Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100988/5/Sch/Rd

Linz, 25.06.1993

VwSen - 100988/5/Sch/Rd Linz, am 25. Juni 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Schön über die Berufung des F S vom 1. Dezember 1992 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 11. November 1992, VerkR96/5587/1992/Ga, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Strafkostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen: Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51, 45 Abs.1 Z1 und Z3 VStG. Zu II.: §§ 64ff VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Straferkenntnis vom 11. November 1992, VerkR96/5587/1992/Ga, über Herrn F S, F, M, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1.) § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960, 2.) § 21 Abs.1 StVO 1960 und 3.) § 99 Abs.4 lit.d KFG 1967 Geldstrafen von 1.) 2.000 S, 2.) 500 S und 3.) 500 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1.) 48 Stunden, 2.) 24 Stunden und 3.) 24 Stunden verhängt, weil er am 10. Oktober 1991 um ca. 17.45 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen auf der B im Gemeindegebiet von P von P kommend in Richtung A gelenkt und 1.) ein Fahrzeug überholt habe, obwohl er nicht einwandfrei erkennen konnte, ob er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer wieder in den Verkehr einordnen werde können. Das von ihm überholte Fahrzeug habe stark abgebremst und nach rechts abgelenkt werden müssen, um ihm trotz Gegenverkehrs eine Einordnung zu ermöglichen (nach der Ortschaft Polling, ca. 700m vor der Kreuzung B /M Bezirksstraße).

2.) Habe er, ohne daß es die Verkehrssicherheit erfordert hätte, sein Fahrzeug jäh und für den Lenker eines nachkommenden Fahrzeuges überraschend abgebremst, sodaß andere Straßenbenützer dadurch gefährdet und behindert wurden. Das nachkommende Fahrzeug mußte jäh abgebremst werden, um eine Kollision zu verhindern (bei der Kreuzung B /M Bezirksstraße).

3.) Habe er beim Fahren hinter einem Kraftfahrzeug (B ) mit geringem Abstand Fernlicht verwendet (ab der Kreuzung B /M Bezirksstraße bis ca. zur Firma W in A).

Überdies wurde er zu einem Kostenbeitrag zum Verfahren von insgesamt 300 S verpflichtet.

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwies sich als nicht notwendig (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat folgendes erwogen:

Hinsichtlich Faktum 1.) fällt im gegenständlichen Verfahrensakt auf, daß die Tatortkonkretisierung, nämlich "ca. 700m vor der Kreuzung B /M Bezirksstraße", die in der Strafverfügung vom 9. März 1992 enthalten ist, weder der Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos A vom 15. November 1991 noch den der Anzeige beigelegten Niederschriften entnommen werden kann. Dort ist der Tatortbereich stets mit der Formulierung "nach der Ortschaft P" umschrieben. Es bleibt also offen, woher die Erstbehörde die Tatortkonkretisierung hat, welche sich allerdings mit der Angabe des Zeugen J B (siehe Niederschrift vom 15. Juni 1992) deckt, die aber erst ca. drei Monate nach der Strafverfügung erfolgt ist.

Zur Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens in diesem Punkt hat aber folgender Umstand geführt:

Die Entscheidung über die Zulässigkeit des Überholmanövers aus der Sicht des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 setzt grundsätzlich die Feststellung jener Umstände voraus, die für die Länge der für den geplanten Überholvorgang benötigten Strecke von Bedeutung sind, das sind in erster Linie die Geschwindigkeiten des überholenden und des zu überholenden Fahrzeuges, bei mehreren zu überholenden Fahrzeugen deren Anzahl und Tiefenabstand. Ferner sind Feststellungen über die dem Lenker des überholenden Fahrzeuges zur Zeit des Beginnes des Überholvorganges zur Verfügung stehenden Sichtstrecke erforderlich. Schließlich sind noch Feststellungen über das Vorhandensein allfälliger bereits zum Zeitpunkt des Beginnes des Überholmanövers dem Lenker erkennbarer Hinweise zu treffen, die unter Berücksichtigung der erforderlichen Überholstrecke einem gefahrlosen Wiedereinordnen in den Verkehr entgegenstehen könnten (VwGH 12.3.1986, 85/03/0152).

