Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730319/3/BP/MZ/Jo

Linz, 14.02.2012

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                      5A02, Tel. Kl. 18060

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. am X, StA von Bosnien, X gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Steyr vom 5. Jänner 2011, GZ.: 1-1003413/FP/10, betreffend die Verhängung eines auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG § 63 iVm. § 64 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Stadt Steyr vom 5. Jänner 2011, GZ.: 1-1003413/FP/10, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 60 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw am X in Bosnien geboren und seit 1994 im Bundesgebiet aufhältig sei. Die Strafregisterauskunft weise vier Eintragungen auf. Zwei Verurteilungen durch das BG Steyr seien durch Suchtmitteldelinquenz erfolgt. Der Bw sei weiters wegen gewerbsmäßigen Betrugs und gewerbsmäßigen Diebstahls am 11. Februar 2010 zu einer bedingten Freiheitsstrafe in Höhe von acht Monaten verurteilt worden. Die letzte Verurteilung sei am 2. Dezember 2010 wegen der §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 147 Abs. 2 und 148 2. Deliktsfall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von 18 Monaten erfolgt.

 

Die Möglichkeit, zur geplanten Erlassung eines Aufenthaltsverbots Stellung zu nehmen, habe der Bw nicht genutzt.

 

Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts und der Tatsache, dass der Bw eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht bzw im Zuge der Beweiswürdigung führt die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zusammengefasst aus, dass der Bw ledig sei. Zwar sei er hin und wieder einer Beschäftigung nachgegangen, einem aktuellen Versicherungsdatenauszug zufolge habe er aber den größten Teil Arbeitslosengeld bzw Sozialhilfe bezogen und sei seit 2009 Frühpensionist. Auf Grund des bisherigen rechtmäßigen Aufenthalts des Bw und der familiären Bindungen sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zu bejahen und im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sowie der Begehung einer strafbaren Handlung gegen fremdes Vermögen zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele als dringend geboten zu erachten.

 

Die belangte Behörde beschließt den angefochtenen Bescheid mit der Wiedergabe von Gesetzesstellen und stellt sinngemäß fest, dass die öffentlichen Interessen an der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme davon unverhältnismäßig schwerer wiegen würden als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Bw. Überdies bestehe nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens ein eminent hohes öffentliches Interesse.

 

Zur Bemessung der Dauer des erlassenen Aufenthaltsverbots finden sich in der Begründung keinerlei Ausführungen.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw das Rechtsmittel der Berufung.

 

Im Wesentlichen wird im Rechtsmittel dem von der Behörde als maßgeblich herangezogenem Sachverhalt nicht entgegen getreten.

 

Der Bw stellt die Berufungsanträge, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, in eventu den Bescheid aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an die erstinstanzliche Behörde zurückzuverweisen.

 

Verkürzt führt der Bw begründend aus, es sei richtig, dass er wegen der im Bescheid angeführten Straftaten verurteilt wurde. Er bedaure sein Fehlverhalten zutiefst und ersuche zu berücksichtigen, dass ihm nunmehr eine Bewährungshilfe beigegeben und auch Strafaufschub gewährt worden sei. Er versuche zudem, den von ihm verursachten Schaden wieder gutzumachen, weshalb von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen sei.

 

Der Bw verweist weiters darauf, seit 1994 in Österreich und hier entsprechend integriert zu sein. Er habe in Österreich die Schule besucht und verfüge in Bosnien über keinerlei soziales Netzwerk, auf das er zurückgreifen könne. Die gesamte Familie sei in Österreich aufhältig und verfüge über eine Niederlassungsbewilligung bis 2014. Weiters sei zu berücksichtigen, dass der Bw an einem Rückenmarkstumor sowie an einem Brown-Sequard-Syndrom leide, deshalb in ärztlicher Behandlung stehe und eine Invaliditätspension erhalte. Die ärztliche Versorgung sei in Bosnien nicht gewährleistet.

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vor. Bezüglich der sachlichen Zuständigkeit der erkennenden Behörde gilt es festzuhalten:

 

