Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222522/2/Kl/Pe

Linz, 30.12.2011

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt x, x, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8. August 2011, Ge96-78-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 8. August 2011, Ge96-78-2011, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 367 Z54 Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 verhängt, weil er zumindest am 4. Mai 2011 im Standort x, x, durch die Herren x, x und x das Reinigen und Streichen der Holzvertäfelung des dortigen Hauses durchführen lassen hat, obwohl diese nicht im Besitz der dafür erforderlichen Gewerbeberechtigungen waren. Er hat sich somit von dafür nicht Berechtigten eine gewerbliche Tätigkeit besorgen lassen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, das Straferkenntnis zur Gänze angefochten sowie die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass für den Beschuldigten nicht erkennbar gewesen sei, dass für die Tätigkeit der Polen eine Gewerbeberechtigung erforderlich gewesen sei und demgemäß, dass die anderen durch diese Tätigkeit eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994 begehen würden. Auch sei von den Polen kein Entgelt verlangt worden. Die Tätigkeit sei ihm durch den Nachbarn angeboten worden. Die bloße Vornahme von Arbeiten für einen anderen, ohne dass dies regelmäßig und organisiert geschieht, bedarf keiner gewerberechtlichen Genehmigung.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass die Berufung Erfolg hat und der Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 367 Z54 Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen ist, wer ohne sein Verhalten durch triftige Gründe rechtfertigen zu können, sich durch einen anderen eine Tätigkeit besorgen lässt oder einen anderen zu einer Tätigkeit veranlasst, obwohl er wissen musste, dass der andere durch die Ausübung dieser Tätigkeit eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs.1 Z1 begeht, oder dies nach seinem Beruf oder nach seiner Beschäftigung bei Anwendung entsprechender Aufmerksamkeit wissen konnte, und zwar auch dann, wenn der andere nicht strafbar ist.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen Anforderungen entspricht der Vorwurf des Straferkenntnisses nicht. Insbesondere ist nach dem Wortlaut des § 367 Z54 GewO 1994 ein besonderes Verschulden erforderlich, nämlich Wissentlichkeit. Dies ist aus der Bestimmung „obwohl er wissen musste“ bzw. „bei Anwendung entsprechender Aufmerksamkeit wissen konnte“ ersichtlich. Da dies eine besondere Verschuldensform schon von Gesetzes wegen entgegen der allgemeinen Bestimmung des § 5 Abs.1 VStG vorsieht, ist diese besondere Verschuldensform auch als objektiver Tatbestand der Verwaltungsübertretung dem Beschuldigten innerhalb der gesetzlichen Verfolgungsverjährungsfrist von 6 Monaten vorzuwerfen und im durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahren auch entsprechend im Beweisverfahren nachzuweisen.

Ein entsprechender auf die Verschuldensform bezogener ausdrücklicher Tatvorwurf ist weder in der Strafverfügung vom 30. Mai 2011 noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18. Juli 2011 noch im angefochtenen Straferkenntnis erfolgt. Es ist daher Verfolgungsverjährung eingetreten. Aus diesem Grunde war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung: Wissentlichkeit, objektiver Tatbestand, Tatvorwurf

 

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