Linz, 22.02.2012
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Wolfgang Weigl über die Berufung des X, geb. X, vertreten durch X, X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 14. August 2009, Zl. Sich-04/15893, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2012, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird teilweise stattgegeben und der bekämpfte Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes mit 5 Jahren festgesetzt wird. Der im bekämpften Bescheid angeordnete Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung wird behoben. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Žalba se djelimično usvaja a osporeno Rješenje potvrđuje uz napomenu, da se izriče zabrana boravka u zemlju od 5 godina. Zahtjev da se osporavanjem odluke odloži dejstvo žalbe se ukida. U ostalom se žalba odbija kao neosnovana.
Rechtsgrundlagen/Zakonski osnov:
§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG)
iVm § 63 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl I. Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 38/2011
Entscheidungsgründe:
Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Bescheid vom 14. August 2009, Zl. Sich04/15893, gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich gemäß § 60 Abs.1 und Abs.2 Z1 sowie §§ 63 bis 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) erlassen. Weiters wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid gemäß § 64 Abs.2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) iVm § 64 FPG ausgeschlossen. Das Aufenthaltsverbot stützt sich im Wesentlichen auf die strafrechtliche Verurteilung durch das LG Linz vom 19. Mai 2009, Zl. 34 HV 56/2009B.
Dagegen richtet sich die Berufung vom 24. August 2009. Der Bw stellt darin den Antrag, den Bescheid ersatzlos aufzuheben. Weiters wurde der Antrag gestellt, den Bescheid bezüglich dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ersatzlos aufzuheben, in eventu wurde beantragt, den Antrag auf aufschiebende Wirkung bis zum Abschluss des Verfahrens stattzugeben. Richtig seien die angeführten Gesetzesbestimmungen, richtig sei auch die Wiederholung der vorliegenden gerichtlichen Verurteilung und der einzelnen angeführten Taten. Nicht richtig sei jedoch lediglich die Zitierung eines Auszuges aus der Begründung des Urteiles, zumal dieses wiederum nur lediglich einen Auszug aus der Anklageschrift und sohin lediglich einen Auszug aus dem Sachverständigengutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen X darstelle. Richtigerweise hätte die belangte Behörde sowohl das Gutachten als auch das Ergänzungsgutachten aus dem Gerichtsakt berücksichtigen müssen, wonach auszugsweise der Gutachter zu dem Ergebnis komme, dass es nicht zu erwarten sei, dass durch diese sexuelle Störung Aggressionshandlungen sich gegen Leib und Leben richten oder andere Gewaltdurchbrüche gesetzt würden. Der Gutachter komme auch zu dem Ergebnis, dass die Erkrankung behandlungsbedürftig sei, sodass die Hypothese der belangten Behörde, eine Psychotherapie könne nur zu einer Verbesserung bzw. zu einem Abklingen der Symptomatik führen, eine solche bleibe, zumal der Gutachter eindeutig eine Behandlungsbedürftigkeit, damit auch eine Behandlungsfähigkeit diagnostiziere. Es möge sein, dass es ohne Besserung denkbar wäre, dass der Handlungsstil auch weiter fortgesetzt werde und auch in Zukunft irgendwelche fremde Frauen sexuell motiviert berührt bzw. belästigt würden. Die Absolvierung einer regelmäßigen Psychotherapie sei dazu erforderlich. In seinem Ergänzungsgutachten komme der Sachverständige zur Frage der Rückfallsprognose zum Ergebnis, dass derzeit auf Grund des laufenden Verfahrens und der erhobenen Anklage und des damit verbundenen psychischen Drucks eine Reduzierung der Wahrscheinlichkeit eingetreten sei, dass derartige Handlungen demnächst weiter fortgesetzt würden. Die Wahrscheinlichkeit selbst sei aber als nicht sehr hoch anzusehen, da hinter dieser Abnormität keine Persönlichkeitsstörung als Triebfeder bestehe. Der Sachverständige rege eine Psychotherapie in Form einer Sexualtherapie verbunden mit einer Verhaltenstherapie in Einzelgesprächen mit 2 Sitzungen pro Woche beginnend an, wobei es durchaus denkbar wäre, dass mit 10 Sitzungen, somit in einigen Wochen, einer Verbesserung und ein Abklingen der Störungen erreicht werden könne. Es biete daher bereits der gerichtliche Sachverständige eine bessere Prognose, als es die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst ohne weitere fachliche Begründung vornehme. Diese bereits aus dem Strafverfahren