Linz, 14.02.2012
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, vertreten durch RA Dr. X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 2. Jänner 2012, Zl. VerkR96-6940-2011-Wid, nach der am 10. Februar 2012 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
I. Die Berufung wird im Punkt 1) im Schuldspruch als unbegründet abgewiesen; im Strafausspruch wird der Berufung mit der Maßgabe Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 150 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 90 Stunden ermäßigt wird.
Im Punkt 2) wird der Schuldspruch mit der Abänderung bestätigt, dass von einer 50 km/h nicht übersteigenden Fahrgeschwindigkeit auszugehen ist und als Strafnorm der § 99 Abs.2d StVO 1960 zur Anwendung gelangt. Die Geldstrafe wird auf 100 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 60 Stunden ermäßigt.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf insgesamt 25 Euro. Für das Berufungsverfahren entfallen Kostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 20, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – VStG.
Zu II.: § 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Wider den Berufungswerber wurde mit dem o. a. Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, wegen zweimaliger Übertretung nach § 20 Abs.2 StVO 1960 iVm § 99 Abs.2e StVO 1960 Geldstrafen von 280 und 250 Euro und im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von vier und drei Tagen verhängt, wobei ihm sinngemäß zur Last gelegt wurde,
1.1. Die Behörde erster Instanz stützt ihre Entscheidung auf das Ergebnis der durchgeführten Lasermessung. Sie folgte den Zeugenaussagen der bzw. des die Messung durchführenden Polizeibeamten und ging folgerichtig unter Hinweis auf die Rechtssprechung von zwei selbständigen Übertretungshandlungen in Form von Geschwindigkeitsüberschreitungen aus.
Der Strafzumessung legte die Behörde erster Instanz ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500 Euro, kein Vermögen und keine Sorgpflichten zu Grunde und erachtete unter Hinweis auf die Strafrahmen nach § 99 Abs.2e StVO die ausgesprochenen Geldstrafen der Tatschuld und dem Präventionsgedanken angemessen.
Strafmildernde oder straferschwerende Umstände wurden nicht gewertet.
2. Der Berufungswerber führt in seiner fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung in den wesentlichen Auszügen folgendes aus:
3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, ist der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentlichen mündliche Berufungsverhandlung war angesichts des dem Inhalt nach bestrittenen Sachverhaltes insbesondere in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte durchzuführen (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).
3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt. Beigeschafft wurden Luftbilder aus dem System DORIS, worauf die Straßenkilometrierung des fraglichen Streckenabschnittes und der Messort ersichtlich ist.
Beweis erhoben wurde ferner durch Einvernahme des RevInsp. X und des Berufungswerbers als Beschuldigter. Ebenfalls wurden Überlegungen zum Beschleunigungs- u. Bremsvermögen und die dabei zurückgelegten Distanzen getätigt (Analyzer Pro 32 Version 6).
Antragsgemäß wurden noch Erhebungen beim BEV zum Eichschein und zur Messstrahlaufweitung geführt und dazu Parteiengehör gewährt.
4. Zum Sachverhalt:
Unbestritten ist, dass der Berufungswerber zu den oben angeführten Zeiten und Örtlichkeiten in Begleitung eines befreundeten weiteren Motorradfahrers (X) mit seinem Motorrad auf der L501 von Braunau in Richtung Burghausen und anschließend wieder diese Strecke zurück unterwegs war.
Bereits vor dem erstmaligen Passieren des Standortes des Meldungslegers wurde von einer Funkstreifebesatzung, deren Standort im Raum des Ortsgebietes Ranshofen war, dem Meldungsleger über Funk mitgeteilt, dass in dessen Fahrtrichtung zwei Motorradfahrer offenbar zu schnell unterwegs wären, deren Kennzeichen man nicht ablesen habe können.
Angesichts dieser Information hat der Meldungsleger anlässlich der Vorbeifahrt dieser beiden Motorräder an seinem Standort beide Kennzeichen abgelesen. Diese Vorbeifahrt erfolgte mit geschätzten 100 km/h.
Im weiteren völlig geradlinig verlaufenden Straßenbereich beschleunigten diese beiden Motorräder, wobei laut Anzeige deren Geschwindigkeit sich vom Messort entfernend hintereinander mit je 161 km/h – jedoch mit der identen Tatortbezeichnung – gemessen wurde. Welches Fahrzeug zuerst gemessen wurde ist vom Meldungsleger nicht konkretisiert worden. Ebenso nicht betreffend die Messung aus 385 m anlässlich der Rückfahrt.
