Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281360/13/Kl/Pe/BRe

Linz, 25.01.2012

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn x, vertreten durch Rechtsanwalt x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 11. Oktober 2011, Ge-754/2010 (Faktum 2), wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 21. Dezember 2011 zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass

-        in der Sprucheinleitung anstelle von "handelsrechtlicher                                    Geschäftsführer" der Ausdruck "Komplementär und unbeschränkt          haftender Gesellschafter" zu treten hat,

-        die Bauarbeiterschutzverordnung mit „BGBl. Nr. 340/1994    idF    BGBl. II Nr. 21/2010“ und das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz          mit „BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007“ zu zitieren ist,

-        eine Geldstrafe von je 100 Euro in drei Fällen, für den Fall der      Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von je 1,6 Stunden in          drei Fällen, zu verhängen ist,

-        bei der verletzten Rechtsvorschrift die Zitierung des „§ 130 Abs.1           Z26“ zu entfallen hat und

-        die Verwaltungsstrafnorm im Sinn des § 44a Z3 VStG „§ 130 Abs.5      Einleitungssatz ASchG“ zu lauten hat.

 

 

II. Der Berufungswerber hat einen Verfahrenskostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 60 Euro, zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 9, 19, 22 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 11. Oktober 2011, Ge-754/2010, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) zu Faktum 2 eine Geldstrafe von 300 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 69 Abs.2 ASchG iVm §§ 28 Abs.1 und 2 Z3 und 155 Abs.1 BauV iVm §§ 118 Abs.3 und 130 Abs.1 Z26 und 130 Abs.5 Z1 ASchG verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma x in x, verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten hat, dass am 12.5.2010 auf der Baustelle o.a. Firma in x drei Arbeitnehmer o.a. Firma (Herr x, Herr x und Herr x) mit Arbeiten auf dem dortigen Dach (Anbringen der Dachlattung) sowohl auf der Dachfläche als auch im Bereich des Dachsaumes beschäftigt waren, ohne dass diesen Arbeitnehmern die erforderlichen geeigneten Sicherheitsschuhe für Dacharbeiten mit einer ausreichend festen und abrutschsicheren Sohle zur Verfügung gestellt worden wären.

Da jedem Arbeitnehmer für Dacharbeiten geeignete Sicherheits- und Schutzschuhe mit einer ausreichend festen und abrutschsicheren Sohle zur Verfügung gestellt werden müssen, stellt dies eine Übertretung der Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) und des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) dar.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass die Behörde den Sachverhalt rechtlich unrichtig beurteilt hätte und Argumente nicht berücksichtigt hätte, dass ein Schutzgerüst vorhanden gewesen sei, welches vom beauftragten Baukoordinator nicht beanstandet worden sei, sodass der Bw davon ausgehen habe können, dass es ausreichend sei. Auch hätten die Mitarbeiter Gurte und Fangseile mitgehabt und seien angewiesen gewesen, die Sicherheitsausrüstung zu verwenden. Die Mitarbeiter hätten auch das Geschirr angezogen, seien jedoch nicht angeseilt gewesen. Die Mitarbeiter hätten auch Sicherheitsschuhe von der Firma erhalten, welche ausreichend seien und wozu es auch eine Anweisung gäbe, die Schuhe anzuziehen. Auch sei nur die Dachlattung angebracht worden und habe daher keine Rutschgefahr bestanden. Es sei nur der Arbeiter x auf dem Dach gewesen. Der Arbeitnehmer x habe Stahlkappenschuhe mit rutschfester Sohle getragen und habe nur Arbeiten ohne Rutschgefahr ausgeführt. Es gäbe eine entsprechende Schulung und Kontrollen. Der Bw kontrolliere regelmäßig die Baustellen, eine lückenlose tägliche bzw. stündliche oder minütliche Kontrolle sei jedoch nicht möglich. Es konnte daher der Bw entschuldbar nicht wissen, dass die Arbeiter x und x die Schuhe nicht getragen hätten und die Gurte und Fangseile nicht verwendet hätten. Es treffe den Bw daher kein Verschulden und kein fahrlässiges Fehlverhalten. Die bloß objektive Erfüllung eines Tatbestandes reiche für eine Verurteilung nicht aus. Es hätte daher mit der Einstellung des Verfahrens vorgegangen werden müssen, subsidiär hätte § 21 VStG zur Anwendung kommen müssen.

