Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522982/8/Zo/Rei

Linz, 06.02.2012

 

                                                                                                                                                                                                           

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn S F, geb. x, vertreten durch Rechtsanwälte F, A, L, vom 17.10.2011 gegen den Bescheid des Bezirks-hauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 30.9.2011, Zl. VerkR-08/334611 wegen Entziehung der Lenkberechtigung sowie begleitender Anordnungen zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird teilweise stattgegeben, und die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung sowie des Verbotes zum Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraftfahrzeugen und die Aberkennung des Rechtes, von einer ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen, auf 20 Monate, gerechnet ab 13.06.2010, das ist bis einschließlich 13.02.2012, herabgesetzt.

Die übrigen Anordnungen des angefochtenen Bescheides bleiben aufrecht.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Abs.1 AVG iVm

§§ 24 Abs.1 Z1, 3 Abs.1 Z2, 7 Abs.1, Abs.3 Z2 und Abs.4, 26 Abs.2 Z1, 24 Abs.3, 30 Abs.1 und

     32 Abs.1 FSG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem angefochtenen Bescheid dem Berufungswerber die Lenkberechtigung für die Dauer von 30 Monaten, gerechnet ab 13.06.2010, das ist bis einschließlich 13.12.2012, entzogen. Er wurde verpflichtet, sich einer Nachschulung zu unterziehen, wobei die Dauer der Entziehung nicht vor Befolgung dieser Anordnung endet und sich die Probezeit um ein weiteres Jahr verlängert. Weiters wurde ihm aufgetragen, eine verkehrspsychologische Stellungnahme und ein amtsärztliches Gutachten über seine gesundheitliche Eignung beizubringen, wobei die Dauer der Entziehung nicht vor Befolgung dieser Anordnung endet. Das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen oder Invalidenkraft-fahrzeugen wurde ihm bis einschließlich 13.12.2012 ausdrücklich verboten und es wurde ihm das Recht aberkannt, von einer ausländischen Lenkberechtigung während der Dauer der Entziehung in Österreich Gebrauch zu machen. Einer Berufung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass er tatsächlich einen Alkoholgehalt der Atemluft von mehr als 0,8 mg/l aufgewiesen hat. Er habe jedoch den gegenständlichen Verkehrsunfall nicht verschuldet, wegen dieses Unfalles sei er vom OLG Linz rechtskräftig freigesprochen worden. Dieser rechtskräftige Freispruch binde auch die Verwaltungsbehörde, weil damit durch das Gericht über die Vorfrage, ob er diesen Verkehrsunfall verschuldet habe oder nicht, endgültig abgesprochen worden sei. Diese Frage dürfe von der Verwaltungsbehörde nicht mehr selbständig beurteilt werden. Die Behörde habe offenbar das Gerichtsurteil wegen des Verkehrsunfalles abgewartet und müsse sich jetzt auch an die Entscheidung des OLG Linz halten.

 

Der Umstand, dass in einem Zivilverfahren ein anderslautendes Gutachten erstellt worden ist, ändere nichts an der Bindungswirkung des freisprechenden Urteiles des OLG Linz. Im Übrigen sei auch dieses Gutachten in mehreren Punkten zu hinterfragen und aus den bisherigen Zeugenaussagen ergebe sich, dass der beim Unfall bedauerlicherweise Getötete keinesfalls am äußerst rechten Fahrbahnrand gegangen sei. Aufgrund der Endposition des Fahrzeuges des Berufungswerbers sei eher von einer Kollision nahe der Fahrbahnmitte auszugehen. Auch aus dem neuen, im Zivilverfahren vorgelegten Gutachten könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Getötete unmittelbar vor dem herannahenden Fahrzeug des Berufungswerbers in die Fahrbahn getreten sei. Die Kollisionsstelle sei zumindest 1,3 Meter vom rechten Fahrbahnrand entfernt gewesen.

 

Selbst wenn man allerdings von einem Verschulden des Berufungswerbers am Unfall ausgehen würde, sei die Entzugsdauer von 30 Monaten völlig überzogen. Der Beschuldigte habe mit Ausnahme der zugestandenen Alkoholisierung keinerlei gefährliches Verhalten gesetzt. Er sei mit einer Geschwindigkeit von max. 60 km/h auf einer Freilandstraße mit trockener Fahrbahn gefahren und abgesehen von der nächtlichen Dunkelheit habe es keinerlei Sicht-beeinträchtigung gegeben. Sein Verhalten sei daher nicht besonders gefährlich gewesen.

 

Auch die Verwaltungsvormerkung nach dem Polizeistrafgesetz dürfe bei der Bemessung der Entzugsdauer nicht berücksichtigt werden. Diese habe überhaupt nichts mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges zu tun und sei daher für die Entzugsdauer völlig gegenstandslos.

 

Es handle sich um ein Erstdelikt eines unbescholtenen PKW-Lenkers und den Unfallgegner treffe jedenfalls ein Mitverschulden am Verkehrsunfall, sodass mit einer Entzugsdauer geringfügig über der gesetzlichen Mindestentzugsdauer von 6 Monaten das Auslangen gefunden werden müsse.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Einsichtnahme in den Akt des LG Linz zu Zl. 33 Hv 97/10a. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber lenkte am 13.06.2010 um ca. 01.00 Uhr den PKW mit dem Kennzeichen x in F a d D auf der G L. Bei Straßenkilometer 3,071 kam es zum Zusammenstoß mit dem Fußgänger J A, welcher auf der rechten Fahrbahnseite ging. Dabei erlitt dieser tödliche Verletzungen.

 

Bei der Unfallstelle handelt es sich um eine grundsätzlich gut einsehbare, leicht kurvenreiche Straßenstelle, allerdings herrschte Dunkelheit. Die Fahrbahn war trocken. Der Berufungswerber hielt eine Geschwindigkeit von ca. 55 bis 60 km/h ein. Er befand sich bei dieser Fahrt in einem stark durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von ca. 2 Promille (ein Alkotest um 02.41 Uhr ergab einen Atemluft-alkoholgehalt von 0,95 mg/l).

 

Zum Unfallhergang wurde im gerichtlichen Strafverfahren ein Gutachten des KFZ-Sachverständigen DI K eingeholt. Aus diesem ergibt sich, dass A zum Zeitpunkt der Kollision ca. 1,3 Meter links vom rechten Asphaltrand entfernt war und der Berufungswerber erst 1,4 Sekunden nach der Kollision eine Reaktion gesetzt hat. In einem weiteren Gutachten des Sachverständigen Dr. S ist angeführt, dass die vom Sachverständigen K verwerteten Bremsspuren nicht dem PKW des Berufungswerbers zugeordnet werden können. Es kann daher die Fahrlinie des PKW und die Gehlinie des Fußgängers nur über die richterliche Beweiswürdigung festgelegt werden. Auch aus diesem Gutachten ergibt sich jedoch eine Reaktionsverspätung des Berufungswerbers von mindestens einer Sekunde.

 

Zum Verlauf des gerichtlichen Strafverfahrens wegen des Verdachtes der fahrlässigen Tötung ist anzuführen, dass der Berufungswerber in erster Instanz vom LG Linz zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 4 Monate unbedingt verurteilt wurde. Dieses Urteil wurde jedoch vom OLG Linz aufgehoben und der Berufungswerber vom Vorwurf freigesprochen. Diese beiden Entscheidungen beruhen im Wesentlichen auf dem Gutachten des Sachverständigen DI K. Aufgrund des später vorgelegten Gutachtens des Sachverständigen Dr. S wurde das gerichtliche Strafverfahren wieder aufgenommen.

 

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.      die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.      die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

1.   um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder

2. um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

 

Eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung bildet gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG die Verkehrszuverlässigkeit.

 

Gemäß § 7 Abs.1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1.        die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2.        sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z2 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand beim Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol oder Suchtmittel beeinträchtigten Zustand auch einen Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht hat und diese Tat daher aufgrund des § 99 Abs.6 lit.c StVO 1960 nicht als Verwaltungsübertretung zu ahnden ist.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei in den in Abs. 3 Z. 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen sind.

 

Gemäß § 26 Abs.2 Z1 FSG ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen, wenn beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 begangen wird.

 

5.2. Der Berufungswerber hat in einem schwer durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (zur Tatzeit mindestens 2 Promille) einen Verkehrsunfall verursacht, bei welchem ein Fußgänger getötet wurde. Er hat diesen Verkehrsunfall auch verschuldet, weil er jedenfalls verspätet auf den Fußgänger reagiert hat. Entsprechend dem Sachverständigengutachten von Dr. S betrug der Reaktionsverzug mindestens 1 Sekunde, entsprechend dem Gutachten des Sachverständigen DI K hat er überhaupt erst nach dem Verkehrsunfall zu bremsen begonnen. Diese verspätete Reaktion ist eine typische Folge der deutlichen Alkoholisierung des Berufungswerbers und zeigt eindrucksvoll die besondere Gefährlichkeit des Lenkens von Kraftfahrzeugen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. Als weiteres gefahrenerhöhendes Moment kommt dazu, dass der Berufungswerber die Fahrt bei Dunkelheit durchgeführt hat.

 

Der Berufungswerber hat im Rahmen einer Geburtstagsfeier große Mengen alkoholische Getränke konsumiert, obwohl ihm bekannt sein musste, dass er seinen PKW noch lenken werde. Dies wirkt sich umso deutlicher zu seinem Nachteil aus, als er zum Unfallzeitpunkt noch in Besitz eines Probeführerscheines war und daher fast keinen Alkohol hätte konsumieren dürfen.

 

Mit der gesetzlich vorgesehenen Mindestentzugsdauer von 6 Monaten kann daher bei weitem nicht das Auslangen gefunden werden. Allerdings ist zu Gunsten des Berufungswerbers die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu berücksichtigen, wonach es für die Bemessung der Entzugsdauer nicht auf die Folgen eines Verkehrsunfalles ankommen darf (sh. zB.: 98/11/0317 v. 20.2.2001). Der Umstand, dass aufgrund des Fehlverhaltens des Berufungswerbers der Fußgänger A getötet wurde, darf daher nicht zur Begründung einer besonders langen Entzugsdauer herangezogen werden. Aus diesem Grund war die von der Erstinstanz verhängte Entzugsdauer deutlich herabzusetzen. Auch der von der Erstinstanz herangezogene Vorfall vom 23.12.2010 (Übertretung des § 1 Oö. Polizeistrafgesetz) wirkt sich nicht negativ auf die Verkehrszuverlässigkeit des Berufungswerbers aus.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

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