr an diesem Standort das Lokal K betrieben. Dieses Lokal ist wochentags von 9.00 bis 23.00 Uhr geöffnet. Mit zwei beschäftigten Kellnerinnen wird im Service das Auslangen gefunden. Zuständig für die Personaleinstel­lungen in diesem Lokal ist die Bw.

 

Am 20. Jänner 2010 wurde das Lokal K von Erhebungsorganen des Finanzamtes Linz einer Kontrolle auf Einhaltung der Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes und des Einkommensteuergesetzes unterzogen. Die Erhebungsorgane haben im Lokal Herrn G F beim Servieren eines Getränkes angetroffen. Herr G F ist der Lebensgefährte der Bw und hilft im Lokal aus, wenn die Bw nicht anwesend ist und etwa Bankgeschäfte zu erledigen hat. Herrn G F wurde ein Personenblatt vorgelegt, in dem er handschriftlich angibt seit Anfang Oktober 2008 als Springer/Kellner 40 Stunden pro Woche im Lokal tätig zu sein und als Entlohnung 1.200 € netto pro Monat sowie Essen und die Getränke frei zu erhalten.

 

Hauptberuflich ist Herr G F im Lokal B in X tätig und ist er dort mit einem Monatsnettogehalt von 1.200 € zur Sozialversicherung angemeldet. In X führt Herr F, eigenen Angaben zufolge, Aushilfs­tätigkeiten durch, zudem vertritt er seine Lebensgefährtin auch in Personalangelegen­heiten, falls diese nicht im Lokal anwesend ist. Herr F war am Aufbau des Lokals K beteiligt und wird auf seine Mitwirkung auch im Internetauftritt des Lokals hingewiesen. Er selbst hat dieses Lokal aber nie betrieben. Eine Anmeldung des Herrn G F durch die Bw beim zuständigen Krankenversicherungsträger hinsichtlich der Tätigkeiten im Lokal K in X ist nicht erfolgt.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den persönlichen Angaben des einver­nommenen Zeugen G F in der mündlichen Verhandlung. Dieser selbst bestätigt die Angaben im Strafantrag des Finanzamtes Linz, wonach er immer im Fall der Abwesenheit der Bw im Lokal Kellnertätigkeiten in Form des Servierens und Kassierens von Getränken vornimmt. Insofern steht der festge­stellte Sachverhalt unbestritten fest. Zu den Angaben im Personenblatt führt der Zeuge F durchaus nachvollziehbar an, dass er den Kontrollorganen die Situation erklärt hat und sich seine Lohnangaben auf seine Kellertätigkeit im Cafe B in X beziehen und er im Lokal in X nur aushilft, wenn seine Lebensgefährtin nicht anwesend ist. Festzuhalten ist, dass diese Angaben mit dem Versicherungsdatenauszug übereinstimmen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 ASVG entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

1.       Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder

2.       Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder

3.       Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder

4.       gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 ASVG ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungs­strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

Nach § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

Nach § 35 Abs.1 ASVG gilt als Dienstgeber i.S. dieses Gesetzes u.a. derjenige, für dessen Rechnung jener Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 ASVG pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

Nach § 4 Abs.2 ASVG ist als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend.

 

5.2. Unbestritten steht fest, dass Herr G F der Lebensgefährte der Bw ist. Herr G F ist im Cafe B in X beschäftigt, bezieht dort ein monatliches Entgelt von 1.200 € und ist als Dienstnehmer seit 15.2.2009 zur Sozialversicherung gemeldet. Dienstgeberin ist Frau Y G.

 

Der VwGH hat wiederholt ausgesprochen (z.B. Erkenntnis vom 14.3.2001, Zl. 95/08/0091), dass die Unterstützung des Ehemannes durch die Ehefrau auch im wirtschaftlichen Bereich als Regel angesehen werden müsse und die Begründung eines Dienst- und Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten eher als Ausnahmefall angesehen werden müsse. Die Ehefrau steht in dem für Rechnung des Ehemannes geführten Betrieb in einem Beschäftigungsverhältnis, wenn sie ihre Tätigkeit in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit – ähnlich einem familienfremden Dienstnehmer – ausübt und zufolge einer ausdrücklichen oder schlüssigen Vereinbarung für diese Tätigkeit einen Entgelt­anspruch hat. Für den Fall der Mithilfe von Ehegatten in deren wirtschaftlichem Bereich ist im Zweifel von einer unentgeltlichen Beschäftigung als Ausfluss einer familienrechtlichen Verpflichtung auszugehen (VwGH 27.3.1990, 85/08/0134).

 

Die zwischen der Bw und Herrn G F bestehende Lebensgemeinschaft zeichnet sich durch einen eheähnlichen Zustand aus, der aus einer Geschlechts-, Wohnungs- und vor allem Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Zwar gibt es bei Lebensgefährten keine gesetzlich verankerte Beistandspflicht entsprechend § 90 ABGB, trotzdem wird – analog wie bei den Ehegatten – die Begründung eines Dienstverhältnisses die Ausnahme sein. Im Zweifel wird daher von einer unent­geltlichen Beschäftigung auszugehen sein. Ein Dienstverhältnis kann nur dann angenommen werden, wenn diesbezüglich eine ausdrückliche Vereinbarung mit Entgeltanspruch vorliegt, die nach außen deutlich zum Ausdruck kommt.

 

Im gegenständlichen Fall hat Herr F den Ergebnissen des durchge­führten Ermittlungsverfahrens folgend im Lokal K in X immer dann ausgeholfen, wenn die Bw selbst nicht anwesend gewesen ist. Im Verfahren konnte nicht erwiesen werden, dass für diese Hilfstätigkeiten zwischen Herrn F und seiner Lebensgefährtin ausdrücklich ein Entgelt verein­bart worden wäre. Der Bw bezieht sein Entgelt in Höhe von 1200 Euro vielmehr aus der dem Krankenversicherungsträger gemeldeten Tätigkeit im Cafe B in X. Auf diese Tätigkeit in X beziehen sich auch die Angaben des Zeugen im Personenblatt anlässlich der Kontrolle. Insgesamt kommt daher der Unabhängige Verwaltungssenat aufgrund der gegebenen Sachlage zum Schluss, dass die von Herrn F im Lokal der Bw geleisteten Aushilfstätig­keiten nicht in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt erfolgt sind, weshalb dieser nicht als Dienstnehmer der Bw zu werten ist. Aus diesem Grund kann die Bw die Meldepflicht des § 33 Abs.1 ASVG nicht verletzt haben, weshalb ihrer Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungs­strafverfahren einzustellen war.

 

6. Aufgrund der Einstellung des Strafverfahrens entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

 

 

 

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