 

3. Der Magistrat der Stadt Steyr hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

Weil eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist die Zuständigkeit des nach der Geschäftsverteilung berufenen Einzelmitgliedes des Oö. Verwaltungssenates gegeben (Faktum 2).

Zu Faktum 1 ist die Zuständigkeit einer Kammer gegeben und ergeht eine gesonderte schriftliche Entscheidung.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.12.2011, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Der Bw, sein Rechtsvertreter und ein Vertreter des zuständigen Arbeitsinspektorates haben an der Verhandlung teilgenommen; die belangte Behörde ist nicht erschienen. Weiters wurden die Zeugen Arbeitsinspektor x, x, x und x geladen und einvernommen. Seitens des Arbeitsinspektorates wurden vier Fotos, aufgenommen zum Kontrollzeitpunkt am 12.5.2010, bei der Verhandlung vorgelegt und zum Akt genommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Der Bw ist Komplementär und unbeschränkt haftender Gesellschafter der Firma x mit Sitz in x. Der Bw führt einen Zimmereibetrieb.

Auf der Baustelle x handelte es sich um einen Rohbau und musste eine Neueindeckung vorgenommen werden. Von der x wurde die Zimmererarbeit durchgeführt, nämlich das Anbringen der Dachlattung. Am 12.5.2010 waren die Arbeitnehmer x und x sowie der Leasingarbeiter x mit dem Anbringen der Dachlattung beschäftigt. Diese war zum Teil bereits erstellt, zum Teil noch zu vervollständigen, nämlich sowohl am Dachsaum als auch im Traufenbereich und es war auch noch die Ablängung der Dachlattung ausständig. Die Zimmererarbeiten dauerten ca. 5 bis 6 Tage. Es waren keine technischen Schutzeinrichtungen für die Dacharbeiten vorhanden. Vorhanden war lediglich ein Schutzgerüst für Mauerungsarbeiten. Für die Dacharbeiten waren keine Sicherungsmaßnahmen vorhanden. Die drei Arbeitnehmer waren nicht angeseilt.

Die drei Arbeitnehmer trugen keine Dachdeckerschuhe mit rutschfester Schuhsohle, welche mit Noppen ausgestattet ist. Ein Arbeitnehmer trug Stahlkappenschuhe, welche für Dacharbeiten nicht geeignet sind und die feste Kappe sogar in der Beweglichkeit hinderlich ist. Auch die beiden weiteren Arbeitnehmer trugen keine Dachdeckerschuhe. Ein Arbeitnehmer trug sogar zerrissene Schuhe und die Schuhe wiesen keine originalen Schuhbänder auf.

Die Baustelle leitete der Bw. Im Fall seiner Abwesenheit ist der Vorarbeiter x für die Baustelle verantwortlich. Dieser ist schon lange in der Firma tätig. Er weiß grundsätzlich, dass bei Dacharbeiten ab 3 m Traufenhöhe technische Schutzeinrichtungen benötigt werden. Auf der gegenständlichen Baustelle waren alle drei Arbeitnehmer abwechselnd auf dem Dach beschäftigt, ein Arbeitnehmer musste Material auf das Dach hinaufgeben. Dabei wird abgewechselt. Der Vorarbeiter x ist ca. 19 Jahre bei der Firma beschäftigt. In der Firma gibt es alle zwei bis drei Jahre Belehrungen über Sicherheitsmaßnahmen. Der Bw kommt grundsätzlich auch auf Baustellen und kontrolliert, allerdings weiß der Vorarbeiter nicht mehr, ob der Bw auch auf dieser Baustelle war. Der Bw kommt nicht auf jede Baustelle. Verantwortlich für die Baustelle vor Ort ist der Vorarbeiter. Die Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung ordnet auch der Vorarbeiter an. Der Vorarbeiter müsste bei gegebenen Anlass technische Schutzmaßnahmen bei der Firma anfordern. Wenn er denkt, dass Schutzmaßnahmen erforderlich sind, fordert er diese bei der Firma an. Dies richtet sich nach seiner Erfahrung. Der Vorarbeiter ist gelernter Tischler und hat dann seinen Beruf gewechselt. Als Zimmerer wurde er in der Firma x angelernt. Allerdings wurde das Anbringen der Dachlattung vom Vorarbeiter nicht als gefährlich erachtet. Auf der Baustelle wurden nach seinen Angaben ständig die Sicherheitsgurte getragen, wenn es erforderlich war, konnte man sich auch am Dach anseilen. Das Anbringen der Dachlattung wurde nicht als gefährlich erachtet. Zum Tatzeitpunkt (12.5.2010) bekamen die Arbeitnehmer keine Schuhe von der Firma zur Verfügung gestellt. Es wurde den Arbeitnehmern Geld gegeben, um sich selbst Schuhe zu kaufen. Die Schuhe, die auf der Baustelle getragen wurden, waren daher selbst gekaufte Schuhe, weil jeder selbst am besten wisse, welche Schuhe ihm passen. Es wurde von der Firma nicht angeordnet, dass ein bestimmter Schuh gekauft werden müsse. Auch wusste der Vorarbeiter zu diesem Zeitpunkt nicht, dass Schuhe mit roter Sohle und Noppen als Dachdeckerschuhe verpflichtend notwendig sind. Seit dem Vorfall werden die Sicherheitsschuhe von der Firma gekauft.

An die letzte Unterweisung in der Firma kann sich der Vorarbeiter nicht mehr erinnern. Es wird allerdings immer auf die Sicherungsmaßnahmen hingewiesen. Der Vorarbeiter gibt auch an, zu wissen, wie die in der Firma vorhandenen Dachschutzblenden aufzustellen und zu verwenden sind. Auch kenne er noch Leitern mit Gerüsten und Fanggurte als Sicherungsmaßnahmen. Die zu verwendenden Sicherheitsmaßnahmen bestimmt der Vorarbeiter x, er verständigt sich dabei mit dem Chef. Herr x bestimmt auch, wann sich die übrigen Arbeitnehmer anseilen müssen. Bei der gegenständlichen Baustelle gab es keine Anordnung sich anzuseilen.

Für die Baustelle gab es einen SiGe-Plan und die Baustelle wurde mit den Sicherungsmaßnahmen so vom Baustellenkoordinator abgenommen. Der SiGe-Plan wurde vom Baustellenkoordinator mit dem Bw nicht durchgegangen. Der Bw hat sich auf den Baustellenkoordinator verlassen.

 

x ist als Mitarbeiter im Büro tätig. Er ist Zimmereimeister. Er macht die Angebote, Statik sowie Pläne und er ist auch für technische und kaufmännische Belange zuständig. Er hat auch für die gegenständliche Baustelle alle Pläne und die Statik gemacht. Vor Ort auf der Baustelle ist er allerdings selten. Für die Arbeitssicherheit auf der Baustelle ist der Vorarbeiter zuständig. Mit dem Vorarbeiter wurde auf dieser Baustelle nicht über Sicherheitseinrichtungen gesprochen. Es wurde von Herrn x das von der Baufirma aufgestellte Maurergerüst vorgefunden und war zu diesem Zeitpunkt die obere Geschoßdecke noch nicht vorhanden. Zu einem späteren Zeitpunkt war er nicht mehr auf der Baustelle. Er hat auch den für die Baustelle gültigen SiGe-Plan gekannt. Dieser wurde aber nicht mit dem Baustellenkoordinator besprochen. Herr x geht vielmehr davon aus, dass der SiGe-Plan stimmt und die Gerüstung von der Baufirma für alle Arbeiten vorgenommen wird. Während der Dacharbeiten auf der Baustelle, war er hingegen nicht vor Ort anwesend.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen sowie auch auf die Angaben des Bw in der mündlichen Verhandlung. Weiters stützen sich diese Feststellungen auf die vorgelegten Fotos. Aus den Fotos ist einwandfrei ersichtlich, dass kein Dachfanggerüst und keine Dachschutzblenden vorhanden waren. Es sind drei auf der Baustelle angetroffene Arbeitnehmer dokumentiert. Diese trugen auch keine speziellen Dachdeckerschuhe. Weiters gaben die Arbeitnehmer an, zu diesem Zeitpunkt keine Dachdeckerschuhe getragen zu haben. Sie gaben auch an, zum Kontrollzeitpunkt nicht angeseilt gewesen zu sein. Auch ist auf Grund der Aussagen erwiesen, dass sämtliche Arbeitnehmer abwechselnd auf dem Dach gearbeitet haben. Hingegen sind regelmäßige, jährliche Schulungen in der Firma nicht erwiesen. Die Arbeitnehmer können sich an die letzte Schulung nicht erinnern. Es gab keine konkreten Anweisungen für die Baustelle hinsichtlich der Verwendung von Sicherheitseinrichtungen. Es ist klar erwiesen, dass das Vorhandensein von Dachschutzblenden bzw. eines Dachfanggerüstes weder vom Bw noch vom namhaft gemachten Zimmerer x zu Beginn und während der Dacharbeiten kontrolliert wurde. Die Zeugen gaben einwandfrei und einhellig an, dass sie zum Kontrollzeitpunkt die Schuhe selber kauften und aussuchten, dass aber Dachdeckerschuhe zu diesem Zeitpunkt von der Firma nicht zur Verfügung gestellt wurden. Vielmehr war den Arbeitnehmern sowie auch dem Bw nicht bewusst, dass spezielle Dachdeckerschuhe erforderlich gewesen wären.

Die Zeugen erschienen in sämtlichen Teilen glaubwürdig und ihre Aussagen stimmten überein. Im Übrigen wurden auch die Kernaussagen vom Bw bestätigt. Schließlich wurde der Sachverhalt auch durch die aufliegenden Fotos dokumentiert.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. II Nr. 13/2007 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung), begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 28 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 21/2010 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung), müssen jedem Arbeitnehmer, für den die Gefahr von Fußverletzungen durch herabfallende, umfallende oder fortgeschleuderte Gegenstände oder Materialien, durch Treten auf spitze oder scharfe Gegenstände, durch Arbeiten mit oder auf heißen oder sehr kalten Massen besteht, geeignete Sicherheits- oder Schutzschuhe zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt insbesondere für die in Abs.2 angeführten Arbeiten.

 

Gemäß § 28 Abs.2 Z3 BauV müssen Schuhe oder Stiefel gemäß Abs.1 eine ausreichend feste und abrutschsichere Sohle bei Dacharbeiten und Arbeiten an Masten aufweisen.

 

Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens sind Feststellungen dahingehend erwiesen, dass die drei Arbeitnehmer entsprechende Schuhe für Dacharbeiten mit fester und abrutschsicherer Sohle nicht trugen. Dies ist durch die Fotos dokumentiert und auch durch die Aussagen der Zeugen bestätigt. Teilweise waren die Schuhe kaputt, sie waren nicht mit einer Noppensohle versehen. Es ist auch erwiesen, dass zum Tatzeitpunkt die Schuhe selbst gekaufte Schuhe der Arbeitnehmer waren und nicht vom Bw zur Verfügung gestellt wurden. Es ist daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt. Eine Dokumentation ergibt sich auch aus den aufliegenden Fotos. Sämtliche Arbeitnehmer haben abwechselnd auch auf dem Dach gearbeitet. Es war daher die Verpflichtung hinsichtlich sämtlicher Arbeitnehmer gegeben. Der Bw ist Komplementär und unbeschränkt haftender Gesellschafter des angeführten Unternehmens und er hat daher die Verwaltungsübertretung gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

 

5.2. Dem Vorbringen des Bw konnte hingegen nicht Rechnung getragen werden. Insbesondere hat sich gezeigt, dass sich die Arbeitnehmer die Schuhe selbst kaufen und auch aussuchen. Die Arbeitnehmer wussten zum Tatzeitpunkt nicht, welche Anforderungen konkret an geeignete, dem Gesetz entsprechende Schuhe gestellt werden. Vielmehr ist es ihrem eigenen Gutdünken und Gefühl überlassen, welche Schuhe sie sich aussuchen. Auch der Umstand, dass allenfalls das Geld vom Bw den Arbeitnehmern für den Schuhkauf gegeben wurde, stellt nicht die totale Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen dar, dass nämlich die geeigneten Schuhe vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Im Übrigen ist auch nicht sicher, dass sämtliche Schuhe vom Arbeitgeber bezahlt wurden, sondern ist nach den Aussagen der Zeugen nur gelegentlich gegen Rechnung der Betrag rückerstattet worden. Auch haben sämtliche Arbeitnehmer, wenn auch wechselweise, am Dach gearbeitet, sodass alle Arbeitnehmer diese Ausrüstung zur Verfügung gestellt bekommen müssen. Dies gilt auch für den Leasingarbeitnehmer, wobei der Bw als Beschäftiger die Arbeitgeberpflichten dem Leasingarbeitnehmer gegenüber wahrzunehmen hat. Die Aussage, dass ein Arbeitsinspektor dem Bw mitgeteilt hätte, dass Stahlkappenschuhe genügen würden, entlastet den Bw nicht. Insbesondere entspricht es nicht den gesetzlichen Vorschriften, da Stahlkappenschuhe bei Arbeiten auf schrägen Dachflächen eher hinderlich sind und im Übrigen auch nicht den nötigen Schutz, nämlich den Schutz vor Abrutschen, gewährleisten. Darüber hinaus wurde ein Nachweis über dieses Gespräch nicht gemacht.

