Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523009/9/Bi/Kr

Linz, 15.12.2011

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn X, vertreten durch X, vom 10. November 2011 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 4. November 2011, VerkR20-393-1999, wegen der Aufforderung, sich binnen eines Monates amtsärztlich gemäß § 8 FSG untersuchen zu lassen, aufgrund des Ergebnisses der am 15. Dezember 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentschei­dung) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 24 Abs.4 und 8 Abs.2 FSG aufgefordert, sich binnen eines Monats ab Rechtskraft des Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen.  

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 9. November 2011.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Am 15. Dezember 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung in Anwesenheit des Bw, seiner Rechtsvertreterin X und der Zeugen Meldungsleger X (Ml), SPK Linz/VI Unfallkommando, und X (D) durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsent­scheidung wurde mündlich verkündet.   

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Ladung zum Amtsarzt sei nicht gerechtfertigt. Er sei zwar sehr wohl unangenehm berührt gewesen, mit dem Vorwurf der Fahrerflucht konfrontiert zu sein, aber verwirrt sei er nicht mehr gewesen als dem Vorfall angemessen. Er habe tatsächlich von einem Unfall nichts bemerkt. Unselbständig sei er sicher nicht gewesen. Die Ladung beziehe sich wohl eher auf sein Alter, er sei aber in bestem gesundheitlichen Zustand und habe noch nie eine Übertretung gehabt. Beantragt wird Bescheidaufhebung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw und seine Rechtsvertreterin gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Bescheides berücksichtigt und die beiden Zeugen unter Hinweis auf die Wahr­heits­pflicht des § 289 StGB einvernommen wurden.

 

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens stellt sich der entscheidungs­wesentliche Sachverhalt so dar, dass der Bw als Lenker des Pkw X am 11. September 2011 gegen 17.00 Uhr in Linz, vom Koglerweg kommend als Wartepflichtiger nach links in die B125 einbog, weil er zu einer nahegelegenen Pizzeria fahren wollte. Gleichzeitig war die Zeugin D als Lenkerin des Pkw
X auf der B125 aus Linz kommend in Richtung Norden unterwegs. Sie gab an, sie habe den Pkw des Bw zunächst stehen gesehen und dieser sei auf einmal losgefahren. Sie habe gebremst und sei beim Anstoß nach rechts versetzt bzw zum Randstein hin verschoben worden; das habe man dann auch an der Bremsspur nachvollziehen können. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens ereignete sich der Anstoß zwischen der rechten vorderen Stoßstange seitlich beim Pkw des Bw und dem linken Seitenspiegel, Fahrertür und Kotflügel des Pkw der Zeugen D. Der Ml zeigte die von ihm angefertigten Fotos der beiden Fahrzeuge in Kopie, wobei der Schaden am Pkw D in Form von Lackabrieben und –kratzern nicht als geringfügig anzusehen und auch auffällig war. 

Der Bw blieb in der Verhandlung bei seiner bisherigen Verantwortung, er habe, nachdem er sich überzeugt gehabt habe, dass von rechts kein Fahrzeug gekommen sei, und losgefahren sei, zwar ein Quietschen von Reifen gehört, aber gedacht, er habe niemanden kommen gesehen und einen Anstoß habe er nicht bemerkt. Die Zeugin D sagte hingegen aus, der Anstoß sei bei beiden Lenkern annähernd auf gleicher Höhe der beiden Lenker erfolgt und der Bw sei einfach weitergefahren. Sie habe sich das Kennzeichen des davon­fahrenden Pkw gemerkt, sei dann am Straßenrand stehengeblieben und habe sich nochmals überzeugt, dass sie bei der Kreuzung mit dem Koglerweg Vorrang gehabt habe; kurze Zeit später sei der Pkw wieder in Richtung Linz an ihr vorbeigefahren – der Bw gab an, die Pizzeria sei geschlossen gewesen – habe aber wieder nicht angehalten. Sie hat den Unfall bei der VI Unfallkommando in Linz gemeldet und dort wurde der Pkw vom Ml besichtigt.

 

Der Ml setzte sich telefonisch mit dem Bw in Verbindung, der sich überrascht zeigte und von einem Unfall nichts wusste, dann aber mit seinem Fahrzeug doch zum Unfallkommando kam, wo der Ml rundherum am Pkw Schäden feststellte, was der Bw auf seine Fahrweise in der Garage zurückführte. Als der Ml den Bw fragte, warum der rechte Seitenspiegel zum Fenster hin eingeklappt sei, gab ihm der Bw die Antwort, das sei beim Rückwärtsausfahren aus der Garage passiert.  Darauf angesprochen, dass das nach logischen Überlegungen nicht möglich sei, lobte der Bw den Ml überschwänglich als "sehr guten Kriminalbeamten", was diesen schon einigermaßen verwunderte. Bei Aufnahme der Niederschrift kopierte der Ml den Führer­schein des Bw, während dieser begann, mit der auf dem Schreibtisch liegenden Dienstkappe herumzuspielen und sie aufzusetzen. Er blieb aber dabei, er habe einen Unfall nicht bemerkt und den Pkw D nicht gesehen.

