Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-420713/4/BP/Wu VwSen-420714/4/BP/Wu VwSen-420715/4/BP/Wu VwSen-420716/4/BP/Wu VwSen-420717/4/BP/Wu

Linz, 02.01.2012

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde 1. des X, 2. der X, 3. des mj. X, 4. der mj. X sowie 5. des mj. X, sämtlich StA des Kosovo und vertreten durch X, Rechtsanwalt in X; vom 16. Dezember 2011, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 6. Dezember 2011 durch dem Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck zurechenbare Organe der Fremdenpolizei, in Form der Abschiebung der Beschwerdeführer, zu Recht erkannt:

 

I.                  Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

II.              Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck) Kosten in Höhe von 57,40 Euro (Vorlageaufwand) und 368,80 Euro (Schriftsatzaufwand), insgesamt: 426,20 Euro, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 67c Abs. 1 und 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG;

Zu II.: § 79a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2011 erhoben die Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter Maßnahmenbeschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 6. Dezember 2011 in Form der Abschiebung der Beschwerdeführer durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck.

 

1.1.2. Zunächst wird in der Beschwerde zum Sachverhalt ausgeführt, dass sämtliche Bf (StA des Kosovo) vormals Asylwerber gewesen seien. Mit Urteil des AGH vom 16. September 2011 sei einer Berufung der Bf im Asylverfahren keine Folge gegeben und die Ausweisung verfügt worden.

 

Am 27. Oktober 2011 hätten die Bf persönlich bei der belangten Behörde als Niederlassungsbehörde quotenfreie Erstanträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG gestellt. Mit Schreiben vom 7. November 2011 seien die Bf von der beabsichtigten Zurückweisung dieser Anträge in Kenntnis gesetzt und zur Stellungnahme binnen 2 Wochen aufgefordert worden. Die Stellungnahme samt Urkundenvorlage sei rechtzeitig am 18. November 2011 erfolgt.

 

Am 6. Dezember 2011 habe die belangte Behörde als Fremdenpolizeibehörde um 7:17 Uhr per Fax die Information über die bevorstehende Abschiebung an die Kanzlei des Rechtsvertreters der Bf gesendet. In dieser Urkunde sei mitgeteilt worden, dass die Bf am 7. Dezember 2011 abgeschoben würden. Die Kanzlei sei zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht besetzt gewesen.

 

Von einer Nachbarin der Bf sei die Mitarbeiterin des Rechtsvertreters am 6. Dezember 2011 um 8:30 Uhr über die Abschiebung der Bf schon um 6:30 Uhr telefonisch in Kenntnis gesetzt worden. Davon wiederum habe der Rechtsvertreter um ca. 10 Uhr Kenntnis erlangt.

 

Die Information über die Abschiebung sei daher nach Beginn der Abschiebung und die Abschiebung – entgegen der Ankündigung in der Information über die bevorstehende Abschiebung am 7. Dezember 2011 – am 6. Dezember 2011 erfolgt.

 

Die Abschiebung sei von der Fremdenpolizistin X veranlasst worden.

 

1.1.3. In rechtlicher Hinsicht führen die Bf zunächst aus, dass die Beschwerde rechtzeitig erhoben worden sei.

 

Der angefochtene Verwaltungsakt bestehe in der Abschiebung der Bf am 6. Dezember 2011 durch die belangte Behörde als Fremdenpolizeibehörde.

 

Die behauptete Rechtswidrigkeit liege in erster Linie darin, dass die belangte Behörde entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 58 Abs. 2 FPG die Bf nicht rechtzeitig von der bevorstehenden Abschiebung informiert habe. Indem die Abschiebung dem Rechtsvertreter am 6. Dezember 2011 um 7:17 Uhr per Fax zugestellt worden sei, habe dieser gar keine Möglichkeit gehabt, die Bf auf die Ausweisung für den 7. Dezember 2011 vorzubereiten, da eine postalische Übersendung dieser Mitteilung vom Rechtsvertreter an die Bf nicht vor Mittag des Folgetages hätte geschehen können.

 

Die Bf hätten daher auch dann nicht rechtzeitig von der Abschiebung verständigt werden können, wenn diese erst – wie angekündigt – am 7. Dezember 2011 erfolgt wäre. Tatsächlich sei die Abschiebung aber bereits zum Informationszeitpunkt im Gange gewesen.

 

Gemäß § 58 Abs. 2 FPG müsse die Behörde jedoch den Fremden ehestmöglich ab Vorliegen der dafür erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen

nachweislich über den festgesetzten Abschiebetermin informieren.

