Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166661/4/Br/Th

Linz, 14.02.2012

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Mag. X, c/o Rechtsanwaltskanzlei Mag. X, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 05. Jänner 2012, Zl. S 56282/11-3,  zu Recht:

 

 

I.          Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

II.        Als Kosten für das Berufungsverfahren werden dem Berufungs-werber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten
36 Euro auferlegt
(20% der verhängten Geldstrafe).

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.3 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010 – VStG.

Zu II.      § 64 Abs.1 u. 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in dem Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung des § 103 Abs.2 iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von 150 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen, X, auf Verlangen der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems, binnen der gesetzlichen Frist von zwei Wochen ab Zustellung der schriftlichen Aufforderung vom 30.9.2011 binnen zwei Wochen keine dem Gesetz entsprechende Auskunft darüber erteilt habe, wer dieses Kfz am 8.9.2011 um 15:55 Uhr in der Gemeinde Klaus an der Pyhmbahn, auf der A9, bei StrKm 27.950 in Fahrtrichtung Graz gelenkt habe.

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:

"Der dem Spruch zugrundeliegende Sachverhalt ist durch das behördlich durchgeführte Ermittlungsver­fahren zweifelsfrei erwiesen. Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsüber­tretung begangen haben.

 

Wegen einer am 08.09.2011 um 15.55 Uhr mittels stationärem Radargerät festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung, welche vom Lenker des Kraftfahrzeuges, KZ: X, in in der Gemeinde Klaus an der Pyhrnbahn, auf der A9, bei StrKm 27.950 in Fahrtrichtung Graz, begangen wurde, erging von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf mit Schreiben vom 30.9.2011 an Sie als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges eine Aufforderung zur Lenkerauskunft, welche Sie nachweislich am 4.10.2011 über­nommen hatten.

 

Da Sie dieser Aufforderung zur Lenkerauskunft innerhalb der gesetzlichen Frist in keiner Weise nach­gekommen sind, wurde über Sie mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 11.11.2011 wegen der Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG eine Geldstrafe in Höhe von € 180,--, er­satzweise eine Freiheitsstrafe von 3 Tagen, verhängt.

 

Gegen diese Strafverfügung wegen der Übertretung gemäß § 103 Abs.2 KFG erhoben Sie fristgerecht Einspruch, den Sie nicht näher begründeten.

 

Das Verwaltungsstrafverfahren wurde folglich gemäß § 29a VStG an die BPD Linz abgetreten.

 

Mit Schreiben der BPD Linz vom 13.12.2011 wurden Sie aufgefordert, binnen 2 Wochen ab Zustellung sich schriftlich zu rechtfertigen. Damit wurden Ihnen eine Kopie der Lenkererhebung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 30.09.2011 samt Rückschein übermittelt. In diesem Schreiben wurden Sie darauf hingewiesen, dass das Strafverfahren ohne Ihre Anhörung durchgeführt wird, wenn Sie von der Möglichkeit, sich zu rechtfer­tigen, nicht Gebrauch machen. Das Schreiben wurde Ihnen am 15.12.2011 zu eigenen Händen zugestellt. Da bis dato ha. keine Stellungnahme eingelangt ist, wird das Verfahren ohne weitere Anhörung durchgeführt.

 

Gemäß § 103 Abs.2 KFG kann die Behörde Auskunft darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzei­chen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem be­stimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungs­fahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne ent­sprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Ver­fassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

Gemäß § 134 Abs.1 KFG begeht, wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr be­schäftigten Fahrpersonals (AETR),J3GBI. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl Nr. 203/1993. zuwider­handelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ih­rer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 

Die Behörde hat dazu erwogen:

Nach der ständigen Judikatur des VwGH ist es Sinn und Zweck der Regelung des § 103 Abs.2 KFG, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne lang­wierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen, wobei die Erteilung einer unrichtigen oder einer unvollständigen Auskunft der Nichterteilung einer Auskunft gleichzuhalten ist.

 

Gemäß § 103 Abs.2 KFG kann die Behörde somit Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem be­stimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungs­besitzer zu erteilen. Kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann.

