Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401149/4/SR/Jo

Linz, 30.01.2012

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, geboren am X, nigerianischer Staatsangehöriger, unbekannter Aufenthalt, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung "ab 13. Jänner 2012, 9.35 Uhr bis zur Enthaftung am 13. Jänner 2012, um ca. 14.00 Uhr" durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

 

 

I.            Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft am 13. Jänner 2012 in der Zeit von 09.35 bis 13.00 Uhr für rechtswidrig erklärt.

 

II.        Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 751,90 Euro (Schriftsatzaufwand: 737,60 Euro und Eingabegebühr: 14,30 Euro) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 112/2011) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde und der Gegenschrift vom nachstehenden Sachverhalt aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein Staatsangehöriger von Nigeria, geboren am X, ist am 12. Juni 2004 auf dem Luftweg illegal über X in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Am 30. Juni 2004 stellte der Bf beim Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, einen Antrag auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag).

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. September 2004, Zl. 04 13.448-BAE, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen, seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria gemäß § 8 leg. cit. für zulässig erklärt und der Bf aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

 

Die dagegen eingebrachte Berufung wies der Unabhängige Bundesasylsenat (im Folgenden: UBAS) mit Bescheid vom 29. Mai 2007, Zl. 253.698/0/9E-IX/49/04, ab und verfügte die Ausweisung des Bf nach Nigeria.

 

Mit Beschluss vom 19. Juli 2007 erkannte der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde gegen den Bescheid des UBAS die aufschiebende Wirkung zu. Am 4. November 2010 lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab.

 

1.2. Mit Bescheid vom 8. November 2007, GZ 1-1049023/FRB/07, verhängte der Polizeidirektor der Stadt Linz gegen den Bw ein unbefristetes Rückkehrverbot. Die dagegen erhobene Berufung wies der Sicherheitsdirektor von Oberösterreich mit Bescheid vom 6. Dezember 2007, St. 307/07, ab. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2008/21/0073-7, die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

1.3. Im ZMR (Stand 20. Dezember 2011) scheinen seit 14. September 2007 folgende Eintragungen auf:

14.09.2007 bis 24.10.2007              X                 Hauptwohnsitz

24.10.2007 bis 10.03.2008              X                 (obdachlos)

13.03.2008 bis 09.04.2008              X                 (obdachlos)

10.04.2008 bis 30.08.2011 (amtliche Abmeldung)        X       Hauptwohnsitz

30.08.2011 bis 05.12.2011              (keine Meldedaten)

05.12.2011 bis 13.01.2012              X                 PAZ X

 

1.4. Mit Schreiben vom 25. Jänner 2011 ersuchte die (in der Folge örtlich zuständige) Bezirkshauptmannschaft Linz-Land die PI Traun, dem Bf seine Ausreiseverpflichtung (Information über die Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise – Fristsetzung bis 20. Februar 2011; Androhung allfälliger Zwangsmaßnahmen) zur Kenntnis zu bringen. Das entsprechende Schreiben wurde dem Bf am 10. Februar 2011 nachweislich zu eigenen Handen zugestellt.

 

Die Erhebung vom 2. Mai 2011 ergab, dass der Bf nach wie vor an der Adresse X wohnhaft ist.

 

Da der Bf seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, versuchte die BH Linz-Land den Bf mittels Schreiben vom 8. August 2011 zu laden. Gleichzeitig wurde das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet.

 

Am 29. August 2011 teilte die PI Traun mit, dass ein Mitbewohner des Bf angegeben habe, dass der Bf nach X verzogen sei. Daraufhin sei die Abmeldung des Bf veranlasst worden.

 

1.5. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2011, GZ Sich40-, ordnete die belangte Behörde auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs. 1 FPG iVm. § 57 AVG gegen den Bf die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm 53 FPG, des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 62 FPG, des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 63 FPG, der Abschiebung gemäß § 46 FPG, der Zurückschiebung gemäß § 45 FPG und der Durchbeförderung gemäß § 48 FPG an.

 

Begründend führte die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass der Bf am 4. Dezember 2011, um ca. 15:30 Uhr im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle als PKW-Beifahrer überprüft worden sei. Dabei sei festgestellt worden, dass sich der Bf illegal in Österreich aufhalte. Im Rahmen der Kontrolle habe der Bf keinen Reisepass vorweisen können und sei auch nicht im Besitz eines Einreise- oder Aufenthaltstitels für Österreich oder für einen anderen Schengenstaat gewesen. Die mitgeführten und vorgewiesenen Dokumente, ein nigerianischer Führerschein, Nr. X, ausgestellt am 11. Mai 2003 und eine ungarische Heiratsurkunde, Nr. X, ausgestellt am X, hätten sich als Totalfälschungen herausgestellt.

