Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166472/10/Br/Th

Linz, 28.12.2011

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau Maga. X, vertreten durch die  Rechtsanwälte X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 05.10.2011, Zl. VerkR96-6395-2011/Her, nach der am 6. Dezember 2011 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

 

 

I.                  Die Berufung wird im Schuldspruch als unbegründet abgewiesen. Der Spruch hat jedoch in Abänderung zu lauten hat: "Sie haben am 13.07.2011 um 10:34 Uhr, als Lenkerin des PKW Toyota, mit dem Kennzeichen  X, auf der Autobahn A25 in Fahrtrichtung Wels, bei Strkm 6,900, zu einem vor Ihnen am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug lediglich einen zeitlichen Abstand von 0,39 Sekunden (12 m) eingehalten, sodass Ihnen im Falle eines plötzlichen Abbremsens des Vorderfahrezuges die Vermeidung eines Auffahrunfalles nicht möglich gewesen wäre."

          Die Geldstrafe wird jedoch auf 150 Euro und die    Ersatzfreiheitsstrafe auf 90           Stunden reduziert.

 

 

II.            Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 15 Euro; für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag; 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 111/2010 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 111/2010 - VStG;

Zu II. § 65  VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Übertretungen nach § 18 Abs.1 iVm 99 Abs.2c Z4 StVO 1960 eine Geldstrafe von € 250 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 144 Stunden  verhängt und wider sie folgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie haben zu einem vor Ihnen am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde. Es wurde mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,39 Sekunden festgestellt.

Tatort: Gemeinde Weißkirchen an der Traun, Autobahn Freiland, FR Wels, Nr. 25 bei km 6,900.

Tatzeit: 13.07.2011,10:34 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 99 Abs. 2c Ziffer 4 StVO iVm. § 18 Abs. 1 StVO

Fahrzeug: Kennzeichen X, PKW, Toyota."

 

 

1.1.       In der Begründung des Schuldspruches traf die Behörde erster Instanz nachfolgende Erwägungen:

Mit Bericht der Landesverkehrsabteilung vom 19.7.2011, GZ AI/31666/01/2011 wurde gegen den Lenker des KFZ X Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land erstattet. Gegen die darauf hin von der Behörde erlassene Strafverfügung vom 22. 7. 2011 hat die Beschuldigte fristgerecht Einspruch erhoben. In der Begründung dieses Einspruchs bestritt die Beschuldigte ausdrücklich, die ihr angelastete Übertretung begangen zu haben. Sie bezweifelte die Richtigkeit der Messung sowie der Berechung des als zu gering angelasteten Abstands. Ein Grund, warum es allenfalls zu einem geringeren Abstand gekommen sei, könne sein, dass ein anderer Pkw diesen durch dessen Fahrverhaften ausgelöst habe. Im Zuge dieses Fahrmanövers könne es kurzfristig zu einem geringeren Abstand gekommen sein, allerdings sei nicht vorstellbar, dass Sie nur 0,39 sek eingehalten hätten. Außerdem sei die Geldstrafe zu hoch bemessen, zu berücksichtigen sei, dass Sie noch nie ein derartiges Delikt begangen hätten.

 

In der im Zuge des behördlichen Ermittlungsverfahrens durchzuführenden Zeugeneinvernahme des Meldungslegers gab dieser unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht eine ausführliche Stellungnahme ab, erläuterte den Messvorgang und legte einen gültigen Eichschein des verwendeten Messgerätes vor.

 

Diese Zeugenaussage wurde der Beschuldigten in vollem Inhalt in Kopie zur Kenntnis gebracht, gleichzeitig der Eichschein, die Anzeige sowie Lichtbildbeilage vorgelegt und die Möglichkeit zur Abgabe einer abschließenden Rechtfertigung. Gleichzeitig wurde sie aufgefordert, Angaben zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen zu machen, damit diese bei der Strafbemessung berücksichtigt werden können.

 

In ihrer Stellungnahme vom 27.9.2011 erklärte die Beschuldigte eingangs, ihr sei dieser Vorgang nicht erinnerlich, offensichtlich sei sie relativ knapp aufgefahren, sie könne sich jedoch nicht vorstellen, dass der Abstand lediglich 0,39 sek. betragen habe. Zu den Aussagen des Meldungslegers gab sie an, diese seien für sie nicht nachvollziehbar, da die Messlinie des Radaufstandspunktes der Hinterachse des Vorfahrenden nicht auf den Fotos dargestellt sei. Sie beantragte daher die Einstellung des Strafverfahrens, in eventu die Strafe Schuld und Tat angemessen herab zu setzen.

 

Es wurden keine weiteren Beweisanträge gestellt, somit war das Verfahren war auf Grundlage des durchgeführten Ermittlungsverfahrens entscheidungsreif.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Beschuldigte hat als Lenkerin des Pkw X diesen am 13.7.2011 um 10.34 Uhr auf der A 25 bei km 6,9 im Gemeindegebiet von Weißkirchen/Traun in Richtung Wels gelenkt Dabei hat sie zu dem vor ihr am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, und zwar auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden würde. Es wurde mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,39 Sekunden festgestellt.

 

Dieser Sachverhalt ist nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens, welches nach dem Grundsatz der für ein Verwaltungsstrafverfahren geltenden Raschheit, Einfachheit und Zweckmäßigkeit geführt wurde, sowie der freien Beweiswürdigung als erwiesen anzusehen.

 

Zu den Entscheidungsgründen:

 

Gemäß § 18 Abs. 1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhaften möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Die Verwaltungsübertretung wurde mittels geeichtem Abstandsmessgerät VKS 3,1 festgestellt, die Anzeige in Zusammenhang mit der erfolgten zeugenschaftlichen Einvernahme des Meldungslegers ist schlüssig und nachvollziehbar. Der Zeuge hat ausführlich dargestellt, wie die Abstandsmessung sowie die Berechnung erfolgt, hat Lichtbilder vorgelegt sowie die gültige Eichung des Gerätes nachgewiesen.

 

Auch die Beschuldigte hat nach Besichtigung dieser Lichtbilder anerkannt, dass sie offensichtlich dem Vorfahrenden relativ knapp aufgefahren war, hingegen sei das Berechnungsergebnis von 0,39 Sekunden nicht vorstellbar. Dies begründete sie mit dem Fehlen der in der Zeugeneinvernahme erwähnten Linie (Radaufstandspunke für die Ermittlung des Achsenabstandes des Vorderfahrzeuges), sowie dem Zweifel dass die weiteren Linien richtig gezogen worden seien.

 

Wirt diesen Aussagen kann sie nichts für sich gewinnen, zumal der Meldungsleger in seiner Zeugenaussage darauf hingewiesen hat, mit der Handhabung der Geräte völlig vertraut und ausreichend geschult zu sein. Auch ist der Behörde bekannt, dass der Beamte der Verkehrsabteilung OÖ. ausschließlich in der Verkehrsüberwachung auf Autobahnen eingesetzt ist und bereits jahrelange Praxis in der Durchführung von Abstandskontrollen hat.

 

Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss, unter Berücksichtigung aller gegebenen Umstände, wie etwa Straßen- und Sichtverhältnisse ein rechtzeitiges Anhalten auch bei überraschenden Bremsmanövern des davor Fahrenden möglich sein. Wiederholt erkannte er, dass der nötige Abstand, solange nicht besondere Umstände hinzutreten, etwa der Länge des Reaktionsweges (Sekundenweges, die während der Reaktionszeit zurückgelegte Strecke, wobei als Reaktionsweg die Zeit vom Erkennen einer Gefahr bis zum Beginn der Bremshandlung gilt) entsprechen muss, das sind in Metern 3/10 der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit und entspricht in etwa einer Sekunde.

Der Reaktionsweg spielt deshalb eine so bedeutende Rolle, weil auf dieser Strecke keine Geschwindigkeit abgebaut wird. Zwar ist die sogenannte Schrecksekunde in vieler Munde, welche Strecken aber in dieser Zeit ungebremst zurück gelegt werden, wissen nur sehr Wenige. Deshalb empfiehlt das Kuratorium für Verkehrssicherheit und auch die Fahrschulen einen Mindestabstand von 2 Sekunden, da bei längeren monotonen Fahrten sich der Reaktionsweg bis zu 2,5 Sekunden verlängern kann.

