Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252998/7/Py/Hu

Linz, 20.01.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung der Frau x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 20. Oktober 2011, GZ: BZ-Pol-77055-2011, wegen Übertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG), zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Die Berufungswerberin hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 20. Oktober 2011, Gz. BZ-Pol-77055-2011, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw)  wegen einer Verwaltungsübertretung nach §§ 111 iVm 33 Abs.1 und 1a ASVG eine Geldstrafe in Höhe von 365 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 56 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 36,50 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben als Gewerbeinhaberin und Betreiberin des Lokals x, x (Gewerbestandort), welche für die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflicht keinen Bevollmächtigten bestellt hat, folgende Verwaltungsübertretung zu verantworten:

 

Sie haben als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs.1 ASVG, am 19.08.2011 x, geb. x in oa. Lokal als Dienstnehmerin in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt.

 

Für die Behörde war im vorliegenden Fall von einem Arbeitsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt auszugehen, da Unentgeltlichkeit nicht ausdrücklich vereinbart wurde und somit ein angemessenes Entgelt gem. § 1152 ABGB als bedungen gilt. Es besteht zumindest Naturalbezug, da die Arbeitnehmerin bei der Dienstgeberin wohnhaft ist.

 

Die in Rede stehende Beschäftigte war der Firma organisatorisch sowie hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit maßgeblich unterworfen. Auch bestand eine persönliche Arbeitspflichtung und Weisungsgebundenheit.

 

Obwohl diese Dienstnehmerin nicht von der Vollversicherung im Sinne des § 5 ASVG ausgenommen und daher in der Kranken Unfall- und Pensionsversicherung vollversichert sind, wurde hierüber eine, zumindest mit den Mindestangaben ausgestattete Meldung bei der Gebietskrankenkasse, 4020 Linz, Gruberstr. 77, als zuständiger Sozialversicherungsträger, nicht vor Aufnahme der Tätigkeit erstattet.

 

Es wurde somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht verstoßen."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe der Rechtsgrundlagen aus, dass die objektive Tatseite der im Spruch beschriebenen Verwaltungsübertretung aufgrund der Angaben in der Anzeige des Finanzamtes samt Beilagen als erwiesen anzusehen ist und von der Beschuldigten auch nicht geleugnet wurde.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird ausgeführt, dass als strafmildernd die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet wurde, straferschwerende Gründe seien nicht vorgelegen.

 

 

2. Dagegen erhob die Bw rechtzeitig Berufung und führte aus, dass es nicht richtig sei, dass sie Frau x entgegen den gesetzlichen Bestimmungen als Dienstnehmerin mit Hilfsarbeiten beschäftigt habe. Bei Frau x handle es sich um die Schwester der Bw. Diese war auf Besuch aus Rumänien und habe einmalig im Lokal unentgeltlich ausgeholfen und liege somit eine familienhafte Mitarbeit vor.

 

3. Mit Schreiben vom 7. November 2011 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Dem Finanzamt Grieskirchen Wels als am Verfahren beteiligte Organpartei wurde Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zur Berufung abzugeben. Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt unbestritten blieb, konnte gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung Abstand genommen werden.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Bw ist Gewerbeinhaberin des Lokals "x", x lautend auf "Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nicht alkoholischen Getränken und Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, mit nicht mehr als acht Verabreichungsplätzen (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze)".

 

Anlässlich einer Kontrolle durch die Finanzpolizei am 19.8.2011 um 19.41 Uhr im Lokal x, wurde die Schwester der Bw, die rumänische Staatsangehörige Frau x, geb. x, beim Zubereiten von Speisen hinter der Bar des Lokals x angetroffen. Die ebenfalls im Lokal aufhältige Bw gab gegenüber den Kontrollorganen an, dass ihre Schwester am Vortag nach Österreich angereist ist, sich auf Besuch bei ihr befindet und bei ihr wohnt. Frau x habe ihr am Kontrolltag seit ca. 18.00 Uhr mit Geschirrabwaschen und Getränke in den Kühlschrank räumen geholfen. Eine Entlohnung erhält Frau x für diese Tätigkeiten nicht erhalten.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Strafantrag des Finanzamtes Grieskirchen Wels sowie der mit der Bw anlässlich der Kontrolle aufgenommenen Niederschrift vom 19.8.2011 und wird in dieser Form nicht bestritten.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 33 Abs.1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF, haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

 

Gemäß § 33 Abs.2 ASVG gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z3 lit.a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten sind.

 

Gemäß § 4 Abs. 1 Z1 ASVG sind in der Kranken-. Unfall- und Pensionsversicherung die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

 

Gemäß § 4 Abs.2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinn dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

 

Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs.3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes

  1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder
  2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder
  3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder
  4. gehörig ausgewiesene Bedienstete der Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

§ 111 Abs.2 ASVG besagt: Die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 ist von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar

-         mit Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis zu 5.000 Euro,

-         bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen,

sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

5.2. Der Bw wird im gegenständlichen Straferkenntnis vorgeworfen, sie habe als Dienstgeberin Frau x am 19.9.2011 als Dienstnehmerin in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt ohne Anmeldung zur Sozialversicherung beschäftigt

 

Unbestritten ist, dass es sich bei Frau x um die Schwester der Bw handelt.

 

Als Familiendienste, die kein Arbeitsverhältnis begründen, sind im Rahmen einer familiären Beistands- und Mitwirkungspflicht erbrachte Leistungen anzusehen. Ob es sich um einen Familiendienst oder um ein Dienstverhältnis bzw. arbeitnehmerähnliches Verhältnis handelt, ist anhand aller Umstände des Falles, insbesondere auch unter Einbeziehung der Behauptungen und Zugeständnisse der Betroffenen, zu beurteilen. Kein Dienstverhältnis bzw. arbeitnehmerähnliches Verhältnis ist bei Verwandten anzunehmen, wenn es sich lediglich um Gefälligkeitshandlungen handelt, die ihr gesamtes Gepräge, insbesondere nach Art, Umfang und Zeitdauer von den familiären Bindungen zwischen Angehörigen erhalten sind. Ob die Tätigkeit wie ein Beschäftigter oder als "Familiendienst" verrichtet wird, entscheidet sich somit nach dem Gesamtbild der den Einzelfall prägenden Umstände. Wesentlich ist dabei der Verwandtschaftsgrad anzusehen. Je enger die Beziehungen sind, umso mehr spricht dafür, dass die Tätigkeit durch diese Beziehung geprägt ist und nicht wie von einem Beschäftigten verrichtet wird. In Verbindung mit dem Verwandtschaftsgrad sind außerdem Art und Umfang der Tätigkeit maßgebend. Es ist das Gesamtbild der ausgeführten oder beabsichtigten Verrichtungen zu beurteilen (vgl. dazu zB. auch das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 18. Juli 2002, 10 Ob S 196/O2z und das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 29. Jänner 2009, Zl. 2008/09/0277).

 

Die Prüfung der Dienstnehmereigenschaft von Familienmitgliedern erfolgt daher unter Würdigung aller Umstände des jeweiligen Falles.

 

Im gegenständlichen Fall wird der Bw vorgeworfen, sie habe ihre Schwester, die am Tag zuvor aus Rumänien angereist ist und bei ihr wohnhaft war, rund zwei  Stunden in ihrem Lokal mit Hilfsarbeiten beschäftigt. Die Bw gab bereits anlässlich der Kontrolle an, dass kein Entgelt für diese Mithilfe vorgesehen war. Dazu weist die Organpartei in ihrer Stellungnahme zur Berufung darauf hin, dass als Entlohnung auch Naturalleistungen wie freie Unterkunft und freies Essen zu werten sind. Im vorliegenden Fall ist dem jedoch entgegen zu halten, dass die Beherbergung einer zu Besuch aus dem Ausland nach Österreich angereisten Schwester kein ausreichendes Sachverhaltsmerkmal ist, um zweifelsfrei von einer entgeltlichen Tätigkeit in wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgehen zu können. Vielmehr gehört eine kurzzeitige Zurverfügungstellung von Unterkunft und Verpflegung anlässlich eines Besuchs zu den üblichen verwandtschaftlichen Gepflogenheiten unter Geschwistern. Dass Frau x über einen längeren Zeitraum zur Erzielung eines Erwerbseinkommens in einem Abhängigkeitsverhältnis im Lokal der Bw beschäftigt wurde bzw. werden sollte, geht aus den vorliegenden Unterlagen und Aussagen nicht hervor. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbeurteilung aller Tatumstände ist zudem anzuführen, dass der Gewerbewortlaut des von der Bw betriebenen Lokals auf "Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nicht alkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, mit nicht mehr als 8 Verabreichungsplätzen (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze)" lautet. Es muss daher auch nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass neben der Anwesenheit der Bw auch die Mithilfe ihrer Schwester zur Bewältigung des Geschäftsganges im Lokal unabdingbar erforderlich gewesen wäre.

 

Da somit bei Gesamtbetrachtung der die Tätigkeit von Frau x am 19.8.2011 im Lokal der Bw prägenden Merkmale von einer nicht der Versicherungspflicht unterworfenen familienhaften Mitarbeit auszugehen ist, ist der objektive Tatbestand des der Bw im gegenständlichen Straferkenntnis vorgeworfenen verwaltungsstrafrechtlichen Verhaltens nicht erwiesen.

 

6. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

7. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Kostenbeiträgen zum Verwaltungsstrafverfahren.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

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