Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401119/17/Wg/Jo

Linz, 05.01.2012

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde des X, geb. X, vertreten durch die X, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck in der Zeit von 16. Mai 2011, 17.00 Uhr bis 8. Juli 2011 um 07.17 Uhr, zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit von 16. Mai 2011, 17.00 Uhr bis 8. Juli 2011 um 07.17 Uhr rechtswidrig war.

 

II.                Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer Kosten in der Höhe von insgesamt 750,80 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 83 Fremdenpolizeigesetz (FPG); § 67c Abs.3 AVG; § 69a AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Der Bezirkshauptmann von Vöcklabruck hat mit Bescheid vom 10. Februar 2011 (gemeint: 9. Mai 2011), Sich40-1535-2011, über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) gemäß § 76 Abs 2 Z 1 FPG iVm § 80 Abs 5 FPG und § 57 AVG zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt. In der Begründung führt die Behörde aus, dass der Asylantrag des Bf mit Bescheid des Bundesasylamtes Erstaufnahmestelle West vom 6. Mai 2011 wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen worden sei. Mit gleichem Bescheid sei der Beschwerdeführer durchsetzbar gemäß § 10 Asylgesetz nach Italien ausgewiesen worden. Die Ausweisung sei am 9. Mai 2011 um 09.57 Uhr zugestellt worden. Es liege eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung gem § 10 AsylG (§ 76 Abs 2 Z 1 FPG) vor. Eine Rückkehr nach Italien als den für ihn zuständigen Mitgliedsstaat habe der Bf zu jedem Zeitpunkt klar negiert und sich entschieden gegen eine Rückbringung in diesen Mitgliedstaat ausgesprochen. Er sei in Italien anerkannter Flüchtling und habe auch in der Schweiz, in Norwegen und Schweden Asylanträge mittlerweile gestellt. Seiner Handlungsweise sei zu entnehmen, dass er offenkundig kein konkretes Reiseziel habe. Es scheine jeder Staat recht zu sein, in dem er versorgt würde. In diesen Staaten würde er sich offensichtlich so lange aufhalten, als er versorgt würde. Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass er – nach einem neuerlichen Abtauchen in die Anonymität – dem österreichischen Staat finanziell zur Last fallen könnte. Für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verfüge er nicht über ausreichende Barmittel.

 

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 6. Juli 2011, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 8. Juli 2011. Der Beschwerdeführer stellt darin die Anträge, der Unabhängige Verwaltungssenat für Oberösterreich möge die Schubhaftverhängung durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck sowie die gesamte bisherige Anhaltung des Beschwerdeführers für rechtswidrig erklären, feststellen, dass die Voraussetzungen für die Fortdauer der Anhaltung des Bf in Schubhaft nicht vorliegen, sowie erkennen, der Bund bzw. die belangte Behörde sind schuldig, die dem Bf durch das Verfahren entstandenen Kosten in verzeichneten gesetzlichem Ausmaß (750,80 Euro) zu Handen der Rechtsvertreter binnen zu bestimmender Frist bei sonstigem Zwang zu ersetzen. Begründend wird ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, warum die nach Folge einer – vom Bf zudem unbekämpft gelassenen – Ausweisung vorzunehmende Abschiebung des Bf nach Italien bereits fast zwei Monate in Anspruch nehme. Aufgrund der von den am Verfahren beteiligten Behörden offenkundig zu vertretenden Verzögerungen erweise sich die Schubhaft als mittlerweile unverhältnismäßig. Der Verhängung von Schubhaft habe grundsätzlich das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes zugrunde zu liegen. Der Bf habe sich aus freien Stücken nach seiner Einreise nach Österreich an die Erstaufnahmestelle des Bundesasylamtes begeben, um seinen Asylantrag einzubringen, er sich in der Folge keiner Verfahrensanordnung im Zulassungsverfahren und auch der im Anschluss an die Übernahme des zurückweisenden Bescheides erfolgten Festnahme nicht widersetzt. In gleicher Weise erweise sich auch die als Begründung der Behörde vorgebrachte Mittellosigkeit des Bf als ungeeignetes Kriterium, den Sicherungsbedarf im gegenständlichen Fall zu untermauern. Die Anhaltung des Bf in Schubhaft sei unverhältnismäßig und somit rechtswidrig. Im Übrigen sei erwähnt, dass für den Fall des berechtigten Vorliegens eines allfälligen Sicherungsbedarfs die belangte Behörde mit der Anwendung gelinderer Mittel ein Auslangen hätte finden müssen. Der Bf hat mit Schriftsatz vom 28. September 2011 den Beschwerdegegenstand auf den Zeitraum ab 16. Mai 2011, 17.00 Uhr eingeschränkt, im übrigen Umfang aber vollinhaltlich aufrecht erhalten.