 

Dies bedeutet konkret, dass der empfohlene erforderliche Reaktionsweg bei einer Geschwindigkeit von 112 km/h bei 67,2 Meter liegt und der gesetzlich, erforderliche (um sich nicht strafbar zu machen) sich mit 33,6 Meter ergibt. Sie haben jedoch nur ca. 12 Meter eingehalten. Wenn man weiters erwägt. dass der einzuhaltende Mindestsicherheitsabstand der Reaktionszeit von einer Sekunde (bei optimalen Bedingungen) gleichzuhalten ist, ergibt sich, dass ein Sicherheitsabstand von nur 0,39 Sekunden den Ihnen zur Last gelegten Tatbestand verwirklicht.

 

Die vom Verkehrskontrollsystem der Marke VKS3.1 errechnete Sekundenanzahl ergibt sich aus der Messung der Geschwindigkeit des Vorfahrenden, Ihrer Fahrtgeschwindigkeit und des Abstandes der Fahrzeuge über eine bestimmte Wegstrecke. Die Geschwindigkeit wird immer zu Gunsten des Beschuldigten abgerundet und der Abstand immer aufgerundet, da der Messpunkt der Radaufstandspunkt der ersten Achse ist und dadurch der gemessene Abstand nicht der tatsächliche Abstand (Heck des Vorfahrenden zur Front des Nachfahrenden) ist, das heißt konkret, dass Sie daher maximal 0,39 Sekunden eingehalten haben.

 

Zusammenfassend wird festgehalten, dass das Beweisergebnis ( die Zeugenaussage der Beschuldigten, die Anzeige samt Lichtbilder, der Eichschein) schlüssig ist und keinen Zweifel an der Richtigkeit des Messergebnisses aufkommen lassen. Demgegenüber waren die Angaben der Beschuldigten als reine Schutzbehauptung zu qualifizieren, um einer Bestrafung zu entgehen oder ein Verschulden an der Übertretung auszuschließen.

 

Zum Unrechtsgehalt der Tat wird ausgeführt, dass ein zu geringer Sicherheitsabstand neben einer zu hohen Geschwindigkeit eine der Hauptursachen von Verkehrsunfällen darstellt. Gerade auf Autobahnen, wo sich die Fahrzeuge naturgemäß mit höheren Geschwindigkeiten bewegen, ist die Kombination mit zu geringem Sicherheitsabstand die Gefahrenquelle schlechthin und begründet sich It. Statistik jeder zweite Verkehrsunfall auf Autobahnen auf zu geringem Abstand. Somit ist erwiesen, dass der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ein erheblicher Schuld- und Unrechtsgehalt zugrunde liegt.

Der Schwere der angelasteten Übertretung hat der Gesetzgeber zusätzlich dadurch Rechnung getragen, dass eine obligatorische Eintragung des Deliktes im Führerscheinregister vorzunehmen ist.

 

Tatsächlich zeigen die der Beschuldigten vorgelegten Fotos Lichtbildauszüge aus diesem Video und dokumentieren diese die gegenständliche Übertretung zusätzlich zur Anzeige. Aus Gründen der Raschheit, Einfachheit und Zweckmäßigkeit war von der Vorführung des Videos abzusehen. Selbstverständlich ist dieses Video als Beweismittel für ein ev. Berufungsverfahren vorhanden.

 

Zur Strafbemessung:

 

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Im ordentlichen Verfahren (§ 40 bis 46) sind gemäß § 19 Abs. 2 VStG überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtssprechung des VwGH ist es nicht rechtswidrig, wenn die Behörde ein nicht unerhebliches Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung bzw. Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, annimmt, soll die verhängte Strafe doch einen spürbaren Nachteil darstellen, um Sie in Hinkunft zur Aufbringung jener Sorgfalt zu ermahnen, die im Straßenverkehr erforderlich ist.

 

Bei der Strafbemessung im Sinne des § 19 VStG waren mangels konkreter Angaben von der unwidersprochen gebliebenen Schätzung der Behörde (2000,- €/mtl. netto, keine Sorgepflichten, kein Vermögen) auszugehen. Straferschwerend war kein Umstand zu werten, strafmildernd war die bisherige Unbescholtenheit im hsg. Verwaltungsbezirk zu werten.

Die verhängte Geldstrafe erscheint unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände schuld- und unrechtsangemessen.

Die Höhe der Geldstrafe scheint ausreichend, um Sie in Hinkunft von der Übertretung dieser Normen abzuhalten.

 

Die Entscheidung über die Kosten des Strafverfahrens gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle."

 

 

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerberin  mit folgenden Berufungsausführungen:

In umseits bezeichneter Verwaltungsstrafsache ist meinen rechtsfreundlichen Vertre­tern das Straferkenntnis vom 5.10.2011, Gz. VerkR96-6395-2011, am 13.10.2011 zugestellt worden.

 

Mit dem Straferkenntnis wurde ich schuldig befunden, zu einem vor mir am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten zu haben, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde. Es sei mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,39 Sekunden festgestellt worden. Dies sei am 13.7.2011 gg. 10.34 Uhr in der Gemeinde Weißkirchen an der Traun, Autobahn Freiland , FR Wels, Nr. 25 bei Km 6.900 geschehen. Dadurch hätte ich § 99 Abs. 2c Zif. 4 StVO in Verbin­dung mit § 18 Abs. 1 StVO verletzt.

 

Über mich wurde eine Geldstrafe von EUR 250,-- sowie ein Verwaltungskostenbei­trag von EUR 25,-- verhängt.

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhebe ich binnen offener Frist

 

Berufung

 

und stelle den Antrag, der unabhängige Verwaltungssenat für Oberösterreich möge das angefochtene Straferkenntnis vom 5.10.2011, Gz. VerkR96-6395-2011 nach Durchführung einer Berufungsverhandlung ersatzlos aufheben und das Verfahren einstellen.

 

Meine Anträge begründe ich im einzelnen wie folgt:

 

Bereits im Einspruch habe ich dargelegt, dass ich die Richtigkeit der vorgenomme­nen Messung bezweifle.

 

Auch wenn der Meldungsleger in seiner Zeugenaussage darauf hingewiesen hat, mit der Handhabung der Geräte völlig vertraut und ausreichend geschult zu sein, so ist doch darauf hinzuweisen, dass dieser nach seinen eigenen Angaben mehrere händi­sche Schritte am Messgerät zu vollziehen hatte. So musste der Meldungsleger mit Mausklick die am Bildschirm eingeblendete Messlinie zuerst am Radaufstandspunkt an der Vorderachse des nachfahrenden und dann am Radaufstandspunkt an der Vorderachse des Vorfahrenden fixieren. Anschließend muss dieser noch eine opti­sche Messlinie am Radaufstandspunkt der Hinterachse des Vorfahrenden fixieren. Darüber ergibt sich dann der gemessene Wert. Diese Schritte sind offensichtlich, wie der Meldungsleger selbst ausführt, mit Mausklick vorzunehmen. Alleine daraus ergibt sich eine große Ungenauigkeit.

 

Mit der gemessenen Geschwindigkeit von 112 km/h fuhr ich ca. 31 m/sek. Wenn nun das Messgerät händisch mit Mausklick zu bedienen ist, so nimmt der entsprechende Klick bzw. allenfalls auch die zuvor notwendige Ausrichtung der Maus zumindest 0,5 sek. in Anspruch. In dieser halben Sekunde habe ich mich aber mit der Geschwindig­keit von 112 km/h rund 15 m bewegt.

 

Alleine diese Ausführungen zeigen, dass die Messung nicht genau vorgenommen werden konnte.

 

Auch ist auf den mir zur Verfügung stehenden Bildern zu sehen, dass die angespro­chene Linie gar nicht genau am Radaufstandspunkt eingezeichnet werden konnte. Bezweifelt wird, dass wirklich beide Linien genau am Radaufstandspunkt gezogen werden konnten.