Nach der Anhaltung anlässlich der zweiten Messung wurde die Geschwindigkeitsüberschreitung von beiden Lenkern grundsätzlich eingeräumt und im Ergebnis damit begründet, man habe nochmals richtig Gas geben wollen.
4.1. Die L501 verläuft laut beigeschafftem Luftbild und Kenntnis der Berufungsbehörde aus anderen Verfahren im Bereich der begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung von Strkm 6,605 bis Strkm 7,2 – mit Ausnahme einer übersichtlichen Zufahrt zu einem Bauernhof etwa auf Höhe Strkm 7,1 - einmündungsfrei, völlig gerade und übersichtlich. Mit dem leistungsstarken Motorrad des Berufungswerbers konnten aus 100 km/h heraus bereits nach 2,5 Sekunden und einer Wegstrecke von nur 92,5 m ca. 160 km/h erreicht werden (Berechnung mit Analyzer Pro 32, Version 6.2). Dies unter der realitätsnahen Annahme eines Beschleunigungsvermögens von 6,5 m/sek2. Da ferner der sich bei der genannten Fahrgeschwindigkeit mit knapp unter 173 m ergebende Anhalteweg einsehbar ist, folgt, dass mit dieser kurzzeitig entwickelten Fahrgeschwindigkeit keine erkennbaren konkreten nachteiligen Folgen für die Verkehrssicherheit angenommen werden können. Der Unwertgehalt reduziert sich demnach auf den reinen Regelverstoß und eine daraus hervorleuchtende Neigung zum Ungehorsam. Dies darf folglich bei der Beurteilung von Tatunwert und Schuld nicht unberücksichtigt bleiben.
4.2. Anlässlich der Berufungsverhandlung blieb seitens des Berufungswerbers der Sachverhalt im Ergebnis unbestritten, wobei keiner der Berufungswerber auf den im fraglichen Streckenbereich auf den Tacho blickte. Beide Berufungswerber zeigten sich im Ergebnis schuldeinsichtig und verwiesen, wie auch vom Meldungsleger bestätigt, dass es durch diese punktuelle und kurzzeitige Geschwindigkeitsüberschreitung auf diesem übersichtlichen und einmündungsfreien Straßenbereich zu keinerlei Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen ist bzw. solche sich dort keine anderen Fahrzeuge befunden haben.
Hingewiesen wurde seitens des Rechtsvertreters, dass betreffend der Messung (Displayanzeige) mit 157 km/h der vermeintlich 5%ige Verkehrsfehler zu einer erwiesenen Fahrgeschwindigkeit von knapp unter 150 km/h führte, was letztlich für das Führerscheinverfahren bzw. die Strafnorm gemäß § 99 Abs.2d StVO zur Folge habe.
Dem ist entgegen zu halten, dass laut Information des BEV u. Amtssachverständigen die zulassungs- u. eichrechtlichen Bestimmungen einen Verkehrsfehler von 3 km/h bis 100 km/h und nur 3% der "gemessenen Geschwindigkeit" von über 100 km/h vorsehen. Auch mit dem in der Berufungsverhandlung zur Messunsicherheit[1] aufgeworfenen Frage wäre letztlich nichts zu gewinnen gewesen.
Glaubhaft wurden vom Meldungsleger die vor dem Messeinsatz vorgenommenen Testroutinen bestätigt. Diese lassen sich auch aus dem Messprotokoll nachvollziehen.
Anzumerken gilt es jedoch, dass sich weder aus dem Messprotokoll noch aus vorliegenden Handaufzeichnungen eine Dokumentation die sich folgelogisch durch zwei voneinander abweichende Tatörtlichkeiten ergeben müsste. Laut der ergänzend eingeholten Information von Sachverständigen ist zwischen den Messungen zweier Fahrzeuge eine Zeitspanne von etwa zwei Sekunden zu Grunde zu legen. Dies würde logisch betrachtet zu einer abweichenden "Tatortbezeichnung" im Umfang von etwa 80 m führen.