 

Die belangte Behörde habe unter Bezugnahme auf diese Bestimmung den Bf jegliche Möglichkeit genommen, sich auf eine bevorstehende Abschiebung einzustellen bzw. der Abschiebung dadurch zu entgehen, dass mit der belangten Behörde die einvernehmliche Ausreise noch für den 7. Dezember 2011 vereinbart worden wäre.

 

In diesem Sinne habe nämlich der Rechtsvertreter seinen Mandanten geraten, spätestens nach Vorliegen einer Information nach § 58 Abs. 2 FPG in Absprache mit der Fremdenpolizeibehörde unverzüglich freiwillig auszureisen, was die Bf auch ausdrücklich akzeptiert hätten. Mit der von der von der belangten Behörde gewählten Aktion seien die Bf dieser Möglichkeit geradezu beraubt worden.

 

1.1.4. Abschließend werden die Anträge gestellt:

 

1. den angefochtenen Verwaltungsakt, nämlich die Abschiebung der Beschwerdeführer durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als Fremdenpolizeibehörde vom 6. Dezember 2011 für rechtswidrig zu erklären;

 

2. eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen;

 

3. die belangte Behörde zum Kostenersatz gemäß § 79a Abs. 1 und 2 AVG zu verurteilen.

 

1.2. Mit E-Mail vom 22. Dezember wurde die belangte Behörde zur Aktenvorlage aufgefordert und ihr die Möglichkeit eingeräumt eine Gegenschrift abzugeben.

 

1.3.1. Mit E-Mail vom 22. Dezember 2011 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der in Rede stehenden Maßnahmenbeschwerde und erstattete eine Gegenschrift.

 

1.3.2. In dieser führt sie ua. aus, dass die Familie – nachdem die Fremden rechtskräftig ausgewiesen und mit einer Ausreiseverpflichtung durch den AsylGH aufgefordert worden seien, das Bundesgebiet der Republik Österreich binnen 14 Tagen zu verlassen – einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht habe. Die beabsichtigte Zurückweisung dieser Anträge sei der Familie bekannt gegeben worden. Weiters habe die rechtskräftig ausgewiesene Familie Anträge gem. § 55a FPG (Abschiebungsaufschub) eingebracht und hätten darin zum Zweck der freiwilligen Ausreise einen Abschiebungsaufschub bis 3. November 2011 begehrt.

 

Der freiwilligen Ausreise sei die Familie hingegen nicht nachgekommen. Der Abschiebungsaufschub habe den Fremden offenbar lediglich dazu gedient, den Aufenthalt im Bundesgebiet abermals in die Länge zu ziehen, ohne aber tatsächlich einer entsprechend der Aufforderung des AsylGH vorliegenden Ausreiseverpflichtung auch nachkommen zu wollen. Dass kein tatsächlicher Ausreisewille vorgelegen sei und davon ausgegangen werden müsse, dass die Familie alles Denkbare unternommen haben würde, um einer Abschiebung zu entgehen, letztlich auch ein Untertauchen in die Anonymität, sei unübersehbar.

 

Die Familie sei zum in Rede stehenden "Kosovo-Charter" des BMI zur Abschiebung angemeldet worden. Wie aus dem Akt ersichtlich, sei die Familie durch das BMI nicht auf der Charterliste vermerkt worden, weswegen die belangte Behörde bis zuletzt nicht von einer Abschiebung am 7. Dezember 2011 habe ausgehen können.

 

Erst am Montag den 5. Dezember 2011 sei der belangten Behörde die Aufnahme der Familie zum Kosovo-Charter und somit der Abschiebetermin am 7. Dezember 2011 bekannt geworden. Daraufhin seien unter zeitlichem Stress die Formalitäten für die Abschiebung begonnen worden.

 

Die Festnahme sei für den 6. Dezember 2011 ab 06:00 Uhr festgelegt worden.

 

Entsprechend auch dem Inhalt der Rechtsprechung des UVS zu § 67 FPG sei hierbei gemäß § 58 FPG die zeitliche Verständigung die Kernfrage. Hinsichtlich der Verhaltensweise der Familie wäre hierzu eine sofortige Festnahme und Verbringung in die X am 5. Dezember 2011 erforderlich gewesen; denn es könne nach Ansicht der BH Vöcklabruck und gleichlautender Judikatur des UVS nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein Fremder nach dessen Verständigung über eine Außerlandesbringung ohne entsprechende fremdenpolizeiliche Maßnahmen noch zur Verfügung der Behörde halten werde.

