Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-166117/15/Fra/Th

Linz, 21.02.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der Frau X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 17. Mai 2011, AZ: S-11384/11-3, betreffend Übertretung des § 38 Abs.5 iVm § 38 Abs.1 lit.a StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 12. Dezember 2011 und ergänzenden Erhebungen, zu Recht erkannt:

 

 

       I.      Die Berufung wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis insofern bestätigt. Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 75 Euro herabgesetzt wird, falls diese uneinbringlich ist, wird eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden festgesetzt.

 

    II.      Die Berufungswerberin hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten. Zum erstinstanzlichen Verfahren ermäßigt sich der Verfahrenskostenbeitrag auf 10 % der neubemessenen Strafe (7,50 Euro).

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG; §§ 16 und 19 VStG.

zu II.:      §§ 64 und 65 VStG.

 

 


Entscheidungsgründe:

 

 

I.1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über die Berufungswerberin (Bw) wegen Übertretung des § 38 Abs.5 iVm § 38 Abs.1 lit.a StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit eine Geldstrafe von 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 69 Stunden) verhängt, weil sie am 18.01.2011 um 15.08 Uhr in Wels, Hans-Sachs-Straße Kreuzung Dr.-Schauer-Straße Richtung Westen das Kfz, KZ: X gelenkt und dabei das seit 33,2 Sekunden aufleuchtende Rotlicht der Verkehrslichtsignalanlage nicht beachtet hat, indem sie das Fahrzeug trotz Rotlicht über die dort befindliche Haltelinie gefahren hat.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung. Die Bundespolizeidirektion Linz – als nunmehr belangte Behörde – legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c erster Satz VStG).

 

I.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch ergänzende Erhebungen und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 12. Dezember 2011. Bei dieser Verhandlung hat der Vertreter der Berufungswerberin sowie der Amtssachverständige für Verkehrstechnik Herr Dipl.-HTL-Ing. X teilgenommen.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

Die gegenständliche Verwaltungsübertretung wurde durch die Bundespolizeidirektion Wels am 10.02.2011 angezeigt. Die Anzeige erfolgte aufgrund einer automatischen Rotlichtüberwachungsanlage. Gegen die vorangegangene Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wels vom 22.02.2011 erhob die Bw Einspruch und beantragte die Einleitung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens. Die Bundespolizeidirektion Wels trat mit Schreiben vom 8. März 2011, AZ S-2649/11, das Verfahren gemäß § 29a VStG an die nunmehr belangte Behörde ab. In der Rechtfertigung vom 05.04.2011 bestritt die nunmehrige Bw zunächst den Tatzeitpunkt. Sie brachte vor, am Vorfallstag von Linz nach Wels gefahren zu sein und ihr Fahrzeug bereits um 14.55 Uhr in der Ringstraße geparkt und um exakt 14.55 Uhr beim Automaten in der Ringstraße 37 ein Parkticket gelöst zu haben. Dieser sei bis 16.55 Uhr gültig gewesen. Sie habe sich auch danach in Wels aufgehalten und deshalb um 16.44 Uhr ein weiteres Parkticket gelöst. Während dieser Zeit sei sie in Wels zu Fuß unterwegs gewesen und sei erst danach wieder nach Linz zurückgefahren. Die Bw legte Kopien des erwähnten Parktickets vor. Weiters wies die Bw darauf hin, dass auf den übermittelten Lichtbildkopien ein Fiat Punto erkennbar sei, der sich einmal im Kreuzungsbereich vor bzw. teilweise auf dem Zebrastreifen und einmal nach dem Zebrastreifen befindet. Die Zeit sei allerdings bei beiden Aufnahmen identisch. Es sei sohin aus ihrer Sicht unklar, in welchem zeitlichen Abstand diese Bilder gemacht wurden. Auch das Kennzeichen sei darauf nicht erkennbar, sondern nur auf einer eingeblendeten Ausschnittsvergrößerung, auf der aber wiederum der übrige Teil des Autos nicht erkennbar sei, ebenso wenig wie die Örtlichkeit. Die Verkehrsampel zeige zwar auf beiden Bildern "Rot", doch sei daraus nicht zwingend ableitbar, dass sie tatsächlich auch bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren ist. Es bestehe auch die Möglichkeit, dass das Fahrzeug nach Einfahren in die Kreuzung angehalten oder zum Stillstand gebracht wurde, entweder verkehrsbedingt oder infolge Absterbens des Motors. Die Bw beantragte die Beiziehung eines kfz-technischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass es sich bei den vorliegenden Lichtbildern um eine Verwechslung handle und auch die angegebene Tatzeit nicht stimmen könne sowie zur Überprüfung der Zeiteinstellung der gegenständlichen Verkehrsampel betreffend Hans-Sachs-Straße / Kreuzung Dr.-Schauer-Straße.

