Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420702/10/Zo/Gr

Linz, 22.12.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des M B, geb.x, S, vom 30. September 2011 wegen der behaupteten Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- u. Zwangsgewalt am 30. September 2011 durch ein dem Polizeidirektor von Steyr zurechenbares Organ, nämlich der behaupteten Festnahme am 30. September 2011 um ca. 10:00 Uhr im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 14. Dezember 2011 zu Recht erkannt:

 

 

      I.      Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

  II.      Der Beschwerdeführer wird verpflichtet, dem Land Oberösterreich (Verfahrenspartei BPD Steyr) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 67a Abs.1 Z.2, 67c und 67d AVG iVm §§ 53b und 54b VStG

Zu II.: § 79a AVG iVm der UVS – Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008

 

 

 

 

 


 

 

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

 

1. Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 30. September 2011 eine Maßnahmenbeschwerde wegen der behaupteten Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- u. Zwangsgewalt am 30. September 2011, nämlich der Festnahme um ca. 10:00 Uhr durch zwei Polizeibeamte der PI M wegen einer offenen Geldstrafe in der Höhe von 136 Euro betreffend drei Verwaltungsstrafakten der BPD Steyr. Er sei direkt in der PI S-M festgenommen worden, dort habe er sich einen RSa-Brief holen müssen und sei im Beisein eines Polizeibeamten zu ihm nach Hause gebracht worden, wobei ihm dort die Zahlung des offenen Strafbetrages erlaubt wurde. Er habe diesen dann auch bezahlt. Der Polizeibeamte selbst sei sehr höflich gewesen, es stelle jedoch bereits die Aufforderung eines Polizeibeamten, zum Streifenwagen mitzukommen, eine Festnahme dar. Durch diese Festnahme sei er in seinen verfassungs- und einfachgesetzlichen Rechten verletzt worden.

 

Die Aufforderung zum Strafantritt habe nämlich keinesfalls den gesetzlichen Formerfordernissen entsprochen und daher auch keinerlei Rechtswirkung entfalten können. In einer solchen Aufforderung zum Strafantritt sei unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, wann und wo der Aufgeforderte die Strafe anzutreten hat. Weiters hätte ihn die belangte Behörde, da er einen Aufschub der Zahlung begehrt hatte, neuerlich zum Strafantritt auffordern müssen. Ihm sei jedoch die Abweisung der Berufung zugestellt und sofort die Strafe vollzogen worden, was rechtswidrig sei. Nur durch die Zahlung habe er sich einer weiteren, wohl unzulässigen Freiheitsberaubung, entziehen können. Der Beschwerdeführer brachte weiters vor, dass jedenfalls der Strafantritt erst 14 Tage im Hinblick auf die zeitliche Aufforderung der belangten Behörde in der Aufforderung zum Strafantritt nach Rechtskraft der Entscheidung über seinen Stundungsantrag anzutreten gewesen wäre. Da diese Frist nicht eingehalten wurde, liege jedenfalls ein Eingriff in seine Freiheitsrechte vor.

 

2. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine schriftliche Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen erstattet. Am 14. Dezember 2011 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, an welcher der Beschwerdeführer sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilgenommen haben.

 

2.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentlicher Sachverhalt:

 

Im Verfahren zu Zahl: S-4616/St/10 wurde der Berufungswerber rechtskräftig zu einer Geldstrafe in Höhe von 70 Euro (EFS 24 Stunden) wegen einer Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 verurteilt. Im Verfahren zu Zahl: S-7648/St/09 wurde über den Berufungswerber rechtkräftig eine Geldstrafe von 30 Euro (EFS 18 Stunden) wegen einer Übertretung der StVO und im Verfahren zu Zahl: S-8899/St/10 eine Geldstrafe in Höhe von 36 Euro (EFS 24 Stunden) wegen einer Übertretung der Kurzparkzonen – Überwachungsverordnung verhängt. Nach Durchführung verschiedener Exekutionsschritte (u.a. einer ergebnislosen Fahrnis- u. Gehaltsexekution) wurde der Berufungswerber in allen drei Verfahren mit Schreiben vom 13. April 2011 von der BPD Steyr aufgefordert, die jeweilige Ersatzfreiheitsstrafe binnen 14 Tagen nach Erhalt dieses Schreibens bei der BPD Steyr anzutreten. Dabei wurde er daraufhingewiesen, dass er den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe durch Bezahlung der Geldstrafe abwenden kann.

 

Nach Klärung der Zustellung der jeweiligen Strafbescheide beantragte der Berufungswerber am 27. April 2011 die Stundung der Geldstrafen bis längstens 15. Juli 2011. Dies begründete er damit, dass er im April ein neues Arbeitsverhältnis angetreten habe und ihm im Juli das Urlaubsgeld ausbezahlt werde. Es sei ihm daher dann die Zahlung des Strafbetrages möglich. Dieses Ansuchen wurde mit Bescheid der BPD Steyr vom 3. Mai 2011 abgewiesen, woraufhin der Berufungswerber rechtzeitig eine Berufung eingebracht hat. Diese wurden mit Erkenntnis des UVS vom 22. September 2011 abgewiesen.

 

Die BPD Steyr veranlasste daraufhin in allen drei Verfahren unter Hinweis auf die Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe die "Vorführung zum Strafantritt". Diese ist mit 29. September 2011 datiert und an das Stadtpolizeikommando gerichtet, wobei das SPK den Auftrag erhielt, die Verständigung dem Adressaten zu übergeben und seine Vorführung zu veranlassen. Es ist darauf hingewiesen, dass die Vorführung zu unterbleiben hat, wenn die jeweils offene Geldstrafe bezahlt wurde. Gleichzeitig wurde das SPK angewiesen, vorher die Berufungsentscheidung des UVS zuzustellen.

 

Am darauffolgenden Tag, den 30. September 2011 versuchte ein Beamter der PI M, dem Berufungswerber einerseits die Berufungsentscheidungen des UVS betreffend seine Ansuchen auf Strafaufschub zu zustellen und andererseits die Vorführung durchzuführen. Der Beschwerdeführer wurde zu Hause nicht angetroffen, weshalb seine Lebensgefährtin ersucht wurde, ihm mitzuteilen, dass er sich mit der PI M in Verbindung setzen solle. Der Beschwerdeführer kam um ca. 11:00 Uhr in die Polizeiinspektion, worauf ihm der RSa-Brief beinhaltend die Berufungsentscheidung des UVS zugestellt wurde. In weiterer Folge wurde er über die Vorführung zum Strafantritt informiert und aufgefordert, sofort die Gesamtgeldstrafe in Höhe von 136 Euro zu bezahlen, da er ansonsten zur Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe vorgeführt werden müsse. Da der Beschwerdeführer kein Geld bei sich führte, bot er an, Bargeld von zu Hause zu holen. Vom Polizeibeamten wurde ihm jedoch verwehrt, alleine nach Hause zu gehen und letztlich wurde er von einem Polizeibeamten, welcher dazu Zivilkleidung anzog, nach Hause begleitet, dort bezahlte er vorerst 106 Euro, den Restbetrag von 30 Euro bezahlte er um 14:35 Uhr.

 

3. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

Gemäß § 54b Abs.1 VStG sind rechtkräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen zu vollstrecken.

 

Gemäß § 54b Abs.2 VStG ist die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen, soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.

 

Gemäß § 53b VStG ist eine Bestrafter auf freiem Fuß, der die Strafe nicht sofort antritt, aufzufordern, die Freiheitsstrafe binnen einer bestimmten angemessenen Frist anzutreten.

 

Gemäß § 53b Abs.2 VStG ist der Bestrafte zwangsweise vorzuführen, wenn er der Aufforderung zum Strafantritt nicht nachkommt. Dies ist ohne vorherige Aufforderung sofort zu veranlassen, wenn die begründete Sorge besteht, dass er sich durch Flucht dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen werde. Solang eine solche Sorge nicht besteht, ist mit dem Vollzug bis zur Erledigung einer vor der dem Verfassungsgerichtshof oder dem Verwaltungsgerichtshof in der Sache anhängigen Beschwerde zu zuwarten. § 36 Abs.1 zweiter Satz und § 36 Abs.3 sind anzuwenden.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall wurden über den Berufungswerber Geldstrafen sowie entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen rechtskräftig verhängt und die Exekution dieser Strafen ist ergebnislos verlaufen. Die Erstinstanz hat daher den Beschwerdeführer zu Recht gemäß § 53 b Abs.1 VStG aufgefordert, die Ersatzfreiheitsstrafe anzutreten. Dabei wurde eine Frist von 14 Tagen ab Erhalt der Aufforderung festgelegt und der Ort, an welchem die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird, konkret angegeben. Damit ist in der Aufforderung auch ausreichend klar zum Ausdruck gebracht, bis wann der Beschwerdeführer spätestens die Geldstrafen einzahlen oder die Ersatzfreiheitsstrafen antreten muss.