 

Aus Rücksicht auf die Interessen der minderjährigen Kinder sowie zum Wohl der Familie sei daher die Festnahme und Verständigung am 6. Dezember 2011 angeordnet worden. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des VwGH und VfGH, im Rahmen einer freiheitsentziehenden Maßnahme (hier Festnahme) aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes den Freiheitsentzug so kurz als möglich zu halten.

 

Diese Einzelfallentscheidung widerspreche auch nicht dem § 58 Abs. 2 FPG, in dem von einer ehestmöglichen Verständigung gesprochen werde.

Im vorliegenden Fall seien daher prioritär vorerst die schriftlichen Formalitäten zu erledigen und hinsichtlich der obzitierten Rücksicht auf die Familie eine Vorabverständigung und Festnahme nicht eher denkbar möglich gewesen.

Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde sei hervorzuheben, dass die Verständigung an die Fremden und an die Rechtsvertretung immer noch einen Tag vor der Abschiebung, am 6. Dezember 2011, erfolgt sei und daher auch noch Gelegenheit für den Rechtsanwalt bestanden habe, sich mit der Familie vor dem Vollzug der Abschiebung in Verbindung zu setzen.

 

Eine mündliche Verhandlung werde seitens der BH Vöcklabruck nicht begehrt, es sei denn, diese wäre zur Klärung des Sachverhaltes anhand offener Fragen erforderlich.

 

1.3.3. Aus dem vorgelegten Akt ergibt sich in diesem Sinn auch, dass mit Schreiben des BMI vom 25. November 2011, Zl.: BMI-1042184/0003-II/3/2011, fremdenpolizeiliche Maßnahmen gegen die Bf für zulässig erklärt wurden.

 

Mit Antrag vom 4. Oktober 2011 begehrten die Bf gemäß § 55a FPG die Ausreisefrist (Beginn 6. Oktober 2011) bis zum 2. November 2011 zu erstrecken, um zu diesem Zeitpunkt freiwillig ausreisen zu können. In einer Niederschrift vom selben Tag hatten die Bf bekannt gegeben, bis zum 2. November 2011 freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen. Dabei wurde ihnen auch mitgeteilt, dass im gegenteiligen Fall fremdenpolizeiliche Maßnahmen eingeleitet werden würden. Mit E-Mail vom 5. Oktober 2011 schränkte der Rechtsvertreter der Bf dahingehend ein, dass es sich bei dem Antrag auf Fristerstreckung nicht um einen die Entscheidungspflicht auslösenden sondern lediglich um einen informellen handeln würde.

 

Mit Festnahmeauftrag vom 6. Dezember 2011 leitete die belangte Behörde die am 7. Dezember 2011 mittels Verbringung der Bf am Luftweg in ihr Heimatland abgeschlossene Abschiebung ein.

1.4. Mit E-Mail vom 27. Dezember 2011 verzichteten die Bf (im Wege ihrer Rechtsvertretung) auf die Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung und zogen somit den ursprünglich darauf gerichteten Antrag zurück.

 

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt und die eingebrachten Schriftsätze bzw. Beweismittel.

 

Da sich daraus der entscheidungsrelevante Sachverhalt zweifelsfrei ergibt, konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet werden, zumal im Verfahren lediglich die Klärung einer Rechtsfrage vorzunehmen ist, der Sachverhalt völlig unbestritten ist und dem diesbezüglichen Vorbringen der Bf völlige Glaubwürdigkeit zugemessen wird und tatsächlich keinerlei Widersprüche in den jeweiligen Darstellungen der Parteien aufscheinen. Folgend der ständigen Judikatur der Höchstgerichte ist daher die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung im vorliegenden Fall nicht erforderlich.

 

Im Übrigen zog der Rechtsvertreter der Bf einen ursprünglichen Antrag mit E-Mail vom 27. Dezember 2011 zurück und wurde auch schon von der belangten Behörde auf die Durchführung einer Verhandlung verzichtet.

 

2.2. Der UVS Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.2., 1.3.2. und 1.3.3. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

2.3. Der UVS des Landes Oberösterreich war zur Entscheidung durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF., entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungs­be­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausge­nommen in Finanzstrafsachen. Solche Beschwerden sind nach § 67c Abs. 1 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt beim Unabhängigen Verwaltungs­senat einzubringen, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat.

 

3.1.2. Die behauptete Maßnahme fand – unbestritten – am Dienstag, den 6. Dezember 2011 statt. Die Beschwerde wurde am Donnerstag, den 16. Dezember 2011 zur Post gegeben. Sie ist daher rechtzeitig erhoben worden.