 

In der Folge wurde der meldungslegende Polizeibeamte Herr GI X, Bundespolizeidirektion Wels, am 15.04.2011 zeugenschaftlich einvernommen. Der Meldungsleger führte unter anderem aus, dass die Übertretung durch ein automatisches Überwachungsgerät festgestellt und von ihm die Anzeige aufgrund der vorliegenden Fotos erstattet wurde. Das Überwachungsgerät funktioniere so, dass unmittelbar nach der Haltelinie in der Fahrbahn eine Induktionsschleife angebracht ist, die beim Überfahren durch ein Fahrzeug die Überwachungskamera auslöst. Als die Überwachungskamera ausgelöst wurde, habe bereits 33,20 Sekunden das rote Licht der Verkehrslichtsignalanlage geleuchtet. Das zweite Foto, auf dem sich das Fahrzeug bereits in der Mitte der Kreuzung befindet, sei eine Sekunde später aufgenommen worden. Betrachte man die beiden Fotos, könne man davon ausgehen, dass das Fahrzeug bei Rotlicht vor der Haltelinie angehalten wurde, nach 33,20 Sekunden noch bei Rotlicht aus dem Stillstand in Richtung Westen fortgesetzt und die Haltelinie dabei überfahren wurde. Diese Annahme werde auch noch durch den zweiten auf den Fotos ersichtlichen Pkw bestärkt, der seinen Standort auf beiden Fotos nicht veränderte und daher offensichtlich angehalten hatte. Wenn man annimmt, dass das Fahrzeug der Bw eine Länge von ca. 3 bis 4 m aufweist, so wurde während dieser Sekunde eine Strecke von 5 bis 7 m zurückgelegt. Dies sei mit dem Wegfahren aus dem Stand und anschließendem Beschleunigen des Fahrzeuges erklärbar. Hätte die Verkehrslichtsignalanlage erst auf Rotlicht umgeschaltet, als sich das Fahrzeug bereits in der Kreuzung befand, so wäre die Überwachungskamera nicht ausgelöst worden, da diese nur beim Überfahren der Induktionsschleife ausgelöst wird. Das Fahrzeug der Bw habe sich somit beim Aufleuchten des roten Lichtes eindeutig noch hinter der Haltelinie befunden. Der Begriff Rotzeit 1 bedeute die Zeit, seit der das Rotlicht aufgeleuchtet habe. Die Übertretung habe am 18.01.2011 um 15:08:01 Uhr stattgefunden. Das zweite Foto werde zur Beweissicherung aufgenommen, um ausschließen zu können, dass ein Fahrzeug nach Überfahren der Haltelinie angehalten wird, ohne dass die Kreuzung bei Rotlicht überquert wird. Auch beim zweiten Foto scheine die Zeit von 33,20 Sekunden auf, da sich ja die Tatzeit nicht verändert habe. Dass zwischen den beiden Fotoaufnahmen keine Hinzuzählung der Sekunde Zeitunterschied erfolgte, sei auf die Programmierung bzw. Eichung der Rotlichtkamera zurückzuführen. Das Kennzeichen werde vom Programm im unteren Teil der Anzeige nochmals herausgearbeitet und könne vom Bearbeiter nicht beeinflusst bzw. geändert werden. Wenn die Bw einen Parkschein für das Abstellen eines Fahrzeuges um 14.55 Uhr zu ihrem Einspruch beigelegt habe, beweise das nicht, dass sie mit dem Fahrzeug nicht um 15.08 Uhr an der angeführten Tatörtlichkeit gefahren sei. Wenn im Einspruch eingewendet werde, dass sich die Verkehrsampel an der rechten Gehsteigkante befinde und für einen Fahrzeuglenker in Fahrtrichtung Westen erst spät ersichtlich ist, gebe er dazu an, dass sich bei der angeführten Kreuzung am nordöstlichen Straßenrand eine Ampel befindet, ebenso wie die Überkopfampel in der gedachten Kreuzungsmitte. Wenn man annehme, dass von der Lenkerin die rechts angebrachte Ampel nicht mehr gesehen wurde, so sei die ebenfalls rotes Licht zeigende Überkopfampel immer noch deutlich erkennbar gewesen. Auch der Einwand der Bw, dass ja die Möglichkeit bestehen würde, dass das Fahrzeug nach Einfahren in die Kreuzung angehalten oder zum Stillstand gebracht wurde, entweder verkehrsbedingt oder infolge Absterbens des Motors, werde durch ihre zuvor gemachten Angaben widerlegt, da laut Fotos die Haltelinie erst nach dem Aufleuchten des roten Lichtes genau nach 33,20 Sekunden überfahren wurde. Einen Eichschein für eine Rotlichtüberwachungsanlage gäbe es nicht.