Ferner ist der Zeitpunkt der Anzeigelegung erst dreizehn Tage nach dem Vorfall durch Polizeibeamten X (bzw. am 10.8.2011 im Fall X durch den Zeugen x) zu bedenken. Es kann demnach nicht gesichert gelten welches Fahrzeug an welcher Stelle konkret gemessen worden sein sollte. Dies kann weder aus den vorliegenden Anzeigefakten noch konnte dies im Rahmen der Berufungsverhandlung geklärt werden. Die hier verbleibenden Ungereimtheiten betreffend die Messabfolge, die hinsichtlich beider Fahrzeuge punktgenau zur völlig identen Geschwindigkeit geführt haben sollten, lässt wohl Zweifel an zwei selbständigen Messungen auf 395 m (die zweite Messung betreffend) bestehen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass etwa das von der Messung nicht betroffene Fahrzeug doch geringfügig langsamer unterwegs gewesen wäre.
Dies gilt es insbesondere mit Blick auf die mit der Rechtskraft der Schuldsprüchen einhergehenden Rechtsfolgen eines Führerscheinentzuges von zwei bzw. insgesamt dann acht Wochen zu bedenken.
Ebenso ist auf Unstimmigkeiten in der Anzeige zu Verweisen.
In diesem Verfahren wurde die Meldung vom Polizeibeamten X am 16.8.2011 verfasst. Die Tatzeit wurde handschriftlich von "19.7.2011" auf den 3.8.2011, 16:29 Uhr korrigiert. In der gegenständlichen Anzeige findet sich der offenkundig unzutreffende Hinweis, wonach sich "während der Geschwindigkeitsmessung kein anderes Fahrzeug zwischen dem gemessenen Fahrzeug und dem Meldungsleger befunden habe."
Dies ist schon vor diesem Hintergrund widersprüchlich, weil hinsichtlich beider Fahrzeuge – die angeblich gesondert trotz identer Tatörtlichkeit gemessen wurden – sich gleichsam zwingend ein Fahrzeug dazwischen befunden haben müsste.
Demnach wird der Messung auf der Fahrt in Richtung Ranshofen um 16.45 Uhr (mit 152 km/h) eine Unsicherheit betreffend die Zurechenbarkeit zum jeweiligen Fahrzeug erblickt.
Gemäß den Zulassungs- u. Verwendungsbestimmungen des Bundesamtes für Eich- u. Vermessungswesen vom 27.5.2009, GZ: 2666/2009, Punkt 6.2.2.7. "darf grundsätzlich ein Messergebnis nur dann zur Auswertung herangezogen werden, wenn einwandfrei zu erkennen ist, von welchem Fahrzeug dieses Messergebnis stammt. Dies ist mit Sicherheit dann gegeben, wenn sich innerhalb des im Visier eingeblendeten Kreises, der die Größe des Laserstrahls repräsentiert, nur ein Fahrzeug befindet. Beim Anvisieren ist vorzugsweise auf die Kennzeichentafel und bei Motorräder auf den Scheinwerferbereich zu zielen." Wenn demnach der Messstrahl auf die hier zutreffende Entfernung von fast 400 m eine Kreisfläche von 125 cm abdeckt und bei einem Motorrad laut Gutachter als Reflexionsfläche nur der Scheinwerfer in Betracht kommt, ist es zumindest nicht unwahrscheinlich, dass sich vom Standort des Meldungslegers bei Strkm 6,600 bei 6,985 beide Fahrzeuge im Visierkreis und demnach im Messstrahl befunden haben könnten und daher nicht gesichert gelten kann welchem Fahrzeug die 152 km/h konkret zuzuordnen sind. Das Messergebnis im Punkt 2) kann daher nur als Rückschluss aus der einen, jedoch einem konkreten Fahrzeug nicht zuzuordnenden Messung herhalten.
Da die Motorräder offenbar hintereinander fahrend aus der Blickperspektive von nahezu 180º auf fast 400 m weitgehend deckungsgleich erschienen, wird einerseits nicht als mit der erforderlichen Sicherheit erwiesen gesehen, welchem der beiden Fahrzeuge die 152 km/h zuzurechnen sind und ob andererseits an der besagten Örtlichkeit nicht doch eines der Motorräder etwas langsamer gewesen ist. Die Berufungsbehörde schließt daher gemäß dem im Strafverfahren geltenden Zweifelsgrundsatz von keiner erwiesenen Überschreitung im Umfang von mehr als 50 km/h aus, wenngleich beide Fahrzeuge weitgehend synchron unterwegs waren.