erzielten Verfahrensergebnisse würden von der belangten Behörde nicht hinreichend berücksichtigt, es werde lediglich ein Teil des Urteils als Begründung für den gegenständlichen angefochtenen Bescheid herangezogen, die Behörde hätte jedenfalls auf Grund der Persönlichkeitsstörung nicht eine veraltete Begründung eines Urteils zur Begründung heranziehen, sondern um den Bescheid begründet zu untermauern, ein geeignetes Sachverständigengutachten einzuholen gehabt. Es leide daher der gegenständliche Bescheid schon aus diesem Grund an wesentlichen Verfahrensfehlern, zumal einerseits die Gutachtensergebnisse aus dem Strafverfahren nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, andererseits das herangezogene Urteil des Landesgerichtes Linz falsch interpretiert und im gegenständlichen Verfahren gegebenenfalls ein aktuelleres Gutachten eingeholt hätte werden müssen. Es sei daher der Bescheid schon aus diesem Grunde rechtswidrig und aufzuheben. Weiters versuche die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid damit zu begründen, dass die Tatsache, dass gegen den Berufungswerber eine unbedingte und eine bedingte Freiheitsstrafe verhängt worden sei, darauf schließen lasse, dass die österreichischen Gerichte keine günstige Zukunftsprognose abgeben könnten. Die belangte Behörde verabsäume jedoch weiters zu begründen und darzulegen, weshalb sie vermute, dass durch die Verhängung einer teils bedingten und teils unbedingten Freiheitsstrafe eine günstige Zukunftsprognose nicht möglich sei. Die Behörde übersehe dabei, dass die Verhängung von Freiheitsstrafen nicht mit einer günstigen oder allenfalls ungünstigen Zukunftsprognose verbunden sei, sondern die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder einer anderen gerichtlichen Strafe lediglich im Verhältnis zur Tat, konkret zur Schuld betrachtet werden dürfe. Eine Zukunftsprognose sei mit der Verhängung einer Strafe im gerichtlichen Strafverfahren nicht verbunden. Bei richtiger Interpretation des Strafaktes des LG Linz hätte die belangte Behörde erkennen müssen, dass die bedingte Entlassung zu 20 BE 333/09f mit einer Maßnahme verbunden gewesen sei und sei diese Maßnahme wie bereits in der eingebrachten Stellungnahme zweifelsohne zu erfüllen. Es gehe daher das Landesgericht Linz entgegen der Auffassung der belangten Behörde schon von einer günstigen Zukunftsprognose aus, verbunden mit der tadellosen Führung während des Strafvollzuges, da der Bw ansonsten nicht vorzeitig bedingt aus der Strafhaft entlassen worden wäre. Auch in diesem Zusammenhang übersehe die belangte Behörde eindeutig die Zusammenhänge und versuche lediglich den Bescheid plakativ zu begründen, ohne auf den tatsächlichen Sachverhalt einzugehen. Auch die Darstellung des Persönlichkeitsbildes des Bw sei völlig unbegründet und nicht nachvollziehbar, zumal – auch wenn die Taten des Bw vor dem Landesgericht Linz gestanden worden wären und allfällige Vergehen oder Verbrechen, deretwegen der Bw verurteilt worden sei, nicht verharmlost werden sollten, so könne nun dem Bw nicht nochmals vorgehalten werden, dass er sich auch an minderjährigen Mädchen vergangen habe, zumal der Bw zweifelsohne nicht vor Beginn seiner Taten das Alter seiner Opfer überprüft habe und sei es deshalb auch zu keiner gerichtlichen Verurteilung gekommen. Woraus die belangte Behörde die Gewissheit ziehe, dass die Kernfamilie nicht in Österreich aufhältig sei, widerspreche die Anführung im angefochtenen Bescheid, da sowohl der Vater, die Mutter und der Bruder des Bw in Österreich leben würden, es handle sich auch bei diesen Personen immerhin um seine Kernfamilie, auch wenn der Bw seine Ehefrau und sein Kind in Bosnien aufhältig ebenfalls zu einer Kernfamilie zähle. Die angeführte gesetzliche Bestimmung sei eine "Kann"-Bestimmung, sohin eine Ermessensentscheidung der Behörde. Der Bw sei bis dato unbescholten und zum ersten Mal straffällig, wenn auch in mehreren Fällen, dies jedoch in einem relativ kurzen Zeitraum. Dieser Umstand sei nicht entsprechend berücksichtigt worden und auch nicht entsprechend begründet worden, weshalb die Behörde von ihrem Ermessen nicht ordnungsgemäß Gebrauch mache und das ausgesprochene Aufenthaltsverbot als geeignetes letztmögliches Mittel betrachte. Die Tatsache, dass der Bw bis dato keiner (legalen) Beschäftigung nachgehen könne, dürfe ihm auch jetzt nicht negativ angelastet werden; immerhin könnte er, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sei, pro futuro einer Beschäftigung nachgehen und so seine anerkannten Privatbeteiligungsverpflichtungen erfüllen.
