Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100980/8/Br/La

Linz, 02.02.1993

VwSen-100980/8/Br/La Linz, am 2. Februar 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Einzelmitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn A H, K, L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H H, H, L, vom 23. November 1992, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, AZ.: III VU/P/3478/91 W, vom 16. November 1992, wegen Übertretungen nach § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.2 der StVO 1960 nach der am 2. Februar 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

I.: a) Der Berufung wird insofern keine Folge gegeben als der Schuldspruch bestätigt wird; b) das Strafausmaß wird jedoch auf je 500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 24 Stunden ermäßigt.

II.: a) Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demzufolge auf je 50 S.

b) Für das Berufungsverfahren entfällt ein Kosten- beitrag.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.2 der Straßenverkehrsordnung, BGBl.Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 615/1991 StVO, iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960; § 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 866/1992 - AVG, iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 des Verwaltungsstrafgesetzes, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 867/1992 - VStG.

Zu II.: §§ 64 und 65 VStG. ^Seite Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 16.

November 1992 über den Berufungswerber wegen den ihm zur Last liegenden Übertretungen Geldstrafen von je 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall von je 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er es am 23. August 1992 um 15.10 Uhr in L, auf dem H, von der K kommend, in Fahrtrichtung zur N, ca. 5 Meter nach der Kreuzung mit der K als Lenker des PKW 1) unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, sein Fahrzeug sofort anzuhalten, 2) nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden, mit dem sein Verhalten im Zusammenhang gestanden sei, die nächste Sicherheitsdienststelle sofort zu verständigen.

1.1. Hiezu führte die Erstbehörde im wesentlichen begründend aus, der Beweis des im Spruch angeführten Sachverhaltes ergebe sich aus den Aussagen des Beteiligten Fußgängers H S und dessen Bruder P S. Die Verletzung sei durch die Feststellung des Krankenhauses objektiviert worden. Die Schilderung des Unfallgeschehens sei durch die Zeugen logisch und nachvollziehbar gewesen.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsanwalt sinngemäß aus, daß er von einer Berührung nichts gesehen und gespürt habe. Aus diesem Grund liege auch die Tatbestandsverwirklichung nicht vor und könne diese auch nicht aus der Begründung des Straferkenntnisses entnommen werden. Aus der Begründung sei ferner nicht erkennbar, woraus in objektiver Hinsicht angenommen worden sei, daß der Verkehrsunfall bewußt verursacht worden wäre und er aus diesem Grunde verpflichtet gewesen wäre, eine Verständigung durchzuführen. Ebenfalls sei es unterlassen worden, einen Sachverständigen aus dem KFZ-Wesen beizuziehen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz, Zl.: VU/P/3478/91 W, und Erörterung des Akteninhaltes am Beginn der Verhandlung, sowie durch Vernehmung der Zeugen H und P S und der Vernehmung des Berufungswerbers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Februar 1993.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber (im weiteren genannt Bw) lenkte am 23. August 1992 um ca. 15.10 Uhr seinen PKW von der K kommend auf dem H in Richtung N. Da er den Eindruck hatte, daß die beiden, in seiner Fahrtrichtung von links nach rechts die Fahrbahn überquerenden Burschen ihn nicht beachten würden, sie unterhielten sich seiner Ansicht nach, gab er Hupsignal. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Burschen etwa fünf bis zehn Meter schräg links vor ihm befunden. In weiterer Folge kam es zu einer geringfügigen Berührung des rechten Unterschenkels des Zeugen H S mit der rechten Fahrzeugvorderseite des Fahrzeuges des Bw. Dabei sprang der Fußgänger, der Zeuge H S, in Richtung der rechten Fahrzeugseite vom Fahrzeug weg und schlug dabei mit der Hand gegen das Fahrzeugdach.

4.1.1. Dieser Sachverhalt ergibt sich insbesonders aus den schlüssigen und den Denkgesetzen entsprechenden Angaben des Zeugen H S. Der Zeuge machte einen sachlichen Eindruck. Nicht im Widerspruch dazu stehen die Angaben des Bw und des Zeugen P S. Die Aussage des Bw steht nur darin nicht im Einklang mit der Angabe des Verletzten (H S), daß dieser sich eine Berührung mit dem Fußgänger nicht vorstellen könne und er glaube, er habe sein Fahrzeug mit Sicherheit vor dem Fußgänger zum Stehen gebracht. Demgegenüber führt der Zeuge H S aber glaubwürdig aus, daß es zu einem Kontakt des Fahrzeuges mit seinem rechten Unterschenkel gekommen ist. Dieser Kontakt ist aus der Schilderung des Ablaufes denkbar. Die Angaben des Bw und des Beteiligten Zeugen bringen zum Ausdruck, daß die Fahrgeschwindigkeit während der Annäherung des Fahrzeuges an die Fußgänger verlangsamt wurde. Der Bw führt aus, er habe nach dem Hupen abgebremst. Der beteiligte Zeuge sagt, daß unmittelbar nach dem Hupen das Fahrzeug noch kurz beschleunigt, vor dem Kontakt aber kurz abgebremst worden sei. Zum Stillstand sei das Fahrzeug vor dem Kontakt aber nicht gekommen. Nach dem Kontakt habe sich der Zeuge nach rechts gedreht, sich auf der Motorhaube abgestützt und gegen das Fahrzeugdach geschlagen. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen H S erfährt dadurch besondere Unterstützung, als er auf die Frage, ob er glaube, daß der Lenker den Kontakt mit seinem Fuß bemerkt habe, antwortete, dies nicht sagen zu können. Würde die Aussage mit einer "unsachlichen Innentendenz" gefärbt sein, so könnte die subjektive Meinung so gestaltet sein, daß er meine, der Fahrzeuglenker müßte den Kontakt bemerkt haben. Dem Zeugen wurde daher sowohl hinsichtlich des Fahrzeugkontaktes, als auch seiner dadurch erlittenen Prellung geglaubt.

