Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166643/3/Fra/Jo

Linz, 10.02.2012

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn X, vertreten durch die Rechtsanwälte X (GesbR), X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 9. Jänner 2012, VerkR96-2600-2011, betreffend Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

             I.      Der Berufung wird hinsichtlich der Fakten 2) (§ 46 Abs.4 lit.d StVO 1960), 3) (§ 52 lit.a Z1 StVO 1960) und 4) (§ 46 Abs.2 StVO 1960), stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird hinsichtlich dieser Fakten aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

          II.      Der Berufungswerber hat zu den Verfahren hinsichtlich der Fakten 2) bis einschließlich 4) keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z2 VStG;

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw)

1)      wegen Übertretung des § 46 Abs.4 lit.c StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 58 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden),

2)      wegen Übertretung des § 46 Abs.4 lit.d StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 80 Euro(Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden),

3)      wegen Übertretung des § 52 lit.a Z1 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 50 Euro(Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und

4)      wegen Übertretung des § 46 Abs.2 StVO 1960 gemäß § 99 Abs.3 lit.a leg.cit. eine Geldstrafe von 58 Euro(Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt, weil er

am 10.08.2011 um 16.20 Uhr

in der Gemeinde Ansfelden, A1 bei km 174.068, Westautobahn, Richtungsfahrbahn Salzburg,

als Lenker des Fahrzeuges: Kennzeichen X

1)      auf einer Autobahn eine Betriebsumkehre befahren hat,

2)      auf der Autobahn den Pannenstreifen vorschriftswidrig befahren hat,

3)      den Straßenzug trotz des deutlich sichtbar aufgestellten Verbotszeichens "Fahrverbot" (in beiden Richtungen), ausgenommen Autobahnpolizei und Autobahnmeisterei befahren hat, obwohl er nicht unter diese Ausnahme fiel und

4)      beim Abfahren von der Autobahn eine Abfahrtstraße benützt hat, die nicht durch Hinweiszeichen als Abfahrt gekennzeichnet war.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von jeweils 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

 

I.2. Über die dagegen rechtzeitig durch die ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, da jeweils 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c erster Satz VStG).

 

I.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

I.3.1. Gemäß § 46 Abs.4 StVO 1960 ist auf der Autobahn verboten:

c)      Betriebsumkehren zu befahren, ausgenommen mit Fahrzeugen des Straßendienstes, der Straßenaufsicht oder des Pannendienstes,

d)     den Pannenstreifen zu befahren, ausgenommen mit Fahrzeugen des Straßendienstes, der Straßenaufsicht oder des Pannendienstes, im Zuge des Beschleunigens zum Zwecke des Wiedereinordnens in den fließenden Verkehr und sofern sich nicht aus Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen etwas anderes ergibt.

 

Gemäß § 46 Abs.2 StVO 1960 darf zur Autobahn nur über die durch Hinweiszeichen gekennzeichneten Zufahrtstraßen zugefahren und von der Autobahn nur über die ebenso gekennzeichneten Abfahrtsstraßen abgefahren werden. Ein zwischen den Fahrbahnen angelegter, der Trennung entgegengesetzter Fahrtrichtungen dienender Mittelstreifen darf weder befahren noch überfahren werden. Beim Ausfahren aus einer Autobahn ist der Verzögerungsstreifen, beim Einfahren der Beschleunigungsstreifen zu benützen; das Gleiche gilt im Bereich der Zu- und Abfahrten von Parkplätzen, sofern dort solche Fahrstreifen vorhanden sind.

 

Gemäß § 52 lit.a Z1 StVO 1960 zeigt das Verbotszeichen "FAHRVERBOT (IN BEIDEN RICHTUNGEN)" an, dass das Fahren in beiden Fahrtrichtungen verboten ist.

 

Die dem Bw zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen wurden durch Herrn X, Autobahnpolizeiinspektion Haid, angezeigt (Anzeige vom 18.08.2011, GZ: A1/35818/01/2011).

