Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730301/16/Wg/MB/Jo

Linz, 21.12.2011

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Wolfgang Weigl                                                                                          2B08, Tel. Kl. 18072

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung der X, geb. am X, StA Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die X Linz, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Gmunden vom 18. November 2010, GZ.: Sich07/25390, betreffend die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen die Berufungswerberin nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

§ 63 iVm. § 64 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG
Entscheidungsgründe:

 

Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Gmunden vom 18. November 2010, GZ: Sich07/25390, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 63 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 1 in Verbindung mit §§ 61 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Anführung der relevanten Rechtsgrundlagen zum Sachverhalt aus, dass die Bw eine Staatsangehörige von Bosnien Herzegowina sei und sich beginnend mit dem 1. Juli 1992 laufend in Österreich gemeldet habe bzw. seit dem 22. Juni 1993 in Österreich niedergelassen sei. Derzeit verfüge die Bw über den Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EG" und lebe mit ihrer Mutter X in X. Die Kernfamilie sowie der Lebensgefährte (Herr X, geb. X, StA Österreich), die Tante und sonstige Verwandte der Kernfamilie leben nach den Angaben der Bw in Österreich. Mit dem Lebensgefährten lebe die Bw in keiner Haushaltsgemeinschaft. Zu den vorhandenen Verwandten und Bekannten in Bosnien und Herzegowina habe die Bw kaum noch Kontakt.

 

Laut den Angaben der Bw habe sie sehr gute Deutschkenntnisse und die Höhere Technische Bundeslehranstalt für Innenraumgestaltung und Möbelbau in X besucht. Aktuell sei sie Studentin, ledig und habe keine Sorgepflichten. Die Muttersprache spreche die Bw – nach eigenen Angaben – nur mehr schlecht. Nach aktuellem Versicherungsdatenauszug sei die Bw überdies geringfügig Angestellte bzw. Arbeiterin bei zwei verschiedenen Firmen. Aus der Vergangenheit weise sie lediglich kurzfristige Dienstverhältnisse auf.

 

Mit Strafanzeige der Polizeiinspektion Bad Ischl sei die Bw des Vergehens des § 27 Suchtmittelgesetz verdächtigt worden. Das Bezug habende Strafverfahren sei mit 10. Dezember 2003 aus den Gründen des § 38 Abs. 3 Suchtmittelgesetz eingestellt worden.

 

Am 27. April 2010 sei über die Bw ein Straferkenntnis gem. § 81 Abs. 1 SPG wegen lauter, aggressiver Beschimpfung ermittelnder Beamten verhängt worden.

 

Schließlich sei die Bw mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 13. Juli 2010 schuldig erkannt worden, dass sie:

A.) in X, X, X und anderen Orten vorschriftswidrig:

AI.) Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge erzeugt habe, indem Sie im Zeitraum von 2005 bis 2008 gemeinsam mit einer weiteren Person Cannabissetzlinge ansetzte, diese bis zur Erntereife aufzog und hieraus ca. 5 Kilogramm Cannabiskraut gewann.

AII.) die in § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz genannten Pflanzen zum Zwecke der Gewinnung von Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge gemeinsam mit einer abgesondert verfolgten Person im Jahr 2008 im Ausmaß von zumindest 407 Stück Cannabissetzlinge anpflanzte und bis Mitte September 2008 aufzog, wobei zum Zeitpunkt des Einschreitens der Polizei 9, 613 Gramm Cannabiskraut gewonnen werden konnten.

AIII.) Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge im Zeitraum von jedenfalls 2007 bis 2008 in sechs Angriffen dadurch befördert habe, dass die Bw die andere Person, nachdem diese Cannabiskraut übernommen hatte, mit ihrem PKW von X zum Wohnort fuhr, wobei sie dabei mit dem Vorsatz des In-Verkehr-Setzens handelte.

AIV.) Suchtgift in einer die Grenzmenge nicht übersteigenden Menge anderen überlassen bzw. zur Überlassung durch Dritte beigetragen habe, indem die Bw im Zeitraum zwischen 2004 bis 2008 in zahlreichen Angriffen eine nicht näher festzustellende Menge Cannabiskraut an andere Personen verkaufte bzw. entgeltlich überließ und im Zeitraum von Mitte 2004 bis Februar 2008 mehrfach Chauffeurdienste geleistet habe, um der abgesondert verfolgten Person den Verkauf einer nicht näher festzustellenden Menge von Kokain zu ermöglichen.