 

In Kenntnis, dass das Asylverfahren des Bf zu AIS: 0 13.448 bereits gemäß §§ 7 und 8 AsylG 1997 iVm einer Ausweisung mit Wirkung vom 4. November 2010 in II. Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossen worden und ein rechtskräftiges Rückkehrverbot, erlassen von der BPD Linz am 8. November 2007, rechtskräftig seit 17. Dezember 2007, vorgelegen sei, sei der Bf nach den Bestimmungen des FPG vorläufig festgenommen worden.

 

Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG sei dem Bf zum Zeitpunkt der Festnahme nicht mehr zugekommen.

 

Mit dem unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich nach der rechtskräftig negativen Finalisierung des Asylverfahrens, nach rechtskräftiger Erlassung einer Ausweisung, sowie nach rechtskräftiger Erlassung eines Rückkehrverbotes habe der Bf seine Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes nachhaltig völlig ignoriert.

 

Seit dem 30. August 2011 verfüge der Bf über keinen gültig gemeldeten Wohnsitz mehr. Des weiteren sei er vom 24. Oktober 2007 bis 10. März 2008, und vom 13. März 2008 bis 9. April 2008 in 4020 Linz als obdachlos gemeldet gewesen.

 

Nach rechtskräftigem Abschluss des Asyl- und Ausweisungsverfahren sei der Bf in der völligen Anonymität untergetaucht, habe durch sein Verhalten einen Zugriff der Fremdenpolizeibehörde dauerhaft mit Erfolg vereitelt und dadurch die Abschiebung in den Herkunftsstaat Nigeria verhindert.

 

Durch diese Verhaltensweise habe der Bf nachhaltig gegen die Rechtsordnung des Gastlandes Österreich im Bereich der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen verstoßen.

 

Am 4. Dezember 2011 habe die belangte Behörde um 16:00 Uhr die weitere Anhaltung des Bf im Stande der Festnahme nach den Bestimmungen des FPG 2005 zwecks Vorführung vor die Behörde sowie in weiterer Folge zwecks Anordnung der Schubhaft angeordnet.

 

Seitens der belangten Behörde werde festgehalten, dass der Aufenthalt des Bf im Bundesgebiet der Republik Österreich unrechtmäßig sei, da er nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sei und bereits eine rechtskräftige Ausweisung gegen ihn vorliege.

 

Infolge des vorliegenden Sachverhaltes werde gegen den Bf gesondert ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des dringenden Verdachtes der Übertretung nach § 120 FPG 2005 (unrechtmäßiger Aufenthalt) sowie wegen des Verdachtes der Übertretung nach § 121 FPG 2005 (Nichtmitführen eines gültigen Reisedokumentes) eingeleitet werden.

 

Mangels eines polizeilich gemeldeten Wohnsitzes sei der gegenwärtige Aufenthalt des Bf im Bundesgebiet auch als unstet zu bezeichnen. Darüber hinaus sei er nicht im Stande den Besitz einer in Österreich alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung nachzuweisen.

 

Während seines gesamten Aufenthaltes in Österreich habe er jegliches Bestreben zur Gänze vermissen lassen, seine Identität den Behörden durch Vorlage eines Dokumentes oder zumindest einer Fotokopie eines Dokumentes aus dem Herkunftsland Nigeria nachzuweisen. Seine tatsächliche Identität gelte demzufolge weiterhin als nicht gesichert.

 

Infolge der drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat laufe der Bf Gefahr den Einsatz seiner finanziellen Mittel für die illegale Schleusung von Nigeria bis nach Österreich als ertraglose Aufwendung abschreiben zu müssen. Dieser Umstand trage ebenso zur Feststellung eines Sicherungsbedarfes nach den Bestimmungen des FPG 2005 bei.

 

Bei der Bewertung der Wahl der Mittel zur Erreichung seines Zieles – sich einen Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich, wenngleich auch unrechtmäßig, unstet und in der völligen Anonymität zu verschaffen – sei im vorliegenden Fall von einem besonders hohen Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass der Bf – auf freien Fuß belassen – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Zugriff der Behörden neuerlich entziehen werde um eine Außerlandesbringung von Österreich nach Nigeria weiterhin mit Erfolg zu vereiteln oder diese Maßnahmen zumindest temporär wesentlich zu verzögern. Demzufolge sei die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie die Sicherung der Außerlandesbringung (Abschiebung nach Nigeria) unbedingt erforderlich.

 

Im Asylverfahren habe der Bf keine familiären und/oder sozialen Bezugspunkte zu Österreich ins Treffen geführt. Darüber hinaus sei der Bf – wie er während des zuletzt dauerhaften Aufenthaltes in der Anonymität in Österreich unter Beweis gestellt habe – äußerst flexibel in seiner Lebensgestaltung und in keiner Weise an eine Örtlichkeit gebunden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof stelle in seiner ständigen Judikatur fest, dass die Einhaltung fremdenpolizeilicher Vorschriften für den österreichischen Staat, vor allem in Zeiten eines erhöhten Zuwanderungsdruckes, von eminentem Interesse sei.

 

Die Anordnung der Schubhaft sei – nach genauer Abwägung im Rahmen einer Einzelfallprüfung – verhältnismäßig, denn dem Recht des Fremden auf Schutz der persönlichen Freiheit stehe das in diesem Fall überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber.

In diesem Einzelfall sei eine Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sowie eine Sicherung der Außerlandesbringung des Bf durch die Anordnung eines Gelinderen Mittels nicht ausreichend, da mit dieser Maßnahme das der Sicherung zugrunde liegende Endziel – nämlich die behördliche Abschiebung von Österreich nach Nigeria – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden könne. Um die im Interesse des Staates gebotenen Ziele zu gewährleisten, sei der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig und demzufolge wäre von der Alternative der Anordnung eines Gelinderen Mittels Abstand zu nehmen und ein konkreter und vor allem akuter Sicherungsbedarf - welchem im gegenständlich vorliegenden Fall ausschließlich durch die Anordnung einer Schubhaft Folge getragen werden könne - zu bejahen.

 

1.6. Am 5. Dezember 2011 um 09.27 Uhr verständigte die belangte Behörde die Koordinationsstelle für Rechtsberatungen. Umgehend wurde von dieser mitgeteilt, dass der Verein Menschenrechte Österreich mit der Rechtsberatung beauftragt worden sei.

 

Im Zuge der Schubhaftverhängung brachte der Bf laut Aktenvermerk vom 5. Dezember 2011 vor, dass er noch immer mit seiner ungarischen Frau verheiratet sei und mit dieser nach Österreich ziehen wolle, um einen gemeinsamen Haushalt zu führen. Da dies nicht möglich sei, habe er in letzter Zeit gespart, um zu seiner Frau nach Ungarn ziehen zu können. Bei der Heirat in Ungarn habe er einen nigerianischen Reisepass vorgelegt. Da sich dieser bei seiner Frau in Ungarn befinde, könne er auch keine Kopie besorgen und er könne sich diesen auch nicht schicken lassen.

 

Im Bericht vom 5. Dezember 2011 hielt der Doku-Prüfer der PI St. Georgen i.A. fest, dass es sich bei den beiden sichergestellten Dokumenten (ungarische Heiratsurkunde und nigerianischer Führerschein) um Totalfälschungen handeln würde.

 

Dazu befragt, brachte der Bf vor, dass es sich beim nigerianischen Führerschein keinesfalls um eine Fälschung handeln würde.

 

Nach der Ausfolgung des Schubhaftbescheides wurde der Bf in das PAZ X überstellt.

 

1.7. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 ersuchte die belangte Behörde die Österreichische Botschaft Budapest um Überprüfung der Heiratsurkunde und um Abklärung, ob die behauptete Hochzeit in Ungarn stattgefunden habe.

 

Entsprechend dem Ersuchen übermittelte die Österreichische Botschaft X

die ungarische Heiratsurkunde und die im Zuge der Eheschließung vom Bf vorgelegten Dokumente (staatliche Geburtsurkunde für den Bf, ausgestellt von der staatlichen nigerianischen Bevölkerungskommission im X am 29. April 2009, versehen mit einem aktuellen Foto des Bf; Heiratserklärung [Zulässigkeit der Verehelichung nach nigerianischem Recht zwischen dem Bf und der ungarischen Staatsangehörigen X], ausgestellt am X von der nigerianischen Botschaft X; nigerianischer Reisepass, Nr. X, ausgestellt am 3. März 2009, gültig bis 2. März 2014) per E-Mail.

 

1.8. Am 7. Dezember 2011 ersuchte die belangte Behörde das BMI um Erwirkung einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Botschaft von Nigeria für den Bw und legte zum Zwecke des Identitätsnachweises die von der Österreichischen Botschaft X übermittelten Dokumentenkopien bei.

 

1.9. Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2011 gab Rechtsanwalt X bekannt, dass ihm zwei Personen mitgeteilt hätten, dass der Bf am X die ungarische Staatsangehörige X geheiratet habe und mit dieser in Ungarn zusammenlebe. Der Bf habe in Ungarn angeblich ein Aufenthaltsverfahren anhängig. Eine Abschiebung des Bf nach Ungarn zu seiner Ehegattin erscheine sinnvoller als eine Abschiebung nach Nigeria.

 

1.10. Am 13. Dezember 2011 ersuchte die belangte Behörde das BMEIA um Klärung, ob der Bf in Ungarn aufenthaltsberechtigt ist.

 

1.11. Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 gab der Rechtsvertreter des Bf bekannt, dass die Ehegattin des Bf ungarische Staatsangehörige wäre und seit dem 13. Dezember 2011 in X wohnhaft sei. Sie halte sich im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG rechtmäßig in Österreich auf und die Rechtmäßigkeit schlage grundsätzlich auch auf den Aufenthalt des Bf durch. Dem könne die belangte Behörde auch ein allfälliges Aufenthaltsverbot nicht entgegen halten, da vor der Vollstreckung nach Art. 33 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie zu überprüfen sei, ob vom Einschreiter eine gegenwärtige und tatsächliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe. Da der Bf bei seiner Gattin in X wohnen könne und dies im Fall seiner Enthaftung auch tun werde, bestehe bis zum Abschluss der Überprüfung auch kein Sicherungsbedarf. Angesichts des bevorstehenden Weihnachtsfestes, das der Bf gerne im Kreis seiner Familie feiern möchte, werde um formlose Aufhebung der Schubhaft ersucht.

 

1.12. Im Hinblick auf die Vollmacht vom 31. Jänner 2008 wurde die Rechtsanwältin X aufgefordert, den Reisepass des Bf sowie eine gültige Niederlassungsbewilligung von Ungarn in Vorlage zu bringen, um dem Bf allenfalls die Einreise nach Ungarn ermöglichen zu können.

 

1.13. Mit der am 20. Dezember 2011 per FAX übermittelten Eingabe (20/12/2011 11:26), erhob der Bf durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde gemäß § 82 FPG (Schubhaftbeschwerde), stellte den Antrag, die Rechtswidrigkeit der Festnahme, des Schubhaftbescheides und der Anhaltung ab Beginn, in eventu ab nunmehrigen Zuzug der Gattin am 13. Dezember 2011 festzustellen und beantragte die Erstattung der Stempelgebühren und den pauschalierten Schriftsatzaufwand.

 

Zum Sachverhalt führte der Rechtsvertreter aus, dass der Bf nach Österreich gekommen sei um hier Schutz vor Verfolgung zu finden. Das Asylverfahren sei nach VwGH-Ablehnung im November 2010 rechtskräftig negativ abgeschlossen und die BPD Linz habe aufgrund der Straffälligkeit des Bf gegen diesen ein Rückkehrverbot verhängt. Am X habe der Bf die ungarische Staatsangehörige X geheiratet. Seit 13. Dezember 2011 wohne diese in X.

 

Nach der Festnahme am 4. Dezember 2011 habe ihn die belangte Behörde in Schubhaft genommen. Die Anhaltung dauere noch an und die verhängte Haft diene der Sicherung der Abschiebung.

 

Eine Abschiebung des Bf sei nicht zulässig, da aufgrund der Eheschließung des Bf mit einer ungarischen Staatsangehörigen die Bestimmungen der Unionsbürgerrichtlinie 2000/38/EG gelten würden. Demnach sei der Bf nach Art. 6 Abs. 2 der RL zum Aufenthalt in Österreich berechtigt, zumal auch der Vollzug des Rückkehr- bzw. Aufenthaltsverbotes zurzeit nicht zulässig seien, weil gemäß Art. 33 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie ein aufgrund Straffälligkeit verhängtes Aufenthaltsverbot mehr als zwei Jahre nach Verhängung nur vollstreckt werden dürfe, wenn "von dem Betroffenen eine gegenwärtige und tatsächliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgehe". Das Aufenthaltsverbot müsse also vor Vollstreckung überprüft werden, um zu beurteilen, ob seit dem Erlass der Ausweisungsverfügung eine materielle Änderung der Umstände eingetreten sei. Eine derartige Überprüfung des Rückkehr- bzw. Aufenthaltsverbotes habe bislang nicht stattgefunden, sodass darauf eine Abschiebung nicht gegründet werden könne und damit auch die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht notwendig und zulässig sei. Bedingt durch die Verehelichung mit einer EU-Bürgerin sei eine Änderung der materiellen Umstände eingetreten, die zwingend zur Aufhebung des Aufenthalts/-Rückkehrverbotes führen müsse.  

 

1.14. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 übermittelte die belangte Behörde per E-Mail Teile des von ihr geführten Fremdenaktes, teilte mit, dass Vorakte der BPD Linz und der BH Linz-Land mit der Post geschickt würden, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die angekündigten weiteren Aktenteile langten am 22. Dezember 2011 ein.

 

Einleitend verwies die belangte Behörde auf die übermittelten Aktenunterlagen und den bereits im Schubhaftbescheid vom 5. Dezember 2011 ausgeführten Sachverhalt.

 

Wie aus dem beigelegten aktuellen FIS-Auszug, dem Schubhaftbescheid und nunmehr auch aus der vorliegenden Beschwerde unbestreitbar hervorgehe, bestehe gegen den Bf ein rechtskräftiges Rückkehrverbot wegen rechtskräftiger Verurteilungen nach dem SMG. Dieses Rückkehrverbot sei von der BPD am 8. November 2007 erlassen worden und am 17. Dezember 2007 in Rechtskraft erwachsen. Aufgrund der vorliegenden Kopie der Heiratsurkunde und der Botschaftsanfrage stehe fest, dass der Bf am X die ungarische Staatsbürgerin in Ungarn geehelicht habe. Nachdem kein beweiskräftiger Ausreisezeitpunkt des Bf feststehe, weise dieses Datum auf den Aufenthalt des Bf außerhalb des Bundesgebietes hin. Somit gelte das erlassene Rückkehrverbot seit diesem Zeitpunkt (31. Juli 2010) als schengenweit gültiges Aufenthaltsverbot (nunmehr Einreiseverbot). Der Bf sei daher weder zur Einreise noch zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Eine etwaige Aufhebung des Einreiseverbotes hätte vom Bf beantragt werden müssen. Der Bf verfüge in Österreich weder über eine polizeiliche Anmeldung noch einen für den Aufenthalt ansonsten erforderlichen gültigen Reisepass. Betreffend seiner ungarischen Ehegattin werde angeführt, dass für eine Rückbringung nach Ungarn ein Rechtstitel fehle. Der Bf habe weder einen gültigen Reisepass noch eine Niederlassungsbewilligung, welche ihn zur Einreise nach Ungarn berechtigen würde, vorlegen können. Eine freiwillige Ausreise nach Ungarn sei daher nicht möglich. Eine Abschiebung nach Ungarn scheide aus, da der vorliegende Rechtstitel (asylrechtliche Ausweisungsentscheidung) eine Ausweisung in den Herkunftsstaat Nigeria vorsehe. Mit Wirkung vom 4. November 2010 liege eine rechtskräftige Ausweisung nach Nigeria vor. Auf Grund der Gültigkeit der Ausweisung von 18 Monaten sei diese bis dato noch aufrecht gültig. Dem Bf sei bewusst, dass er aus zweierlei Hinsicht nicht nach Österreich einreisen und sich nicht in Österreich aufhalten dürfe. Einerseits liege die aufrecht gültige Ausweisung vor und andererseits bestehe das Einreiseverbot.

Die Vorgehensweise des Bf -  illegale Einreise nach Österreich und bewusster illegaler Aufenthalt in der Anonymität im Bundesgebiet - stelle im vorliegenden Fall eine besondere Erschwernis dar und weise damit auch eine erhebliche Fluchtgefahr auf. Verstärkt werde diese, da nunmehr auch dem Bf eine beabsichtigte Außerlandesbringung in den Herkunftsstaat Nigeria bekannt sei und er in jeder Hinsicht eine Rückkehr nach Nigeria vollkommen ausschließe.

 

Im Weiteren werde auch ausdrücklich auf die Aktenunterlagen der BPD Linz hingewiesen, insbesondere auf jene Bestandteile, aus denen hervorgehe, dass die Fremdenbehörde mehrmals vergeblich versucht habe, Schriftstücke dem Bf an seiner gemeldeten Wohnadresse zuzustellen. Unzweifelhaft gehe hervor, dass sich der Bf bereits in der Vergangenheit den Behörden bewusst entzogen habe und ohne Abmeldung oder Bekanntgabe einer neuen Meldeadresse in die Anonymität abgetaucht sei. Auf Grund der vergangenen und nach wie vor aufrechten Intoleranz des Bf gegenüber der bestehenden Rechtsordnung in Österreich und den angeführten Gründen sei nach wie vor von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen.

 

Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Botschaft von Nigeria werde der Bf nach Nigeria abgeschoben. Die Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes sei in kürzester Zeit zu erwarten, zumal die Identität des Bf gesichert sei. Dass der Bf nicht nach Nigeria zurückkehren wolle, sei nicht nur auf Grund seiner Handlungsweise sondern auch auf Grund seiner letztlich eingebrachten Schubhaftbeschwerde außer Zweifel.

 

Abschließend beantragte die belangte Behörde die kostenpflichtige Abweisung der vorliegenden Beschwerde.

 

1.15. Mit Erkenntnis vom 22. Dezember 2011, VwSen-401142/5/SR/Jo, wies der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Beschwerde als unbegründet ab und stellte fest, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

 

Innerhalb offener Frist erhob der Rechtsvertreter dagegen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2011, AW 2011/21/0156-3, erkannte der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde antragsgemäß die aufschiebende Wirkung zu. Der Beschluss wurde dem Rechtsvertreter des Bf am 13. Jänner 2012 zugestellt.

 

1.16. Nachdem der Rechtsvertreter den Beschluss mit dem Vermerk "bitte enthaften ......" versehen hatte, übermittelte er diesen der belangten Behörde mit Telefax um 08.35 Uhr.

 

1.17. Mit Bescheid vom 13. Jänner 2012, GZ Sich40-3615-2011, eigenhändig zugestellt u.a. an den Bf am 13. Jänner 2012, 12.24 Uhr, ordnete die belangte Behörde ein gelinderes Mittel über den Bf an. Demnach habe dieser mit Wirkung vom 13. Jänner 2012 unter der Adresse X, Unterkunft zu nehmen bzw. sich an dieser Adresse zur Verfügung der Behörde zu halten und sich jeden Tag, und zwar im Zeitraum von 08.00 bis 10.00 Uhr bei der nächstgelegenen Sicherheitsdienstsstelle (PI Timelkam, Pichlwanger Straße 13, 4850 Timelkam) beginnend mit Samstag den 14. Jänner 2012 zu melden. Im Zuge der Ausfolgung des Bescheides wurde durch den Verein Menschenrechte Österreich eine Rechtsberatung durchgeführt.

 

Im Anschluss an die Rechtsberatung (12.30 bis 13.00 Uhr) wurde der Bf am 13. Jänner 2012 um 13.00 Uhr aus der Schubhaft entlassen.

 

1.18. Mit Schriftsatz vom 13. Jänner 2012, eingebracht mittels Fax (13/01 2012 16:24) erhob der Rechtsvertreter des Bf Vorstellung gegen den Mandatsbescheid, mit dem ein gelinderes Mittel angeordnet worden war. Das gelindere Mittel wurde als rechtswidrig angesehen, da eine Abschiebung aus Österreich im Hinblick auf den Aufenthalt der ungarischen Ehegattin in X unzulässig sei.

 

1.19. Nach der Entlassung aus der Schubhaft am 13. Jänner 2012 kam der Bf am 14. und 15. Jänner 2012 seiner Meldeverpflichtung nach. Bei der Vorsprache am 15. Jänner 2012 gab der Bf bekannt, dass er am 16. Jänner 2012 einen Termin bei seinem Rechtsanwalt in X habe.

 

1.20. Am 16. Jänner 2012 beschwerte sich ein Mitarbeiter der Kanzlei des Rechtsvertreters des Bf über die Vorgangsweise der belangten Behörde und teilte mit, dass der Bf nicht in X sondern bei seiner Frau in X wohne.

 

1.21. Der Ladungsbescheid vom 17. Jänner 2012 (Befragung vor einer Delegation von Nigeria zur Klärung der Identität bzw. zwecks Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes) wurde dem Rechtsvertreter zugestellt. Eine Zustellung an den Bf gelang nicht, da der Bf seine Unterkunft in X verlassen hatte.

 

Am 18. Jänner 2012 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass die Vorführung des Bf vor die nigerianische Botschaft am 20. Jänner 2012 nicht stattfinden könne und ein neuer Termin (voraussichtlich 3. Februar 2012) bekannt gegeben werde.

 

Der Ladungsbescheid vom 17. Jänner 2012 wurde am 19. Jänner 2012 widerrufen.

 

2.1. Mit der am 23. Jänner 2012 per FAX übermittelten Eingabe (23/01 2012 11:05), erhob der Bf durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde gemäß § 82 FPG (Schubhaftbeschwerde), stellte den Antrag, die Rechtswidrigkeit der Anhaltung ab "13.1.2012, 9:35 Uhr bis zur Enthaftung am 13.1.2012 um ca. 14 Uhr" festzustellen und beantragte die Erstattung der Stempelgebühren und den pauschalierten Schriftsatzaufwand.

 

In der Beschwerdeschrift gab der Rechtsvertreter als Wohnanschrift "4020 Linz, Derfflinger Straße 8/2/41" an.

 

Nach Wiedergabe des relevanten Sachverhaltes führte der Rechtsvertreter aus, dass die Beschwerdeentscheidung des UVS einen neuen Schubhafttitel darstelle (siehe VwGH vom 20.11.2008, 2007/21/0426). In der Stellungnahme des UVS NÖ sei im Verfahren VfGH B 2019/93 schon zum Ausspruch des Vorliegens der maßgeblichen Voraussetzungen zur Fortsetzung der Schubhaft nach dem FrG 1991 (Erlassung des neuen Titelbescheides durch den unabhängigen Verwaltungssenat) hingewiesen worden. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung habe nun zur Folge, dass die Tatbestandswirkungen dieses Titelbescheides außer Kraft gesetzt würden, sodass die Schubhaft aufzuheben gewesen sei.

 

Davon ausgehend, dass die Schubhaft aufgrund des genannten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes aufgehoben hätte werden müssen, hätte die Enthaftung spätestens um 9.35 Uhr erfolgen müssen. Der belangten Behörde wäre so ausreichend Zeit zur Abwicklung der Entlassung zur Verfügung gestanden. In diesem Zusammenhang werde auf eine Entscheidung des UVS Wien 01/11/3188/2005/5 vom 19.4.2005 verwiesen, in der der belangten Behörde sogar nur 40 Minuten für entsprechende Dispositionen zur Enthaftung eingeräumt worden wären.

 

2.2. Mit Schreiben vom 26. Jänner 2012 übermittelte die belangte Behörde per E-Mail Teile des von ihr geführten Fremdenaktes, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

2.2.1. Einleitend verwies die belangte Behörde auf die übermittelten Aktenunterlagen und bestätigte, dass ein Fax des Rechtsvertreters des Bf am 13 Jänner 2012 um 08.36 Uhr mit dem Vermerk "bitte enthaften" bei ihr eingelangt sei.

 

Nach Ansicht der belangten Behörde entfalte der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes über die aufschiebende Wirkung im Schubhaftverfahren nicht die zwingende Verpflichtung einer Entlassung aus der Schubhaft. Unmittelbar nach Eingang des Beschlusses habe die belangte Behörde eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und sei zum Ergebnis gekommen, dass von der Schubhaft unter gleichzeitiger Anordnung eines gelinderen Mittels Abstand genommen werden könne. Der behördliche Auftrag zur Entlassung des Bf aus der Schubhaft sei um 11.35 Uhr an das PAZ X gesendet worden und im PAZ X um 11.37 Uhr eingegangen. Betrachte man den Arbeitsaufwand (Verhältnismäßigkeitsprüfung, Anordnung des gelinderen Mittels, Enthaftungsschreiben), so sei die Dauer von 3 Stunden bis zur Versendung der notwendigen Unterlagen zur Entlassung aus der Schubhaft und Anordnung des gelinderen Mittels verhältnismäßig.

 

Entgegen dem Beschwerdevorbringen sei der Bf bereits um 13.00 Uhr aus der Schubhaft entlassen worden. Zwischen dem behördlichen Auftrag zur Entlassung aus der Schubhaft um 11.35 Uhr und der tatsächlichen Entlassung um 13.00 Uhr habe eine Rechtsberatung durch den Verein Menschenrechte Österreich stattgefunden und sei der Bescheid über die Anordnung des gelinderen Mittels ausgefolgt worden. Im Hinblick auf die weiteren formellen Tätigkeiten sei von keiner unverhältnismäßigen Zeitverzögerung auszugehen.

 

2.2.2. Mit Schreiben vom 23. Jänner 2012 übermittelte die belangte Behörde der Bundespolizeidirektion Linz zuständigkeitshalber (Wohnsitz des Bf nunmehr in X) den Fremdenakt (in Kopie) und teilte mit, dass die Wohnsitzänderung vom Rechtsvertreter bekannt gegeben worden sei. Eine aktuelle ZMR-Abfrage sei negativ verlaufen.

 

2.2.3. Am 25. Jänner 2012 informierte das Magistrat Linz die belangte Behörde vom Ergebnis des behördlichen Erhebungsdienstes. Dieser habe am 24. Jänner 2012 eine Überprüfung an der Wohnadresse des Bf vorgenommen und dabei festgestellt, dass dieser seit 21. Jänner 2012 nicht mehr an der genannten Adresse aufhältig sei. Laut Auskunft des Unterkunftgebers seien der Bf und seine Frau am 21. Jänner 2012 nach Ungarn verzogen.

 

Über Ersuchen gab die Bundespolizeidirektion Linz, Fremdenpolizeiliches Referat, der belangten Behörde am 25. Jänner 2012 bekannt, dass der Bf und seine Gattin mit ihrem Hab und Gut nach Ungarn gereist seien. Der Bf habe bis zum 22. Jänner 2012 fallweise in der Wohnung geschlafen. Sein derzeitiger Aufenthaltsort sei unbekannt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und die erstatteten Schriftsätze festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1. bis 2.2.3 dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichem Sachverhalt aus.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1.  Gemäß § 83 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. Nr. 38/2011, ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z. 2 oder 3 der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z. 1 richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme.  