 

Aus diesem Grund kann von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land der dem Straf­erkenntnis zu Grunde gelegte zeitliche Abstand von 0,39 sek nicht herangezogen werden. Er ist mit so großer Unsicherheit behaftet, dass nicht auszuschließen ist, dass ich z.B. mit 0,41 m/sek-Abstand gefahren bin oder tatsächlich auch noch mehr. In diesem Fall wäre allerdings schon eine andere Rechtsvorschrift verletzt worden.

Die mir zur Last gelegte Verwaltungsübertretung habe ich daher nicht begangen.

 

Beweis: PV

Vernehmung X, p.A. LPK Oberösterreich

 

Mag. X"

 

 

3. Da  keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der  Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsver­handlung war hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten.

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung der Inhalte der erstbehördlichen Verfahrensakte im Rahmen der Berufungsverhandlung. In Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurden die mit der Anzeige übermittelten Fotos dem Amtssachverständigen Dipl.-Ing. (FH) X übermittelt und von diesem nach Beischaffung der Videosequenz sowie deren ausführlichen Erörterung, dies unter Einbeziehung des Mess- u. Auswertungssystems, nachgerechnet. Die Berufungswerberin nahm rechtsfreundlich vertreten an der Berufungsverhandlung persönlich teil. Die Vertreterin der Behörde erster Instanz nahm laut Mitteilung vom 19.12.2011 entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht teil.

Zuletzt stellte die Berufungsbehörde noch eine Anfrage bei Bezirkshauptmannschaft Melk betreffend dortiger Vormerkungen.

 

 

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

Textfeld:  Gemäß den Anzeigefakten und dem Ergebnis der Berufungsverhandlung ist gesichert, dass der Berufungswerberin  zumindest zwölf Sekunden in einem sichtbar gleichbleibenden Abstand zu einem vor ihr befindlichen Pkw sehr knapp aufschließend unterwegs ist. Dies bei einer errechneten und verkehrsfehlerberichtigten  Fahrgeschwindigkeit von 112 km/h. Die messtechnische Auswertung ergab in der Messphase, unter Berücksichtigung sämtlicher Mess- u. Verkehrsfehler zu Gunsten der Berufungswerberin,  einen Sicherheitsabstand von ~ zwölf Meter, was einem zeitlichen Abstand von 0,39 Sekunden entspricht. Zwischen den beiden Fotos liegt eine Zeitspanne von etwas mehr als zwei Sekunden. Am beigeschafften Video ist die Berufungswerberin insgesamt zehn  Sekunden im augenscheinlich gleichbleibenden Abstand zum Vorderfahrzeug sichtbar. 

Dieser Abstand lässt sich neben dem vom Amtssachverständigen ausführlich erörterten Messsystem, eichrechtlich und zwischenzeitig auch durch die Judikatur gesichert, auch durchaus schlüssig aus der Videodokumentation in visueller Beurteilung plausibel nachvollziehen (siehe Foto 1 u. 2 aus Anzeige; Pfeil = KFZ der Berufungswerberin).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass dieses Beweisergebnis auf die eichamtlich anerkannte Messmethode mittels dem Verkehrs-Kontroll-System, Version 3.1 (kurz: VKS 3.1) gestützt ist. Dies wurde auch vom Meldungsleger  nachvollziehbar mit seiner Zeugenaussage im erstinstanzlichen Verfahren am 29.8.2011 zutreffend aufgezeigt. 

Aus der hier verfügbaren Gebrauchsanweisung der Version VKS 3.0 wird an dieser Stelle unter Punkt 1.4.1 zur Genauigkeit der Abstandsmessung Folgendes zitiert:

"Grundlage der Abstandsmessung ist die perspektivische Transformation. Bei der “Passpunkteingabe“ werden acht Transformationsparameter berechnet. Mit diesen Parametern werden dann mit der unten dargestellten Formel anvisierte Videopunkte (Messrasterkoordinaten) in Fahrbahnkoordinaten umgerechnet. 