 

Da Sie die Ihnen am 4.10.2011 nachweislich zugestellte Aufforderung zur Lenkerauskunft der Bezirks­hauptmannschaft Kirchdorf vom 30.09.2011 innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen ab Zu­stelldatum nicht beantwortet haben, ist es für die erkennende Behörde erwiesen, dass Sie den Tatbe­stand des § 103 Abs.2 KFG objektiv verwirklicht haben.

 

Was die subjektive Tatseite betrifft, ist anzuführen, dass gem. § 5 Abs.1 VStG zur Strafbarkeit fahrläs­siges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes be­stimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt des Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verlet­zung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im gegenständlichen Fall liegt ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt vor und tritt somit eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde ledig­lich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Ge­fährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

 

Die verhängte Geldstrafe entspricht somit dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

Erschwerend bei der Strafbemessung war das Vorliegen einer einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkung zu werten; mildernde Umstände lagen keine vor.

 

Weiters wird bei der Strafbemessung davon ausgegangen, dass Sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen, keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten haben und ein Einkommen von € 2000,- monatlich beziehen.

 

Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz erachtete die Geldstrafe als der Tatschuld angemessen, wobei sie mangels näherer Angaben  von einem Monatseinkommen des Berufungswerbers von 1.500 Euro, keinem nennenswerten Vermögen und "keinen ins Gesicht fallenden Sorgepflichten" ausging.

 

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis wendet sich der Berufungswerber mit nachfolgenden Berufungsausführungen:

"In umseits näher bezeichneter Verwaltungsstrafsache gibt der Beschuldigte bekannt dass er mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung die ANWALTGMBH Mag. X, x, FN 369605m, beauftragt und bevollmächtigt hat.

Der Beschuldigte erhebt fristgerecht gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz,  AZ A56282/11-3, vom 05.01.2012, zugestellt am 11,01.2012, nachstehende

 

BERUFUNG:

 

Es werden die Berufungsgründe der inhaltlichen Rechtswidrigkeit sowie der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht und hierzu ausgeführt wie folgt:

 

Sachverhalt:

 

Mit Strafverfügung vom 22.09.2011 der Bezirkshauptmannschaff Kirchdorf zu VerkR96-l 0472-1-2011 wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, am 08.09.2011 um 15:55 Uhr die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 39 km/h überschritten und dadurch § 52 lit.a Zi 10a StVO verletzt zu haben. Über den Beschuldigten wurde gem. § 99 Abs. 2d StVO eine Geldstrafe von € 160,00 verhängt. Gegen diesen Verwaltungsakt erhob der Beschuldigte fristgerecht am 28.09.2011 Einspruch und beantragte die Einleitung des ordentlichen Verfahrens.

 

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 11.11.2011 wurde über den Beschuldigten wegen Übertretung der § 103 Abs.2 KFG iVm § 134 Abs.1 KFG eine Geldstrafe von € 180,00 verhängt. Der Beschuldigte übermittelte fristgerecht am 16.11.2011 den Einspruch an die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf.

 

Am 15.12.2011 wurde dem Beschuldigten die Aufforderung zur Rechtfertigung binnen 14 Tagen zugestellt, welcher der Beschuldigte am 22.12.2011 ordnungsgemäß nachkam und bekanntgab, irrtümlich die Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers in einen Verwaltungsverkehrsakt eingeordnet zu haben,. weshalb der Aufforderung nicht rechtzeitig nachgekommen werden konnte. Der Beschuldigte verwies auch auf seine Sorgepflichten für zwei "minderjährige Kinde rund seine "Ehegattin. Trotzdem erließ die Bundespolizeidirektion Linz am 05.01.2012 ein Straferkenntnis und verhängte über den Beschuldigten eine Geldstrafe in Höhe von € 198,00 wegen Übertretung des § 103 Abs.2 KFG. Die Behörde begründete den Bescheid im Wesentlichen damit, der Beschuldigte habe den Tatbestand sowohl objektiv als auch subjektiv verwirklicht.