 

Die belangte Behörde legte den bezughabenden Verfahrensakt vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die vorliegende Schubhaftbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Der Behörde sei völlig unklar, weswegen sich der Bf nach erfolgter Rückführung und nicht während der Anhaltung über die Schubhaft beschwere. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck sei keineswegs untätig geblieben und habe mit allen bestehenden Möglichkeiten auf eine kurze Anhaltung in Schubhaft hingewirkt. Dies belege auch die Aktenlage, nachdem folglich des rechtskräftigen Abschlusses des Asylverfahrens (13. Mai 2011) bereits am 16. Mai 2011 Italien offiziell zur Rückübernahme angefragt worden sei. Eine erste Urgenz an Italien sei bereits 10 Tage später erfolgt, am 26. Mai 2011. Daraufhin habe die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck nach mehrfachen telefonischen Urgenzen und Ersuchen via dem BMI Abteilung 2/3 die Einschaltung eines Verbindungsbeamten in Italien erwirkt. Am 16. Juni 2011 sei die erste Mitteilung des Verbindungsbeamten in Italien über das vorliegende Zwischenergebnis erfolgt. Am 28. Juni 2011 sei seitens der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck eine neuerliche Urgenz erfolgt, worauf am 30. Juni 2011 die Übermittlung der Zustimmung von Italien erfolgt sei. Ohne jeglichen Zeitverlust habe die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck sofort die Abschiebung zum nächstmöglichen Flugtermin nach Mailand eingeleitet. Zu beachten sei dabei die erforderliche Ankündigungsfrist an Italien gewesen, weshalb der Flug "erst" am 8. Juli 2011 möglich gewesen sei. Diese Kenntnisse seien wöchentlich, mehrmals auch zweimal wöchentlich dem Bf über die Schubhaftbetreuung, Frau X der Caritas X, zur Kenntnis gebracht worden. Dies könne Frau X auch jederzeit bezeugend bestätigen. Die Begründung der Beschwerde falle aber auch schon dahingehend ins Leere, zumal Zeitverzug einer Überstellung nach Italien nicht der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, sondern vielmehr dem Bf zum Zurechnen sei. Als Fremder sei der Bf zur Mitführung eines Einreise- und Aufenthaltsdokumentes verpflichtet. Hätte der Bf ordnungsgemäß seine Aufenthaltsbewilligung von Italien (per messo) mitgeführt, so hätte die Überstellung auch sofort ohne weiteren Rückübernahmeersuchen an Italien durchgeführt werden können. Doch ohne gültigen Einreisedokument oder Aufenthaltsdokument sei eine Rückführung in einem Mitgliedsstaat ohne Ankündigung und Durchlaufen des Rückübernahmeabkommens nicht möglich. Darüber hinaus sei sich der Bf über die Abfolge bereits im Vorfeld sehr bewusst gewesen, denn sei dies schließlich nicht seine erste illegale Auslandsreise innerhalb der Europäischen Union. Somit sei es umso mehr dem Fremden anzulasten, dass er bewusst seine italienische Aufenthaltsbewilligung wiederum nicht mitgeführt und eine Rückführung somit vom Beginn an nicht nur zeitlich hinausverzögert, sondern auch erschwert habe.

 