AV.) im Zeitraum des Frühjahres 2004 bis Anfang September 2008 Suchtgift (Cannabisprodukte, Kokain und Speed) erworben, teilweise erzeugt und bis zum Eigenkonsum besessen habe, wobei diese Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen wurde.

B.) durch Schlagen einer Hundeleine an eine Autotür eine fremde Sache beschädigt habe.

 

Aufgrund dieser Sachverhalte habe die Bw das Verbrechen des Suchtgifthandels, das Verbrechen der Vorbereitung des Suchtgifthandels, das Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel, die Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften und das Vergehen der Sachbeschädigung begangen. Die Bw sei hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten unter der Bestimmung einer Probezeit bedingt, rechtskräftig verurteilt worden.

 

In rechtlicher Hinsicht bzw im Zuge der Beweiswürdigung führt die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität bestehe und die Bw der Suchtgiftkriminalität nicht abgeneigt sei. Der Bw erscheine es gleichgültig, dass durch die Erzeugung und das In-Verkehr-Setzen von Suchtgiften die Gesundheit anderer Menschen gefährdet werde. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten und des Vorliegens der schwere der Gefährdung öffentlicher Interessen, seien die Voraussetzungen zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegeben.

 

Die Ausnahmebestimmung des § 61 FPG (Anmerkung der erkennenden Behörde: in der zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Fassung) komme ebenfalls nicht zur Anwendung. Die Bw halte sich seit Juli 1992 in Österreich auf und sei mit 5. September 2001 nach dem Vergehen gemäß § 27 Suchtmittelgesetz angezeigt worden. Mit 10. Dezember 2003 wurde dieses Verfahren nach Ablauf der Probezeit eingestellt. Von September 2001 bis Dezember 2003 sei daher ein Strafverfahren wegen einer Vorsatztat vor einem inländischen Gericht anhängig gewesen. Bis zum Abschluss des Verfahrens mit 10. Dezember 2003 sei daher die Verleihung der Staatsbürgerschaft trotz Ablaufes des 10-jährigen gemeldeten Aufenthalts ausgeschlossen gewesen. Nach diesem Zeitpunkt sei die Verleihung der österreichischen Staatsbürger ebenfalls nicht möglich gewesen. Die zuständige Abteilung hätte davon ausgehen müssen, dass aufgrund des Verhaltens der Bw eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bestehen würde. Diese Gefahr habe die Bw durch die Verurteilung vom 13. Juli 2010 eindrucksvoll bestätigt. Überdies sei die Bw auch nicht von Klein auf in Österreich aufgewachsen.

 

Zur Interessensabwägung im Hinblick auf Art 8 EMRK und § 66 Abs. 1 FPG (Anmerkung der erkennenden Behörde: in der zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Fassung) führt die Behörde aus, dass das Vorhandensein zahlreicher Verwandter in Österreich, mit welcher die Bw aber nicht in einem Haushalt lebe, nicht als geschützte familiäre Bindung anzusehen sei. Nach der Abreise könne die Bw mit den Verwandten, Bekannten und mit dem Lebensgefährten via Telefon, E-Mail usw. Kontakt halten. Zusätzlich dazu sei nicht ersichtlich, warum der Kontakt zur heimatlichen Verwandtschaft nicht wieder aufgenommen werden könne. Aufgrund der in Österreich erworbenen sehr guten Ausbildung könne die Bw überdies eine wirtschaftlich positive Existenz im Heimatstaat aufbauen. Die mit dem Neubeginn verbundenen Schwierigkeiten seien von der Bw im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Sogar gegen einen straffällig gewordenen Migranten in zweiter Generation könne bei entsprechender Schwere der Straftat ein Aufenthaltsverbot erlassen werden. Betreffend die schlechten muttersprachlichen Kenntnisse sei es für die Bw ein Leichtes sich diese wieder entsprechend anzueignen.

 

Die soziale Integration sei der Bw trotz des langjährigen Aufenthaltes in Österreich absolut nicht gelungen. Dies zeige das kriminelle Verhalten der Bw in der Vergangenheit. Zwar sei der Bw aufgrund der Dauer ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet seit dem Jahr 1992 eine entsprechende Integration zuzugestehen und ein diesbezügliches Interesse am Verbleib vorhanden, doch überwiegen die öffentlichen Interessen an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität und der Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung. Die Bw sei bereits im Jahr 2001 mit dem Suchtmittelgesetz (§ 27 Suchtmittelgesetz) in Konflikt geraten und setze dieses Verhalten 2004 bis 2008 wieder fort. Ein längerer Zeitraum des Wohlverhaltens könne nicht erblickt werden und es sei daher die hohe Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass aufgrund der grundsätzlich hohen Rückfallsrate im Suchtmittelbereich eine weitere Gefahr für die Gemeinschaft gegeben sei. Dahingehend sinngemäß führt die belangte Behörde zur Verhängung der zeitlichen Dauer des Aufenthaltsverbotes aus.