Mit 1. Juli 2011 trat das Fremdenrechtsänderungsgesetz, BGBl I 2011/38 in wesentlichen Teilen in Kraft. Aus § 9 Abs. 1a FPG 2005 in der nunmehr geltenden Fassung ergibt sich, dass die Unabhängigen Verwaltungssenate zur Entscheidung über Berufungen gegen Rückkehrentscheidungen zuständig sind. Darüber hinaus stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, 2011/22/097, zusammengefasst fest, dass nach den maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Falle des rechtmäßigen Aufenthalts eines Fremden sowohl über die Beendigung des Aufenthaltsrechts entschieden als auch dem nicht mehr länger zum Aufenthalt berechtigten Drittstaatsangehörigen die Pflicht zum Verlassen des Bundesgebietes, sohin eine Rückkehrverpflichtung im Sinne der Rückführungsrichtlinie, auferlegt sowie der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet für einen bestimmten Zeitraum oder für unbefristete Zeit untersagt, sohin auch ein Einreiseverbot im Sinne der Rückführungsrichtlinie ausgesprochen werde. Diese Vorgangsweise, nämlich mit einer einzigen Entscheidung das Aufenthaltsrecht zu beenden sowie unter einem die Rückkehr des Drittstaatsangehörigen anzuordnen und ihm den künftigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verbieten, stelle sich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 6 Rückführungsrichtlinie als zulässig dar. Ungeachtet dessen seien dabei nach dieser Bestimmung die Verfahrensgarantien des Kapitels III der Rückführungsrichtlinie einzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet es sohin als nicht zweifelhaft, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes – unabhängig von der Benennung des innerstaatlich festgelegten Rechtsinstituts – um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Z 4 Rückführungsrichtlinie und ein Einreiseverbot im Sinne des Art. 3 Z 6 dieser Richtlinie handelt, bei deren Erlassung die in der Richtlinie festgelegten Verfahrensgarantien einzuhalten seien. Daraus folge aber, dass für Entscheidungen über eine dagegen gerichtete Berufung seit Ablauf der Frist zur Umsetzung der Rückführungsrichtlinie die Unabhängigen Verwaltungssenate zuständig seien.

 

Der gegenständliche Verwaltungsakt wurde daher von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich weitergeleitet.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister.

 

Aus dem über das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem angefragten Strafregister der Republik Österreich geht hervor, dass der Bw mehrfach gerichtlich verurteilt wurde:

 

Mit Urteil des BG Steyr vom 13. November 2006, 7 U 146/2006I, wurde der Bw wegen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 1., 2., 6. Fall SMG zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt. Der inkriminierte Sachverhalt hat sich der Aktenlage nach im Zeitraum zwischen September 2005 und Juli 2006 ereignet.

 

Mit Urteil des BG Steyr vom 22. August 2008, 5 U 51/2008G, wurde der Bw wegen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 1., 2., 8. Fall SMG zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 6,00 Euro verurteilt.

 

Mit Urteil des LG Steyr vom 11. Februar 2010, 11 HV 3/2010M, wurde der Bw wegen Verstoß gegen §§ 146, 148 Abs. 1 1. Fall, 130 1. Fall und § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt.

 

Mit Urteil des LG Steyr vom 2. Dezember 2010, 13 HV 121/2010D, wurde der Bw wegen Verstoß gegen §§ 146, 147 Abs. 1 1. Fall, 147 Abs. 2, 148 2. Fall und § 15 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, zwölf davon bedingt, verurteilt.

 

2.2.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da im Sinne des § 67d Abs. 1 AVG bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid zu beheben ist.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1., 1.1.2. und 2.2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten, im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.      die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.      anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen    zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

3.1.2. Laut dem unter der Überschrift "Aufenthaltsverfestigung" stehenden § 64 Abs. 1 Z 1 FPG darf ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können.

 

3.2. Aus verfahrensökonomischer Sicht ist es aufgrund des etwa 18-jährigen Aufenthalts des Bw im Bundesgebiet im gegenständlichen Fall zweckmäßig, nicht erst zu prüfen, ob ein Aufenthaltsverbot dem Grunde nach zu erlassen wäre, sondern erst die Frage zu klären, ob eine Aufenthaltsverfestigung im Sinne des § 64 Abs. 1 Z 1 FPG gegeben ist, weil der Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die österreichische Staatsbürgerschaft hätte erwerben können. Diesfalls darf ein Aufenthaltsverbot, mag es vor dem Hintergrund des § 63 auch berechtigt sein, ohnehin nicht erlassen werden.

 

3.2.1. Vorab ist bezüglich der hiebei heranzuziehenden Fassung des § 10 Abs. 1 StbG festzustellen:

 

Der unter der Überschrift "Verweisungen" stehende § 124 FPG normiert, dass, soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind.

 

Die Kompetenzgrundlage für das Staatsbürgerschaftsgesetz stellt Art. 11 Abs. 1 Z 1 B-VG dar. Demnach obliegt die Gesetzgebung in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft dem Bund. § 124 FPG ist daher grundsätzlich bei Verweisungen auf das Staatsbürgerschaftsgesetz anzuwenden.

 

§ 64 Abs. 1 Z 1 FPG verweist jedoch ausdrücklich auf § 10 Abs. 1 StbG, BGBl. Nr. 311. Es ist daher vom Vorliegen einer lex specialis auszugehen und § 10 Abs. 1 leg cit in der explizit verwiesenen Fassung anzuwenden. Dies insbesondere auch deshalb, weil der Wortlaut der beiden widersprüchlichen Bestimmungen seit der Stammfassung des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl Nr. 100/2005, unverändert geblieben ist und die Bestimmungen zeitgleich in Kraft getreten sind.

 

3.2.2. § 10 Abs. 1 StbG in der Fassung BGBl. Nr. 311 lautet:

 

"Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

1. er seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat;

2. er durch ein inländisches Gericht

a) weder wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten

b) noch wegen eines Finanzvergehens zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist;

hiebei stehen der Verleihung der Staatsbürgerschaft auch Verurteilungen wegen einer strafbaren Handlung entgegen, die der Fremde vor der Vollendung des 18. Lebensjahres begangen hat; (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 8)

3. gegen ihn nicht

a) wegen des Verdachtes einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten bedroht sind, noch

b) wegen des Verdachtes eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist; (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 8)

4. er nicht von einem ausländischen Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist, die strafbaren Handlungen auch nach inländischem Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren ergangen ist; (BGBl. Nr. 202/1985, Art. I Z 6)

5. gegen ihn kein Aufenthaltsverbot besteht; (BGBl. Nr. 703/1974, Art. I Z 1)

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet;

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder er sich ohne sein Verschulden in einer finanziellen Notlage befindet und

8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigen würde."

 

3.2.3. Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 FPG darf gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn diesem vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG verliehen hätte werden können. Aufgrund der zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen des Bw scheint dies im gegenständlichen Fall prima vista nicht möglich zu sein. Eine eingehende chronologische Analyse des zu beurteilenden Sachverhaltes führt jedoch zu einem anderen Resultat.

 

3.2.3.1. Wie unter Punkt 2.2.1. dargelegt, wurde der Bw erstmalig mit Urteil des BG Steyr vom 13. November 2006, 7 U 146/2006I, strafrechtlich verurteilt (konkret: Verstoß gegen § 27 Abs. 1 1., 2., 6. Fall SMG zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15,00 Euro). Der inkriminierte Sachverhalt hat sich der Aktenlage nach im Zeitraum zwischen September 2005 und Juli 2006 ereignet.

 

Da § 10 Abs. 1 Z 2 lit a StbG auf eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten abstellt, der Bw jedoch lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, ist der zitierte Versagungstatbestand zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt. Auch § 10 Abs. 1 Z 3 lit a StbG, der auf ein anhängiges Verfahren wegen des Verdachtes einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten bedroht sind, abstellt, ist aufgrund der in § 27 Abs. 1 SMG enthaltenen maximalen Strafdrohung von 6 Monaten nicht einschlägig.

 

3.2.3.2. Gleiches wie unter Punkt 3.2.3.1. dargestellt gilt für die Verurteilung des Bw durch das BG Steyr vom 22. August 2008, 5 U 51/2008G, wegen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 1., 2., 8. Fall SMG zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 6,00 Euro.

 

3.2.3.3. Mit Urteil des LG Steyr vom 11. Februar 2010, 11 HV 3/2010M, wurde der Bw wegen Verstoß gegen die §§ 146, 148 Abs. 1 1. Fall, 130 1. Fall und § 127 StGB zu einer auf 8 Monate bedingten Freiheitsstrafe verurteilt.

 

Erst jetzt ist der Versagungstatbestand des § 10 Abs. 1 Z 2 lit a StbG erfüllt.

 

3.3.1. Vor dem Hintergrund des im vorigen Punkt erlangten Ergebnisses ist in weiterer Folge die Frage zu stellen, ob dem Bw bis zum 11. Februar 2010 die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können.

 

3.3.1.1. Die belangte Behörde führt im angefochtenen Bescheid aus, dass der Bw 1994 (ein genaues Datum ist aus dem Akt nicht ersichtlich) im Alter von 8 Jahren ins Bundesgebiet eingereist und seither hier rechtmäßig aufhältig sei. Die Anforderung des § 10 Abs. 1 Z 1 StbG für eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ist daher spätestens ab Anfang 2005 als erfüllt anzusehen.

 

3.3.1.2. Dass der Bw im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 StbG von einem ausländischen Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten rechtskräftig verurteilt worden wäre oder gemäß Z 5 leg cit ein Aufenthaltsverbot bestanden hätte, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

3.3.1.3. Im relevanten Beurteilungszeitpunkt scheiden auch die in § 10 Abs. 1 Z 6 und 8 StbG enthaltenen Tatbestände offensichtlich aus.

 

3.3.1.4. Da der am X geborene Bw Anfang 2005 nicht ganz 19 Jahre alt war, kann zu diesem Zeitpunkt eine Verfestigung am Arbeitsmarkt noch nicht unbedingt gefordert werden und ist daher davon auszugehen, dass zu diesem Zeitpunkt sein Lebensunterhalt hinreichend im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 7 StbG gesichert war. Dies vor allem auch deshalb, als sich die Kernfamilie des Bw in Österreich befand und von dieser Unterstützung zu erwarten war.

 

3.4. Es ist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich daher davon auszugehen, dass mangels Erfüllung eines der Versagungstatbestände des § 10 Abs. 1 StbG dem Bw vor Verwirklichung des für das gegenständliche Aufenthaltsverbot maßgeblichen Sachverhalts – konkret: mit Anfang des Jahres 2005 – im Sinne des § 64 Abs. 1 Z 1 FPG die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den Bw erweist sich aus diesem Grund als unzulässig.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Nachdem der Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung verzichtet werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

Beschlagwortung:

Aufenthaltsverbot, Staatsbürgerschaft, langjähriger Aufenthalt, § 66 Abs.1 Z1 FPG;

 

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