In der Stellungnahme vom 3. Oktober 2011 führte die belangte Behörde aus, es sei nicht möglich einen Fremden ohne Ausweis formlos an die italienische Grenze zu überstellen, auch wenn dieser in Italien anerkannter Asylant sei und sich zur freiwilligen Ausreise bekundet habe. Die italienischen Verbindungsbeamten hätten ausdrücklich hervorgehoben, dass anerkannte Asylanten ohne jeglichem Ausweis nur unter vorheriger Zustimmung und Ankündigung zur Einreise berechtigt seien. Es sei nicht verständlich, weswegen die belangte Behörde mit vorliegender Ansicht zu illegalem Handeln aufgefordert werde. Doch gesetzt den Fall der zufälligen Grenzkontrolle durch die italienischen Behörden würde es zur Einreiseverweigerung durch die italienischen Sicherheitsorgane und zum Rückverweis nach Österreich kommen. Dem nicht genug, könnte ein derartiges illegales Handeln auch zu einem zwischenstaatlichen Konflikt führen. Die Passpflicht für Fremde bei der Einreise sei jeweils im nationalen Recht geregelt. Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zukomme und die über kein gültiges Reisedokument verfügen würden, aber ihre Identität glaubhaft machen können, dürfte ungeachtet ihrer Verantwortlichkeit nach den §§ 120 und 121 FPG die Einreise nicht verweigert werden. Der BF sei ohne jegliche Dokumente illegal von Italien kommend nach Österreich eingereist und habe der Bf bis zuletzt über kein Dokument verfügt, mit welchem er seine Identität am Grenzübergang glaubhaft darbringen hätte können. Die Abgabe von Fingerabdrücken sei hierbei nicht relevant, es gehe um das glaubhafte Darbringen der Identität am Grenzübergang. So sei es selbst in Österreich nicht zweifelsohne ohne jeglicher Erfordernisse und Identitätsbelegung möglich, jederzeit nach Österreich einzureisen. Entsprechend der Mitteilung der italienischen Behörden werde eine Einreise anerkannter Flüchtlinge ohne Reisedokument nicht geduldet, sofern diese nicht über das Dublinbüro oder der Kontaktstelle angekündigt seien. Es könne daher durch den UVS Oö. die Fremdenbehörde nicht aufgefordert werden, sich illegal zu verhalten und möglicherweise zwischenstaatliche Beziehungen zu gefährden. Was nun die Anhaltung seit der Deklaration der freiwilligen Ausreise nach Italien betreffe, so sei darauf hinzuweisen, dass ab diesem Zeitpunkt in zweierlei Hinsicht die Gefahr des Entzugs des fremdenpolizeilichen Verfahrens und der Überstellung nach Italien bestehe. Einerseits gesetzt den Fall, dass mit der Deklaration der freiwilligen Ausreise die Entlassung aus der Schubhaft angestrebt werde und der Fremde tatsächlich aber nicht die freiwillige Ausreise anstrebe, sondern mit der Entlassung aus der Schubhaft in die Anonymität abtauche. Auch diese Fälle würden gegenüber der BH Vöcklabruck keine Seltenheit darstellen. In zweiter Hinsicht würde der Fremde tatsächlich so schnell als möglich ausreisen wollen und diesem Willen – illegal und unberechtigt – sofort nach der Entlassung aus der Schubhaft nachkommen. Es schlage daher die dortige Begründung vollkommen fehl, vorweg davon zu sprechen, dass ab dem 16. Mai 2011, ab der Deklaration der freiwilligen Ausreise nach Italien kein Sicherungsbedarf mehr bestehe und die Schubhaft rechtswidrig sei. Der Sicherungsbedarf sei unverändert, wenn nicht mehr denn je zur Sicherung der Ausreise. Und zwar nicht zu vergessen, zur Sicherung der rechtskonformen, legalen, geduldeten und vor allem nachvollziehbaren Ausreise nach Italien. Sofern der Bf vorzeitig tatsächlich seine freiwillige Ausreise beabsichtigt hätte, so hätte jederzeit die Möglichkeit bestanden, sich ein gültiges Dokument aus Italien übermitteln lassen zu können. Mit einem gültigen Dokument wäre auch zu keinem Zeitpunkt einer Überstellung zum Grenzübergang und freiwillige Einreise nach Italien im Wege gestanden. Es wurde daher die vollständige, kostenpflichtige Abweisung der vorliegenden Beschwerde beantragt. Sofern diese Ansicht nicht geteilt und an einer teilweisen Stattgebung der Beschwerde festgehalten würde, so werde eine mündliche Verhandlung unter Beziehung einer auskunftsfähigen Person von einem Verbindungsbüro zu Italien oder einer Person der zuständigen Stelle des BMI beantragt.

 

 

Der Verwaltungssenat stellt folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

 

Der Beschwerdeführer wurde am X geboren und ist Staatsangehöriger des Iran. Er stellte am 19. Juli 2007 in Italien, am 8. Mai 2009 in der Schweiz, am 15. Oktober 2009 in Norwegen und am 19. Mai 2010 in Schweden Asylanträge. Aus der Bestätigung des italienischen Innenministeriums vom 13. April 2011 hervor, dass der Bw in Italien anerkannter Flüchtling ist.

 