Ferner bleibt auch die unterschiedliche Tatortbezeichnung im Punkt 2) mit bloß fünf Meter als nicht nachvollziehbar festzustellen. Das im Zuge der Verfassung der Anzeige wohl rekonstruiert werden musste, liegt somit zumindest nahe.
Diese Zweifelsannahme trifft jedoch betreffend die deutlich höhere Überschreitung bei gleichzeitig geringerer Messentfernung im Punkt 1) nicht zu.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
In Vermeidung von Wiederholungen kann auf die oben zitierten zutreffenden rechtlichen Ausführungen der Behörde erster Instanz verwiesen werden.
Grundsätzlich lässt sich kein derartiger Messvorgang mit einem anderen gleichsetzen. Es ist immer auf den Einzelfall abzustellen und zu beurteilen, ob ein vorliegendes Messergebnis eine taugliche Grundlage für einen Tatbeweis bildet (VwGH 8. September 1998, 98/03/0144 u.v.a.).
Dem Einwand der unzulässigen Kumulation iSd § 22 VStG ist entgegen zu halten, dass hier von zwei völlig unabhängigen Fahrten mit einer dazwischen liegenden Pause im zeitlichen Abstand von immerhin sechzehn Minuten auszugehen ist (vgl. etwa VwGH 25. 10. 1989, 89/03/0145, sowie VwGH 20.05.1992, 91/03/0315 mwN und auch VwGH 13.4.1988, 87/03/0114). Die belangte Behörde ist daher hier zu Recht nach dem Kumulationsprinzip vorgegangen.
Die Konstruktion des fortgesetzten Deliktes ist nicht derart auszulegen, dass einem fortgesetzten Delikt in aller Regel nur ein Willensentschluss zum Fehlverhalten zu Grunde liegt. Davon kann bei zwei bewusst begangenen derartigen Regelverstößen nicht ausgegangen werden.
Obwohl sich hinsichtlich der Tatortbezeichnungen im Falle hintereinander erfolgten Messung zumindest kaum ein einheitlicher Tatort ergeben würde schadet dies mit Blick auf das Konkretisierungsgebot nicht (VwGH 3.9.2003, 2001/03/0150). Aber eine zu Gunsten der Betroffenen schlagende Unsicherheit ergibt sich folgelogisch auf die bezeichnete Örtlichkeit, weil sich zumindest bei einer im günstigsten Fall innerhalb einer Sekunde möglichen Umschwenkens zur neuen Zielerfassung im gegenständlichen Fall eine Wegstrecke von zumindest 40 m zurückgelegt wurden.
5.1. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
5.2. Es trifft wohl zu, dass mit hohen Fahrgeschwindigkeiten in aller Regel eine erhöhte Gefahrenpotenzierung einhergeht. Daher muss derartigen Übertretungen durchaus mit spürbaren Strafen begegnet werden. Dies hat der Gesetzgeber auch mit den in der StVO für Geschwindigkeitsüberschreitungen normierten Mindeststrafen zum Ausdruck gebracht.
Im gegenständlichen Fall ist jedoch davon auszugehen, dass – wie oben bereits dargelegt – der im Tatbestand vertypte [geschwindigkeitsabhängige] Unrechtsgehalt mangels anderer Fahrzeuge empirisch besehen hinter dem für derartige Übertretungshandlungen typischen Ausmaß zurückblieb.
Der Schutzzweck dem die Strafdrohung dient und das Ausmaß der mit einer Tat verbundenen Schädigung gesetzlich geschützter Interessen (§ 19 VStG) muss bei rechtsrichtiger Auslegung auf die Umstände des konkreten Falls und nicht bloß formelhaft zur Anwendung gelangen. Widrigenfalls käme es unvermeidlich zur Ungleichbehandlung dadurch, mit einer schablonenhaften Anwendung einer Bestimmung, Ungleiches (immer) gleich zu behandeln (vgl. unter vielen h. Erk. v. 21.2.1997, VwSen-104374).
