Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166550/2/Zo/Rei

Linz, 10.01.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn H G, geb. x, vertreten durch Rechtsanwälte B B M, L, vom 12.12.2011 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptfrau von Rohrbach vom 24.11.2011, Zl. VerkR96-2444-2011, wegen einer Übertretung der StVO zu Recht erkannt:

 

Anlässlich der Berufung wird das Straferkenntnis vom 24.11.2011, Zl. VerkR96-2444-2011 aufgehoben und das mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 16.11.2011 in der bereits entschiedenen Sache neuerlich eingeleitete Verfahren eingestellt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 68 Abs.1 und 18 Abs.4 AVG iVm

§§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Zi.2 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat dem Berufungswerber im Straferkenntnis vom 24.11.2011 vorgeworfen, dass er als gemäß § 9 Abs.2 VStG Verantwortlicher der Fa. G GmbH mit dem Sitz in L, diese ist Zulassungsbesitzerin des Sattelanhängers mit dem amtlichen Kennzeichen x, außerhalb eines Ortsgebietes eine Ankündigung (Werbeeinrichtung) errichten lassen habe, obwohl außerhalb von Ortsgebieten an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand die Anbringung von Ankündigungen verboten ist. Am 12.09.2011 um 14.30 Uhr war folgende Ankündigung (Werbung) angebracht: Sattelanhänger, Kennzeichen x, am Planenaufbau, eine Werbung über "Raiffeisen Veranlagen, Vorsorgen und Sparen, Sicher, Verlässlich. Attraktiv". Als Tatort wurde die Gemeinde Neufelden, neben der B127 bei Kilometer 35,120 angegeben. Der Berufungswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 84 Abs.2 StVO iVm § 9 VStG begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 139 Stunden) verhängt wurde.

 

Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 30 Euro verpflichtet.

 

2. In der gegen dieses Straferkenntnis rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass die Beschriftung bzw. das Anbringen von Bildern auf der Plane eines zugelassenen LKW keine Werbung darstellen könne. Es habe sich um einen zum Verkehr zugelassenen LKW gehandelt, welcher außerhalb einer öffentlichen Straße aufgrund betrieblicher Umstände abgestellt gewesen sei. Darin sei jedoch keine unzulässige Werbung zu erblicken, weil ansonsten jeder beschriftete LKW, sobald er für eine gewisse Zeit abgestellt ist, als Werbeeinrichtung angesehen werden müsste.

 

Weiters seien im Spruch des Straferkenntnisses die Begriffe "Ankündigung" und "Werbung" bzw. "Werbeeinrichtung" undifferenziert verwendet worden. Es sei daher nicht klar, ob dem Berufungswerber nun eine verbotene Werbung oder eine verbotene Ankündigung vorgeworfen werde. Das Verbot des § 84 Abs.2 StVO bezieht sich auf die Werbung selbst, nicht jedoch auf die jeweilige Ankündigungs- bzw. Werbungseinrichtung, weshalb der LKW-Sattelanhänger selbst nicht tatbildlich sein könne. Es dürfe nicht schlechthin der Eigentümer bzw. Halter des Werbeträgers zur Verantwortung gezogen werden sondern jene Person, welche an der Ankündigung ein wirtschaftliches Interesse hat.

 

Weiters führte der Rechtsvertreter des Berufungswerbers aus, dass er am 07.11.2011 eine schriftliche Rechtfertigung per E-Mail an die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach gesendet hatte. Am 09.11.2011 erhielt er ebenfalls per E-Mail ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, welches auf seine schriftliche Rechtfertigung in keiner Weise eingeht. Aufgrund seiner telefonischen Aufklärung wurde vom Bearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach die schriftliche Rechtfertigung vom 7.11.2011 vorgefunden und übermittelte dieser dem Vertreter des Beschuldigten die Mitteilung, dass das Strafverfahren gegenstandslos sei. Diese Mitteilung könne nur als Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 VStG verstanden werden. Sie sei ihm - so wie der gesamte Schriftverkehr in diesem Verfahren – per E-Mail zugegangen und daher aussenwirksam. Das Verfahren gelte daher als eingestellt, weshalb das nunmehr angefochtene Straferkenntnis nicht mehr hätte erlassen werden dürfen.