 

In ihrer Stellungnahme vom 16.05.2011 wiederholte die Bw im Wesentlichen ihre bereits vorgebrachten Argumente und behauptete weiterhin, ihr Fahrzeug von 14.55 Uhr bis nach 19.46 Uhr nicht vom gegenständlichen Parkplatz weggestellt oder wegbewegt zu haben. Es müsse ein Fehler in der Programmierung und/oder Eichung der Überwachungskamera vorgelegen haben, da einerseits die Uhrzeit (15:08 Uhr) unmöglich stimmen könne und andererseits auch die eine Sekunde nicht berücksichtigt wurde, sie aber zur gleichen Zeit nicht an zwei verschiedenen Orten sein könne. Die Bw verwies auf ihre bereits vorgelegten Kopien des gelösten Parktickets sowie auf eine Rechnung der X vom 18.01.2011. Es könne sich bei der angegebenen Tatzeit nur um einen Irrtum handeln, weshalb sie beantragt, dass ein Sachverständiger für Verkehrstechnik zur Klärung der Fehlerhaftigkeit der Überwachungskamera in Bezug auf die Programmierung oder die Eichung derselben beigezogen werden möge.

 

Die belangte Behörde erließ in der Folge das nunmehr angefochtene Straferkenntnis. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung verweist die Bw im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen und vertritt die Ansicht, dass die belangte Behörde den von amtswegen zu ermittelnden Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt habe und ihrer Verpflichtung zur Erforschung der materiellen Wahrheit nicht nachgekommen sei. Dies gelte insbesondere zur Frage, ob der gegen sie erhobene Tatvorwurf, sie sei um 15.08 Uhr am Tatort gewesen, zutreffe oder nicht. Die belangte Behörde habe sich über sämtliche von ihr gestellten Beweisanträge hinweggesetzt und weder einen Amtssachverständigen noch einen Verkehrstechniker beigezogen oder den Schaltplan für die gegenständliche Kreuzung beigeschafft. Eine unrichtige Zeiteinstellung bzw. Zeitmessung infolge fehlerhafter Programmierung und/oder Eichung sei auch bei der hier verwendeten Kamera nicht von vornherein kategorisch auszuschließen. Sie sei mit ihrer Mutter nach Wels gefahren und habe mit ihr einen Stadtbummel gemacht. Sie habe ihr Fahrzeug in der Kurzparkzone abgestellt und einen Parkschein gelöst und zwar von 14.55 Uhr bis 16.55 Uhr. Sie habe ihr Fahrzeug während dieser Zeit auf dem Parkplatz stehen gelassen und nicht wegbewegt. Sie habe lediglich vor Ablauf der Parkzeit einen weiteren Parkschein gelöst und sei anschließend mit ihrer Mutter noch in eine Pizzeria X gegangen. Aufgrund der bisher vorliegenden Beweise liege der Verdacht mehr als nahe, dass es sich bei der gegenständlichen Aufnahme/Messung der Kamera um einen Fehler gehandelt habe, da sie zu der von der Behörde angegeben Tatzeit nicht am Tatort gewesen sei. Sie beantragt daher nochmals die Beiziehung eines amtstechnischen oder eines verkehrstechnischen Sachverständigen sowie den Schaltplan der gegenständlichen Ampel, dies zum Beweis dafür, dass eine fehlerhafte Programmierung und/oder Eichung derselben zur Tatzeit vorgelegen sei oder sonst irgendwelche Gebrechen vorhanden gewesen seien, die zu einer fehlerhaften Zeiteinstellung bzw. Messung geführt haben. Weiters ist nach Ansicht der Bw die Strafe überhöht.

 

Im Hinblick auf das Vorbringen der Bw ersuchte der Oö. Verwaltungssenat einen verkehrstechnischen Sachverständigen um Erstattung einer gutachtlichen Stellungnahme darüber, ob die Überwachungskamera – insbesondere auch was die Zeiteinstellung bzw. die Zeitmessung betrifft – fehlerfrei programmiert war bzw. funktionierte. Außerdem wurde der Sachverständige gebeten, zur Frage der Eichung Stellung zu nehmen, zumal der Meldungsleger in seiner Einvernahme angab, dass ein Eichschein für die Rotlichtüberwachungsanlage nicht existiere.

 

In seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 2. Oktober 2011, Verk-210002/437-2-2011-2011-Hag, führte der verkehrstechnische Sachverständige Dipl.-HTL-Ing. X aus, dass laut vorliegenden Überwachungsfotos der Rotlichtkamera die Rotlichtzeit (ein Foto) 33,20 Sekunden betrug. Das heißt, dass das Rotlicht bereits 33,20 Sekunden aktiviert war, als das erste Foto aufgenommen wurde. Das zweite Foto, das eine Sekunde nach dem ersten Foto aufgenommen wurde, zeigt den Pkw (Fiat Punto), nachdem er den Zebrastreifen bereits überquert hat. In beiden Fotos ist in der Bildleiste systembedingt die Rotlichtzeit des ersten Fotos von 33,20 Sekunden eingeblendet. Weiters ist an diesen beiden Fotos systembedingt die Angabe 1000 Millisekunden enthalten – der Hinweis, mit welcher Zeitverzögerung das zweite Foto ausgelöst wird. Diese Angaben in der Bildleiste der Fotos wurden vom Systemhersteller gewählt, um auf jedem der beiden Fotos alle relevanten Daten darzustellen. Laut österreichischem Eichgesetz ist die "Rotlichtüberwachung" nicht eichpflichtig. Die gegenständlichen 1000 Millisekunden (Zeitdifferenz der Fotos) unterliegen daher nicht der Nichteichpflicht. Das zweite Foto wird angefertigt, um die Fahrtrichtung eindeutig zu erkennen sowie um festzustellen, dass das Kfz zwischen den Fotos seinen Standort verändert hat. Augenscheinlich ist zu erkennen, dass sich hinter dem Pkw der Bw ein weiterer Pkw befindet. Der Vergleich beider Aufnahmen zeigt, dass dieses Fahrzeug seine Position nicht verändert hat. Daraus ist der Schluss abzuleiten, dass dieser Pkw stand. Der Pkw der Bw hat aufgrund der Bildauswertung seine Position innerhalb einer Sekunde um ca. 4,5 m verändert. Für die Wegstrecke von ca. 4,5 m ergibt sich eine mittlere Geschwindigkeit von ca. 4,5 m/s (ca. 16,2 km/h). Erstellt man ein Weg-Zeit-Diagramm und ein Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm, so ergibt sich für den Pkw der Bw eine Beschleunigung von ca. 1,5 m/s². Rechnet man auf die Haltelinie zurück, so ergibt sich, dass der Pkw stand (vor der Haltelinie) und dann mit ca. 1,5 m/s² beschleunigt worden ist. Aufgrund der ermittelten Anfahrbeschleunigung ergeben die V-T/S-T-Diagramme, dass der Pkw zwischen den beiden Fotos ca. 4,5 m zurücklegte und ca. 3,8 m zwischen der Haltelinie und dem ersten Foto zurücklegte. Aufgrund dieser Wegstrecken, die mit einem maßstäblichen Kreuzungsband verglichen worden sind, ergibt sich eine Fahrzeugbeschleunigung ab der Haltelinie bis zum ersten Foto und vom ersten zum zweiten Foto von ca. 1,5 m/s² und aufgrund der Wegstrecken, dass der Pkw ursprünglich still stand. Das entspricht einer normalen, nicht sportlichen, Anfahrbeschleunigung auf den ersten 10 m, wenn man geradeaus fährt, also kein Abbiegemanöver durchführt (Literaturhinweis X-Anfahrbeschleunigungen SV Büro X & X). Aufgrund der erstellten Diagramme und der vorliegenden Rotlichtfotos sowie des maßstäblichen Kreuzungsplanes ist davon auszugehen, dass der Pkw ursprünglich stand, dann aber nicht das Ende der Rotlichtphase abgewartet hat. Aufgrund der vorliegenden Fotos und der geeichten Zeitmessung der Rotlichtüberwachungskamera ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass der Pkw vom Stillstand aus vor Ende der Rotlichtzeit seine Fahrt fortgesetzt hat. Der Pkw hinter dem Pkw der Bw blieb stehen.