Der Verwaltungsgerichtshof stellt also diesbezüglich Kriterien auf, die von der Behörde vor der Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes zu erheben sind. Gerade bei Privatanzeigen führt diese Judikatur immer wieder dazu, daß solche Überholdelikte nicht mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden können. Aufgrund der von der Erstbehörde getätigten und lediglich auf die Einvernahme zweier Zeugen beschränkten Erhebungen können dem Akteninhalt weder der genaue Beginn des Überholmanövers noch die Fahrgeschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges zu diesem Zeitpunkt, aber auch nicht die Überholsichtweite des Berufungswerbers entnommen werden. Dies gilt auch für genauere Angaben über die vom überholten und vom überholenden Fahrzeug eingehaltenen Fahrgeschwindigkeiten.

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist nicht zu erwarten, daß solche Angaben mehr als eineinhalb Jahre nach einem Vorfall noch erbracht werden können.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich sieht daher keine Veranlassung, diesbezüglich ein aufwendiges Beweisverfahren abzuführen, zumal es nach hiesiger Ansicht Aufgabe der Erstbehörde gewesen wäre, unter Beiziehung eines technischen Amtssachverständigen nähere Ermittlungen zu tätigen, allenfalls anstelle der Erlassung einer - bei Privatanzeigen grundsätzlich ohnedies nicht vorgesehenen - Strafverfügung.

Bezüglich Faktum 2.) des angefochtenen Straferkenntnisses wurde vom unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich das Gutachten eines technischen Amtssachverständigen eingeholt. Dieser kommt in seinem Gutachten vom 26. April 1993, BauME-010191/184-1993/Ham/Bla, zu dem gutachtlichen Schluß, daß der vom Zeugen J B eingehaltene Sicherheitsabstand hinter dem Fahrzeug des Berufungswerbers in einem Ausmaß von ca. 70m bei einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 100 km/h als ausreichend anzusehen war, zumal der einzuhaltende Mindestabstand im Ausmaß von 2 sec. dann lediglich 55,4m betragen habe.

Nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich bedeutet dies, daß ausgehend von diesem Sicherheitsabstand, von einem jähen Abbremsen des nachfolgenden Fahrzeuges, um eine Kollision zu verhindern, nicht die Rede sein kann. Die Prämisse des Sicherheitsabstandes im Ausmaß von 70m erfolgte als für den Berufungswerber günstigste Variante aufgrund der Angaben des Zeugen J B in der Niederschrift vom 15. Juni 1992.

Abgesehen davon kann dem Akt nicht entnommen werden, innerhalb welcher zurückgelegten Wegstrecke das Fahrzeug des Berufungswerbers von der ursprünglich eingehaltenen Geschwindigkeit zum Stillstand gebracht wurde.

Zur Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs.4 lit.d KFG 1967 (Faktum 3.) ist zu bemerken, daß der hiefür wesentliche Teil dieser Bestimmung lautet:

"Fernlicht darf auf Freilandstraßen bei Dunkelheit nicht verwendet werden beim Fahren hinter Kraftfahrzeugen in geringem Abstand ohne zu überholen." Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses enthält weder die Erwähnung des Tatbestandsmerkmales "Freilandstraße" noch der "Dunkelheit". Aufgrund der relevanten Örtlichkeiten kann wohl davon ausgegangen werden, daß es sich um eine Freilandstraße gehandelt hat, dies hätte jedoch expressis verbis angeführt werden müssen. Das gleiche trifft hinsichtlich der Frage der Dunkelheit zu, da sich aufgrund des Tatzeitpunktes (10. Oktober, ca. 17.45 Uhr) die Annahme dieses Tatbestandsmerkmales von sich aus nicht zwingend ergibt. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung muß eher davon ausgegangen werden, daß zu diesem Zeitpunkt noch nicht Dunkelheit herrschte.

Das angefochtene Straferkenntnis war daher auch in diesem Punkt aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Zu II.: Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. S c h ö n

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