 

Weiters machte der Vertreter des Berufungswerbers Ausführungen zur Strafbemessung.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Rohrbach hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§  51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Bereits aus diesem ergibt sich, dass das angefochtene Straferkenntnis vom 24.11.2011 aufzuheben ist, weshalb gemäß § 51g Abs.2 Zi.1 trotz des Antrages eine mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich ist.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Am 27.09.2011 erstattete die Polizeiinspektion Neufelden Anzeige gegen den Verantwortlichen der G GmbH, L, weil der Sattelanhänger mit dem Kennzeichen x bereits längere Zeit neben der B127 bei Straßenkilometer 35,120 innerhalb einer Entfernung von 100 Metern vom Fahrbahnrand abgestellt war und auf der gesamten Plane des Sattelanhängers Werbung angebracht war.

 

Der nunmehrige Berufungswerber wurde von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach mit Schreiben vom 04.10.2011 aufgefordert, sich wegen dieser Verwaltungsübertretung zu rechtfertigen. Nach Bekanntgabe des Vollmachtsverhältnisses durch die Anwaltskanzlei erfolgte der weitere Schriftverkehr über E-Mail, wobei die Stellungnahmefrist bis 07.11.2011 festgelegt wurde. Am 21.10.2011 teilte der Vertreter des Berufungswerbers mit, dass der gegenständliche Sattelanhänger entfernt wurde und am 07.11.2011 übermittelte er eine Rechtfertigung des Beschuldigten. Diese langte zwar bei der Behörde ein, der Bearbeiter hatte jedoch von ihr keine Kenntnis, weshalb er am 09.11.2011 ein Straferkenntnis verfasste, ohne die Rechtfertigung zu berücksichtigen. Der Spruch dieses Straferkenntnisses stimmt wortwörtlich mit jenem des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses vom 24.11.2011 überein. Dieses Straferkenntnis wurde dem Vertreter des Berufungswerbers am 09.11.2011 per E-Mail zugestellt, woraufhin dieser telefonisch mit dem Bearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach Kontakt aufnahm. Der genaue Inhalt dieses Gespräches ist nicht bekannt, letztlich übermittelte der Bearbeiter am 9.11.2011 ein E-Mail an den Vertreter des Berufungswerbers mit folgendem Wortlaut: "Das heute übermittelte Strafverfahren ist gegenstandslos. VerkR96-2444-2011."

 

Mit Schreiben vom 16.11.2011 beauftragte die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach die Polizeiinspektion Neufelden mit weiterführenden Erhebungen zum gegenständlichen Vorfall, nach Einlangen des Erhebungsberichtes wurde das nunmehr angefochtene Straferkenntnis vom 24.11.2011 verfasst und diesmal per RSb zugestellt. Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig eine Berufung eingebracht.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1.  Gemäß § 18 Abs.4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GOVG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; An die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs.3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

 

Gemäß § 68 Abs.1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs.2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Gemäß § 45 Abs.1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1) die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2) der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3) Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

Gemäß § 52a Abs.1 VStG können der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegende Bescheide, durch die das Gesetz zum Nachteil des Bestraften offenkundig verletzt worden ist, von Amts wegen sowohl von der Behörde als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. § 68 Abs.7 AVG gilt sinngemäß.

 

5.2. Wegen der dem Berufungswerber vorgeworfenen Verwaltungsübertretung hat die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach bereits am 09.11.2011 zu Zl. VerkR96-2444-2011 ein Straferkenntnis verfasst. Dieses wurde dem Vertreter des Berufungswerbers am selben Tag per E-Mail zugestellt und ist bei diesem offenkundig eingelangt. Damit gilt dieses Straferkenntnis als erlassen. Mit der Erlassung des Bescheides ist dieser für die Behörde unwiderrufbar. Diese Unwiderrufbarkeit bildet einen Aspekt der materiellen Rechtskraft und bedeutet, dass ein Bescheid von der Behörde nicht mehr aufgehoben, abgeändert oder für nichtig erklärt werden darf. Sie beginnt bereits mit der Erlassung des Bescheides, nicht erst mit seiner formellen Rechtskraft (vgl. Leeb, Bescheidwirkungen (210), S. 14).

 

Gesetzliche Ausnahmen von dieser Unwiderrufbarkeit sind (im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens) in  § 68 Abs.4 AVG sowie § 52a VStG vorgesehen. Derartige Abänderungen eines bereits erlassenen Bescheides können jedoch nur durch einen neuerlichen Bescheid erfolgen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 [Randziffer 55]).

 

Das Verwaltungsstrafverfahren wegen der gegenständlichen Werbung wurde von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach in 1. Instanz durch das Straferkenntnis vom 09.11.2011 abgeschlossen, weshalb eine bloße Einstellung gemäß § 45 VStG nicht mehr möglich war. § 45 VStG kann nach dem Gesetzeswortlaut nur für noch gar nicht eingeleitete oder noch laufende Strafverfahren angewendet werden. Sobald jedoch ein Bescheid erlassen wurde, kann dieser nur durch einen weiteren Bescheid abgeändert werden.

 

Unabhängig vom objektiven Erklärungsinhalt bzw. allenfalls beabsichtigten Erklärungswert ("Gegenstandloserklärung des Strafverfahrens oder  des Straferkenntnisses") könnte das E-Mail des Sachbearbeiters der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 09.11.2011 das bereits zugestellte Straferkenntnis vom 09.11.2011 nur dann abändern, wenn es sich dabei um einen Bescheid (im Sinne des § 52a VStG oder § 68 Abs.4 AVG) handeln würde. Bescheide müssen nach der ständigen Rechtsprechung zu § 58 sowie § 18 Abs.4 AVG – bei sonstiger Nichtigkeit – die Bezeichnung der Behörde, den Adressaten, einen Spruch sowie die Unterschrift des Genehmigenden enthalten.

 

Das gegenständliche E-Mail enthält jedoch – auch bei großzügiger Betrachtung der sonstigen Voraussetzungen – jedenfalls keine Unterschrift bzw. Amtssignatur und es ist auch der Berufungswerber nicht als Adressat angeführt.

 

Dieses E-Mail stellt daher keinesfalls einen Bescheid dar, weshalb es auch das Straferkenntnis vom 09.11.2011 nicht abändern oder aufheben kann. Nur der Vollständigkeit halber sei auch noch darauf hingewiesen, dass zu diesem Zeitpunkt die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen war, weshalb auch die Voraussetzungen des § 68 Abs.4 AVG bzw. § 52a VStG nicht vorgelegen sind.

 

Selbst wenn sowohl der Vertreter des Berufungswerbers als auch der Bearbeiter der Erstinstanz übereinstimmend beabsichtigt haben sollten, das Straferkenntnis vom 09.11.2011 "als gegenstandslos zu erklären", so ist dies rechtlich nicht möglich, weil die Verfahrensbestimmungen des öffentlichen Rechtes von den Parteien nicht frei disponiert werden können. Das Straferkenntnis vom 09.11.2011 hätte durch ein ordentliches Rechtsmittel bekämpft werden können. Dies ist jedoch nicht geschehen, weshalb es mit Ablauf des 23.11.2011 auch formell rechtskräftig wurde. Die weitere Verfolgung des Berufungswerbers in der selben Sache war daher unzulässig und das in der jetzigen Berufung angefochtene Straferkenntnis vom 24.11.2011 verstößt gegen § 68 Abs.1 AVG, weshalb es aufzuheben war. Das mit Schreiben vom 16.11.2011 von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach neuerlich in der selben Sache eingeleitete Verfahren war einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

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