 

In der Verhandlung gab der Bw an, er könne bei einer so geringen Beschädigung – er habe im übrigen bereits die 1.400 Euro bezahlt – einen Unfall weder spüren noch hören. Dabei sei er möglicherweise durch das von ihm auffällig wahrge­nommene Quietschen von Reifen abgelenkt gewesen. Zu seiner Äußerung dem Ml gegenüber gab er an, er habe versucht, die Sache "humorvoll" zu nehmen bzw aufzulockern und deshalb gemeint, er bewundere, dass der Ml so schnell Maschineschreiben könne; das habe er ehrlich gemeint. Er sei ganz sicher nicht "verwirrt" gewesen, er habe nur den Pkw D nicht gesehen und von einem Unfall nichts bemerkt.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstell­tes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkbe­rechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenk­berechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach Abs.4 sind begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr besitzt. Hierbei geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen von Erteilungsvoraussetzungen geschlossen werden kann; es müssen aber genügend Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl VwGH 30.9.2002, 2002/11/0120).

 

Der Bw hat in der Berufungsverhandlung nicht den Eindruck hinterlassen, er könnte verwirrt sein. Dass er sich bei der Amtshandlung dem Ml gegenüber völlig falsch verhalten und ein absolut unpassendes Verhalten an den Tag gelegt hat, dürfte ihm mittlerweile klar geworden sein. Seine humorgeballten Unterhaltungs­ver­suche haben mit einer Unfallaufnahme nichts zu tun und ob er den Ml sympathisch findet oder die Stimmung in der VI Unfallkommando für auflocker­ungs­bedürftig hält und sich persönlich als Abhilfe sieht, ist völlig belanglos. Der Ml hat seine Wortwahl, der Bw sei ihm "verwirrt" erschienen, in der Verhandlung mit dessen offenbar langen Erzählungen von der geschlossenen Pizzeria begründet, die mit dem Unfall in keinem Zusammenhang stehe.

 

Daraus gleich auf eine "Verwirrung" im Sinne einer nicht mehr gegebenen geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu schließen, ist nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates etwas zu weit hergeholt. Der Humor des Bw dürfte am 11. September 2011 nach dem Unfall gewöhnungs­bedürftig gewesen sein und seine Einschätzung der Lage, ob seine Umgebung für seine Scherze empfänglich ist oder nicht, ist offensichtlich gründlich daneben­gegangen.

Der Ml hat die Aussage des Bw, er habe den Pkw D nicht gesehen und den Unfall nicht bemerkt, als so verwunderlich angesehen, dass er auch aus diesem Grund eine amtsärztliche Untersuchung für nötig hielt. Vorstellbar ist für den Unabhängigen Verwaltungssenat nach den Aussagen des Bw und der Zeugin D, dass sich beide gesehen haben, als der Bw im Begriff war, einzubiegen, wobei die Zeugin D überrascht war, dass der Bw tatsächlich losfuhr, und der Bw die Meinung vertrat, die Zeugin hätte noch bremsen können. Dass er selbst aufgrund der Vorrangsituation wartepflichtig gewesen wäre, auch wenn er den Pkw D aufgrund der örtlichen Sichtverhältnisse erst (zu) spät gesehen hat, dürfte ihm dabei entgangen sein. Dass sich der Anstoß im Sichtbereich des Bw vom Lenker­platz aus ereignet hat, besteht nach den Ergebnissen des Beweisver­fahrens aber kein Zweifel, auch wenn letztlich nicht beurteilt werden kann, ob der rechte Außenspiegel des Pkw des Bw, bei dem nach den (allerdings Schwarz-Weiß-) Fotos die Schäden offenbar geringer waren als beim Pkw D, beim Unfall eingeklappt wurde. Nach Aussage des Bw ist gegen ihn ein Verwaltungsstraf­verfahren wegen des Vorwurfs der "Fahrerflucht" anhängig, sodass seine Aussagen auch im Licht der dortigen Verantwortung zu sehen sind.

 

Nach dem persönlichen Eindruck vom Bw in der Berufungsverhandlung besteht aber letztlich kein ausreichender Anhaltspunkt für die oben angeführten Bedenken im Sinne des § 24 Abs.4 FSG, sodass spruchgemäß zu entscheiden war. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

 

Verhalten nach verschuldeten VU – Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung wegen "Verwirrtheit" nicht gerechtfertigt -> Aufhebung

 

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