Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102629/3/Gf/Km

Linz, 10.03.1995

VwSen-102629/3/Gf/Km Linz, am 10. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 7. Kammer unter dem Vorsitz von Mag. Gallnbrunner und den Berichter Dr. Grof sowie den Beisitzer Dr.

Konrath über die Berufung des E. M., ..........., ........, vertreten durch RA Dr. W. M., ..........., .........., gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von ..... vom 2.

Februar 1995, Zl. VerkR96-4742-1994, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird; der Antrag auf Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wird hingegen abgewiesen.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Ersatz für Barauslagen noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Art. 6 Abs. 1 MRK i.V.m. § 51e Abs. 1 VStG; §§ 65 u. 66 Abs.

1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von .....

vom 2. Februar 1995, Zl. VerkR96-4742-1994, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 15.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 168 Stunden) verhängt, weil er am 29. November 1994 um 18.50 Uhr einen PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe; dadurch habe er eine Übertretung des § 5 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung, BGBl.Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 518/1994 (im folgenden: StVO), begangen, weshalb er gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Rechtsmittelwerber am 7. Februar 1995 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 21. Februar 1995 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde u.a. begründend aus, daß der Berufungswerber aufgrund einer Anzeige als Lenker ausgeforscht und zu Hause angetroffen haben werde können. Der daraufhin durchgeführte Alkomattest habe einen Wert von 1,17 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft ergeben. Einem Ladungsbescheid habe der Beschwerdeführer ebenso wie sein Rechtsvertreter der Aufforderung, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben, nicht Folge geleistet, weshalb das Verfahren ohne Anhörung durchzuführen und von der Erwiesenheit der Alkoholisierung des Beschwerdeführers zum Lenkzeitpunkt auszugehen gewesen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei eine einschlägige Vormerkung als erschwerend zu werten gewesen, während Milderungsgründe nicht hervorgekommen seien.

2.2. Dagegen bringt der Rechtsmittelwerber vor, zum Tatzeitpunkt keinen PKW gelenkt und sich daher auch nicht "beim Lenken eines KFZ" in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden zu haben. In der Anzeige des Gendarmeriepostens werde unter dem Punkt "Beweismittel" nämlich lediglich ausgeführt, daß eine "V-Person" Anzeige über den angeblichen Tatverlauf erstattet habe. Die belangte Behörde habe es in der Folge aber verabsäumt, jene "V-Person" durch zeugenschaftliche Einvernahme des Gendarmeriebeamten zu ermitteln, zumal diese Person nicht einmal behauptet habe, den Beschwerdeführer erkannt zu haben, wobei noch hinzukomme, daß der verfahrensgegenständliche PKW gar nicht auf den Berufungswerber zugelassen sei.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der BH ..... zu Zl.

VerkR96-4742-1994. Bereits aufgrund dieser Akteneinsicht hat sich ergeben, daß gemäß § 51e Abs. 1 VStG "der angefochtene Bescheid a u f z u h e b e n ist" (weshalb auch von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte), und zwar aus folgenden Gründen:

3.1. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 5 Abs. 1 StVO begeht - nur - derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 8.000 S bis zu 15.000 S zu bestrafen, der in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

Wesentliche Tatbestandsvoraussetzung ist demnach, daß die Lenkereigenschaft des bzw. die Inbetriebnahme durch den Beschuldigten erwiesen ist.

3.2. Hiezu ergibt sich aus der - im übrigen erst drei Tage nach der Tat verfaßten - Anzeige des Gendarmeriepostens Mauthausen an die belangte Behörde vom 2. Dezember 1994, Zl. P-1991/94, lediglich, daß eine "V-Person" 5 Minuten nach der um 18.50 Uhr begangenen Tat persönlich am Gendarmerieposten erschienen sei und unter Angabe des Tatortes, der Tatzeit, der Fahrzeugtype und des polizeilichen Kennzeichens Anzeige darüber erstattet habe, daß ein anderer Fahrzeuglenker "sehr langsam und äußerst unsicher (überfuhr mehrmals die Straßenmitte) gefahren" sei; bei einem Bahnviadukt sei er "beinahe über die do. Schutzinsel gefahren", weshalb er von der anzeigenden Person angehupt worden sei. Daraufhin habe der Beschuldigte "den Pkw ruckartig nach rechts gelenkt", sodaß er "auf den do. Gehsteig geraten" sei.

Deshalb sei die anzeigende Person "zum Gend. Posten gefahren. Ihrer Meinung nach sei der Fahrzeuglenker stark alkoholisiert" gewesen.

Aus dieser Anzeige ergibt sich weiters, daß der Beschuldigte "als fraglicher Fahrzeuglenker ..... ausgeforscht werden konnte", allerdings ohne jeglichen Hinweis darauf, aufgrund welcher Umstände die Gendarmerie gerade die Person des Berufungswerbers in Verdacht gezogen hat: Es findet sich nämlich weder ein Hinweis darauf, daß der Rechtsmittelwerber der Zulassungsbesitzer des verfahrensgegenständlichen KFZ ist, noch eine Andeutung dahin, daß ihn die anzeigeerhebende Person beim Lenken dieses KFZ erkannt hätte. Auch eine Gegenüberstellung ist bei dem ca. 1 Stunde nach der Tat durchgeführten Alkomattest nicht erfolgt.