 

3.2.1. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. VwGH 29.6.2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu § 129a B-VG).

 

3.2.2. Im vorliegenden Fall behaupten die Bf durch die Abschiebung ohne entsprechend ehestmöglich ergangene diesbezügliche Information in ihren subjektiven Rechten verletzt worden zu sein.

 

Bei den einschreitenden Beamten der Fremdenpolizei handelt es sich zweifelsfrei um Organe der öffentlichen Aufsicht, die in Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben im Rahmen des Fremdenpolizeigesetzes einschritten.

 

Dies erfolgte zunächst im Gemeindegebiet von Vöcklabruck, somit im örtlichen wie auch im sachlichen Zuständigkeitsbereich der belangten Behörde, weshalb dieser das Einschreiten der Organe zuzurechnen ist.

 

Dass es sich bei der Durchführung einer Abschiebung um eine Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt handelt, bedarf keiner weiteren Erörterung; dies gilt naturgemäß auch für das frühe Stadium der Abschiebung, in dessen Rahmen die Bf zur Überprüfung ihrer Flugtauglichkeit schon am Vortag festgenommen und nach Wien verbracht wurden, wobei hier ihre persönliche Freiheit jedenfalls eingeschränkt war, gleich, ob eine formale Festnahme erfolgte (wie im vorliegenden Fall) oder bloß faktischer Zwang ausgeübt wurde.

 

Fraglich ist allerdings, ob diese Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt in der vorgenommenen Form Deckung in der österreichischen Rechtsordnung findet.

 

3.3.1. Gemäß § 46 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 112/2011, sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung (§§ 61, 66, § 10 AsylG 2005) oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag der Behörde zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1.      die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der   öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2.      sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3.      aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer          Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4.      sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das       Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

 

Gemäß § 10 Abs. 7 AsylG 2005 idgF. gilt eine Ausweisung, wenn sie durchsetzbar wird, als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem FPG 2005; der Fremde hat binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 10 Abs. 8 AsylG ist mit Erlassung der Ausweisung der Fremde über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere ist auf Rückkehrhilfe sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen.

 

3.3.2. Im vorliegenden Fall steht nun außer Frage, dass die Bf gemäß § 10 AsylG 2005 mit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16. September 2011 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden sind. Auch den Bf war bewusst, dass ihre Ausreise gemäß § 10 Abs. 7 AsylG grundsätzlich bis zum 6. Oktober 2011 hätte erfolgen müssen. In diesem Sinn begehrten sie auch die Erstreckung der Frist gemäß § 55a FPG, gleich, ob dieses Begehren nun als tatsächlicher Antrag oder als "informeller" Antrag (laut Rechtsvertreter) anzusehen ist. Faktum ist, dass die Bf die Frist zur freiwilligen Ausreise bis Ablauf des 2. November 2011 nicht nutzten.

 

Daraus folgt aber, dass der Tatbestand des § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG als erfüllt anzusehen ist und die zwangsweise Abschiebung dem Grunde nach zulässig war.

 

Dies wird auch von den Bf nicht bestritten; allerdings sehen sie sich in ihren Rechten dadurch verletzt, dass die Information über den Abschiebetermin nicht ehest möglich, also nicht zeitgerecht, erfolgt sei, und vermeinen hier einen Grund für die generelle Unzulässigkeit der Abschiebung zu erkennen.

 

3.4.1. Gemäß § 58 Abs. 2 FPG hat die Behörde den Fremden, gegen den eine durchsetzbare Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 erlassen wurde, ausgenommen nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 folgenden zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG, ehestmöglich ab Vorliegen der dafür erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nachweislich über den festgelegten Abschiebetermin sowie über die Rechtsfolgen eines versäumten Abschiebetermins zu informieren. Wurde ein von der Behörde festgelegter Abschiebetermin bereits einmal aus Gründen, die dem Fremden zurechenbar sind versäumt, so hat die Behörde den Fremden erst mit Durchsetzung eines Festnahmeauftrages gemäß § 74 über den neuerlich festgesetzten Abschiebetermin zu informieren. Das Bundesasylamt ist in allen Fällen unmittelbar nach Festlegung eines Abschiebetermins in Kenntnis zu setzen. Diese Information ist von der Akteneinsicht ausgenommen.