 

Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 17/2011, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

4.2. Es ist unbestritten, dass der Bf von der belangten Behörde am 13. Jänner 2012 von 9.35 bis 13.00 Uhr in Schubhaft angehalten wurde, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

4.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z. 1.

 

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1.      in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2.      sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden      oder

3.      eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne vorausgegangener Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zur Behörde, in der auf diese Konsequenzen hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird (§ 77 Abs. 4 FPG).

 

Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

4.4. Die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates gemäß § 83 Abs. 4 FPG, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft bestehen, stellt einen neuerlichen Titel für die Anhaltung der betreffenden Person in Schubhaft dar (siehe VfGH vom 18.12.1993, B 2091/92). Im Falle eines solchen Ausspruches wird der Schubhaftbescheid der belangten Behörde gegenstandslos.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Beschluss vom 30. Dezember 2011, AW 2011/21/0156-3, mit dem der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 22. Dezember 2011, VwSen-401142/5/SR/Jo, die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, dem Rechtsvertreter des Bf am 13. Jänner 2012 zugestellt. Unverzüglich übermittelte der Rechtsvertreter der belangten Behörde diesen Beschluss und vermerkte auf der per Fax übermittelten Kopie das Ersuchen "bitte enthaften". Das Ersuchen des Bf langte bei der belangten Behörde am 13. Jänner 2012 um 08.36 Uhr ein.

 

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof folgend nimmt die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dem als neuen Hafttitel wirkenden Fortsetzungsausspruch im Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 22. Dezember 2011, VwSen-401124/5/SR/Jo, die Vollzugsfähigkeit. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Fremdenpolizeibehörde ab Kenntnis der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gehalten, "unverzüglich" die Schubhaft des Bf zu beenden (zuletzt VwGH vom 5. Juli 2011, 2010/21/0260).

 

Zutreffend ist der Bf davon ausgegangen, dass unter "unverzüglicher Beendigung" der Schubhaft nicht verstanden werden kann, dass die Entlassung "sofort" nach Kenntnisnahme des Beschlusses über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorzunehmen ist, sondern der Fremdenpolizeibehörde die notwendige Zeit für die entsprechenden Dispositionen zur Enthaftung einzuräumen sind. So hat der Bf der belangten Behörde auch eine Stunde zur Vorbereitung der Entlassung zugestanden.

 

Ab Kenntnisnahme des vorliegenden Beschlusses um 8.36 Uhr bis zur tatsächlichen Entlassung um 13.00 Uhr sind mehr als vier Stunden vergangen. Auch wenn die belangte Behörde den Auftrag zur Entlassung des Bf bereits um 11.35 Uhr an das PAZ Wels übermittelt hat, ist ihr auch die Zeitspanne bis zur tatsächlichen Entlassung um 13.00 Uhr zuzurechnen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde steht der von ihr geltend gemachte "Arbeitsaufwand" (eingehende Verhältnismäßigkeitsprüfung, Anordnung eines gelinderen Mittels, Rechtsberatung durch den Verein Menschenrechte Österreich) nicht mit dem Entlassungsprocedere in unmittelbaren Zusammenhang und kann keinesfalls zur Begründung der deutlich verzögerten Entlassung um 13.00 Uhr herangezogen werden.

 

In der Beschwerdeschrift ist der Bf von einem Entlassungszeitpunkt um "ca. 14.00 Uhr" ausgegangen. Die Entlassung hat tatsächlich und nachweislich um 13.00 Uhr stattgefunden.

 

Da der Bf über das unbedingt erforderliche Ausmaß weiter in Schubhaft angehalten wurde, war der Beschwerde stattzugeben und die Anhaltung am 13. Jänner 2012 in der Zeit von 09.35 bis 13.00 Uhr als rechtswidrig festzustellen.

 

5. Nach § 79a Abs 1 AVG 1991 iVm § 83 Abs 2 FPG hat die im Verfahren nach    § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder zurückgezogen oder abgewiesen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs 3 AVG). Nach § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

Gemäß § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl II Nr. 456/2008) betragen die Pauschbeträge für die belangte Behörde als obsiegende Partei für den Vorlageaufwand 57,40 Euro und für den Schriftsatzaufwand 368,80 Euro.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war der Schriftsatzaufwand der obsiegenden Partei mit 751,90 Euro (inklusive 14,30 Euro Eingabegebühr) festzusetzen und dem Bund der Kostenersatz zugunsten des Bf aufzutragen.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren für die Beschwerde von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

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