 

Zur Begründetheit der Berufung:

1.) Voraussetzung dafür, dass der Zulassungsbesitzer die Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG übertreten kann, ist, dass er zu einer solchen Auskunftserteilung verpflichtet ist. Dies ist er im konkreten Fall gerade nicht: Zum Zeitpunkt der Lenkererhebung war bereits ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Zulassungsbesitzer, wegen Übertretung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eingeleitet worden. Seit Erlassung der Strafverfügung am 22.09.2011 galt der Zulassungsbesitzer als Beschuldigter. Da bereits eine Strafverfügung ergangen ist, in der der Zulassungsbesitzer einer Verwaltungsübertretung beschuldigt wird, liegt in der darauf folgenden Zustellung der Lenkeranfrage, eine Verletzung des Rechtes zu Schweigen nach Art. 6 Abs.1 MRK und des Rechtes sich nicht selbst zu bezichtigen . (vgl. UVS Vorarlberg GZ 1-774/04, 10,06.2005, UVS Steiermark GZ 30.16-28/2006, 22.05.2006].

Es wurden daher durch diese Vorgehensweise dem Beschuldigten seine Beschuldigtenrechte genommen. Richtigerweise hätte die Behörde zu erst eine Lenkeranfrage machen müssen und nicht erst „auf gut Glück" ein konkretes Straferkenntnis gegen den Zulassungsbesitzer erlassen dürfen und diesen dann im nachhinein fragen, ob er gefahren ist. Zuerst wird der Beschuldigte also bestraft sofern er dann einen Einspruch macht, wird gefragt, ob er überhaupt der richtige Adressat ist. Die Ausforschungspflicht trifft aber die Behörde im Vorhinein.

 

Im Übrigen ist die Vorgehensweise der Behörde sittenwidrig gem. § 879 Abs.1 ABGB. Die guten Sitten sind Teil der gesamten Rechtsordnung, weshalb diese auch von einer Behörde wahrzunehmen sind. Mit gegenständlicher Vorgehensweise der Behörde wird nämlich, ohne sich zuvor die Mühe zu machen den wahren Lenker auszuforschen, eine Strafverfügung erlassen, und zwar in der Hoffnung, dass der Beschuldigte den Strafbetrag ungeprüft zahlt oder die Strafverfügung gegen ihn rechtskräftig wird.

 

2.) Wesentlich ist, dass gegen den Beschuldigten zum Zeitpunkt der Lenkeranfrage bereits ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet war. In verfahrensrechtlicher Hinsicht galt also Herr Mag. X zu diesem Zeitpunkt als Beschuldigter mit all den damit einhergehenden (Beschuldigten)Rechten. Die Lenkeranfrage wurde erst auf Grund des Einspruches des Beschuldigten an ihn als Zulassungsbesitzer gerichtet. Dem Beschuldigten wurden durch dieses Vorgehen wesentliche Parteienrechte im Verfahren wegen Geschwindigkeitsübertretung vorenthalten. Der Grundsatz des Parteiengehörs wurde verletzt. Der Beschuldigte hatte nämlich keine Möglichkeit zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Von einem gehörig durchgeführten Ermittlungsverfahren kann nicht die Rede sein. Der Beschuldigte kann zu einer Lenkeranfrage nicht Stellung nehmen, da dann, wenn die Anfrage nicht ordnungsgemäß beantwortet wird, eine Bestrafung erfolgt.

 

Eine Pflicht zur Stellungnahme widerspricht aber unter anderem auch dem im Art. 6 MRK beschriebenen Recht auf ein faires. Verfahren. Im gegenständlichen Fall hat der Beschuldigte sogar eine Stellungnahme - wenn auch verspätet - abgegeben, aus welcher hervorgeht, wer Lenker des Fahrzeuges zum maßgebenden Zeitpunkt war. Die Bestrafung ist daher auch menschenrechtswidrig, sohin grundrechtswidrig, weil qualifiziert gegen Art. 6 MRK verstoßen wird.

 

Im Übrigen gilt nach Art. 6 Abs.2 MRK die Unschuldsvermutung. Bis zum tatsächlichen Nachweis seiner Schuld gilt der Beschuldigte/Angeklagte als unschuldig. Diesen Nachweis hat jedoch die Behörde zu erbringen! Gem. § 24 VStG iVm § 39 Abs.2 AVG gilt das maßgebliche Amtswegigkeitsprinzip auch im Verwaltungssfrafverfahren, Durch die Bestrafung des Beschuldigten wegen nicht fristgerechter Lenkerbekanntgabe verstößt die Behörde auch gegen einen tragenden Grundsatz des Verwaltungsrechtes.