 

 

 

 

Hierbei sind :

                 a1 - a8 die Transformationsparameter

                 X,Y Fahrbahnkoordinaten

                       x, y Messrasterkoordinaten

 

Als gemessene Größen gehen die Messrasterkoordinaten in diese Berechnung ein. Sie werden in Form eines Fadenkreuzes/einer Messlinie in das Video projiziert. Für die mit dem Fadenkreuz/der Messlinie anvisierten Punkte werden die entsprechenden Fahrbahnkoordinaten umgerechnet.

Die Genauigkeit des Anvisierens ist abhängig von der Position des Fadenkreuzes/der Messlinie im Video ( siehe Abb. 1.6). Der Verzeichnungseinfluss des Objektivs liegt bei den verwendeten Brennweiten weit unter der Fadenkreuzdicke und ist für die Genauigkeit der Messung vernachlässigbar. Die vom Fadenkreuz oder der Messlinie überstrichene Breite ist abhängig von der Aufnahmeposition, diese Breite wird vom VKS 3.0-Programm situationsbezogen berechnet.

Je weiter das Fadenkreuz die Messlinie im Videobild in Richtung der Passpunkte 2 und 3 bewegt wird, desto größer wird der von der Fadenkreuzbreite/Messlinienbreite verdeckte Fahrbahnabschnitt. Bei jeder einzelnen Abstandsmessung wird die Breite der Messlinie an beiden Messpunkten vom VKS 3.0-Programm berechnet und angezeigt. Bei der Messung wird jeweils der günstigste Wert berücksichtigt.

Im VKS 3.0-Programm müssen mindestens zwei Abstandsmessungen durchgeführt werden, wobei die längste Abstandsmessung zur weiteren Auswertung herangezogen wird.

Bei der Abstandsmessung von zwei aufeinanderfolgenden Fahrzeugen wird der Abstand der Radaufstandpunkte der Vorderachsen gemessen. Mit einer besonderen Funktion bei der Auswertung kann die Fahrzeuglänge berücksichtigt werden ( siehe 5.9.1 ).

Der auf diese Weise ermittelte Abstand ist erheblich größer als der tatsächliche Abstand."

 

 

4.1. Im Rahmen der Berufungsverhandlung erklärte der Amtssachverständige die von ihm abermals vorgenommene Auswertung des Videos, wobei sich rein rechnersich ein Sicherheitsabstand von nur 0,36 Sekunden ergeben würde. Unter Zugrundelegung sämtlicher Auswertungsansätze und numerische Aufrundungen zu Gunsten der betroffenen Lenkerin folgte letztlich der Zeitwert von 0,39 Sekunden. Der Sachverständige schloss definitiv aus, dass etwa noch eine weitere hunderstel Sekunde. Nicht übersehen wird, dass just dieser Sekundenbruchteil den Eintrag einer Vormerkung im Führerscheinregister im Sinne des § 30a Abs.1 Z5 FSG bedingt.

 

 

4.2. Beweiswürdigung:

Die Darstellung der Auswertungsergebnisse seitens des  Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) X überzeugten. Sie finden sich nicht nur im Einklang mit der zum gleichen Ergebnis führenden Auswertung des Anzeigelegers. Auch am Video war augenscheinlich nachvollziehbar, dass die Berufungswerberin zumindest zehn Sekunden in gleichem Abstand dem Vorderfahrzeug folgte. Auch die Fahrgeschwindikgeit des Vorderfahrzeuges wurde vom Sachverständigen ausgewertet, wobei sich eine um drei Stundenkilometer höhere Fahrgeschwindigkeit ergeben hat.

Auf dem Video ist ein störungsfreier Verkehrsfluss sowohl auf der rechten Spur als auch auf der Überholspur ersichtlich, welche empirisch besehen eine plötzliche Bremssituaiton eines Vorderfahrzeuges kaum erwarten lässt.