Wie aus der Anzeige noch abschließend hervorgeht, hat der Alkomattest einen Wert von 1,17 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft ergeben, was einem Blutalkoholgehalt von 2,34 Promille entspricht, also einer starken Alkoholisierung gleichkommt.

Weiters ist der Beschuldigte der Durchführung des Alkomattestes nur zögernd ("nach mehrmaliger Aufklärung der Gesetzeslage") nachgekommen, hat er seine Trinkverantwortung mehrfach geändert und die Durchführung des Alkomattestes über eine halbe Stunde gedauert.

Aus der Anzeige geht insbesondere nicht - und zwar nicht einmal mittelbar ! - hervor, daß der Beschuldigte nach seiner im Tatzeitpunkt gegebenen Lenkereigenschaft überhaupt befragt worden wäre oder diese von sich aus zugegeben hätte.

Erwiesen ist daher - aufgrund des Alkomattestes - im vorliegenden Fall lediglich, daß der Berufungswerber um 20.06 Uhr, also eine Stunde und 16 Minuten nach der ihm angelasteten Tat, alkoholisiert war. Hiebei handelt es sich jedoch um kein strafbares Verhalten. Davon, daß weiters auch die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt als erwiesen anzusehen ist, was dessen Strafbarkeit gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO begründen würde, kann jedoch mangels jeglicher behördlicher Ermittlungen in diese Richtung, deren Fehlen mit der vorliegenden Berufung zu Recht gerügt wird, keine Rede sein.

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. statt vieler VwSen-260022 v. 6.7.1992) bereits mehrfach betont, daß es ihm schon von Verfassungs wegen verwehrt ist, substantielle Versäumnisse des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens aus eigenem zu substituieren und so die Rolle des unparteiischen Richters zu verlassen und stattdessen (auch) in die Position des Anklägers zu schlüpfen. Denn Art. 6 Abs. 1 MRK garantiert bei strafrechtlichen Anklagen ein "faires Verfahren", das den Anklageprozeß (vgl. Art. 90 Abs. 2 B-VG) und damit eine strikte Trennung der richterlichen von der anklagenden Funktion voraussetzt. Diese Rechtsansicht des Oö. Verwaltungssenates ist so zu verstehen, daß das Beweisverfahren nicht erst im Berufungsverfahren begonnen werden kann; denn ein vom unabhängigen Verwaltungssenat gemäß § 51g Abs. 1 VStG durchgeführtes Beweisverfahren kann von vornherein nur ergänzender bzw. korrigierender Art sein.

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG in diesem Lichte verfassungskonform interpretiert kann daher nur bedeuten, daß der unabhängige Verwaltungssenat in Fällen, wo einerseits das erstbehördliche Ermittlungsverfahren mit gravierenden Mängeln behaftet war, andererseits aber berechtigte Anhaltspunkte für die Täterschaft des Beschuldigten bestehen, zwar nicht zu einer Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 66 Abs. 2 AVG (die eine Fortführungspflicht für die Erstbehörde begründet), wohl aber zu einer Aufhebung des Bescheides (die für die Erstbehörde lediglich eine Fortführungsmöglichkeit bedeutet und wofür im übrigen auch schon die Textierung des § 51e Abs. 1 VStG zu sprechen scheint) berechtigt ist ohne daß damit gleichzeitig auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verbunden wird.

Dadurch ergibt sich auch kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die - wie etwa im Erkenntnis v. 4.9.1992, 92/18/0353, deutlich wird - ja davon auszugehen scheint, daß mit der Aufhebung eines Straferkenntnisses lediglich dann zugleich auch die Einstellung des Strafverfahrens untrennbar verbunden ist, wenn sich im Spruch des Erkenntnisses des unabhängigen Verwaltungssenates hinsichtlich der Frage der Verfahrenseinstellung keine gesonderte Aussage findet, während demgegenüber - abgesehen von der expliziten Aufnahme des Ausschlusses der Verfahrenseinstellung in den Spruch des Berufungsbescheides - eben durchaus Fallkonstellationen denkbar sind (und wozu infolge der gebotenen verfassungskonformen Interpretation auch die verfahrensgegenständliche zählt), in denen die Aufhebung des Straferkenntnisses durch den unabhängigen Verwaltungssenat nicht auch zugleich die notwendige Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zur Folge hat (vgl. z.B. VwGH v.

8.10.1992, 92/18/0391,0392).

3.4. Da im vorliegenden Fall auf der einen Seite zwar keine Beweise, aber immerhin gewichtige Indizien für die Lenkereigenschaft des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt vorliegen, andererseits aber ein erstbehördliches Ermittlungsverfahren nicht durchgeführt wurde, war sohin der gegenständlichen Berufung aus den genannten Gründen insoweit stattzugeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war; der Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens war demgegenüber abzuweisen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 65 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. G a l l n b r u n n e r

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