 

Im Ergebnis führt die Vorgehensweise der Behörde dazu, dass sich der Beschuldigte frei beweisen müsste. Durch diese Beweislastumkehr wird in die Rechte des Beschuldigten in einer MRK-widrigen Weise eingegriffen. Der geforderte Freibeweis ist mit Art. 6 MRK nicht vereinbar, sodass das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen ist.

 

Die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nach Art. 6 Abs.1 und Abs.2 MRK werden vom letzten Satz des § 103 Abs.2 KFG nicht verdrängt. Dies ergibt sich deutlich aus den Verfassungsbestimmungen der Art.1,17 und 18 MRK. Diese verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte sind im Vergleich zum staatlichen Strafanspruch des § 103 leg.cit höherwertig; auch wenn § 103 Abs.2 KFG letzter Satz im Verfassungsrang steht. Diese Verfassungsbestimmung ist nämlich verfassungswidrig weil sie den Grundsätzen der Rechtsordnung widerspricht.

 

3.) Der Berufungswerber hat gegen die Straf Verfügung betreffend die nicht fristgerechte Auskunftserteilung Einspruch erhoben, darauf in hat die Behörde den Berufungswerber aufgefordert sich zu rechtfertigen. Die Behörde geht in dem angefochtenen Straferkenntnis davon aus, dass der Tatbestand des § 103 Abs, 2 KFG schon dann objektiv verwirklicht ist, wenn keine fristgerechte Auskunftserteilung erfolgt. Damit wäre aber die Aufforderung zur Rechtfertigung obsolet gewesen. Welchen Rechtfertigungsgrund könnte der Beschuldigte denn vorbringen, wenn ohnehin das Ergebnis, nämlich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes allein durch die nicht fristgerechte Erteilung bereits feststeht? Es liegt daher eine Scheinbegründung und eine vorweggenommene Beweis Würdigung vor. Die Anforderungen an die Behörde, ein Straferkenntnis zu begründen, sind laut der verwaltungsrechtlichen Judikatur hoch, Aufgrund der Scheinbegründung und der vorweggenommenen Beweiswürdigung ist das Straferkenntnis auch aus diesem Grund inhaltlich rechtswidrig.

 

4.) Der Gesetzgeber hafte lediglich § 103 Abs.2 letzter Satz: „Gegenüber der Befugnis der Behörde derartige Auskünfte zu verlangen treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück." in Verfassungsrang erlassen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Vollzugsbehörden den Rechtsunterworfenen bestrafen dürfen, sofern dieser keiner Erteilung oder nicht fristgerecht einer Auskunftserteilung nachkommt. Die Behörde behandelt mit dieser Vorgehensweise unzulässigerweise Ungleiches gleich, was gegen den Gleichheitssatz verstößt. Es macht nämlich einen Unterschied, ob eine Auskunftserteilung gar nicht, oder ob eine solche nur nicht fristgerecht erfolgt. Auch wenn die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die nicht fristgerechte Auskunftserteilung mit dem Fehlen einer Auskunftserteilung gleichstellt, so wendet sie § 103 Abs.2 KFG denkunmöglich an.

 

5) Strafbemessung:

Die verhängte Geldstrafe ist überhöht. Die vom Beschuldigten angeblich missachtete Bestimmung dient nach der Judikatur des VwGH der raschen und komplikationslosen Klärung der Täterschaften von Übertretungen im Straßenverkehr. Die Behörde lässt gegenständlich außer Acht, dass der Beschuldigte am 22.12.2011, wenn auch verspätet klargelegt hat, der Lenker am Vorfallstag gewesen zu sein. Das heißt er hat während des laufenden Verfahrens gestanden! Eine effiziente Strafverfolgung ist somit im gegenständlichen Fall möglich und der Normzweck des § 103 KFG erfüllt. Es ist für die Behörde auf Grund der Stellungnahme des Beschuldigten klar, dass dieser am Vorfallstag seinen PKW gelenkt hat. Das bedeutet, dass der Unrechtsgeholt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung unerheblich ist.