 

Der Berufungswerber hat jedoch am letzten Tag dieser Frist Anträge auf Zahlungsaufschub eingebracht, welche in weiterer Folge rechtkräftig abgewiesen wurden. Entgegen dem Beschwerdevorbringen war es nicht notwendig, nach Abweisung dieser Anträge den Beschwerdeführer nochmals zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe aufzufordern bzw. die dafür vorgesehene 14-tägige Frist beginnend mit der Zustellung der Berufungsentscheidung nochmals einzuräumen. Im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers, welcher die gegenständlichen Verwaltungsstrafen nach deren Rechtskraft und auch nach Kenntnis der negativen Fahrnisexekution sowie trotz der Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe und letztlich auch nicht nach Ablauf der von ihm selbst beantragten Stundungsfrist bezahlt hat, musste die Erstinstanz gerade zu zwangsläufig davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer nicht nur nicht zahlungsfähig sondern auch nicht zahlungswillig ist. In einer derartigen Situation braucht keinesfalls eine neuerliche Zahlungsfrist eingeräumt werden.

 

Der VfGH hat in der Entscheidung vom 17.6.1992, B837/90, die sofortige Vorführung (ohne neuerliche Aufforderung) sogar in einem Fall für rechtmäßig erklärt, in welchem dem Beschuldigten nach der Aufforderung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe Teilzahlungen bewilligt wurden und der Beschuldigte diese in weiterer Folge nicht eingehalten hat. Im ggstdl. Fall wurde dem Beschuldigten jedoch überhaupt kein Zahlungsaufschub eingeräumt, weshalb noch viel weniger eine neuerliche Aufforderung zum Strafantritt erforderlich war.

 

Richtig ist, dass das Schriftstück "Vorführung zum Strafantritt" mit
29. September 2011 datiert ist. Wie bei allen anderen behördlichen Erledigungen kommt es jedoch auch beim Vorführungsbefehl nicht auf das Datum der Ausfertigung an, sondern darauf, zu welchem Zeitpunkt diese behördliche Anordnung dem Verpflichteten zur Kenntnis gebracht wird. Der Polizeibeamte hat dem Beschwerdeführer vorerst die Berufungsentscheidung betreffend seinen Antrag auf Zahlungsaufschub ausgehändigt, womit diese Entscheidung rechtskräftig wurde. Erst im Anschluss daran wurde der Beschwerdeführer über die Vorführung in Kenntnis gesetzt und der Beschwerdeführer vom Polizisten nach Hause begleitet, damit er dort die Geldstrafe bezahlen konnte. Selbst wenn  man dies als eine relevante Freiheitsbeschränkung betrachtet, so ist diese sowohl hinsichtlich der von der Behörde gewählten Vorgangsweise als auch der Umsetzung durch den Polizeibeamten durch die Bestimmungen der § 53b und 54b VStG gedeckt. Die Beschwerde war daher jedenfalls abzuweisen.

 

Unabhängig davon ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in seiner Bewegungsfreiheit tatsächlich nur minimal eingeschränkt wurde. Der Beschwerdeführer hatte – nachdem er von der Vorführung in Kenntnis gesetzt wurde – selbst angeboten, den Geldbetrag von zu Hause zu holen. Die einzige Einschränkung, welche ihm der Polizeibeamte auferlegte, bestand darin, dass er den Beschwerdeführer nicht mehr alleine nach Hause gehen ließ, sondern diesen dabei beaufsichtigte (offenbar um sicher zu stellen, dass der Beschwerdeführer sich tatsächlich sofort nach Hause begibt um das Bargeld abzuholen und nicht versucht, sich der Vorführung zu entziehen). Dazu hat der Polizeibeamte sogar – um das "Ansehen" des Beschwerdeführers in der Nachbarschaft nicht zu beschädigen - Zivilkleidung getragen. Es ist daher durchaus zweifelhaft, ob dieses Vorgehen überhaupt die Schwelle einer Freiheitsentziehung erreicht hat (vgl. dazu die in Walter/maier/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht, 10. Aufl. RZ 1405 angeführten Beispiele von "Bewegungsbehinderungen", welche von der Rechtsprechung jeweils nicht als "Freiheitsbeschränkung" gewertet wurden. Selbst wenn man dies aber bejaht, war die Maßnahme jedenfalls – wie oben dargestellt – gerechtfertigt.

 

Zu II.:

Aufgrund dieses Verfahrensergebnisses ist die belangte Behörde als obsiegende Partei anzusehen, weshalb der Beschwerdeführer verpflichtet ist, ihren Rechtsträger binnen zwei Wochen die entsprechend der UVS – Aufwandersatzverordnung 2008 zustehenden Aufwendungen zu bezahlen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 € angefallen.

 

 

 

 

Mag. Gottfried Zöbl

 

 

 

 

 

 

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