Aus seiner niederschriftlichen Einvernahme im Asylverfahren am 24. März 2011 geht hervor, dass er am 23. März 2011 von Italien kommend nach Österreich eingereist ist. Im Jahr 2006 verließ er mit Hilfe gefälschter Dokumente X nach Mailand/Italien. Er erhielt von einem Schlepper einen gefälschten Reisepass mit einem marokkanischem Visum, damit er den Iran verlassen konnte. Ihm wurde eigenen Angaben zufolge sein Reisepass vom ETELAAT entzogen und ein Ausreiseverbot ausgesprochen. In Mailand hat er gleich am Flughafen einen Asylantrag gestellt. Nach ca. 7 Monaten erhielt er einen positiven Bescheid. Er hielt sich bis 2009 in verschiedenen Städten in Italien auf. Da er eigenen Angaben zufolge jedoch obdachlos gewesen sei und keine Arbeit oder medizinische Versorgung gehabt hätte, beschloss er, Italien zu verlassen. Er verließ Italien und fuhr in die Schweiz. In Basel stellte er einen Asylantrag. Ihm sei dann gesagt worden, dass er zwei Möglichkeiten habe. Entweder er reise selbständig nach Italien zurück, dann würde er seine Dokumente zurückbekommen, oder seine Dokumente würden zerrissen werden und er würde von der Polizei nach Italien zurückgebracht. Er sei von Zürich mit einem Zug nach Mailand gefahren. Nach 2 bis 3 Monaten habe er Italien mit einem Zug verlassen und sei nach Oslo/Norwegen gefahren. Dort habe er auch einen Asylantrag gestellt. Er sei in einem Quartier in den Bergen untergebracht worden. Dort sei es sehr kalt gewesen und es sei ein Meter Schnee gelegen. Es habe nur ein Geschäft zum Einkaufen gegeben. Da er nach 7 Monaten keinen Bescheid erhalten habe, habe er Norwegen verlassen und sei mit dem Autobus nach X gefahren. Dort habe er einen Asylantrag gestellt und habe sich 7 Monate bis Anfang Jänner 2011 dort aufgehalten. Er habe dort einen negativen Bescheid erhalten. Der schwedische Staat habe behauptet, dass er sich mit Italien in Verbindung gesetzt habe und er nach Italien zurückgeschickt werde. Er sei mit einem Flugzeug nach Rom geschickt worden. Er habe sich in Mailand und in X bis gestern (23. März 2011) aufgehalten. Er sei während seines Aufenthaltes obdachlos gewesen. Er habe nur eine Mahlzeit pro Tag erhalten. Aus diesem Grund habe er beschlossen, Italien zu verlassen. Er sei mit einem Zug von X nach Venedig gefahren. Von dort mit einem Autobus weiter bis Villach, wo er am 23. März 2011 angekommen sei. Von dort sei er um 13.00 Uhr mit einem Regionalzug Richtung Wien gefahren, wo er gegen 19.00 Uhr angekommen sei. Er habe auf der Straße in Wien übernachtet, heute in der Früh (24. März 2011) sei er mit dem Zug bis hierher (EASt-Ost) gefahren. Den Weg hätten ihm Passanten beschrieben. Bei seiner Einvernahme am 24. März 2011 erklärte er weiters:

"Man soll mich bitte nicht nach Italien schicken, in alle anderen Länder ist es mir egal, aber bitte nicht nach Italien."

 

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 6. Mai 2011 den Antrag auf Internationalen Schutz von 24. März 2011 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 4 Abs.1 Asylgesetz 2005 als unzulässig zurück. Der Bw wurde gemäß § 10 Abs.1 Z1 Asylgesetz aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Italien ausgewiesen. Es wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Italien gemäß § 10 Abs.4 Asylgesetz zulässig ist.

 

Die Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau – EASt-West, stellte dem Bf am 9. Mai 2011 um 10.00 Uhr in dessen Zimmernummer X in der Erstaufnahmestelle West den Bescheid des Bundesasylamtes zu. Nach Unterfertigen der Übernahmebestätigung wurde der Bf aufgrund eines behördlichen Auftrages gemäß § 39 Abs.3 Z1 FPG 2005 festgenommen, da die Ausweisung mit der Zustellung durchsetzbar war. Der Bf wurde der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vorgeführt. Dort wurde ihm am 9. Mai 2011 um 12.30 Uhr der nunmehr bekämpfte Schubhaftbescheid sowie ein Informationsblatt über die Verpflichtung zur Ausreise ausgehändigt. Über diese Amtshandlung wurde keine Niederschrift aufgenommen. Daraufhin wurde der Bf in das PAZ Wels überstellt.

 

Mit an das Bundesasylamt EAST West gerichteten Schriftsatz vom 12. Mai 2011 erklärte der Bf einen Rechtsmittelverzicht. Im Detail erklärte er Folgendes:

"Ich verzichte unwiderruflich auf die Erhebung eines Rechtsmittels gegen oben näher bezeichneten Bescheid des Bundesasylamtes, damit die Vollziehung der getroffenen Entscheidung – meine Überstellung nach Italien – möglichst rasch durchgeführt werden kann." Dieser Schriftsatz langte am 13. Mai 2011 um 12.02 Uhr per Telefax bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, Fremdenpolizei Außenstelle St. Georgen/Attergau, ein.

Mit Schreiben vom 13. Mai 2011 informierte das Bundesasylamt die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck darüber, dass der Bescheid des Bundesasylamtes und die ausgesprochene Ausweisung nach Italien am 13. Mai 2011 in Rechtskraft erwachsen sei.