Außerdem ist das Verschulden des Beschuldigten als geringfügig anzusehen.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 - 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Gegenständlich geht die Behörde fälschlicherweise davon aus, dass keine mildernden Umstände vorliegen würden. Insbesondere wurde die Schuldeinsicht und das (wenn auch verspätete) Geständnis nicht als Milderungsgrund gewertet. Es liegt daher eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Behörde vor.

 

Bei der Strafbemessung geht die Behörde weiters davon aus, dass keine ins Gewicht fallenden Sorgepflichten vorliegen würden. Sie ignoriert vollkommen  das  Vorbringen   des   Beschuldigten,  wonach  Sorgepflichten  für zwei minderjährige Kinder und die Ehegattin bestehen. Hinzu kommt dass der Beschuldigte mit einem Schuldenstand von ca. € 50.000,00 belastet ist.

Die verhängte Geldstrafe von € 198,00 ist daher weder schuld noch tatangemessen und auch im Hinblick auf die bestehenden Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse überhöht.

 

Dem Beschuldigten ist bewusst, dass er die Lenkerauskunft unabsichtlich verspätet eingebracht hat. Dies macht schon seine Rechtfertigung vom 22.12.2011 deutlich. Somit sprechen auch keine spezial- bzw. generalpräventiven Erwägungen gegen die Verhängung einer geringeren Strafe. Eine derart hohe Strafe ist nicht erforderlich um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

 

Aus all diesen Gründen stellt der Beschuldigte daher nachstehende

 

ANTRÄGE:

 

a) Der UVS Oberösterreich möge der Berufung Folge geben, das Straferkenntnis aufheben und das Verfahren gem. § 45 Abs, 1 Zi 1 und 2 VStG einstellen;

 

in eventu

 

b.) die Strafe auf ein schuld- und tatangemessenes Maß herabsetzen, allenfalls unter Anwendung des § 20 VstG;

 

in eventu

 

c.) eine Ermahnung aussprechen.

 

Linz, am 2401.2012                                                                                         Mag. X

(G/h). "

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte mit Blick auf § 51e Abs.3 Z1 VStG unterbleiben.

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt.  

Mit h. Schreiben vom 6.2.2012 wurde dem Berufungswerber in Klarstellung der von seinem Berufungsvorbringen abweichenden Aktenlage Parteiengehör gewährt und ergänzend die herrschende Rechtsauffassung, sowie die nicht ersichtliche Verhandlungsnotwendigkeit zur Kenntnis gebracht.

Der Berufungswerber repliziert darauf am 9.2.2012, wobei er sich im Ergebnis dahin äußert sich mit dieser Bestrafung in einem Grundrecht verletzt zu sehen und er diese Sache abermals vor dem EGMR zu bringen beabsichtige. Er verzichtet offenkundig auf die Durchführung einer Berufungsverhandlung indem er vermeint mit einer abweisenden Entscheidung in der Sache zu rechnen.

Die Berufung bleibt daher bloß auf die Lösung einer Rechtsfrage beschränkt, wobei sich aus der Aktenlage der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt.

Im Wege der abtretenden Behörde wurde betreffend des nicht näher markierten  Formulars auf Aktenseite 9 (Verfahrenseinstellung) erhoben, dass es sich dabei um eine förmliche Verfahrenseinstellung (mit vorgefertigten und in Kopie vom Sachbearbeiter angebrachten Unterschrift) handelt (h. Aktenvermerk v. 6.2.2012, 10:55 Uhr). Dort wurde irrtümlich das Kästchen ()  betreffend Verfahrenseinstellung nicht gesondert angekreuzt.

 

 

4. Sachverhalt gemäß der Aktenlage:

Die verkehrsfehlerberichtigte Fahrgeschwindigkeit des vom Berufungswerber gehaltenen Pkw´s  wurde am 8.9.2011 um 15:45 Uhr auf der A9, bei Strkm 27,950 mit 119 km/h festgestellt. In diesem Bereich ist eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h verordnet und kundgemacht.

Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte durch eine sogenannte Radarmessung mittels dem Gerät MUVR 6F 1520.

Am 22.9.2011 wurde gegen den  Berufungswerber als Zulassungsbesitzer wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung eine Strafverfügung erlassen.

Dagegen erhob er fristgerecht am 28.9.2011 einen unbegründet bleibenden Einspruch.