 

I.3.2. Der Bw bringt vor, es sei richtig, dass er zur Tatzeit an der Tatörtlichkeit mit dem in Rede stehenden PKW unterwegs war. Er habe die Ausfahrt Traun verpasst und hätte dringend zur Firma X fahren müssen. Er habe deshalb die ca. 500 Meter weiter entfernte Autobahnausfahrt genommen. Es sei ihm klar gewesen, dass es sich hier um ein unrechtmäßiges Verhalten handelt. Nach der Anhaltung durch den Polizisten habe er sein Fehlverhalten eingesehen. Er habe auch die Strafe sofort bezahlen wollen. Der Polizist hätte rechtskonform 35 Euro begehrt. Da es jedoch dann zu irgendwelchen Divergenzen gekommen sei, habe ihm der Polizist mitgeteilt, dass er Anzeige erstatte. Bei der Ausfahrt musste er naturgemäß dann auch den Pannenstreifen befahren, die Betriebsumkehre benützen sowie das Fahrverbot missachten. Seines Erachtens handelt es sich um ein Delikt und seien sämtliche ihm vorgeworfene Delikte eine Doppel- bzw. Mehrfachbestrafung. Diese sei nicht rechtmäßig. Der Bw verweist darauf, dass sich nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung die verfassungsrechtlichen Grenzen einer Doppel- oder Mehrfachbestrafung iSd Artikel 4 Abs.1 des 7. ZPEMRK dort finden, "wo der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Deliktes in jeder Beziehung mitumfasst."

 

Der Bw stellt den Antrag, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen, in eventu aufgrund der Geringfügigkeit des Verschuldens sowie der unbedeutenden Folgen der gegenständlichen Verwaltungsübertretung mit einer Ermahnung gemäß § 21 VStG vorzugehen, in eventu ihn lediglich wegen eines Tatbestandes zu bestrafen.

 

In Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zog der Bw sein Rechtsmittel hinsichtlich des Faktums 1) (§ 46 Abs.4 lit.c StVO 1960) zurück. Dieser Tatbestand ist sohin in Rechtskraft erwachsen, weshalb diesbezüglich eine Berufungsentscheidung entfällt.

 

I.3.3. Hinsichtlich der angefochtenen Fakten hält der Oö. Verwaltungssenat rechtlich beurteilend fest, dass sich die belangte Behörde zutreffend auf das im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Kumulationsprinzip im Sinne des § 22 VStG beruft. Das Straferkenntnis ist jedoch insofern zu bemängeln, als es die Ausnahmen von diesem Prinzip völlig unerwähnt lässt.

 

Da die belangte Behörde diesbezüglich keine Prüfung durchgeführt hat, hat dies der Oö. Verwaltungssenat wie folgt nachzuholen:

 

Im Hinblick auf das Vorbringen des Bw ist zu prüfen, ob es sich um jeweils gesonderte Verwaltungsübertretungen handelt, welche kumulativ zu bestrafen sind, oder ob nur eine Verwaltungsübertretung vorliegt. Gemäß § 22 Abs.1 VStG sind die Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt. Damit ist für das Verwaltungsstrafverfahren das Kumulationsprinzip angeordnet, wobei grundsätzlich mehrere Strafen nebeneinander zu verhängen sind, wenn der Täter durch ein- und dasselbe Delikt mehrere verschiedene Delikte verwirklicht. Hat der Täter jedoch eine deliktische Handlung begangen, welche die Merkmale mehrerer Deliktstypen aufweist, wobei aber mit der Unterstellung unter einen Deliktstypus der Unrechtsgehalt voll erfasst wird, so liegt eine "unechte (scheinbare) Idealkonkurrenz (auch Gesetzeskonkurrenz)" vor. Die herrschende Lehre und Rechtsprechung spricht von Konsumtion, wenn eine wertabwägende Auslegung der formal erfüllten mehreren Tatbestände durch eine Handlung oder durch mehrere Handlungen zeigt, dass durch die Unterstellung der Tat(en) unter einen Tatbestand der deliktische Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhaltes zur Gänze abgegolten ist (vgl. dazu Hauer-Leukauf, 6. Auflage, Seite 1377f).

 

Gemäß Artikel 4 Abs.1 des 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.  Diese Bestimmung regelt das Verbot der Doppelbestrafung als verfassungsrechtlich geschütztes Grundrecht. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 2. Juli 2009, Zl.: B559/09, unter Berücksichtigung der seiner bisherigen Judikatur und der Judikatur des EGMR ausgeführt, dass die Verfolgung wegen ein- und desselben Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen (nur) dann zulässig ist, wenn sich diese in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden.

 

Im hier vorliegenden Fall stehen die Verwaltungsübertretungen in einem typischen Zusammenhang und es wird durch die Bestrafung wegen eines Deliktes tatsächlich der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst. Der Bw hat durch seine unrechtmäßige Abfahrt zwangsläufig sämtliche Delikte erfüllt.  Im Hinblick auf die Zurückziehung der Berufung hinsichtlich des Faktums 1) ist dieses in Rechtskraft erwachsen. Daraus resultiert die spruchgemäße Entscheidung.

 

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Johann Fragner

 

 

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