 

Mit E-Mail vom 16. Mai 2011, gesendet um 11.45 Uhr, ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck das Bundesministerium für Inneres um Zustimmung der Rückübernahme sowie ehest mögliche Bekanntgabe des Flughafens. Dies unter dem Hinweis: "Fremder will freiwillig nach Italien – gab Rechtsmittelverzicht im Asylverfahren ab."

 

Mit E-Mail vom 26. Mai 2011 urgierte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck beim Bundesministerium für Inneres die Anfrage der Rückübernahme an Italien.

 

Am 30. Juni 2011 übermittelte das Bundesministerium für Inneres der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck die Zustimmung von Italien. Die belangte Behörde legte daraufhin den 8. Juli 2011 als Abschiebetermin fest und besorgte das erforderliche Flugticket.

 

Sie informierte den Bf mit Schreiben vom 4. Juli 2011 über die bevorstehende Abschiebung. Sie ordnete mit Abschiebeauftrag vom 4. Juli 2011 die Abschiebung des Bf am 8. Juli 2011 am Luftweg über X nach Italien (Zielflughafen: X) an. Laut Bericht des Stadtpolizeikommando Schwechat vom 8. Juli 2011 wurde der Bf am 8. Juli 2011 um 04.40 Uhr am Terminal X übernommen und um 07.17 Uhr nach Italien im Luftweg abgeschoben.

 

Aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des BMI geht hervor, dass der Bf am 7. Juli 2011 um 16.00 Uhr vom PAZ X in das PAZ X überstellt und dort um 19.13 Uhr übernommen wurde. Als "Abgangsdaten" sind vermerkt:

Abgangsart: Abschiebung

Abgangszeit: 08. Juli 2011, 07.17 Uhr

Wohin/Grund: Luftweg – Flughafen X

 

Der UVS hat der belangte Behörde mit Mail vom 28. September 2011 die Gelegenheit einer weiteren Stellungnahme eingeräumt. Die belangte Behörde hat diese Gelegenheit mit dem oben bereits wiedergegebenen Mail vom 3. Oktober 2011 wahrgenommen und in Kopie den Emailverkehr mit dem Polizeikooperationszentrum Thörl Maglern Österreich-Italien-Slowenien übermittelt. So hat die belangte Behörde mit Email vom 30. September 2011 (11.12. Uhr) über das Polizeikooperationszentrum Thörl Maglern Österreich-Italien-Slowenien eine Anfrage nach Italien in vorliegender Beschwerdesache und künftiger fremdenpolizeilicher Vorgangsweise eine Anfrage "im generellen Sinn" gerichtet.

"Und zwar hinsichtlich Fremder, welche in Italien Asyl gewährt wurde und diese illegal ohne jeglicher Dokumente illegal nach Österreich reisen und in Österreich einen weiteren Asylantrag stellen. Hiezu ergeht die Anfrage, ob diese Fremde formlos zur Grenze überstellt werden können und diesen Fremden ohne Vorankündigung die Einreise nach Italien nicht nur gewährt, sondern auch faktisch ermöglicht wird. Sofern die Einreise anerkannter Flüchtlinge verwehrt wird, darf zu vorliegender Anfrage um Mitteilung gebeten werden, ob eine Zustimmung zur Übernahme eingeholt werden muss und an welche solche Anfrage zu richten wäre."

 

Das Polizeikooperationszentrum Thörl Maglern Österreich-Italien-Slowenien antwortete mit Mail vom 30. September (15.15 Uhr) wie folgt:

"Laut Auskunft der italienischen Polizei nach Rückfrage mit deren Zentralstelle in Tarvis, wird folgende Information übermittelt:

Asylwerber und anerkannte Asylanten in Italien werden ohne Reisedokumente von anderen Schengen Staaten nicht im vereinfachten Verfahren, sondern ausschließlich im Dublin II Verfahren rückübernommen."

 

Daraufhin wandte sich die belangten Behörde mit folgendem Mail vom 30. September 2011 (15.52 Uhr) erneut an das PKZ:

"Ich danke für Ihre schnelle Erhebung und darf Sie im Maßnahmen Verfahren vor unserem UVS Oberösterreich bitten, uns die gängige Praxis der italienischen Exekutive zu bestätigen. Lehnt demnach Italien eine Einreise eines in Italien positiven Asylanten ohne italienischer Reisedokumente (Konventionsreisepass,...) ab, wenn dieser nicht vorab angekündigt wurde und die Zustimmung zur Einreise ausdrücklich erteilt wurde? Trifft dies ebenso zu, wenn der Fremde freiwillig nach Italien ausreisen will und es somit keine behördliche Überstellung ist?"