Am 30.9.2011 wurde an den Berufungswerber sodann eine Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers nach § 103 Abs.2 KFG gerichtet. Diese wurde ihm am 3.10.2011 zugestellt. Zu bemerken ist, dass offenbar der anwaltliche Kanzleidatumsstempel unzutreffend auf das Datum "3. Sept. 2011" eingestellt war. Der Poststempel trägt das Datum 3.10.2011.

Der Berufungswerber reagierte darauf nicht.

Bereits in dieser Aufforderung war ein Hinweis auf die Strafbarkeit deren Nichtbeantwortung aufgenommen. Am 11.11.2011 erfolgte schließlich die Verfahrenseinstellung nach dem StVO-Delikt mittels Aktenvermerk.

Mit eben diesem Datum erging dann abermals eine Strafverfügung an den Berufungswerber wegen der von ihm nicht erteilten Lenkerbekanntgabe gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967.

Der dagegen vom Berufungswerber erhobene Einspruch blieb abermals gänzlich unbegründet.

Sodann wurde das Verfahren am 17.11.2011 nach § 29a VStG an die Wohnsitzbehörde (der Bundespolizeidirektion Linz) abgetreten.

Von dort erging an den Berufungswerber mit Bescheid vom 13.12.2011 eine Aufforderung zu Rechtfertigung. Diese wurde ihm am 15.12.2011 zugestellt.  

Am 28.11.2011 schaffte die Behörde erster Instanz die Vormerkungen betreffend den Berufungswerber bei. Insgesamt liegen bei dieser Behörde gegen den Berufungswerber seit 2007 14 Vormerkungen vor, wobei sich eine davon als einschlägig erweist.

Auch darauf reagierte der Berufungswerber nicht, sodass letztlich das angefochtene Straferkenntnis erlassen wurde. 

Das Beweisergebnis lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass der Berufungswerber offenbar in keiner Phase des Verfahrens geneigt schien daran inhaltlich mitzuwirken.

Vielmehr hängt er der Rechtsmeinung nach sich selbst nicht als Lenker belasten zu müssen und in seinem Schweigen im Recht zu sein.

Dieser Sachverhalt wird vom Berufungswerber ausdrücklich  nicht in Abrede gestellt. Ebenfalls wird kein weiteres Beweisvorbringen getätigt und es werden auch keine diesbezüglichen ergänzenden Anträge gestellt.

 

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Der Berufungswerber verantwortet sich im Ergebnis damit, gemäß den Grundsätzen der EMRK das Auskunftsbegehren nach § 103 Abs.2 KFG nicht zulässig wäre, ja diese als unbeachtlich sehen zu können, weil damit ein Eingriff in den Schutzbereich der Konvention (nemo tenetur) verbunden wäre. Es würden ihm seine Beschuldigtenrechte genommen, weil er zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe noch Beschuldigter des StVO-Verfahrens gewesen sei und er daher iSd Art. 6 Abs.1 EMRK berechtigt dem Auskunftsverlangen nicht nachzukommen bzw. deshalb nicht bestraft werden zu dürfen. Die Behörde hätte vorher die Lenkeranfrage machen dürfen anstatt gleichsam ins Blaue zuerst gegen ihn eine Strafverfügung wegen eines vermeintlich begangenes StVO-Delikt zu erlassen.

Der Berufungswerber erblickt darin auch einen Verstoß iSd § 879 Abs.1 ABGB.

Die Auffassung der Rechtmäßigkeit einer entsprechenden Anfrage vor einer Verfolgung wegen des StVO-Deliktes ist insofern als inkonsequent festzustellen, als eine Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe in jedem der genannten Verfahrensebenen zum Ergebnis einer präsumtiven Selbstbeschuldigung führt. Die vorherige Versendung einer Strafverfügung  liegt ausschließlich der Aspekt der Sparsamkeit  in der Verwaltung zu Grunde, zumal in aller Regel der Zulassungsbesitzer sein Fahrzeug auch selbst lenkt und auf diese Weise bei logischer Betrachtung ein zeit- u. kostenaufwändiger Zwischenschritt erspart bleibt.

Die Berufungsbehörde übersieht auch keineswegs, dass vereinzelt selbst in h. Erkenntnissen (etwa in VwSen-130759/2/Gf/Mu v. 29.6.2011 mit Hinweis auf 130765 v. 4.6.2010 und zahlreiche weitere Literatur- und Judikaturhinweisen), die Lenkerauskunft mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens und dem Rechts zu schweigen und sich nicht selbst belasten zu müssen, nicht in Einklang festgestellt und inhaltsgleiche Verfahren eingestellt wurden.

Bei den Genannten Entscheidungen handelte es sich um wohl durchaus substanzvolle Einzelmeinungen, nicht jedoch um die Mehrheitsmeinung der mit dem Vollzug dieser Rechtsmaterie befassten Mitglieder des Öö. Verwaltungssenates.

Hier behauptet der Berufungswerber zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens nicht einmal selbst, er hätte sich mit der von ihm begehrten Auskunft etwa selbst belasten müssen. Ebenfalls zeigt er auch nicht konkret auf, dass eine Auskunftserteilung allenfalls zum Nachteil eines nahen Angehörigen geführt hätte.

Wollte er sich etwa auf das Urteil des EGMR v. 10.2.2009, 14393/03 (das sogenannte Zolothukin-Urteil) berufen, vermöchte er damit mit Blick auf die bisherige Judikatur des EGMR weder eine Verfassungs- noch Konventionswidrigkeit des Institutes der Lenkerauskunft nach § 103 Abs.2 KFG 1967 aufzuzeigen.

Unter dem gemeinschafts-  u. menschenrechtlichen Aspekt setzte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der auch hier vom Berufungswerber aufgeworfenen Problematik bereits vor elf Jahren auseinander und gelangte zum Ergebnis, die Rezeption der EMR in das Gemeinschaftsrecht durch den EUV keine generelle Verdrängung entgegenstehender nationaler Vorschriften (also über den Bereich der Vollziehung von Gemeinschaftsrecht hinaus) im Zusammenhang mit dem Rechtsinstitut des § 103 Abs.2 KFG bewirkt hätte (VwGH 26.5.2000, 2000/02/0115 mit Hinweis auf die Europäische Kommission für Menschenrechte in der Entscheidung vom 5.9.1989 über die Beschwerden Nrn 15.135/89, 15.136/89 und 15.137/89 (siehe ÖJZ 1990, 216). Darin ist etwa festgestellt worden, dass die Auskunftspflicht nach § 103 Abs 2 KFG nicht gegen Art. 6 MRK (insb. nicht gegen die Unschuldsvermutung nach Art 6 Abs.2 MRK) verstoße.

 

 

5.1. Auch in diesem Fall erachtet sich daher die Berufungsbehörde an die im Verfassungsrang stehende Rechtsnorm gebunden, übersieht aber dennoch nicht, dass sich in jüngerer Zeit wieder ein Spannungsfeld zu konventionsrechtlichen Grundsätzen verdeutlichte.

Bislang konnte sich jedoch der EGMR in den doch schon zahlreichen Entscheidungen aber offenbar noch nicht durchringen, sich mit diesem Problemfeld (mit diesen Rechtsinstitut das staatlich legitime Ziel eine Verwaltungsübertretung möglichst leicht verfolgen zu können einerseits, und andererseits das Verbot eines zumindest präsumtiven Zwanges zur Selbstbeschuldigung oder der Tatsache, eine nahe stehende Person der Strafverfolgung zumindest potenziell aussetzen zu müssen) ganz konkret auseinander zu setzen (vgl. etwa Weh gg. Österreich, EGMR v.  8 April 2004 Nr. 38544/97).

 

 

5.1.1 Die Normierung des letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG 1967 als sogenannte Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B-VG stehend und (derzeit) nicht im Widerspruch zu Art. 6 EMRK. Der Verfassungsgerichtshof hebt das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt, besonders hervor, bemerkt jedoch auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B-VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses oder – was hier nicht der Fall zu sein scheint – der Auslieferung einer nahe stehenden Person (VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl.: G72/88 u.a.). Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG die Absicht des Gesetzgebers zugrunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann (vgl. u.a. Erk. vom 29.9. 1993, 93/02/0191).