 

3.4.2. Unabhängig von der Frage, ob im vorliegenden Fall von einer ehest möglichen Information gesprochen werden kann oder nicht, stellt sich zunächst die Frage, ob ein allfälliges Unterlassen oder – wie im vorliegenden Fall behauptet – ein Mindererfüllen dieser Informationspflicht überhaupt dazu geeignet sein kann, als Rechtsfolge die Unzulässigkeit der betreffenden Maßnahme – also der Abschiebung – nach sich zu ziehen. Der Gesetzestext bietet hier per se keine ausreichenden Anhaltspunkte, weshalb folgend auf die grammatikalische Interpretation auf die Gesetzesmaterialien zurückzugreifen ist.

 

3.4.3. Die RV 1078 BlgNR 24. GP zu § 58 des Fremdenpolizeigesetzes in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 geben zu der hier relevierten Frage keinen Aufschluss, verweisen jedoch dem Inhalt nach auf die RV 330 BlgNR 24. GP zu § 67 Abs. 3 – 5 FPG in der vorgehenden Fassung.

 

Ua. wird dort ausgeführt: "Es wird daher künftig die Aufgabe der Fremdenpolizeibehörde sein, derartige Maßnahmen vorausschauend zu planen und dem Fremden seine tatsächliche und rechtliche Situation zur Kenntnis zu bringen. Diese Information entfaltet im Hinblick auf die Bestimmungen des FPG keine normative Wirkung, sondern stellt vielmehr eine objektive Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendbarkeit des § 12a Abs. 3 AsylG 2005 dar."

 

§ 12a Abs. 3 AsylG 2005 behandelt allerdings lediglich den faktischen Abschiebeschutz im Zusammenhang mit Asyl-Folgeanträgen und ist für den hier zu beurteilenden Fall nicht weiter von Relevanz.

 

3.4.4. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine allfällige Verletzung der Informationspflicht nach § 58 Abs. 2 FPG keine Auswirkung auf die Zulässigkeit einer Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt nach dem FPG hat. In anderen Worten bedeutet dies, dass eine Abschiebung – wie im konkreten Fall – nicht dadurch rechtswidrig werden kann, wenn allenfalls eine Information darüber nicht ehest möglich an die betroffenen Parteien ergeht.

 

Damit geht aber das Begehr der in Rede stehenden Maßnahmenbeschwerde ins Leere.

 

3.4.5. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass eine allfällige Verletzung der Informationspflicht nach § 58 Abs. 2 FPG per se keinesfalls eine Maßnahme der verwaltungsbehördlichen unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, weshalb diese Frage nicht im Rahmen einer Maßnahmenbeschwerde weiter zu erörtern ist.

 

Ohne näher darauf einzugehen ist auch anzumerken, dass die belangte Behörde nach der Aktenlage erst am späten Nachmittag des 5. Dezember 2011 sicher davon ausgehen konnte, dass die Bf für den Abschiebetermin am 7. Dezember 2011 für den Charterflug gebucht waren und auch die formalen Voraussetzungen für die Abschiebung vorlagen. Die Information erfolgte am nächsten Morgen um 7:17 Uhr – wenn auch beinahe zeitgleich mit der Abholung der Bf von ihrer Wohnung. Nichtsdestotrotz wird hier von keiner besonderen Verletzung des § 58 Abs. 2 auszugehen sein.

 

3.5. Es waren daher die vorliegende Maßnahmenbeschwerden als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

4.1. Gemäß § 79a Abs. 1 hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

 

Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei.

 

Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 leg.cit. die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

 

 

Gemäß Abs. 4 leg.cit. gelten als Aufwendungen gem. Abs. 1:

1. die Stempel- und Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem unabhängigen Verwaltungssenat verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

 

§ 1 UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2003, setzt die Höhe der nach § 79a Abs. 5 und Abs. 7 AVG im Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten über Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 67c AVG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschbeträge wie folgt fest:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei

737,60 €

2. Ersatz des Verhandlungsaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei

922,00 €

3. Ersatz des Vorlageaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei

57,40 €

4. Ersatz des Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei

368,80 €

5. Ersatz des Verhandlungsaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei

461,00 €

 

4.2. Die im Spruchpunkt II. angeführte Kostenentscheidung gründet auf die eben dargestellten Rechtsbestimmungen. Demnach ist die belangte Behörde als obsiegende und sind die Beschwerdeführer als unterlegene Parteien anzusehen.

 

Der Schriftsatzaufwand der belangten Behörde ist jedenfalls nur einfach vorzuschreiben, da aufgrund des gleichen Sachverhalts und der dadurch gleichgelagerten Rechtsfragen eine nicht nach den einzelnen Bf differenzierende Gegenschrift erstattet wurde. Gleiches gilt im Ergebnis für den Vorlageaufwand.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 79,30 Euro (Stempelgebühren) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Bernhard Pree

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum