Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166190/5/Bi/Eg

Linz, 19.01.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau E R, R, S, vom 20. Juli 2011 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Steyr vom 4. Juli 2011, S-3830/ST/11, wegen Übertretung des KFG 1967, aufgrund des Ergebnisses der am 17. Jänner 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, zu Recht erkannt:

 

I.  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Schuldspruch insofern ergänzt wird, als es die Rechtsmittelwerberin unterlassen hat, "der BPD Linz" binnen zwei Wochen ab Zugang der Aufforderung zur Lenkerauskunft am 13. April 2011, Auskunft zu erteilen.

 

II. Die Rechtsmittelwerberin hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 12 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1 und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 60 Euro (20 Stunden EFS) verhängt, weil sie es als Zulassungsbesitzerin des KFZ x unterlassen habe, der Behörde binnen zwei Wochen ab Zugang der Anfrage am 13. April 2011 Auskunft darüber zu erteilen, wer das Fahrzeug am 13. Februar 2011, 16.10 Uhr, gelenkt habe.

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 6 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 17. Jänner 2012 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Bw, ihres Gatten Herrn H R, sowie der Vertreterin der Erstinstanz Frau Mag. C W durchgeführt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde verzichtet.

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, die BPD Linz habe sie ohne Erhebungen und der "üblichen" Anonymverfügung wegen einer angeblichen Geschwindigkeitsüberschreitung bestraft, die sie beeinsprucht habe, weil sie nicht die Lenkerin zum Tatzeitpunkt gewesen sei. Dann sei von derselben Behörde ein Formblatt an sie gerichtet worden, das auf ihre Verantwortung und ihre Stellung als Beschuldigte nicht eingegangen sei. Infolge fehlender Rechtsbelehrung habe sie davon ausgehen dürfen, dass es sich dabei in Wahrheit um eine Beschuldigtenbefragung handelte, in welcher sie aufgrund verfassungs­rechtlicher Bestimmung zur Aussagen nicht verpflichtet sei.  

Ihr könne daher kein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden, wenn sie wegen des unpassenden Formblattes auf Formalfloskeln nicht eingegangen sei, die auf ihre eingeleitete Strafverfolgung und Einwendungen nicht abgestellt und keine Rechtsbelehrung enthalten hätten. Es erscheine ihr inakzeptabel, wenn in einem laufenden Strafverfahren unter gleicher Aktenzahl willkürlich ein neuer Tatbestand geschaffen und bestraft werde, um den Fehler einer vor­schnellen Strafverfügung auszumerzen. Die Aufforderung habe auch keines­wegs eine von der Rechtsprechung geforderte unmissverständliche Deutlichkeit enthalten. Es mangle daher am subjektiven Tatbestand und ein allfälliger Rechtirrtum könne wegen der fehlenden Rechtsbelehrung nicht als fahrlässig angesehen werden. Die Aufforderung sei in diesem Verfahrensstadium unzulässig und undeutlich gewesen. Es erhebe sich auch die Frage, ob die Verfassungsbe­stimmung des      § 103 Abs.2 letzter Satz KFG ein verfassungsmäßiges Grundrecht, nämlich Art.6 EMRK, außer Kraft setzen könne und der Behörde sogar Sanktionen bei Berufung auf dieses Grundrecht erlaube. Beantragt wird die Aufhebung des Straferkenntnisses.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der beide Parteien – die Bw hat ihren Gatten als Vertreter entsandt – gehört wurden und die in der Berufung dargelegten Rechtsfragen erörtert wurden.

 

Laut Anzeige des Meldungslegers GI E F, SPK Linz, wurde am 13. Februar 2011, 16.10 Uhr, der stadteinwärts fahrende Pkw x mit einer Geschwindigkeit von 39 km/h in Linz, Hauptbahnhof-Terminal, Höhe Kärntner­straße 8, mittels geeichtem Radargerät Multanova Nr.12/85/102 gemessen; dort sind 10 km/h erlaubt und die Geschwindigkeitsbeschränkung deutlich sichtbar kundgemacht. Nach Abzug der vorgeschriebenen Toleranzen wurde dem Lenker eine gefahrene Geschwindigkeit von 34 km/h, dh eine Überschreitung um 24 km/h vorgeworfen.

Zulassungsbesitzerin des Pkw ist die Bw, an die seitens der BPD Linz die – fristgerecht beeinspruchte – Strafverfügung vom 10. März 2011, S-8831/10-4, wegen des Vorwurfs einer Übertretung gemäß §§ 52 lit.a Z10 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 erging. Aufgrund des Ausmaßes der Geschwindigkeits­über­schreitung – der ggst Busterminal war bereits Schauplatz einiger Verkehrunfälle, auch mit Toten, weshalb die Einhaltung der erlaubten 10 km/h auch am Wochenende besonders überwacht wird – erging keine "übliche" Anonym­verfügung, sondern wurde sofort Anzeige erstattet; auf dem beigelegten Radarbild ist das Kennzeichen des auf die Bw zugelassenen Pkw einwandfrei zu erkennen. Gegen die an sie wegen der Geschwin­dig­keits­über­schreitung ergangene Strafverfügung der BPD Linz vom 10. März 2011 erhob die Bw fristgerecht Einspruch und führte aus, sie sei zum Tatzeitpunkt weder die Lenkerin ihres Pkw gewesen noch habe sie sich überhaupt damals in Linz aufgehalten. 

Mit Schreiben der BPD Linz vom 11. April 2011 wurde die Bw als Zulassungs­besitzerin des Pkw x gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 aufgefordert, der Behörde binnen zwei Wochen nach Zustellung Auskunft zu erteilen, wer das genannte Kraftfahrzeug am 13. Februar 2011, 16.10 Uhr gelenkt hat. Die Bw wurde ersucht, "nach Möglichkeit" zur Auskunftserteilung den beiliegenden Vordruck zu verwenden oder die dort genannten Daten anzugeben. Sie wurde darauf hingewiesen, dass ihre Auskunft den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müsse. Könne sie die verlangte Auskunft nicht erteilen, möge sie bitte jene Person benennen, die die Auskunft erteilen könne; diese treffe dann die Auskunftspflicht. Sie wurde auch darauf hingewiesen, dass sie sich strafbar mache, wenn sie die verlangte Auskunft hinsichtlich des Namens und der genauen Adresse des Lenkers/der Lenkerin bzw des/der Auskunfts­pflichtigen nicht, unrichtig oder nicht binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens gebe. Das Schreiben wurde laut Rückschein der Bw am 13. April 2011 zugestellt.

Mit Schreiben vom 25. April 2011 erhob die Bw "Einspruch" gegen die Aufforderung zur Lenkerauskunft und machte pauschal geltend, gegen sie sei zu Unrecht ein Strafverfahren eingeleitet worden, sie sei somit Beschuldigte und daher nach der Rechtsprechung des VWGH zu keinen Angaben in dieser Causa verpflichtet.

Daraufhin erging die Strafverfügung der BPD Linz vom 27. Mai 2011 wegen Übertretung des KFG 1967 und nach erneutem Einspruch der Bw vom 14. Juni 2011 mit inhaltlich derselben Begründung wurde das Verfahren an die Wohnort­behörde, die Erstinstanz, gemäß § 29a VStG abgetreten und erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.     

 

In der Berufungsverhandlung macht die Bw über ihren Gatten – sie selbst ist ohne Angaben von Gründen nicht erschienen – geltend, sie habe nur ihre Rechts­ansicht mitgeteilt. Als Beschuldigte in einem immer noch nicht eingestellten Straf­verfahren wegen des Grunddeliktes hätte sie in rechtlicher Hinsicht fallbezogen konkret belehrt werden müssen und nicht einfach das Formblatt verwendet werden dürfen. Die Aufforderung sei in dieser Weise im Hinblick auf Art.6 EMRK unzulässig gewesen und ein allfälliger Rechtsirrtum ihrerseits sei nicht einmal fahrlässig bzw jedenfalls von geringfügigem Verschulden auszu­gehen, sodass sie, wenn überhaupt, zu ermahnen sei.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraft­fahr­zeug ge­lenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger ver­wendet hat bzw zu­letzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der be­treffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Aus­kunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Aus­kunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten er­scheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeich­nun­gen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Ver­fassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunfts­verweigerung zurück.

 

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zu­grunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines KFZ jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jeder­zeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebun­gen zu ermöglichen (vgl VwGH 18.11.1992, 91/03/0294 ua).

 

Der im Verfassungsrang stehende letzte Satz des § 103 Abs.2 KFG normiert, dass gegenüber der Befugnis der Behörde derartige Auskünfte zu verlangen, Rechte auf Auskunftsverweigerung zurücktreten. Zutreffend ist, dass gegen die Bw zum Zeitpunkt der behördlichen Lenkeranfrage bereits ein Verwaltungsstraf­verfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung – im Hauptbahnhof-Terminal Linz wurde nach einem tödlichen Verkehrsunfall eine Geschwindigkeitsbeschrän­kung auf 10 km/h verordnet – anhängig war.

Zu diesem Zeitpunkt war jedoch, nicht zuletzt aufgrund der Verantwortung der Bw im Einspruch vom 25. März 2011, noch nicht klar, ob sie überhaupt selbst dieses Kraftfahrzeug gelenkt hat. Die Lenkeranfrage im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 hatte daher den Zweck, den Kraftfahrzeuglenker festzustellen bzw. einen Verdächtigen zu ermitteln. Diese Lenkererhebung bezog sich bloß auf die Tatsache, wer dieses Kraftfahrzeug gelenkt hat. Die Zulassungsbesitzerin wurde damit lediglich verpflichtet, wahrheitsgemäß anzugeben, wer dieses Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat. Dies konnte für sie nicht belastend sein, weil nicht übersehen werden darf, dass auch nach Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers die vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht ohne weiteres (objektiv und subjektiv) bewiesen ist. Zur Klärung des Verdachtes, ob der bekannt gegebene Lenker zum angeführten Zeitpunkt die in Rede stehende Verwaltungsübertretung begangen hat, waren noch zahlreiche Fragen zu klären. Der bekanntgegebene Lenker hat im Verfahren die Möglichkeit, den Tatvorwurf bzw. den angezeigten Sachverhalt zu bestreiten und sich in jeder Hinsicht zu verteidigen sowie auch die rechtliche Beurteilung zu hinterfragen. Die Lenker­anfrage war nicht mit dem Vorwurf einer Übertretung nach der StVO verbunden. Das bloße Lenken eines Kraftfahrzeuges ist kein strafbares Verhalten, weshalb die Auskunft, wer ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat, auch keine unmittelbare verwaltungs­strafrechtliche Verfolgung nach sich zieht. Eine Selbstbezichtigung, die nach Art.6 EMRK verpönt ist, kann darin nicht erblickt werden.

 

Darüber hinaus handelt es sich bei der Aufforderung zur Erteilung einer Lenkerauskunft gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes um ein Administrativverfahren. Dies bedeutet, dass entgegen der Rechtsansicht der Bw die Lenkeranfrage vom 11. April 2011 ein eigenständiges Verfahren bildet. Die Aufforderung zur Lenker­auskunft erging daher an die Bw in der Eigenschaft als Zulassungsbesitzerin des Pkws. Eine im Administrativverfahren in Erfahrung gebrachte Lenkereigenschaft hätte kein rechtswidrig erlangtes Beweismittel dargestellt und wäre somit auch keinem Beweisverwertungsverbot unterlegen. Der Zwang zur Lenkerbekanntgabe ist zwar straf­recht­­licher Natur; er ergibt sich aber aus der Tatsache, dass sich jeder Besitzer eines Kraftfahrzeuges (freiwillig) jenen Regeln unterwirft, die in einer Gesellschaft mit dem Besitz eines Kraftfahrzeuges verbunden sind. In Österreich gehört die Verfassungsbestimmung des § 103 Abs. 2 KFG zu eben diesen Regeln (vgl. EGMR zur mit der in Österreich vergleichbaren britischen Rechtslage in den Fällen O'Halloran und Francis, BeschwerdeNrn 15809/02 und 25624/02): der EGMR hielt im Urteil der Großen Kammer vom 29. Juni 2007 fest, dass die Verpflichtung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers keine Verletzung der Art.6 Abs.1 und Art.6 Abs.2 EMRK darstellt. Begründet wurde dies damit, dass das Recht zu schweigen kein absolutes Recht darstellt, sondern dass es von den Umständen des konkreten Falles abhängt, ob das Verfahren "fair" im Sinne des Art.6 EMRK ist. Dabei hat der EGMR die Art des Zwanges zur Bekanntgabe des Lenkers nicht als besonders schwer angesehen, weil einem Zulassungsbesitzer die Verpflichtung zur Lenkerbekanntgabe von vornherein bekannt war. Niemand ist verpflichtet, Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges zu werden; wer aber ein Kraftfahrzeug hält (und mit diesem am Verkehr teilnimmt), akzeptiert damit auch bestimmte Verantwortlichkeiten und Verpflichtungen, zu welchen es auch gehört, die Behörden im konkreten Fall über die Identität des Lenkers zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzuklären. 

 

Der EGMR betont in seiner Rechtsprechung (vgl Krumpholz, BeschwerdeNr. 13201/05), dass das Recht zu schweigen zu den Grundprinzipien eines fairen Verfahrens gemäß Art.6 EMRK gehört. Allerdings führt der EGMR auch aus, dass es den Strafverfolgungsbehörden durchaus erlaubt ist, aus dem Schweigen des Beschuldigten entsprechende Schlüsse zu ziehen, was aber voraussetzt, dass er Beschuldigte mit entsprechenden Beweisergebnissen konfrontiert wird, welche eine Erklärung verlangen würden. Wenn kein überzeugender Anscheinsbeweis gegen einen Beschuldigten vorliegt, darf aus seinem Schweigen nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, er habe die ihm vorgeworfene Über­tretung nicht begangen.   

 

Aus all diesen Überlegungen gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zum Ergebnis, dass das Argument der Bw im Hinblick auf Art.6 EMRK im ggst Fall ins Leere geht. Sie war – auch aufgrund der Überlegung, dass zwar Art.6 EMRK im Verfassungsrang steht, aber der ebenfalls im Verfassungs­rang stehende letzte Satz des § 103 Abs.2 KFG, der sich konkret nur an die Zulassungsbesitzer von Kraftfahrzeugen richtet, als lex specialis zu Art.6 EMRK anzusehen ist – auch als Beschuldigte in einem Verwaltungsstrafverfahren nach § 52a Z10 lit.a StVO 1960 zur Lenkerauskunft verpflichtet, wobei dieses Verfahren deshalb noch nicht eingestellt werden konnte, weil eventuelle Angaben der Bw zur Lenker­eigen­schaft einer anderen Person von der Behörde naturgemäß auf ihren Wahrheits­gehalt zu ­prüfen ist.

 

Die Bw hätte daher nach Erhalt des Ersuchens um Lenkerauskunft am 13. April 2011, innerhalb der zweiwöchigen Frist, die im Übrigen gesetzlich vorgegeben ist und daher nicht von einer Behörde willkürlich ausgedehnt werden kann, nicht einfach der Behörde ihre Rechtsansicht mitteilen dürfen, sondern sie hätte bei den (nun behaupteten) Unklarheiten bei der die Auskunft begehrenden Behörde, der BPD Linz, so rechtzeitig nachfragen müssen, ob sie die Auskunftspflicht auch als Beschuldigte wegen des Deliktes, das Grund für die Lenkeranfrage war, trifft, dass ihr innerhalb der zwei­wöchigen Frist eine definitive Lenkerauskunft oder Benennung einer Auskunftsperson möglich gewesen wäre. Sie hat im übrigen das Formblatt nicht verwendet, sodass ihr Ansinnen, dieses passe auf ihren Fall nicht, ohnehin ins Leere geht.

Die auf diese Basis in der Berufungsverhandlung behauptete Unkenntnis der Rechtslage ist aufgrund der Nicht­ein­holung von Rechtsauskünften dazu nicht als unverschuldet im Sinne des § 5 Abs.2 VStG anzusehen.

 

Ebenso kann bei der Nichterteilung der verlangten Lenkerauskunft nicht von geringfügigem Verschulden der Bw ausgegangen werden, weil sie in der § 103 Abs.2 KFG 1967 betreffenden Rechtsbelehrung im Ersuchen um Lenkerauskunft auf die Strafbarkeit einer Nichterteilung, unrichtigen oder nicht fristgerechten Erteilung einer Lenkerauskunft dezidiert hingewiesen wurde. Abgesehen davon ist die Erteilung einer Ermahnung gemäß § 21 VStG außerdem an das Vorliegen der weiteren Voraussetzung geknüpft, dass die Nichterteilung der Lenkeraus­kunft im ggst Fall lediglich unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat. Dadurch dass die Bw der Behörde die Identität des Lenkers rechtswidrig vorenthalten hat – eine nunmehrige Bekanntgabe, wie in der Verhandlung angeboten, würde  gemäß § 103 Abs.2 KFG iVm § 31 Abs.1 VStG verspätet erfolgen – hat sie dessen Verfolgung in spezialpräventiver Hinsicht wirksam unterbunden, weil seit dem 13. Februar 2011 die sechsmonatige Verfolgungsverjährungsfrist abgelaufen ist, dh ein tatsächlicher Täter (außer die Bw selbst) nicht mehr verwaltungsstraf­rechtlich belangt werden kann.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, dass die Bw den ihr zur Last gelegten Tatbestand insofern verwirklicht hat, als in der Begründung des – bezogen auf das Fristende 27. April 2011 nach Beginn des Fristenlaufs mit der Zustellung der Aufforderung zur Lenkerauskunft am 13. April 2011 – innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ergangenen Straferkenntnisses ausdrücklich auf die seitens der BPD Linz ergangene Aufforderung gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 vom 11. April 2011 Bezug genommen wurde. Damit ist gemäß  § 44a Z1 VStG der Tatort, nämlich Linz als Sitz der Behörde, bei der die Auskunft zu erteilen gewesen wäre, einwandfrei zu ergänzen. Die Bw hat, da ihr beim Ungehorsamsdelikt des §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 (vgl VwGH 28.3.2006, 2002/03/0264; ua) die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist, ihr Verhalten als Verwaltungs­über­tretung zu verantworten.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 bis 5.000 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat laut Begründung des Straferkenntnisses berücksichtigt, dass die Bw unbescholten ist und dass sie die Ahndung der Geschwindigkeitsüber­tretung vereitelt hat. Auch der Schätzung ihrer finanziellen Verhältnisse (1.000 Euro monatlich, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) hat die Bw nichts entgegenzuhalten vermocht.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann im Ergebnis nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgend einer Weise überschritten hätte. Die verhängte Strafe berücksichtigt die Kriterien des § 19 VStG, liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Straf­rahmens und hält general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand, sodass eine Strafherabsetzung in keiner Weise gerechtfertigt anzusehen war. Weitere Strafmilderungs- oder Erschwerungsgründe lagen nicht vor; § 20 VStG war mangels Untergrenze des Strafrahmens nicht anwendbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

 

Beschlagwortung:

103/2 KFG bst.

 

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