Die Sicherheitsdirektion Oö. gab der Berufung mit Bescheid vom 14. Juni 2011, Zl. E1/13971/2009, keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.
Dagegen erhob der Bw Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof.
Die Bundesministerin für Inneres erklärte in weiterer Folge mit Bescheid vom 30. August 2011, GZ.: BMI-1040488/0001-II/3/2011, den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oö. vom 14. Juni 2011 von Amts wegen für nichtig. Sie argumentierte, am 24. Dezember 2010 sei die Umsetzungsfrist für die Rückführungsrichtlinie der EU (RL 2008/115/EG) abgelaufen, wodurch die Rückführungsrichtlinie, soweit sie hinreichend bestimmt sei und den einzelnen ein Recht verleihe, unmittelbar anwendbar geworden sei. Die Rückführungsrichtlinie verlange in Artikel 13 unter anderem einen Zugang zu einer unabhängigen Instanz, wie zB dem Unabhängigen Verwaltungssenat. Infolge des Erkenntnisses des VwGH vom 31. Mai 2011, 2011/22/0097-5, sei nunmehr offenkundig, dass die entscheidende Behörde für die Erlassung des im Spruch genannten Bescheides sachlich unzuständig gewesen sei und der Bw daher in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter gemäß Artikel 83 Abs.2 B-VG, verletzt worden sei. Damit sei die Berufung betreffend Erlassung einer Ausweisung wieder anhängig und sei diese im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 2011 an den örtlich zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenat weiterzuleiten, der für das fortgesetzte Verfahren zuständig sei.
Der Verwaltungsgerichtshof erklärte daraufhin mit Beschluss vom 29. September 2011, 2011/21/0177-8, die Beschwerde als gegenstandslos und stellte das Verfahren ein. Dies mit dem Hinweis, dass der Bw mit dem Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 30. August 2011 klaglos gestellt worden sei.
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich führte als nunmehr zuständige Berufungsbehörde am 6. Februar 2012 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der rechtsanwaltliche Vertreter des Berufungswerbers wies eingangs auf Folgendes hin: 'Auf die verlesenen im Strafakt enthaltenen psychiatrischen Gutachten wird verwiesen. Der Berufungswerber hat die vom Facharzt vorgeschlagenen Therapien absolviert. Entsprechend den neurologisch-psychiatrischen Gutachten ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Im Übrigen hat der Berufungswerber das Haftübel verspürt. Auch insoweit ist eine ausreichende abschreckende Wirkung gegeben. Es wird daher beantragt, das erstinstanzliche Aufenthaltsverbot zu beheben.' Vom rechtsanwaltlichen Vertreter wurden folgende Dokumente vorgelegt: Arbeitsvertrag unter aufschiebender Bedingung vom 4. Februar 2012 mit der Firma X. Weiters ein Arbeitsvertrag unter aufschiebender Bedingung vom 4. Februar 2012 mit der Firma X, Unterstützungserklärung der Frau X, Unterstützungserklärung der Ehegatten X, Unterstützung des X samt Gattin, Sprachzertifikat über Niveaustufe A2 des Europarates sowie Mietvertrag vom 1. September 2006. Der rechtsanwaltliche Vertreter wies darauf hin, dass die in der Ladung verlangten Lohnzettel über die letzten 12 Monate nicht beigeschafft werden konnten, da dem Berufungswerber aufgrund des derzeitigen Aufenthaltstitels die Aufnahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nicht gestattet ist. Sollte das Aufenthaltsverbot behoben werden, wären die Voraussetzungen eines Daueraufenthaltes-EG erfüllt, weshalb der Berufungswerber die vorgelegten Arbeitsvorverträge ohne weiteres erfüllen und unverzüglich eine Erwerbstätigkeit aufnehmen könnte.