Als weiterer Aspekt für die Reduzierung der Geldstrafe ist die Tatsache der mit dieser offenkundig nur für den übersichtlichen Bereich dieses Straßenzuges angelegt gewesenen Fahrgeschwindigkeit keine konkretisierbare nachteilige Auswirkung für die Verkehrssicherheit erkannt werden kann. Sich demnach in diesem Fall der Tatunwert auf den "bloßen" Ungehorsam der Norm reduziert hat (vgl. unter vielen h. Erk. v 2. Mai 2003, VwSen-1089501, 7.5.2006 und VwSen-161295).
Da schließlich der Berufungswerber bislang wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung noch nie negativ in Erscheinung getreten ist, ist diesem im Rahmen dieser Motorradausfahrt aus der Fahrdynamik resultierenden punktuellen Geschwindigkeitsexzess kein erhöhter Unwertgehalt zuzuordnen. Abgesehen von einer Übertretung nach § 106 Abs.2 KFG (Verletzung der Gurtenpflicht) ist grundsätzlich von einem bisherigen Wohlverhalten des Berufungswerbers im Straßenverkehr auszugehen. Daher kann mit der Mindeststrafe nach § 99 Abs.2e StVO 1960 und angesichts der Grenzwertigkeit dazu im Fall 2) nach § 99 Abs.2d StVO 1960 mit einer die Mindeststrafe geringfügig übersteigendem Strafausmaß das Auslangen gefunden werden.
Die Berufungsbehörde ist überzeugt, dass nach Rechtskraft dieser Entscheidung den tatsachengeständigen und schuldeinsichtigen Berufungswerber auch noch zusätzlich treffenden Führerscheinentzug eine entsprechend präventive Wirkung zukommt. Nicht zu übersehen ist, dass der Kurzzeitführerscheinentzug ebenfalls als Strafe empfunden wird, wenngleich er rechtlich nur als Erziehungsmittel definiert ist (vgl. VfGH 10.6.2003, G 360/02 ua). Der Strafmilderungsgrund der substanziellen Unbescholtenheit und Unrechtseinsicht war hier sehr wohl zu werten.
Dem mit Geschwindigkeitsüberschreitungen vom Gesetzgeber vorgehaltenen Sanktionsregime darf letztlich in der Vollzugspraxis aus dem Sachlichkeitsgebot heraus nicht zur verfassungswidrigen Konsequenz in der Wirkung zu einer reinen Doppelbestrafung führen.
Zu II.:
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Ergeht an:
Dr. B l e i e r
VwSen-166602/7/Br/Th vom 14. Februar 2012
Erkenntnis
Rechtssatz 1
StVO 1960 §99 Abs2d;
StVO 1960 §99 Abs2e
Bei einer Lasermessung mit dem Gerät "TruSpeed" ist eine Messung nur verwertbar, wenn diese einem Fahrzeug klar zuzurechnen ist. Es darf sich kein weiteres Fahrzeug im Messbereich finden.
Rechtssatz 2
StVO 1960 §99 Abs2d;
StVO 1960 §99 Abs2e
Bei einer Messentfernung von 400m deckt der Messstrahl eine Kreisfläche von ca 125cm ab. Bei zwei hintereinander fahrenden Motorrädern ist bei einer fast völlig senkrechten Zufahrt auf den Messort eine Zuordnung zu einem Fahrzeug nicht gesichert, weil beide Fahrzeuge vom Messstrahl getroffen werden konnten. Bei einem Motorrad kommt als Reflektionsfläche nur der Scheinwerfer in Betracht.
Rechtssatz 3
StVO 1960 §99 Abs2d;
StVO 1960 §99 Abs2e
Bei einer aus der Fahrdynamik eines Motorrads heraus resultierenden punktuellen Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer völlig gerade und übersichtlich verlaufenden Straße bleibt der im Tatbestand vertypte (geschwindigkeitsabhängige) Unrechtsgehalt mangels anderer Fahrzeuge empirisch besehen hinter dem für derartige Übertretungshandlungen typischen Ausmaß zurück. Dies ist bei der Strafzumessung entsprechend zu berücksichtigen.
Die angegebene erweiterte Messunsicherheit U entspricht der zweifachen Standardunsicherheit (k=2), welche für eine Normalverteilung einen Grad des Vertrauens von etwa 95% bedeutet. Die Standardunsicherheit wurde in Übereinstimmung mit dem Leitfaden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen, deutsche Übersetzung des „Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement (BiPM, IEC, IFCC, ISO, IUPAC, IUPAP, OIMQ", und damit gemäß dem Dokument EAL - R2 ermittelt.