4.1.2. Zum Vorbringen und der Verantwortung des Bw in der Verhandlung ist demgegenüber zu bemerken, daß es dahingestellt bleiben kann, ob er die Berührung des Fußgängers an dessen Unterschenkel mit seinem Fahrzeug bemerkt hatte. Auf Grund der, auch vom Bw unbestritten gebliebenen Nähe des Fußgängers zu seinem Fahrzeug, hätte er mit der Möglichkeit einer Berührung rechnen müssen. Letztlich muß aber darüber hinaus der Schlag auf das Dach ein diesbezügliches Bewußtsein ausgelöst haben. Bei objektiver Beurteilung des Vorfalles kann dem Bw nicht zugebilligt werden, daß er davon ausgehen konnte, daß nichts geschehen ist (siehe Erörterung zur Fahrlässigkeit, 4.2.1. unten).

4.1.3. Dem Antrag auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Medizin des KFZ-Wesens als Beweis dafür, daß auf Grund der Schilderungen in der öffentlichen Verhandlung eine Verletzung des Zeugen nicht möglich gewesen sei bzw. ein Kontakt dem Beschuldigten nicht auffallen habe können, war nicht beizutreten. Beide Fragen waren, wie oben ausgeführt, im Rahmen der Beweiswürdigung zu klären.

4.2. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.2.1. Gemäß § 4 Abs.2 und § 4 Abs.1 lit.c StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken (§ 4 Abs.1 lit.c). Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben die im Absatz 1 genannten Personen ua. die nächste Sicherheitsdienststelle sofort zu verständigen (§ 4 Abs.2 2. Satz StVO). Inhalt dieser Pflicht ist einerseits die Ermöglichung der Sicherung von Unfallspuren. Es dürfen insbesondere vor einem behördlichen Einschreiten keine Spuren verwischt werden. Andererseits dient die sofortige Meldepflicht dem straf- und zivilgerichtlichen Verfahren und erfolgt nicht in der Vollziehung der Straßenverkehrsordnung (Benes-Messiner, komment. Ausgabe zur StVO, 8. Auflage, Anm.15 u. 29). Der Meldepflicht wird folglich nur dann entsprochen, wenn der Inhalt der Verständigung den Polizei- oder Gendarmeriebeamten in die Lage versetzt, eine vollständige Meldung zu erstatten. Eine vollständige, ihren Zweck erfüllende Meldung ist aber nur möglich, wenn die Verständigung neben den Personalien des Beschädigers (des am Unfall in ursächlichem Zusammenhang stehenden Beteiligten) genaue Angaben über Unfallort, Unfallzeit, beschädigendes sowie beschädigtes Objekt und die Unfallursache enthält.

Die Übertretung nach § 4 Abs.2 StVO kann in der Schuldform der Fahrlässigkeit (§ 5 Abs.1 erster Satz VStG) begangen werden (VwGH 9.5.1980, ZfVB 1981/2/561 ua.). Fahrlässig handelt jemand, welcher jene Sorgfalt in seinem Handeln vermissen läßt, die in der jeweiligen Situation ein rechtstreuer, gewissenhafter und besonnener Mensch obwalten lassen würde. Das Verhalten ist abstrakt an einer "objektivierten Maßfigur" des jeweiligen Verkehrskreises - hier an einem Lenker eines Kraftfahrzeuges - zu messen (Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, Wien 1974, Seite 54 ff). Der Tatbestand ist daher schon dann gegeben, wenn dem Lenker objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Unfalles zu erkennen vermocht hätte. Schon in diesen Fällen setzt die Verständigungspflicht ein. Es kommt hiebei nicht auf die Frage des Verschuldens an.

Im Sinne des § 22 des Verwaltungsstrafgesetzes wäre wegen dieser Tathandlung auch noch eine Bestrafung nach § 4 Abs.1 lit.c der StVO 1960 (Nichtmitwirken an der Sachverhaltsfeststellung) möglich gewesen, wenngleich diese Tathandlung bereits vom Unwertgehalt nach § 4 Abs.1 lit.a der StVO 1960 mitumfaßt ist.

4.2.2. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungsund Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

4.3.3. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die Erstbehörde bereits eine geringe Strafe verhängt hat und zutreffend die bisherige Unbescholtenheit als strafmildernd gewertet hat. Darüber hinaus ist aber im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung hervorgekommen, daß der Vorfall nicht zuletzt durch eine "unglückliche Verhaltensweise" der Fußgänger herbeigeführt worden ist. Das schuldhafte Verhalten des Bw erfährt dadurch insofern eine mildernde Komponente, als der Bw - wenn auch in nicht entschuldbarer Weise - angenommen hat, daß wohl nichts passiert sein würde. Seine Fahrgeschwindigkeit war sehr gering und er mag sich provoziert gefühlt haben. Wie oben schon dargelegt, war nur von der Schuldform der Fahrlässigkeit auszugehen gewesen. Es scheint daher auch mit der gesetzlichen Mindeststrafe das Auslangen gefunden werden zu können.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung nicht zu- lässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.Ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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