In diesem Sinne ist auch das Urteil des EGMR v. 8.4.2004, Nr. 38544/97 – Weh gg. Österreich – begründet worden. Danach ist mit der Benennung des Fahrzeuglenkers noch nicht zwingend eine "strafrechtliche Anklage" und damit keine Konventionswidrigkeit hinsichtlich der wohl damit zum Teil verbundenen Durchbrechung des Rechtes im Falle einer drohenden Selbstbeschuldigung schweigen zu dürfen, verbunden. Auch die Entscheidung des EGMR durch dessen große Kammer, wurde in den Fällen O´Halloran und Francis gg. Großbritannien (Beschwerde Nr. 15809/02 bzw. 25624/02) mit 15 zu 2 Stimmen in einer mit der h. Norm vergleichbare britische Regelung ein Verstoß gegen Artikel 6 Abs.1 EMRK ebenfalls nicht gesehen. Dass aber die unter Strafandrohung erzwungene Lenkerbekanntgabe die Grundlage der verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung bildet darf wohl an dieser Stelle auch nicht verschwiegen werden.

Keinen Widerspruch des § 103 Abs.2 KFG 1967 zur EMRK – zumindest nicht aus innerstaatlicher Sicht – sah der Verfassungs­gerichtshofes erstmals in dessen Erkenntnis am 29.09.1988, Zl. G72/88.

Dieser Intention folgt der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in seiner herrschenden und diesbezüglich weitgehend einheitlichen Rechtsprechung, weil laut Höchstgericht aus der Sicht der Praxis eine effektive Verkehrsüberwachung sonst nicht ausreichend gewährleistet scheint.

Letztlich ist es auch nicht Aufgabe einer gerichtsförmigen Mittel- und endgültigen Tatsacheninstanz der Verfassungsrechtslage alleine wegen konventionsrechtlicher Bedenken im Ergebnis zu invalidieren. Dies hat gegebenenfalls dem EuGH oder dem innerstaatlichen Verfassungsgesetzgeber vorbehalten zu bleiben!

 

 

5.2. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch – StGB sinngemäß anzuwenden.

 

 

6. Zur Strafzumessung:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der § 134 Abs.1 KFG sieht für Übertretungen dieser Rechtsvorschrift eine Höchststrafe von 5.000 Euro vor. Beim Unrechtsgehalt dieser Verwaltungsübertretung kommt es jedoch nicht auf das Grunddelikt an (VwGH 29.1.2003, 2000/03/0358 mit Hinweis auf VwGH  22. März 1989,  89/02/0005).

Ein Ermessensfehler vermag die Berufungsbehörde trotz der Kreditverbindlichkeiten in Höhe von 50.000 Euro und der bestehenden Sorgepflichten selbst bei einem bloß mit 2.000 Euro angenommenen nicht erblickt werden (vgl. hiezu auch die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 zitierten Entscheidungen 23b, 24 und 25 zu § 19 VStG). Mit höchster Wahrscheinlichkeit kann bei einem selbständigen Rechtsanwalt von einem deutlich höheren Einkommen ausgegangen werden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

VwSen-166661/4/Br/Th vom 14. Februar 2012

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

KFG 1967 §103 Abs2

 

Aufgrund des Verfassungsrangs des letzten Satzes in § 103 Abs 2 KFG widerspricht diese Bestimmung nicht dem "nemo-tenetur-Grundsatz" (vgl insb VfGH 29.9.1988, G72/88). Sie steht weder im Widerspruch zum Unionsrecht noch zu der in Art 6 Abs 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung (vgl VwGH 26.5.2000, 2000/02/0115).

Dies gilt auch mit Blick auf die bisher überschaubare höchstgerichtliche Judikatur – abgesehen von vereinzelten h. Emtscheidungen (UVS OÖ 29.6.2011, VwSen-130795/2/Gf und UVS 4.6.2010, VwSen-130765) – sowie insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Selbstbelastung oder die eines Angehörigen vom Betroffenen zu keinem Zeitpunkt behauptet wird.

Es gilt als rechtspolitisches Anliegen des Gesetzgebers, mit dem Institut des § 103 Abs 2 KFG Verkehrsverstöße relativ leicht ahnden zu können; dies wird vom Gesetzgeber offenbar über den "nemo-tenetur-Grundsatz" gestellt (vgl VwGH 29.9.1993, 93/02/0191).

 

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 11.06.2012, Zl.: B 383/12-3

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