 

Die am 11. August 2010 durch die rechtsfreundliche Vertretung eingebrachte Stellungnahme wurde entsprechend der belangten Behörde bei der Entscheidung berücksichtigt.

 

Im Wesentlichen wird in dieser Stellungnahme dem von der Behörde im Bescheid festgestellten Sachverhalt nicht entgegen getreten. In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt, dass der Rücktritt von der Verfolgung nach Ablauf der Probezeit im Hinblick auf die Tat des § 27 Suchtmittelgesetz mit 10. Dezember 2003 erfolgt sei und dahingehend nicht einmal eine Verurteilung vorliege. Unabhängig davon sei § 27 Suchtmittelgesetz als Bagatelldelikt anzusehen; selbiges treffe für § 81 SPG zu. Überdies sei die zweifache Anführung der Sachbeschädigung betreffend den Vorfall vom 12. April 2008 als Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung/Doppelverwertung anzusehen. Auch wäre der Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen gewesen, da kein Versagungsgrund vorliege. § 61 Z 4 FPG (Anmerkung der erkennenden Behörde: in der zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Fassung) käme ebenso zur Anwendung, da die Bw bereits mit 7 Jahren in Österreich niedergelassen war. Unverhältnismäßigkeit im Hinblick auf Art 8 EMRK sei ebenso zu erkennen, da die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sowohl die finanzielle, wie die familiäre Existenz erheblich beeinträchtigen würde. Die Bw würde aus einem intakten Familiengefüge herausgerissen, ihre Lebensgemeinschaft erheblich beeinträchtigt und sie wäre gezwungen ihre schulische Ausbildung abzubrechen.

 

Gegen den Bescheid der belangten Behörde, der der Bw am Dienstag den 22. November 2010 zugestellt wurde, erhob die Bw durch ihre rechtsfreundliche Vertretung mit Fax und E-Mail vom 30. November 2011 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

Im Wesentlichen wird im Rechtsmittel dem von der Behörde als maßgeblich herangezogenem Sachverhalt nicht entgegen getreten bzw. die bereits vor der Erstinstanz abgegebene Stellungnahme wiederholt. Betreffend den maßgeblichen Sachverhalt gem. § 61 Z 3 FPG (Anmerkung der erkennenden Behörde: in der zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Fassung) führt die Bw aus, dass die Tat deretwegen die Einstellung am 10. Dezember 2003 erfolgte, keine relevante Vergrößerung der von der Bw ausgehenden Gefährdung darstelle und daher nicht als Beurteilungszeitraum in Frage komme. Betreffend die Verurteilung durch das Landesgericht Wels führt die Bw zusätzlich aus, dass durch die einmalige Verurteilung keine bestimmte Tatsache gem. § 60 FPG (Anmerkung der erkennenden Behörde: in der zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Fassung) erfüllt sei.

 

Die Bw stellt abschließend die Berufungsanträge, es solle der Berufung stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert werden, dass der bekämpfte Bescheid aufgehoben und das Verfahren eingestellt werde; in eventu solle der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Erledigung und Entscheidung an die Unterinstanz zurückverwiesen werden; in eventu solle der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes herabgesetzt werden. Überdies beantragte die Bw die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung gem. § 66 Abs. 3 AVG.

 

Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt zuständigkeitshalber dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor. Bezüglich der sachlichen Zuständigkeit der erkennenden Behörde gilt es festzuhalten:

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl I 2011/38 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG 2005 in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen zuständig sind. Darüber hinaus stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, 2011/22/097, zusammengefasst fest, dass nach den maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle des rechtmäßigen Aufenthalts eines Fremden sowohl über die Beendigung des Aufenthaltsrechts entschieden als auch dem nicht mehr länger zum Aufenthalt berechtigten Drittstaatsangehörigen die Pflicht zum Verlassen des Bundesgebietes, sohin eine Rückkehrverpflichtung im Sinne der Rückführungsrichtlinie, auferlegt sowie der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet für einen bestimmten Zeitraum oder für unbefristete Zeit untersagt, sohin auch ein Einreiseverbot im Sinne der Rückführungsrichtlinie ausgesprochen werde. Diese Vorgangsweise, nämlich mit einer einzigen Entscheidung das Aufenthaltsrecht zu beenden sowie unter einem die Rückkehr des Drittstaatsangehörigen anzuordnen und ihm den künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verbieten, stelle sich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 6 Rückführungsrichtlinie als zulässig dar. Ungeachtet dessen seien dabei nach dieser Bestimmung die Verfahrensgarantien des Kapitels III der Rückführungsrichtlinie einzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es sohin als nicht zweifelhaft, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes – unabhängig von der Benennung des innerstaatlich festgelegten Rechtsinstituts – um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Z 4 Rückführungsrichtlinie und ein Einreiseverbot im Sinne des Art. 3 Z 6 dieser Richtlinie handelt, bei deren Erlassung die in der Richtlinie festgelegten Verfahrensgarantien einzuhalten seien. Daraus folge aber, dass für Entscheidungen über eine dagegen gerichtete Berufung seit Ablauf der Frist zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie die Unabhängigen Verwaltungssenate zuständig sind.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister.

 

Darüber hinaus wurde von der Polizeiinspektion Strobl eine Niederschrift über die Vernehmung des Herrn X., StA: Österreich, worin dieser angab, zwar im Jahr 2008 eine Beziehung zur Bw aufgebaut, jedoch in keinster Weise eine Lebensgemeinschaft mit der Bw geführt zu haben, übermittelt.

 

Ebenso wurde von der Bw im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung eine ergänzende Stellungnahme an den Unabhängigen Verwaltungssenat übermittelt, worin die zwischenzeitige Beendigung der – den Angaben der Bw nach – vormaligen Lebensgemeinschaft mitgeteilt wurde. Des Weiteren wird vorgebracht, dass die Bw voraussichtlich im Frühjahr 2012 das Grundstudium der Kunstgeschichte abschließen werde und sodann darauf aufbauend den akademischen Grad der Magistra erwerben wolle. Auch bestehe ein derzeit aufrechtes Arbeitsverhältnis zur Firma X (1.700,-- EUR brutto; siehe beigebrachte Arbeitsbestätigung vom 30. Mai 2011). Betreffend den suchtmittelrechtlichen Hintergrund der Bw gibt diese an, das Unrecht ihrer Tat voll eingesehen zu haben und nunmehr – schon seit geraumer Zeit – nichts mehr mit Drogen zu tun zu haben. Zur Bestätigung dieser Verantwortung wird ein Laborbefund vom 24. September 2011 vorgelegt, worin der Nachweis suchtmittelrechtlich relevanter Substanzen im Harn nicht erbracht werden konnte.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da im Sinne des § 67d Abs. 1 AVG bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid zu beheben ist.

 

Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem oben angeführten im Wesentlichen unbestrittenen, durch die Stellungnahme der Bw ergänzten Sachverhalt aus, wobei die Frage des Bestehens einer Lebensgemeinschaft keiner Lösung zugeführt werden muss, da diese im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr besteht.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

Die Berufung erweist sich als begründet, weil dem Aufenthaltsverbot der Aufenthaltsverfestigungstatbestand des § 64 Abs 1 Z 1 FPG entgegensteht. Gemäß dieser Bestimmung darf ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können.

 

Der maßgebliche Zeitpunkt liegt in der Verwirklichung des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstände, das sind vorliegend die dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegenden Straftaten (vgl VwGH vom 22. Juli 2011, GZ 2009/22/0179).

 

Die Anzeige vom 5. September 2001 wegen eines Vergehen gem. § 27 Suchtmittelgesetz führte nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung. Das zugrunde liegende Fehlverhalten stellte somit keinen Tatbestand für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes iSd § 36 Abs 2 Fremdengesetz 1997 bzw
§ 63 Fremdenpolizeigesetz idF BGBl I Nr. 38/2011 dar.

 

Die erste Straftat, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen konnte, wurde lt Urteil des LG Wels "im Frühjahr 2004" verübt. Es ist daher zu prüfen, ob der Bw am 31. Dezember 2003 die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß der damals geltenden Bestimmung des § 10 Abs 1 Staatsbürgerschaftsgesetz verliehen hätte werden können. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idgF darf einem Fremden die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war. Diese Bestimmung forderte in der Fassung BGBl. I Nr 124/1998 (vgl. zur Anwendung der im aufgezeigten maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Rechtslage das Erkenntnis des VwGH vom 24. September 2009, 2007/18/0653) einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz von mindestens zehn Jahren im Bundesgebiet.

 

Entsprechend dem – unstrittig – festgestellten Sachverhalt ist die Bw seit dem 1. Juli 1992 laufend und ununterbrochen in Österreich gemeldet. Insofern war am 31. Dezember 2003 die in § 10 Abs. 1 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 festgelegte Frist erfüllt.

 

Die Anzeige vom 5. September 2001 steht dem nicht entgegen. Anderes würde nur dann gelten, wenn am 31. Dezember 2003 gegen die Bw wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig gewesen wäre (vgl § 10 Abs 1 Z 4 Staatsbürgerschaftsgesetz in der Fassung BGBl. I Nr 124/1998 und VwGH vom 26. Jänner 2010, GZ 2009/22/0267). Das auf Grund der Anzeige vom 5. September 2001 eingeleitete Strafverfahren endete am 10. Dezember 2003 gem. § 90 Abs. 1 StPO (idF vor dem StPRG 2004) iVm § 38 Abs. 3 Suchtmittelgesetz mit der  endgültigen Einstellung durch der Staatsanwaltschaft. Am 31. Dezember 2003 bzw "im Frühjahr 2004" war kein gerichtliches Strafverfahren anhängig.  Abgesehen davon ist entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. April 2001 zu Zl. 2000/01/0135 die gerichtliche Anhängigkeit gem. § 10 Abs. 1 Z 4 StbG erst ab dem Zeitpunkt anzunehmen, ab dem die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung gestellt hat. Vorerhebungen begründen hingegen keine gerichtliche Anhängigkeit. Da § 90 Abs. 1 StPO idF vor dem StPRG 2004 iVm § 38 Abs. 3 Suchtmittelgesetz die Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft darstellt, befand sich das Strafverfahren der Bw noch im Stadium der Vorerhebungen und war nach der zuvor angeführten Judikatur nicht von einer gerichtlichen Anhängigkeit auszugehen.

 

Auch eine Verweigerung aufgrund des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG kann zumindest für die Zeitspanne zwischen den beiden Tatzeiträumen nicht ins Treffen geführt werden, da Suchtgiftkriminalität nicht per se diese Voraussetzung erfüllt. Nicht jede Begehung eines Suchtgiftdeliktes schließt die Verleihungsvoraussetzung aus. Vielmehr ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass lediglich geringe Mengen der Suchtgifte zum eigenen Gebrauch erworben und konsumiert wurden (andernfalls eine vorläufige Zurücklegung der Anzeige gem. § 35 SMG nicht in Frage käme); siehe VwGH vom 6. März 2001, Zl 2000/01/0218. Für eine in diesem Zeitraum dennoch zu treffende negative Gefährdungsprognose fehlen aber die Anzeichen, zumal auch eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft erfolgte. Dass ex post betrachtet die Gefährdungsprognose zutreffend gewesen wäre, ändert am Umstand nichts, dass vor dem maßgeblichen Sachverhalt gem. § 64 Abs. 1 Z 1 FPG idgF der Bw die österreichische Staatsbürgerschaft in dieser Zwischenphase verliehen hätte werden können.

 

Ein darüber hinaus vorliegender Verhinderungsgrund gem. § 10 StbG vermag ebenfalls nicht erkannt werden.

 

Mangels Erfüllung eines der Versagungstatbestände des § 10 Abs. 1 StbG hätte der Bw vor Verwirklichung des für das gegenständliche Aufenthaltsverbot maßgeblichen Sachverhalts im Sinne des § 64 Abs. 1 Z 1 FPG die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen die Bw erweist sich aus diesem Grund als unzulässig.

 

Bei gegenteiliger Ansicht würde man zunächst zu dem Ergebnis kommen, dass wegen der begangenen Verbrechen der Tatbestand für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 53 Abs 3 Z 1 iVm § 63 Abs 1 und § 64 Abs 5 Z 1 FPG vorliegt (vgl VwGH vom 3. November 2010, GZ 2009/18/0405). Im Rahmen  der nach Artikel 8 EMRK iVm § 61 FPG gebotenen Interessenabwägung fallen die 20 jährige Niederlassung, die durch den erfolgreichen Schulabschluss belegte Integration, die Beschäftigungsverhältnisse und die durch Laborbefunde nachgewiesene Suchtgiftabstinenz zugunsten der Bw entscheidend ins Gewicht. Selbst wenn man den Tatbestand für ein Aufenthaltsverbot nach § 53 Abs 3 Z 1 iVm § 63 Abs 1 und § 64 Abs 5 Z 1 FPG als gegeben annimmt, überwiegen folglich mittlerweile die persönlichen Interessen der Bw an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 22,10 Euro (Eingabegebühr samt Beilagen) angefallen.

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

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