 

Die belangte Behörde hat dem Senat bislang nicht mitgeteilt, dass das PKZ auf diese Anfrage geantwortet hätte.

 

 

Zur Beweiswürdigung:

 

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus den angeführten Unterlagen des Verfahrensakts der belangten Behörde, sowie dem im ggst Verfahren sowie vor den Asylbehörden erstatteten Vorbringen des Bf.

 

Wann genau die Exekutivbeamten mit dem Bf das PAZ X verließen, konnte nicht festgestellt werden. Der Verwaltungssenat hat die belangte Behörde aufgefordert, den konkreten Zeitpunkt bekannt zu geben. Die belangte Behörde verwies in ihrem Mail vom 10. Oktober 2011 darauf, dass die exakte Uhrzeit weder aus dem Bericht der SPK Schwechat noch aus der vom PAZ X – RL geführten Anhaltedatei hervorgeht. Aus dem Verfahrensakt ergibt sich lediglich, dass der Bf um 04.40 Uhr am Flughafen X übernommen und um 07.17 Uhr im Luftweg außer Landes gebracht wurde.

 

Die Durchführung der von der belangten Behörde beantragten mündlichen Verhandlung unter Beziehung einer auskunftsfähigen Person von einem Verbindungsbüro zu Italien oder einer Person der zuständigen Stelle des BMI ist nicht erforderlich. Die Frage, ob die Schubhaft auch nach dem 16. Mai um 17.00 Uhr gerechtfertigt war, bzw unter welchen Voraussetzungen eine freiwillige Ausreise nach Italien möglich ist, betrifft vor allem rechtliche Belange. Aus diesem Grund konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

Der Bf hat den Beschwerdegegenstand auf den Zeitraum ab Montag 16. Mai 2011, 17.00 Uhr eingeschränkt. Die belangte Behörde vertritt in ihrer Stellungnahme vom 10. Oktober 2011 die Ansicht, dass die Schubhaft mit der tatsächlichen Ausreise am 8. Juli 2011 um 07.17 Uhr endete. 

 

Festzuhalten ist, dass die zwangsweise Außerlandesbringung (=Abschiebung) bereits mit dem Abtransport zum Flughafen beginnt. Ab diesem Zeitpunkt bildet nicht mehr der Schubhaftbescheid, sondern unmittelbar die Bestimmung des § 46 FPG die Rechtsgrundlage für die weitere Anhaltung des Bf. Die Abschiebung  stellt einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt dar, der nur mit einer (gesonderten) Maßnahmebeschwerde bekämpft werden kann. Zu beachten ist, dass eine auf § 46 Abs 1 FPG gestützte Anhaltung im wesentlichen lediglich die fehlende Ausreisebereitschaft voraussetzt. Schubhaft darf dagegen nur verhängt werden, wenn darüber hinaus ein entsprechender Sicherungsbedarf vorliegt.

 

Davon zu unterscheiden ist die Rechtsfrage, ob die Wirkungen des Schubhaftbescheides mit Beginn der Abschiebung enden oder bis zur tatsächlichen Ausreise bzw erfolglosem Abbruch der Abschiebung lediglich verdrängt werden (vgl dazu das Erkenntnis des UVS Oö. vom 28. September 2011, Zl VwSen-401129/5/Gf/Mu, sowie VwGH vom 30. August 2011, GZ 2008/21/0552).  Dies ändert nichts daran, dass mit der Schubhaftbeschwerde an sich nur die Anhaltung bis zum Beginn der Abschiebung bekämpft werden kann.

 

Wann genau die Exekutivbeamten mit dem Bf das PAZ X verließen, konnte nicht festgestellt werden. Der Bf wird aber - im gegebenen Zusammenhang – durch die Annahme der belangten Behörde, dass die Schubhaft erst am 8. Juli 2011 um 07.17 Uhr endete, nicht in seinen Rechten verletzt. Der Verwaltungssenat geht daher davon aus, dass der Bf bis um 07.17 Uhr auf Grund des Schubhaftbescheides angehalten wurde. Im ggst. Verfahren ist zu prüfen, ob die Schubhaft in der Zeit von 16. Mai 2011, 17.00 Uhr bis 8. Juli um 07.17 Uhr rechtmäßig war. 

 

Mit 1. Juli 2011 sind wesentliche Bestandteile des Fremdenrechtsänderungs-gesetzes, FRÄG, BGBl. I Nr. 38/2011 in Kraft getreten. Die Verhängung der Schubhaft ist daher noch an der alten – vor dem 1. Juli 2011 – geltenden Rechtslage zu messen. Für die Frage, ob die Schubhaft seit dem 1. Juli 2011 rechtmäßig ist, gelten die Bestimmungen des FRÄG, BGBl. I Nr. 38/2011.

