Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166576/7/Fra/Th

Linz, 06.03.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn AA, X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt CH, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 5. Dezember 2011, VerkR96-31859-2011, betreffend Übertretungen der StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 28. Februar 2012, zu Recht erkannt:

 

 

       I.      Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

    II.      Der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:        § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 VStG und 45 Abs.1 Z1 VStG;

zu II.:      § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Bw

1.      wegen Übertretung des § 46 Abs.1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit eine Geldstrafe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und

2.      wegen Übertretung des § 97 Abs.4 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit eine Geldstrafe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt, weil er

1.      am 04.08.2011 um 21.20 Uhr die Abfahrtsrampe V auf der Westautobahn A1 benutzt hat, obwohl dies für Fußgänger ausdrücklich verboten ist

2.      am 04.08.2011 um 21.20 Uhr auf Höhe der Abfahrtsrampe V der Westautobahn A1 die Anordnung eines Straßenaufsichtsorganes, die Abfahrtsrampe nicht zu betreten, nicht befolgt hat, obwohl dies ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. Der Bw bringt in seinem mit 16. Dezember 2011 datierten Rechtsmittel unter anderem vor, am 04.08.2011 vom Todesschützen der L Pensionisten auf der Autobahn im Gemeindegebiet von V einer Verkehrskontrolle unterzogen worden zu sein. Was er im Verlauf dieser Kontrolle erlebt habe, sei einfach unglaublich und höchst menschenverachtend. Er habe erst am 2. Dezember erfahren, wer ihn kontrolliert hat und seit diesem Tag sei ihm klar, wie knapp er dem Tod entronnen ist. Er wünsche keinem Menschen in so ein hassverzerrtes Gesicht sehen zu müssen, welches dir sagt "dir werde ich es zeigen". Er habe schon bei der ersten Einvernahme auf der Führerscheinentzugsstelle, mit der die Bestrafungsaktion begann, darauf hingewiesen, dass dieser Mann auch schießen würde und er seine Hauptaufgabe darin sieht, Menschen zu schikanieren. Er möchte auch darauf hinweisen, dass er von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden kein einziges Mal die Gelegenheit bekommen habe, zum Sachverhalt Stellung zu nehmen, das gilt nicht nur für ihn, sondern auch für seine Entlastungszeugen. Zur Bezirkshauptmannschaft Gmunden möchte er noch folgendes sagen und das mache ihn am meisten betroffen, fassungs- und sprachlos. Er wurde schon einmal als Kind von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zum "Abschuss" freigegeben, er habe überlebt und hätte nie gedacht, dass sich so etwas wiederholen könne. Zum Herrn Bezirkshauptmann, in dessen Namen dieses Straferkenntnis unterschrieben wurde, möchte er noch sagen "so lange noch Blut in meinen Adern rinnt, werde ich mich gegen Polizeischikanen und Polizeiwillkür zur Wehr setzen", auch wenn es für die Bezirkshauptmannschaft Gmunden "SCHLÜSSIG" ist, wie dieser Polizist mit Bürgern dieses Landes umgeht. Ein Mann, der ungestraft einen Bürger erschießen darf, gehe natürlich davon aus, alles machen zu können. Er werde sich auch dann wehren, wenn sich, wie das letzte Mal die Strafe verdoppelt, "ohne" natürlich die Möglichkeit eines Einspruches. Alles andere werde er bei einer mündlichen Verhandlung zur Kenntnis bringen. Er stelle den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einzustellen. Weiters beantrage er die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung.

 

 

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden – als nunmehr belangte Behörde – legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jeweils 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c erster Satz VStG).

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Bei der Berufungsverhandlung nahmen der Berufungswerber, sein Rechtsvertreter CH, sowie der Meldungsleger RI MM teil.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs.1 StVO 1960 dürfen Autobahnen nur mit Kraftfahrzeugen benützt werden, ...".

 

Gemäß § 46 Abs.1 Z1 StVO 1960 darf im Bereich eines Kontrollplatzes, um Tätigkeit zu verrichten, die mit Personen- oder Fahrzeugkontrollen zusammenhängen, die Autobahn betreten werden.

 

Die Frage, die es zu klären gilt, ist, ob nun der Bw die Autobahn aus eigenem Entschluss betreten hat, oder deshalb, weil er eine Tätigkeit zu verrichten musste, die mit seiner Personen- oder Fahrzeugkontrolle zusammenhängt (hier: Aufforderung zum Alkovortest).

 

Unbestritten ist, dass der Bw vom Meldungsleger an der Tatörtlichkeit zwecks Durchführung einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle angehalten wurde. Die Amtshandlung erfolgte auf der Abfahrtsrampe V der Westautobahn A1. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass, wenn an der genannten Örtlichkeit eine Person aus ihrem Fahrzeug aussteigt, sie die Autobahn betritt. Wenn der Bw aus seinem Fahrzeug ausgestiegen ist, ohne dass er dazu vom Meldungsleger aufgefordert wurde, hat er tatbildlich im Sinne des § 46 Abs.1 StVO 1960 gehandelt. Ist der Bw jedoch nur deshalb aus seinem Fahrzeug ausgestiegen, weil er vom Meldungsleger aufgefordert wurde, kommt ihm die Ausnahmebestimmung im Sinne des § 46 Abs.1 Z1 StVO 1960 zugute. Unstrittig ist, dass der Bw vom Meldungsleger vorerst aufgefordert wurde, ihm seine Fahrzeugdokumente auszuhändigen. Der Meldungsleger ging sodann mit den Dokumenten zum Polizeifahrzeug, um eine Fahndungsanfrage durchzuführen (das Polizeifahrzeug stand einige Meter vor dem Fahrzeug des Berufungswerbers) und darauf wieder zum Fahrzeug des Bw zurück. Der Bw beteuerte bei der Berufungsverhandlung, dass er, als der Polizeibeamte wieder zu seinem Fahrzeug zurückgekommen ist, 100%ig noch im Auto gesessen sei und er nur deshalb aus seinem Fahrzeug ausgestiegen sei, weil ihn der Polizist zum Alkovortest aufgefordert hat. Dies habe er befolgt. Er sei dann auf der Abfahrtsrampe der Autobahn gestanden und in der Folge sei der Alkovortest auch durchgeführt worden. Konkret habe die Kontrolle beim Polizei-Pkw stattgefunden. Er habe dort hingehen müssen. Das Polizeifahrzeug sei ca. 6 bis 7 m vor seinem Fahrzeug gestanden. Der Meldungsleger gab bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme bei der Berufungsverhandlung an, dass, als er wieder zum Fahrzeug des Bw zurückgegangen ist, dieser außerhalb seines Fahrzeuges gestanden ist. Er sei sich ziemlich sicher, dass dies so gewesen sei, 100%ig sicher sei er sich jedoch nicht. Er könne auch nicht mehr sagen, ob der Alkovortest von ihm oder von seinem Kollegen durchgeführt wurde. Der Oö. Verwaltungssenat konnte im Hinblick auf diese Aussagen nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit davon überzeugt werden, dass der Bw freiwillig sein Fahrzeug verlassen hat, dafür liegt kein ausreichender Beweis vor. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass der Bw nur deshalb aus seinem Fahrzeug ausgestiegen ist, weil er im Rahmen der Amtshandlung vom Meldungsleger (zum Alkovortest) aufgefordert wurde. Die Zeugenaussagen des Herrn MS vom 21. Oktober 2011 vor der Bezirkshauptmannschaft Gmunden kann zum relevanten Sachverhaltsmerkmal nichts beitragen, da aus dessen Aussage hervorgeht, dass er vorerst einen anderen Pkw kontrolliert hat und, als er zum vom Bw gelenkten Pkw ging, dieser bereits aus dem Auto ausgestiegen war.

 

Gemäß § 51i VStG darf bei der Fällung des Erkenntnisses des UVS, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, nur auf das Rücksicht genommen werden, was in der Verhandlung vorgekommen ist (Grundsatz der Unmittelbarkeit). Im Hinblick darauf, dass der Oö. Verwaltungssenat nicht mit der erforderlichen Sicherheit von der Tatbildlichkeit des dem Bw zur Last gelegten Verhaltens überzeugt werden konnte, war in Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" zu entscheiden.

 

Ergänzend wird angemerkt, dass, falls das Faktum 1 (§ 46 Abs.1 StVO 1960) erwiesen wäre, das Faktum 2 (§ 97 Abs.4 StVO 1960) aufgrund unechter Idealkonkurrenz (Konsumtion) nicht zu bestrafen wäre.

 

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Johann Fragner

 

 

 

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