 

5.3. Der Bw hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichteshofes vom 23.5.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bw nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Insbesondere hat sich der Bw nicht erkundigt, welche Schuhe geeignet und gesetzeskonform sind. Er hat auch nicht kontrolliert, welche Schuhe sich die Arbeitnehmer kaufen und dann tatsächlich auf der Baustelle tragen. Es ist daher eine Sorgfaltsverletzung des Bw gegeben.

Es liegt daher auch ein Verschulden, nämlich zumindest fahrlässiges Verhalten des Bw vor.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat die Unbescholtenheit des Bw strafmildernd gewertet und straferschwerende Umstände nicht zu Grunde gelegt. Sie hat die vom Bw angegebenen persönlichen Verhältnisse mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.500 Euro und keinen Sorgepflichten berücksichtigt.

Der Bw hat hinsichtlich der Strafbemessung keine weiteren Milderungsgründe vorgelegt. Hingegen konnte – wie schon oben ausgeführt – ein SiGe-Plan und die Bestellung eines Baukoordinators keine Rechtfertigung bzw. Entschuldigung des Verhaltens des Bw darlegen und daher auch keine Strafmilderung bewirken. Geänderte Umstände für die Strafbemessung wurden vom Bw nicht dargelegt. Es konnten daher die von der Behörde festgestellten und zu Grunde gelegten Tatsachen auch nunmehr für die Strafbemessung zu Grunde gelegt werden. Dabei konnte nicht festgestellt werden, dass die belangte Behörde bei dem ihr zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise vorgegangen ist. Hingegen war aber die Strafe auf drei Arbeitnehmer aufzuteilen, weil nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mehrere Straftaten vorliegen, wenn sich die rechtswidrigen Angriffe gegen die Gesundheit mehrerer Dienstnehmer richten. „Die belangte Behörde hat das erstinstanzliche Straferkenntnis in der Schuldfrage bestätigt und damit – trotz der namentlichen Nennung der beschäftigten Arbeitnehmer – den Beschwerdeführer lediglich einer Verwaltungsübertretung für schuldig befunden; sie hat dadurch gegen das in § 22 VStG normierte Kumulationsgebot verstoßen“ (VwGH vom 26.7.2002, Zl. 2002/02/0037 mit weiteren Judikaturnachweisen). Es war daher je Arbeitnehmer eine Verwaltungsübertretung anzunehmen und daher je Delikt eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe zu verhängen. Indem für die drei angetroffenen Arbeitnehmer die verhängte Geldstrafe jeweils gedrittelt wurde, wurde der Bw nicht schlechter gestellt und wurde daher nicht gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen. Hingegen kann im Hinblick auf die Verhängung von nur 100 Euro je Arbeitnehmer und daher je Delikt nicht von einer überhöhten Strafe ausgegangen werden, zumal die pro Delikt verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens gelegen ist und unter der gesetzlichen Mindeststrafe liegt. Eine weitere Herabsetzung der Strafe war daher nicht gerechtfertigt. Insbesondere war auf den Unrechtsgehalt der Tat Bedacht zu nehmen, nämlich die besondere Absturzhöhe, was eine besondere Gefährdung der Arbeitnehmer hinsichtlich Gesundheit und Leben der Arbeitnehmer bedeutet.

Da mit Ausnahme der Unbescholtenheit keine Milderungsgründe vorlagen und daher ein erhebliches Überwiegen der Milderungsgründe nicht festzustellen war, war eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG nicht anzuwenden. Auch lag nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das Verhalten des Bw nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war daher auch nicht die Voraussetzung für ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG gegeben.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 60 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem, Kommunikation

 

 

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