 

In ihrer Stellungnahme vom 31. Oktober 2011 zum gegenständlichen Gutachten bringt die Bw unter anderem vor, dass der Sachverständige zunächst darauf verweist, dass laut österreichischem Eichgesetz die "Rotlichtüberwachung" nicht eichpflichtig ist. In der Folge führt er aber aus, dass aufgrund der vorliegenden Fotos der geeichten Zeitmessung davon auszugehen sei, dass der Pkw ursprünglich stand, dann aber nicht das Ende der Rotlichtphase abgewartet habe. Sie beantrage daher, der Sachverständige möge bekanntgeben, ob die vorliegende "Rotlichtmessung" mit Hilfe eines geeichten Messgerätes erfolgte und welches Messgerät konkret verwendet wurde. Weiters beantrage sie, der Sachverständige möge angeben, wie die gegenständliche Rotlichtanlage beschaffen war und wie sie funktioniert. Nach ihrer Ansicht nach gäbe es für derartige Anlagen unterschiedliche Fehlerquellen. Fehlermessungen können etwa dadurch zustande kommen, dass der Betroffene noch bei Grün über die Haltelinie fährt, dann jedoch verkehrsbedingt anhalten müsse. Schaltet die Ampel dann von Grün auf Rot, passiere so lange nichts, wie der Betroffene auf der ersten Induktionsschleife stehen bleibt. Erst wenn er losfährt, werden das erste und das zweite Rotlichtfoto gemacht. In diesen Fällen liege aber tatsächlich kein Rotlichtverstoß vor. Es könne auch zu Problemen mit den Rotlichtzeiten kommen, da zwischen dem Ansprechen der Induktionsschleife und dem Auslösen der ersten Aufnahme eine Auslösezeit von 0,01 bis 0,02 Sekunden liegt, die die Messung verfälschen könne. Es sei deshalb auch ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen. Auf den beiden vorliegenden Fotos sei zwar eine Veränderung der Position des Pkws zu erkennen, in beiden Fällen sei die Position aber bereits nach den Masten der gegenständlichen Verkehrsampel, was bedeute, dass der Pkw bereits vor der Rotlichtphase in den Kreuzungsbereich eingefahren und verkehrsbedingt angehalten haben könne. Sie beantrage daher, der Sachverständige möge angeben, ob er aufgrund der Lichtbilder ausschließen könne, dass ihr Pkw bereits längere Zeit auf Höhe des Zebrastreifens gestanden ist wie auf dem ersten Lichtbild ersichtlich. Der Sachverständige möge auch angeben, wie er zu der für ihn höchstwahrscheinlichen Annahme gelangt, dass ihr Pkw zuvor gestanden ist und dann einen "Frühstart" hingelegt hat bzw. ob es zu einer Fehlmessung gekommen – wie oben dargestellt – sein könne. Weiters möge der Sachverständige auch dazu Stellung nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen es bei dem verwendeten Messgerät zu unrichtigen Angaben in Bezug auf das Datum kommen könne. Gehe man davon aus, dass ihre Angaben und der Zeugin zutreffen, dass sie das Fahrzeug zum angeblichen Zeitpunkt der Messung in der Kurzparkzone abgestellt hatte, könne sie also nicht am Tatort gewesen sein. Das Datum der Messung müsse daher unrichtig sein. Wäre es denkbar, dass die Umstellung auf die Sommerzeit verabsäumt wurde oder  wie sei dies sonst erklärbar. Könne etwa eine unrichtige Programmierung die Ursache dafür sein. Die Bw beantragt um Ergänzung des vorliegenden Gutachtens im Sinne ihrer Anfragen.

