Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523076/2/Fra/Th

Linz, 07.02.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 5. Jänner 2012, VerkR21-104-2011/Wi, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung der Klasse B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit und sonstiger Anordnungen, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird insofern stattgegeben, als

die Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit und das Verbot des Lenkens eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges und eines Motorfahrrades

auf 6 (sechs) Monate (gerechnet ab Zustellung = Rechtskraft dieses Bescheides) herab- bzw. festgesetzt wird.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 3 Abs.1 Z2, 7 Abs.1 Z2, 7 Abs.3 Z11, 7 Abs.4, 24 Abs.1 Z1, 25 Abs.1 und Abs.3, 29 Abs.3 und 32 Abs.1 Z1 Führerscheingesetz 1997 – FSG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Bescheid vom 05.01.2012, GZ VerkR21-104-2011/Wi, Herrn X (dem Berufungswerber, im Folgenden: Bw) die Lenkberechtigung für die Klasse B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 12 (zwölf) Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides entzogen. Ferner wurde dem Bw während der Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auch das Lenken eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges und eines Motorfahrrades verboten. Zudem wurde der Bw aufgefordert, den Führerschein unverzüglich nach Rechtskraft des Bescheides bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck oder bei der Polizeiinspektion Schörfling am Attersee abzuliefern.

 

2. Mit Schriftsatz vom 17.01.2012 hat der Bw gegen diesen Bescheid – zugestellt am 13.01.2012 – bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck rechtzeitig Berufung erhoben. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat von einer Berufungsvorentscheidung nicht Gebrauch gemacht und die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben (§ 35 Abs.1 FSG). Dieser hatte durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 AVG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt und erschien aufgrund der Aktenlage, aus welcher sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt, auch nicht erforderlich (§ 67d Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

 

4.1. Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die verkehrszuverlässig sind (§ 7).

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihre Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z11 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gemäß § 28a oder § 31a Abs.2 bis 4 – SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, in Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 begangen hat..

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

 

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 25 Abs.1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist aufgrund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

 

Gemäß § 25 Abs.3 FSG ist bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen.

 

Gemäß § 29 Abs.3 FSG ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern. Dies gibt auch für die Fälle des § 30, sofern sich der Lenker noch in Österreich aufhält.

 

Gemäß § 32 Abs.1 Z1 FSG hat die Behörde Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig oder nicht gesundheitlich geeignet sind, ein Motorfahrrad, ein vierrädriges Leichtkraftfahrzeug oder ein Invalidenkraftfahrzeug zu lenken, unter Anwendung der §§ 24 Abs.3 und Abs.3, 25, 26, 29 sowie 30a und 30b entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines derartigen Kraftfahrzeuges ausdrücklich zu verbieten.

 

4.2. Der Bw wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wels vom
24. August 2011, 15 Hv 78/11g, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1 5. Fall, Abs.2 Z1 SMG unter Anwendung des § 28 Abs.1 StGB nach § 28a Abs.2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt. Gemäß § 38 Abs.1 Z1 StGB wurde die erlittene Vorhaft in der Zeit vom 22.06.2011, 08.05 Uhr bis 24.08.2011, 15.10 Uhr auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Gemäß § 43a Abs.4 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe von 20 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen (der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe beträgt sohin 10 Monate). Dieses Urteil ist rechtskräftig. Weiters wurde der Bw mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 3. Februar 2009, 15 Hv 184/08i, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs.1, 5. Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs.1 Z1 1. und 2. Fall und Abs.2 SMG unter Anwendung des § 28a Abs.1 SMG zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen á 5 Euro (ist 900 Euro Gesamtgeldstrafe) sowie zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt, wobei die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Das Urteil ist ebenfalls rechtskräftig.

 

Aufgrund der – in Angelegenheiten der Entziehung der Lenkberechtigung – bestehenden Bindungswirkung an rechtskräftige strafgerichtliche Urteile durch die Führerscheinbehörde (vgl. zB. VwGH 6. Juli 2004, 2004/11/0046) steht bindend fest, dass der Bw die ihm angelasteten Straftaten in der in den Strafurteilen dargestellten und umschriebenen Weise begangen hat.

 

Die vom Bw zu verantwortenden strafbaren Handlungen nach § 28a SMG stellen die Verkehrsunzuverlässigkeit (§ 7 FSG) indizierende bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 Abs.3 Z11 FSG dar. Diese Tatsachen sind gemäß § 7 Abs.4 FSG einer Wertung zu unterziehen. Die Entziehungsdauer infolge mangelnder Verkehrszuverlässigkeit beträgt gemäß § 25 Abs.3 FSG mindestens drei Monate.