 

Fremde können gemäß § 76 Abs 1 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann gemäß § 76 Abs 2 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde hat § 76 Abs 2a FPG idF vor dem 1. Juli 2011 über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 vorletzter Satz AsylG 2005 nicht nachgekommen ist, oder

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

 

Die am 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Änderungen des § 76 FPG haben im hier zu beurteilenden Fall keine Auswirkungen weshalb von der Wiedergabe des genauen Wortlauts der derzeit geltenden Fassung des § 76 FPG Abstand genommen wird.

 

Die belangte Behörde wies in ihrem Mail vom 16. Mai 2011 (gesendet um 11.45 Uhr) darauf hin, dass der Bf freiwillig nach Italien wolle. In ihrer Stellungnahme vom 3. Oktober 2011 vertritt sie die Auffassung, dass der Sicherungsbedarf zur Sicherung der Ausreise unverändert aufrecht blieb. Sie gab zu bedenken, es stelle keine Seltenheit dar, dass mit der Deklaration der freiwilligen Ausreise die Entlassung aus der Schubhaft angestrebt werde, um in die Anonymität abzutauchen. Es ist aber nicht ersichtlich, aus welchem Grund der Bf die Bereitschaft zur Ausreise vortäuschen hätte sollen. Er unterliegt als in Italien anerkannter Flüchtling unter den in Artikel 2 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr. 1936/2001 geregelten Voraussetzungen nicht der Sichtvermerkspflicht. Gemäß Artikel 20 Abs 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) kann er sich im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an und soweit er die in Artikel 5 Abs 1 Buchstaben a, c, d und e aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllt. Der Bf musste daher nicht mit einer Abschiebung aus dem Schengen-Raum bzw dem Gebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union rechnen. Er hätte auf Grund der rechtskräftigen Ausweisung lediglich nach Italien ausreisen müssen und danach unter Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in andere Vertragsstaaten reisen können. Ausgenommen davon ist das Bundesgebiet der Republik Österreich, in das er infolge der rechtskräftigen asylrechtlichen Ausweisung ohne einer  Bewilligung iSd § 73 Abs 1 FPG nicht einreisen darf. Vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Bf nach der Entlassung aus der Schubhaft in die Anonymität untertauchen wollte. Die belangte Behörde hat dazu keine Erhebungen durchgeführt, sondern in ihrem Mail vom 16. Mai 2011 lediglich darauf verwiesen, dass der Bf freiwillig nach Italien wolle. Eine mündliche Verhandlung durch den Verwaltungssenat würde zu keinem anderen Ergebnis führen und konnte damit entfallen. Hätte die belangte Behörde dem Bf niederschriftlich einen konkreten und zumutbaren Vorschlag für die Durchführung der freiwilligen Ausreise unterbreitet und hätte er diesen abgelehnt, wäre bei Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Bedingungen eine Fortsetzung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht generell ausgeschlossen gewesen.

 

Soweit die belangte Behörde im bekämpften Bescheid ausführt, dem Bw "scheine jeder Staat recht zu sein, in dem er versorgt werde", ist Folgendes auszuführen: Der Aufenthalt des Bf stellte zweifelsohne eine erhebliche Beeinträchtigung öffentlicher Interessen dar, da er nicht über die für seinen Aufenthalt erforderlichen Mittel verfügte. Es wäre der belangten Behörde unbenommen geblieben, nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegen fehlender Unterhaltsmittel iSd § 60 Abs 2 Z 7 FPG idF vor dem 1. Juli 2011 einzuleiten. Dies allein rechtfertigt bei der dargestellten Rechts- und Sachlage aber noch nicht die Verhängung von Schubhaft.

 