Der rechtsanwaltliche Vertreter erstattete folgendes Schlussvorbringen: 'Es wird darauf verwiesen, dass in den neurologisch-psychiatrischen Fachgutachten eine positive Zukunftsprognose erstellt wurde. Der Berufungswerber hat das Haftübel verspürt. Es ist ein bedingter Strafrest noch offen. Dadurch ist eine ausreichende abschreckende Wirkung gegeben. Der Berufungswerber möchte seine Familie nach Österreich nachholen, weshalb er klarerweise bemüht sein wird, dem keine Hindernisse entgegen zu stellen. Außerdem ist das Aufenthaltsverbot im Sinne des Artikels 8 EMRK unzulässig. Der Berufungswerber hält sich bereits seit dem Jahr 2006 hier auf. Er ist bestens sozial integriert. Dies wird durch die vorgelegten Unterstützungserklärungen bewiesen. Diese Erklärungen wurden von Freunden und Nachbarn abgegeben, mit denen wir im besten Einvernehmen stehen. Es wird daher beantragt, der Berufung stattzugeben und das Aufenthaltsverbot ersatzlos zu beheben.'
Der Unabhängige Verwaltungssenat stellt folgenden Sachverhalt fest:
| |
| |
| |
| |
| |
| |
| |
| |
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 31. Mai 2011, Zl. 2011/22/0097 ausgesprochen, dass es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (unabhängig von der innerstaatlichen Benennung des Rechtsinstituts) um eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art 3 Z 4 der Richtlinie 2008/115/EG vom 16. Dezember 2008, Abl. l. 348/98 (in der Folge: RückführungsRL) handelt. Aus diesem Erkenntnis folgt, dass durch die notwendige unmittelbare Anwendung der RückführungsRL der UVS als Rechtsmittelinstanz iSd Art 13 Abs. 1 der RückführungsRL berufen ist.
Gemäß § 125 Abs. 16 FPG 2005 idF BGBl I 38/2011 (= idgF) sind vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.
Der Umstand, dass der Bw als kroatischer Doppelstaatsbürger mit dem voraussichtlichen Beitritt Kroatiens zur europäischen Union am 1. Juli 2013 ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erwerben wird, war als ungewisses zukünftiges Faktum bei der gegenständlichen Beurteilung nicht zu berücksichtigen.
Der Bw ist durch sein im Verlängerungsstadium befindliches Verfahren gemäß § 24 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl I 100/2005 idF 38/2011 (= idgF) als Drittstaatsangehöriger anzusehen, der sich aufgrund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (vgl. § 24 Abs. 1 2. Satz NAG idgF). Maßgebliche Bestimmung ist daher § 63 FPG (Aufenthaltsverbot für Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel).
Gem. § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
- die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
- anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Bestimmte Tatsachen im Sinne des § 63 Abs. 1 FPG 2005 idgF sind gemäß § 63 Abs 2 FPG insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.
Ein Aufenthaltsverbot ist gemäß § 63 Abs. 3 iVm Abs. 1 FPG 2005 idgF in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 FPG 2005 idgF für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für 5 Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 FPG 2005 idgF für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 FPG 2005 idgF auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
Gemäß § 53 Abs. 2 FPG 2005 idgF ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, ob der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
- wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungs-gesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
- wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
- wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
- wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
- wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
- den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er ist rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Bundesgebiet mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen;
- bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
- eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
- an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
Gemäß § 53 Abs. 3 FPG 2005 idgF ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
- ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
- ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
- auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
- auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
- ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
Auf Grund der strafrechtlichen Verurteilung ist der Tatbestand für ein höchstens 10-jähriges Aufenthaltsverbot nach § 53 Abs.3 Z1 iVm § 63 Abs.2 und Abs 3 FPG erfüllt. Die Fremdenpolizeibehörde hat das Fehlverhalten eines Fremden und die daraus abzuleitende Gefährlichkeit ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts, also unabhängig von gerichtlichen Erwägungen über die bedingte Nachsicht der Strafe, zu beurteilen (vgl. VwGH vom 7. Mai 1999, 99/18/0056).
Das Landesgericht Linz ging in seinem Beschluss vom 30. Dezember 2010 davon aus, dass der psychopathologische Status des Verurteilten unauffällig ist und keine Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Behandlung mehr besteht.
Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens. Ein Eingriff in dieses Recht ist nur dann zulässig, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und dabei auf die von Art 8 EMRK geschützten Interessen des Rücksicht genommen wird. Damit einher gehen die gesetzlich normierten Voraussetzungen des § 61 FPG 2005 idgF.
Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung der Rechte gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Wird durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 61 Abs. 1 FPG 2005 idgF die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 61 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung ist gemäß § 61 Abs 3 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Das Aufenthaltsverbot zwingt den Bw, seine Niederlassung in Österreich aufzugeben. Ein Zusammenleben mit seinen Eltern und seinem Bruder in Österreich ist auf die festgesetzte Dauer nicht möglich. Es liegt daher ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw vor.
Beim Grad der Integration war die Dauer der rechtmäßigen Niederlassung seit dem 21. August 2006 zugunsten des Bw zu berücksichtigen. Er war aber lediglich in der Zeit von April bis November jeweils in Österreich aufhältig. In dieser Zeit besuchte er etwa alle 3 Wochen seine Familie in Bosnien und hielt sich dort etwa 5 Tage auf. Im Winter lebt er mit seiner Frau und den beiden Kindern in Familiengemeinschaft in Bosnien.
Neben ihm bzw. seiner Familie leben in Bosnien im Haus seines Vaters auch sein Bruder mit Familie sowie seine Eltern. Es bestehen folglich sehr starke Bindungen zum Herkunftsstaat. Dort verfügt er über eine abgeschlossene Schulausbildung. Er hielt sich den größten Teil seines Lebens in Bosnien auf. Die mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Trennung von seinem Bruder und seinem Vater bzw. der Mutter relativiert sich insoweit, als sein Vater eigenen Angaben zufolge zweimal pro Monat nach Bosnien fährt. Auch seiner Mutter und seinem Bruder ist es als bosnischen Staatsbürgern ohne weiteres möglich, ihn in Bosnien zu besuchen.
Es ist nicht zu befürchten, dass mit dem Aufenthaltsverbot die Familie des Bw in wirtschaftlicher Hinsicht unzumutbar beeinträchtigt würde, zumal schon bislang der Vater des Bw für den Unterhalt der gesamten Familie aufkommt. Auch wenn es in Bosnien über 40 % Arbeitslosigkeit gibt, ist es dem Bw zuzumuten, sich dort eine Arbeit zu suchen.
Wie schon dargestellt, geht vom Bw nach wie vor eine Gefahr im Sinn des § 63 Abs. 1 FPG aus. Seinem persönlichen Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten, somit ein Ziel im Sinn des Artikel 8 Abs.2 EMRK entgegen.
Vor allem wegen der starken Bindungen des Bw zum Herkunftsstaat überwiegt das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung dessen persönlichen Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist zur Verhinderung von Straftaten dringend geboten.
Bei der Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes war vor allem darauf abzustellen, bis zu welchem Zeitpunkt bei einem weiteren Wohlverhalten eine nachhaltige Besserung des Bw angenommen werden kann.
Dabei stellte sich die Sachlage zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch anders dar, als bei der nunmehr zu treffenden Berufungsentscheidung. Wie schon erwähnt ging das Landesgericht Linz in seinem Beschluss vom 30. Dezember 2010 davon aus, dass der psychopathologische Status des Verurteilten unauffällig ist und keine Notwendigkeit einer psychotherapeutischen Behandlung mehr besteht. Die Prognose der Erstbehörde, dass die vom Bw ausgehende Gefährdung für die Dauer von 10 Jahren bestehen bleibt, kann nicht aufrecht erhalten werden. Es ist davon auszugehen, dass bei einer Gesamtwertung ein 5-jähriges Aufenthaltsverbot angemessen ist.
Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land begründete den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung im Wesentlichen damit, dass weitere Verbrechen gegen die Allgemeinheit nicht ausgeschlossen werden können. In Anbetracht der vorhandenen Niederlassungsbewilligung – und unter Berücksichtigung der schon bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides verfügbaren psychiatrischen Stellungnahme vom 14. April 2009 - war die sofortige Ausreise des Fremden bzw. sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht unbedingt erforderlich. Die Voraussetzungen für die Aberkennung einer aufschiebenden Wirkung der Berufung lagen daher nicht vor (vgl § 64 FPG idF BGBl I Nr. 100/2005).
Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 14,30 Euro angefallen.
Pouka o pravnom lijeku
Protiv ovog Rješenja nije dozvoljeno uredno pravno sredtsvo.
Napomena:
Protiv ovog Rješenja može se uložiti žalba u roku od šest sedmica od dana dostavljanja istog na Ustavni ili Upravni sud. Žalbu mora - osim uz zakonom propisane izuzetke - uložiti i potpisati ovlašteni advokat. Na svaku žalbu plaća se taksa u visini od 220 Euro.
Mag. Wolfgang Weigl