 

Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz stellen generell eine besondere Form der Kriminalität dar. Wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit von Menschen sind derartige Verbrechen besonders verwerflich und gefährlich. Der Bw hat nach dem oa. Urteil des Landesgerichts Wels vom 24.08.2011 in X, X, X und anderen Orten vorschriftswidrig in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge anderen überlassen bzw. zu überlassen versucht, indem in der Zeit von etwa Mai 2010 bis Februar 2011 zumindest 1.850 g Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von 3 % an gesondert verfolgte Personen verkaufte, wobei er die Straftaten gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs.1 SMG verurteilt wurde. Laut Urteil des Landesgerichtes Wels vom 3. Februar 2009 hat der Bw nicht nur Suchtmittel besessen, sondern bis zuletzt am 13. Dezember 2008 in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (insgesamt ca. 900 Stück Extasy-Tabletten, 50 g Amphetamin) in Verkehr gesetzt und damit anderen den Konsum von Suchtmitteln ermöglicht. Das Überlassen von Suchtgift an andere Personen – vor allem im Hinblick auf die Herstellung von Abhängigkeitsverhältnissen – ist als besonders sozialschädlich zu beurteilen. Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich das laut Urteil des Landesgerichtes Wels vom 24.08.2011 begangene Verbrechen auf Cannabiskraut bezieht, welches zu den weniger gefährlichen Suchtmitteln zählt. Zugunsten des Bw ist auch die im Strafurteil genannte geständige Verantwortung zu berücksichtigen. Hingegen ist als erschwerend die einschlägige Vorverurteilung zu berücksichtigen. So hat auch das Strafgericht wegen des nicht unerheblichen Unrechts- und Schuldgehaltes der Straftat des Bw eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 10 Monate unbedingt, für erforderlich gehalten. Beim gemäß § 7 Abs.4 FSG zu berücksichtigenden Kriterium der verstrichenen Zeit und des Verhaltens während dieser Zeit ist zu beachten, dass (im Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides) seit der Beendigung des strafbaren Verhaltens (Februar 2011) zwar ein Zeitraum von beinahe einem Jahr vergangen ist, den der Bw jedoch größtenteils im Gefängnis verbracht hat. Nach der Judikatur des VwGH (vgl. Erkenntnis Zl. 2005/11/0168, mwN) ist das Verhalten während der Haft zu berücksichtigen, zumal diese auch spezialpräventiven Zwecken dient. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 30.11.2011 das Verfahren betreffend Entziehung der Lenkberechtigung eingeleitet. Dem Wohlverhalten des Bw ab dem Zeitpunkt des Anhängigmachens des Verwaltungsverfahrens kommt jedoch nur geringe Bedeutung zu.

 

Die Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab Tathandlung bzw. Beendigung des strafbaren Verhaltens zu bemessen (vgl. zB. VwGH v. 17.10.2006, 2006/11/0120). Ausgehend vom Ende des strafbaren Verhaltens des Bw – Februar 2011 – ist unter Zugrundelegung der oa. Kriterien eine Verkehrsunzuverlässigkeit von sechs Monaten ab Zustellung dieses Bescheides (das sind rund 18 Monate ab Beendigung des strafbaren Verhaltens) prognostizierbar. Es war daher die Entzugsdauer entsprechend neu festzusetzen, weil vor dem Hintergrund der oa. Umstände bzw. Tatsachen erwartet werden kann, dass der Bw die die Verkehrsunzuverlässigkeit begründende Gesinnung nach Ende dieses Zeitraumes überwunden hat. Der Berufung konnte sohin in diesem Sinne Erfolg beschieden werden.

 

Bei der Entziehung der Lenkberechtigung handelt es sich um eine vorbeugende Maßnahme zum Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer bzw. sonstiger Rechtsgüter vor verkehrsunzuverlässigen Kraftfahrzeuglenkern. Berufliche, wirtschaftliche, persönliche und familiäre Nachteile, welche mit der zugrunde liegenden Entziehung der Lenkberechtigung bzw. den sonstigen Anordnungen verbunden sind, dürfen daher im Interesse der Verkehrssicherheit nicht berücksichtigt werden (vgl. VwGH 30.05.2001, 2001/11/0081; 23.04.2002, 2000/11/0182 uva).

 

Der Spruchpunkt betreffend das Verbot des Lenkens eines Motorfahrrades oder eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges ergibt sich aus § 32 Abs.1 Z1 FSG, die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines aus § 29 Abs.3 FSG.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

Dr. Johann Fragner

 

 

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