Die belangte Behörde brachte weiters vor, eine freiwillige Ausreise sei rechtlich nicht zulässig gewesen, da der Bf über kein gültiges Reisedokument verfügte. Er hätte sich jederzeit ein gültiges Dokument aus Italien übermitteln lassen können. Einzuräumen ist, dass ein Fremder rechtswidrig handelt, wenn er innerhalb des Schengen-Raumes eine Binnengrenze ohne gültigem Reisedokument überschreitet (vgl Artikel 20 Abs 1 SDÜ iVm Artikel 5 Schengener Grenzkodex). Gemäß § 120 Abs 1 FPG idF BGBl I. Nr. 38/2011 liegt in einem solchen Fall eine Verwaltungsübertretung vor. Ausgehend von der österreichischen Rechtslage darf einem Fremden, dem in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt und über kein gültiges Reisedokument verfügt, aber seine Identität glaubhaft machen kann gemäß § 18 Abs 2 FPG – unbeschadet seiner Verantwortung nach den §§ 120 und 121 – die Einreise nicht versagt werden. Diese Bestimmung bezieht sich auf die freiwillige Einreise. Gleiches muss auch im Verhältnis zu Italien gelten. Die von der belangten Behörde übermittelte Rechtsauskunft der italienischen Polizei, wonach Asylwerber und anerkannte Asylanten in Italien ohne Reisedokumente von anderen Schengen Staaten nicht im vereinfachten Verfahren, sondern ausschließlich im Dublin II – Verfahren rückübernommen werden, steht dazu nicht in einem Widerspruch. Das Dublin II Verfahren ist zwar auf anerkannte Flüchtlinge nicht anzuwenden. Es ist aber unstrittig, dass eine zwangsweise Überstellung nur auf Grund der hiefür vorgesehenen internationalen Vereinbarungen (Rückübernahmeabkommen) zulässig ist und das Vorliegen eines Reisedokuments/Passersatzes voraussetzt. Eine freiwillige Einreise nach Italien könnte von den italienischen Behörden aber nicht verweigert werden. Das italienische Innenministerium hat ausdrücklich bestätigt, dass der Bf anerkannter Flüchtling ist. Einem erwiesenermaßen anerkannten Flüchtling die freiwillige Einreise zu verweigern, würde den Grundsätzen des Asylrechts widersprechen. Die Frage der Identität war eindeutig geklärt. Der Einwand der belangten Behörde, die Abgabe von Fingerabdrücken sei hiebei nicht relevant, es gehe um das glaubhafte Darbringen der Identität am Grenzübergang, ist nicht zutreffend. Entscheidend ist, dass die Identität festgestellt werden kann. Mit welchen technischen Mitteln dies erfolgt, ist sekundär. Entsteht den Behörden dabei ein besonderer Aufwand wäre dies – gemessen an der österreichischen Rechtslage – in einem Verwaltungsstrafverfahren nach § 120 Abs 1 FPG besonders zu berücksichtigen. Der Umstand, dass der Bf über kein Reisedokument verfügte, stand einer freiwilligen Ausreise jedenfalls nicht entgegen. Am Rande sei darauf hingewiesen, dass die Fremdenpolizeibehörden einem Fremden, dem in einem anderen Staat der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, unter den Voraussetzungen des § 94 Abs 2 FPG einen Konventionsreisepass ausstellen können.

 

Es besteht keine – sich aus internationalen Vereinbarungen oä ergebende - Verpflichtung der österreichischen Behörden, die freiwillige Ausreise eines Fremden in jenen Staat, der ihn als Flüchtling anerkannt hat, wegen Fehlens eines Reisedokuments zu verhindern.

 

Es wäre nicht rechtswidrig gewesen, den Bf bei der freiwilligen Ausreise zu unterstützen. Die belangte Behörde hätte im Sinne der Verhältnismäßigkeit einem solchen Vorgehen den Vorzug gegenüber der Aufrechterhaltung der Schubhaft geben müssen.  Sie hätte mit dem Bf unverzüglich Kontakt aufnehmen müssen, um die Modalitäten für die freiwillige Ausreise zu vereinbaren. Dabei ist ihr eine gewisse Zeit zuzubilligen. Ausgehend davon, dass sie spätestens bei Verfassen des Emails um 11.45 Uhr realisiert hat, dass der Bf freiwillig ausreisen wollte, wäre es ihr zumutbar gewesen, bis zum Ende der Regeldienstzeit um 17.00 Uhr entsprechende Schritte zu setzen. Da sie aber keinerlei derartige Maßnahmen veranlasst hat, war die Fortsetzung der Schubhaft ab 17.00 Uhr rechtswidrig.

 

In Kürze zusammengefasst: Die belangte Behörde ging am 16. Mai  2011 um 11.45 davon aus, dass der Fremde freiwillig nach Italien ausreisen wollte. Es bestanden keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass er die Ausreisewilligkeit nur vortäuschte.  Allein das Argument, dass er über kein Reisedokument verfügte, rechtfertigt nicht, einen anerkannten Flüchtling an der Ausreise in jenen Staat, der ihm internationalen Schutz gewährt hat, zu hindern oder gar die Schubhaft fortzusetzen.

 

Der Einwand des Bf, die Schubhaft sei ab dem angegebenen Zeitpunkt unverhältnismäßig und rechtswidrig gewesen, ist berechtigt. Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Der Kostenabspruch ergibt sich aus der UVS-Aufwandersatzverordnung.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

Mag. Wolfgang Weigl

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 2. August 2013, Zl.: 2012/21/0041-5

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