Die Berufungswerberin beteuerte im Rahmen der Berufungsverhandlung diesen Fehler. Sie verwies auf ihre bislang tadelfreie umfangreiche Fahrpraxis von jährlich etwa 35.000 km seit nunmehr achtzehn Jahren.  Die Anfrage im Führerscheinregister bei der Bezirkshauptmannschaft Melk bestätigte die bisher unbeanstandete Verkehrsteilnahme der Berufungswerberin. Dieses Fehlverhalten ist daher wohl tatsächlich als Ausnahme zu sehen, sodass der Berufungswerberin dieser Regelverstoß als erstmaliges und durchaus glaubhaft unabsichtlich unterlaufenes  Fehlverhalten gewertet werden kann.  Zuletzt zeigte sich die Berufungswerberin  im Rahmen der Berufungsverhandlung problembewusst und im Ergebnis schuldeinsichtig.

Dies unterstrich sie insbesondere auch mit ihrer persönlichen Anreise zur Berufungsverhandlung.

 

 

5.1. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 18 Abs.1 Straßenverkehrsordnung 1960 hat die Lenkerin eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihr fahrendem Fahrzeug einzuhalten, dass ihr jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde. Zur Messung an sich ist zu sagen, dass es sich hierbei um ein anerkanntes Messverfahren handelt (vgl. VwGH 21.9.2006, 2006/02/0074, womit etwa ein h. Erk. v. 31.1.2006, Zl. VwSen-161056/6/Br/Se, als rechtmäßig festgestellt wurde).

Ein plötzliches Abbremsen eines Vorderfahrzeuges – was hier aus der Verkehrssitution kaum anzunehmen gewesen ist -  würde angesichts einer solchen Situation mit höchster Wahrscheinlichkeit zu einem Auffahrunfall führen, weil selbst bei der kürzest annehmbaren Reaktionszeit von weniger als 0,4 Sekunden nicht mehr unfallvermeidend reagiert werden hätte können (vgl. VwGH 30.9.1999, 98/02/0443). Eine Reaktionszeit von nur 0,5 Sekunden ist unter Hinweis auf diesbezüglich gesicherte sachverständige Erkenntnisse nur als theoretisch mögliche, in der Verkehrsrealität gilt jedoch eine Reaktionshandlung unter 0,7 Sekunden als nicht realistisch (s. unten vielen h. Erk. v. 26.2.2008, VwSen-162603/8/Fra/Sta u. vom 16.2.2004, VwSen-109509/7/Br/Be).

Beim Hintereinanderfahren im Sinne des § 18 Abs.1 StVO genügt "in der Regel" ein dem mit einer Sekunde anzunehmenden Reaktionsweg entsprechender Sicherheitsabstand; dies aber nur wenn nicht besondere Umstände einen größeren Abstand geboten erscheinen lassen. Der Reaktionsweg beträgt in Metern drei Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h (VwGH 5.5.2006, 2003/03/0299 mit Hinweis auf VwGH 23.10.1986, 86/02/0081).

Nach der o.a. Formel hätte demnach im gegenständlichen Fall, wie auch die Erstbehörde dargelegt hat, der Sicherheitsabstand zumindest etwas mehr als 31 m zu betragen gehabt.

 

 

6. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis  35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden

 

 

6.1. Betreffend die auf den Tatvorwurf nach § 18 Abs.1 StVO getätigte Strafzumessung kann gesagt werden, dass ein zu knapper Sicherheitsabstand empirisch belegt vielfach unfallursächlich ist. Andererseits ist das Fehlverhalten der Berufungswerberin sichtlich durch das als starrsinnig zu bezeichnende späte Umspuren des Vorderfahrzeuges begründet zu sehen. Dies mag in der Umspurerwartung das vorübergehend zu knappe Auflaufen der Berufungswerberin begünstigt haben. Dies entschuldigt aber keineswegs, zumal es bloß eines Weggehens vom Gas bedurfte hätte um den Abstand unverzüglich zu vergrößeren.

Auf Grund der bisher gänzlichen Unbescholtenheit, der Schuldeinsichtigkeit, sowie der Präventionswirkung der zusätzlich als "Sanktion" zu empfindenden Eintrag im Führerscheinregister kann auch mit der nunmehr verhängten Strafe das Auslangen gefunden werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

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