 

Bei der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 12. Dezember 2011 nahm der Amtssachverständige Dipl.-HTL-Ing. X zu sämtlichen Fragen des Vertreters der Bw gutachtliche Stellung. Nach Beantwortung der Fragen des Rechtsvertreters stellte dieser folgenden Beweisantrag:

 

"Es möge eine Anfrage an die Bundespolizeidirektion Wels gestellt werden, mit dem Inhalt, ob es sich bei der gegenständlichen Uhr um eine Funkuhr handelt oder um eine konventionelle Uhr mit Stromversorgung und wie die Zeitumstellung von Sommer- auf Winterzeit erfolgt ist, ob dies automatisch oder manuell passiert und ob ausgeschlossen werden kann, falls es sich um eine konventionelle Uhr handelt, dass aufgrund beispielsweise eines Stromausfalls die Uhrzeit falsch eingeblendet ist." Der Vertreter des Bw verzichtete auf eine weitere Berufungsverhandlung.

 

In seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 21. Jänner 2012, Verk-210002/437-2-2011-2011-Hag, führt der Amtssachverständige Ing. X aus, dass laut Rücksprache mit der Firma X die Uhrzeit der Rotlichtanlagen synchron über einen Zentralcomputer gesteuert werden. Dieser Computer ist online und permanent mit allen Siemensanlagen in Wels verbunden und befindet sich im Büro der Fachinspektion Sonderdienste in X, X. Bei der in der Anzeige angeführten Tatzeit 15:08:01 handelt es sich um eine Zeit, die zumindest sekundengenau angezeigt wird. Die Zeit, die angibt, wie lange das Rotlicht aktiviert war, wird in Millisekunden (ms) gemessen und in der Anzeige dargestellt. Da die Computerzeit von Großrechnern dem heutigen Stand der Technik entsprechend sehr genau takten, gibt es keine nennenswerten Zeitabweichungen. Der Vertreter der Bw nahm mit abschließender Stellungnahme vom 14.2.2012 den Inhalt des o.a. Gutachtens des Dipl.-HTL-Ing. X zur Kenntnis. Wenn der Vertreter der Bw darauf hinweist, dass die Frage eines möglichen Stromausfalles nicht thematisiert wurde, wird dazu seitens des Oö. Verwaltungssenates festgestellt, dass diese Fragestellung auf einen Erkundungsbeweisantrag hinausläuft und daher keine weiteren Erhebungen durchzuführen waren.

 

Für den Oö. Verwaltungssenat ist aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse die der Bw zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht erwiesen. Aufgrund der gutachtlichen Stellungnahmen des verkehrstechnischen Sachverständigen Dipl.-HTL-Ing. X geht der Oö. Verwaltungssenat davon aus, dass die Überwachungsanlage bzw. das Überwachungsgerät fehlerfrei, insbesondere was auch die Darstellung der Tatzeit betrifft, funktionierte. Obwohl die belangte Behörde noch keinen verkehrstechnischen Sachverständigen beigezogen hat, hat sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend ausgeführt, dass die Einspruchsangabe der Bw, dass auf beiden Fotos die Zeitspanne von 33,2 Sekunden eingeblendet ist, während diese sich aber durch eine deutlich erkennbare Vorwärtsbewegung der Fahrzeuge unterscheiden, per se richtig ist, jedoch ins Treffen geführt werden kann, dass eine der Wirklichkeit entsprechende Zeiteinblendung auf dem zweiten Foto technisch nicht möglich ist. Die Zeiteinblendungen auf beiden Fotos stellen die Hauptrotlichtzeit (also die Rotlichtdauer nach dem Überfahren der Haltelinie) dar. Während die Zeitenblendung des ersten Fotos die tatsächliche Lage des Fahrzeuges in der Kreuzung nach 33,2 Sekunden nach Aufleuchten des Rotlichtes wiedergibt, zeige das zweite Foto die Lage des Fahrzeuges nach einer weiteren Sekunde. Eine Einblendung der tatsächlichen Zeit von 34,2 Sekunden auf dem zweiten Bild sei aus technischen Gründen nicht möglich. Weiters verweist die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu den Angaben der Bw, dass auf dem Vergrößerungsfoto des Kennzeichens der Rest des Fahrzeuges nicht zu erkennen sei, dass alle drei der im Akt zugrunde liegenden Fotos von einer Serie stammen und eine Vermengung mit anderen Fotos ausgeschlossen ist. Außerdem sei anhand der beiden in der Stoßstange integrierten Rückstrahler sehr wohl erkennbar, dass es sich auf den Fotos um ein und dasselbe Fahrzeug handelt. Zur bestrittenen Lenkereigenschaft zum Tatzeitpunkt verweist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf, dass das am Tag der Tatbegehung bis 16.55 Uhr gelöste Parkticket des Magistrates der Stadt Wels als Entlastungsbeweis ungeeignet ist, weil dieses Parkticket von jeder beliebigen Person gelöst werden sein könne und zum zweiten könne ein Parkticket die Nichtteilnahme am fließenden Verkehr niemals beweisen, zumal es zwar eine Parkberechtigung, aber niemals eine Parkverpflichtung nachzuweisen vermag. Zutreffend verweist die belangte Behörde auch darauf, dass die Vorlage der Rechnung einer Pizzeria in Wels, ausgestellt am 18.01.2011 um 19.46 Uhr, als Beweismittel für die mangelnde Lenkereigenschaft nicht tauglich ist, weil weder die Rechnung an sich, noch die Ausstellungszeit derselben im Vergleich mit der Tatzeit einen Zweifel daran rechtfertigen würden, dass die Bw die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hätte.

 

Der Oö. Verwaltungssenat fügt, was die Frage der Lenkereigenschaft betrifft hinzu, dass die Bw in ihrer Argumentation offenbar übersehen hat, dass sie bereits am 21. Februar 2011 per Fax aufgrund einer Lenkeranfrage der Bundespolizeidirektion Wels bekanntgegeben hat, dass sie selbst am Tattag zur Tatzeit das in Rede stehende Fahrzeug an der Tatörtlichkeit gelenkt hat. Für den Oö. Verwaltungssenat steht sohin mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit fest, dass die Bw zur Tatzeit am Tatort die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen hat. Ihre Anträge waren nicht geeignet, die Fahrlässigkeitsvermutung im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG zu entkräften. Sie hat daher die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zu verantworten.

 

Strafbemessung:

Die Bw ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Dieser Umstand ist als mildernd zu werten. Erschwerende Umstände sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Konkrete nachteilige Folgen sind durch die Übertretung ebenso nicht evident. Die Bw bezieht laut vorgelegten Einkommensnachweis lediglich eine Pension in Höhe von rund 208 Euro monatlich. Dazu kommt noch die Ausgleichszulage abzüglich des Krankversicherungsbeitrages. Daraus ergibt sich ein Auszahlungsbetrag in Höhe von rund 637 Euro.

 

Die Strafe ist nach den Bemessungskriterien des § 19 VStG tat- und schuldangemessen unter Berücksichtigung der sozialen, wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse eines Beschuldigten festzusetzen. Unter Zugrundelegung der oa. Kriterien war die Strafe entsprechend nach unten anzupassen. Vom Aspekt der Prävention ist jedoch eine weitere Herabsetzung der Strafe nicht vertretbar.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.


Dr. Johann Fragner

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum