Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730534/5/BP/Jo

Linz, 22.02.2012

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, StA von Nigeria, vertreten durch X, Rechtsanwältin in X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 3. Oktober 2011, AZ.: 1047958/FRB, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines Einreiseverbots in der Dauer von 18 Monaten  gegen die Berufungswerberin nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

         I.       Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene                             Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

         II.     Eine Rückkehrentscheidung ist auf Dauer unzulässig.

 

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 68 Abs. 4 AVG

 

 

 

 

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 3. Oktober 2011, AZ.: 1047958/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 52 Abs. 1 iVm. 53 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, eine Rückkehrentscheidung und ein auf 18 Monate befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum ausgesprochen sowie gemäß § 55  FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein Staatsangehöriger von Nigeria, am 24. Oktober 2003 illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei und noch am gleichen Tag beim BAA Außenstelle Linz einen Asylantrag gestellt habe. Das Asylverfahren sei schließlich mit Erkenntnis des AGH vom 29. Juni 2011 gemäß §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig negativ finalisiert worden.

 

Mit Schreiben vom 14. Juli 2011 sei die Bw über die beabsichtigte Erlassung der Rückkehrentscheidung informiert, er zur Stellungnahme eingeladen und aufgefordert worden, seine Familienverhältnisse darzulegen.

 

In einer Stellungnahme vom 27. Juli 2011 habe der Bw durch seinen damaligen rechtsfreundlichen Vertreter ausgeführt, dass er gegen das Erkenntnis des AGH vom 21. Juni 2011 Beschwerde an den VfGH erhoben und darin die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt habe. Er ersuche, die Entscheidung des VfGH zumindest über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abzuwarten. Sobald der Beschluss des VfGH über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorliege, würde der Bw bereit sein, ausführlich zu sämtlichen Fragen Antwort zu geben. Einstweilen ersuche er um Kenntnisnahme von der als Beilage angeschlossenen VfGH-Beschwerde.

 

Insbesondere weise der Bw darauf hin, dass er mit der niederländischen Staatsangehörigen X vor dem Standesamt Amstetten am X die Ehe geschlossen habe.

 

Die belangte Behörde führt weiter aus, dass bis zum Entscheidungszeitpunkt keine weitere Stellungnahme der Bw eingelangt sei.

 

Der Bw sei strafgerichtlich unbescholten. Allerdings schienen folgende Verwaltungsübertretungen ihn betreffend auf:

 

1. S0037399/LZ/07, wegen § 24 Abs. 1 lit. a StVO, Geldstrafe von 58 Euro und wegen § 102 Abs. 10 KFG, Geldstrafe von 25 Euro, rechtskräftig seit 25. Oktober 2007;

2. S002585/LZ/08, wegen § 24 Abs. 3 lit. a StVO, Geldstrafe von 36 Euro, rechtskräftig seit 7. März 2008;

 

3. S0047867/LZ/10, wegen § 52 lit. a Z. 11a StVO, Geldstrafe von 36 Euro, rechtskräftig seit 29. November 2010;

 

4. S0056275/LZ/10, wegen § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG iVm. § 14 Abs. 1 KFG, Geldstrafe von 72 Euro und wegen § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG iVm,. § 4 Abs. 2 KFG, Geldstrafe von 58 Euro, rechtskräftig seit 15. Dezember 2010;

 

5. S0003110/LZ/11, wegen § 20 Abs. 2 StVO, Geldstrafe von 36 Euro, rechtskräftig seit 21. Februar 2011;

 

6. S0009101/LZ/11, wegen § 102 Abs. 3 5. Satz KFG, Geldstrafe von 60 Euro, rechtskräftig seit 28. März 2011.

 

Einem aktuellen Versicherungsdatenauszug sei folgendes zu entnehmen:

 

01.10.2008 bis 31.05.2009  gewerblich selbständig Erwerbstätiger

01.10.2009 bis 31.08.2011  gewerblich selbständig Erwerbstätiger

01.02.2011 bis 31.08.2011  nicht bezahlte Beiträge, BSVG, GSVG, FSVG

 

Die Gattin des Bw lebe in den Niederlanden und habe in Österreich noch nie einen Wohnsitz begründet, weshalb hier auch kein gemeinsames Familienleben anzunehmen sei.

 

Der Bw sei erst im Alter von 21 Jahren nach Österreich eingereist, habe somit den Großteil seines Lebens im Heimatland verbracht, dort auch von 1988 bis 2000 die Schulausbildung genossen. Seine Eltern und Geschwister würden noch in Nigeria leben.

 

1.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde aus, dass sich der Bw seit 29. Juni 2011 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.

 

Die Rückkehrentscheidung stelle aufgrund des 7-jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet einen nicht unerheblichen Eingriff in sein Privatleben dar, der allerdings dadurch relativiert werde, als der Aufenthalt des Bw aufgrund eines offensichtlich unbegründeten Asylantrag beruht habe. Schon am 13. Februar 2004 sei die erstinstanzlich negative Entscheidung erfolgt. Spätestens bei Erhebung der Berufung gegen diesen Bescheid hätte dem Bw der unsichere Status seines Aufenthalts bewusst sein müssen. Auch der Umstand, dass der Bw wahrscheinlich über ausreichende Sprachkenntnisse verfüge, könne die Beurteilung der persönlichen Situation nicht maßgeblich beeinflussen.

 

Die von dem Bw begangenen Verwaltungsübertretungen ließen den Schluss (wenn auch in geringem Maß) zu, dass er keine positive Einstellung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung aufweise. 

 

Aufgrund der oa. Daten könne nicht von einer gelungenen beruflichen Integration oder Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden.

 

Nachdem die Gattin des Bw in den Niederlanden lebe, in Österreich keinen Wohnsitz begründet habe, könne nicht von einem gemeinsamen Familienleben gesprochen werden. Eine Reintegration in der Heimat scheine durchaus möglich.

 

Zusammenfassend sei festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung im vorliegenden Fall nicht nur zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, sondern auch im Lichte des § 61 Abs. 2 und 3 FPG zulässig sei. 

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seine nunmehrige rechtsfreundliche Vertreterin rechtzeitig Berufung mit Schreiben vom 19. Oktober 2011.

 

Darin beantragt der Bw

a) die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

b) die ersatzlose Aufhebung des in Rede stehenden Bescheides,

c) die Herabsetzung der Gültigkeitsdauer des in Rede stehenden Einreiseverbotes, in eventu

d) die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung.

 

Der Bw stellt fest, dass – gestützt auf die jüngste Judikatur des Verfassungsgerichtshof – ihm die überlange Verfahrensdauer betreffend das Asylverfahren nicht zum Nachteil gereichen könne und von einem Organisationsverschulden der Republik Österreich zu sprechen sei.

 

Aus den verwaltungsrechtlichen Vorstrafen könne keine gewisse Gleichgültigkeit österreichischen Rechtsnormen gegenüber abgeleitet werden. Trotz der diffizilen arbeitsrechtlichen Situation habe sich der Bw als selbständig Erwerbstätiger ein berufliches Standbein aufbauen können und sei selbsterhaltungsfähig. Entgegen der Darstellungen der belangten Behörde sei der Bw sozial versichert und habe eine Ratenzahlung über die noch ausstehenden Beiträge vereinbart. Zudem verfüge der Bw über sehr gute Deutschkenntnisse, was durch die Prüfung auf Niveau A2 mit 59 von 64 Punkten dokumentiert sei.

 

Darüber hinaus sei der Bw aktives Mitglied der X und dort seit 5 Jahren integriert. Wie beiliegend bestätigt werde, komme dem Bw dort eine wichtige spirituelle Rolle als Gebetsführerin zu. Sie sei somit bestens integriert.

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 27. Oktober 2011 dem UVS des Landes Oberösterreich vor.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG).

 

Im Übrigen ist festzuhalten, dass den sachverhaltsbezogenen Vorbringen des Bw in vollem Umfang Glaubwürdigkeit zugemessen wird, weshalb  nach ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte der UVS des Landes Oberösterreich auch entgegen dem Parteienvorbringen von der Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung absehen konnte. 

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 112/2011, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst auch von dem Bw selbst unbestritten, dass er aktuell über keinerlei Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt und somit grundsätzlich unrechtmäßig aufhältig ist.

 

Es ist jedoch bei der Beurteilung der Rückkehrentscheidung bzw. des Einreiseverbotes auch auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen. 

 

3.2.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.2.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1.      die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der        bisherige          Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2.      das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.      die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.      der Grad der Integration;

5.      die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6.      die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.      Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des      Asyl-          Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.      die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem   Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren   Aufenthaltstatus bewusst waren;

9.      die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden       zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.3.1. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und eine Rückkehrentscheidung grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.3.2. Die niederländische Ehegatten des Bw lebt mit ihm nicht im selben Haushalt und war nie in Österreich polizeilich gemeldet. Da ansonsten keinerlei Bezugspunkte familiärer Natur in Österreich releviert oder bekannt geworden sind, ist davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall lediglich das Privatleben des Bw durch die beabsichtigte Rückkehrentscheidung betroffen ist.

 

3.3.3. Zur Aufenthaltsdauer des Bw im Bundesgebiet ist zunächst festzuhalten, dass diese knapp 9 Jahre beträgt und der Aufenthalt weitgehend als legal, wenn auch durch das Asylverfahren in einem relativ unsicheren Status anzusehen sein wird.

 

Betreffend die berufliche Integration ist festzuhalten, dass der Bw zwar von Oktober 2008 bis Ende August 2011 (mit Ausnahme von 5 Monaten)  als selbständig erwerbstätig sozial versichert war, wenn er auch die letzten Monate davon keine entsprechenden Beiträge einbezahlte. Eine gewisse berufliche Integration wird dem Bw dennoch nicht gänzlich abzusprechen sein, wenn auch nicht von voller Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden kann.

 

Die soziale Integration ist im Fall des Bw wohl gegeben, da er zum Einen über gute Deutschkenntnisse verfügt und zum Anderen auf entsprechende Sozialkontakte insbesondere auf sein seit 5 Jahren bestehendes Engagement in der X als Gebetsführer verweisen kann.

 

Hinsichtlich der Reintegration in seinem Heimatstaat ist festzuhalten, dass sich dort noch Familienmitglieder aufhalten, der Bw seine Schulausbildung dort absolvierte und kulturell sozialisiert ist. Eine Reintegration erschiene per se also nicht als unzulässig.

 

Der Bw ist strafgerichtlich unbescholten, weist allerdings einige verkehrsrechtliche Verwaltungsvorstrafen auf, die aber in der Beurteilung nicht hervorragend zu qualifizieren sind.

 

3.3.4. Im Hinblick auf den knapp 9 Jahre währenden Aufenthalt in Österreich und im besonderen auf das von 2003 bis 2011 anhängige Asylverfahren, ist auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg 19.203/2010) zu verweisen.

 

"Obwohl die belangte Behörde nämlich zutreffend von einer im hohen Maße stattgefundenen Integration der Familie ausgeht (u.a. auf Grund der langen Aufenthaltsdauer der Familie in Österreich, des mehrjährigen Schulbesuchs der minderjährigen Kinder, der guten Deutschkenntnisse der gesamten Familie), weshalb durch die Ausweisungen auch "in erheblicher Weise" in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer eingegriffen werde, sieht sie den Effekt der Integration jedoch weitgehend dadurch gemindert, als der Aufenthalt der Beschwerdeführer "während des Asylverfahrens nur aufgrund eines Antrages, welcher sich letztlich als unberechtigt erwiesen hat, temporär berechtigt war". Die belangte Behörde berücksichtigt nicht, dass - anders als in Fällen, in denen die Integration auf einem nur durch Folgeanträge begründeten unsicheren Aufenthaltsstatus basierte (vgl. zB VfGH 12.6.2010, U614/10) - im gegenständlichen Fall die Integration der Beschwerdeführer während ihrer einzigen Asylverfahren, welche für die Bf. 1, 2, 3 und 4 sieben Jahre (in denen keine einzige rechtskräftige Entscheidung ergangen ist) dauerten, erfolgte. Dass dies auf eine schuldhafte Verzögerung durch die Beschwerdeführer zurückzuführen wäre, wurde von der belangten Behörde weder dargestellt, noch ist es aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten ersichtlich.

 

Wenn nun die belangte Behörde das Gewicht der Integration auf Grund des festgestellten stetigen unsicheren Aufenthaltes der Beschwerdeführer während der Dauer ihrer Asylverfahren derart gemindert erachtet, dass sie eine Verletzung des Art8 EMRK durch die Ausweisungen ausschließt, übersieht sie, dass es die Verantwortung des Staates ist, die Voraussetzung zu schaffen, um Verfahren so effizient führen zu können, dass nicht bis zur ersten rechtskräftigen Entscheidung - ohne Vorliegen außergewöhnlich komplexer Rechtsfragen und ohne, dass den nunmehrigen Beschwerdeführern die lange Dauer des Asylverfahrens anzulasten wäre - sieben Jahre verstreichen. […]

 

Die belangte Behörde kommt daher in ihrer Entscheidung zum verfassungsrechtlich nicht vertretbaren Schluss, dass bei Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführer, das öffentliche Interesse an der Einhaltung der fremdenpolizeilichen Vorschriften gegenüber den persönlichen Interessen der Beschwerdeführer überwiegt."

 

Der vorliegende Sachverhalt ist in den essentiellen Punkten mit dem dem Verfassungsgerichtshofsurteil zugrundeliegenden Sachverhalt wohl vergleichbar, da auch hier ein allein in zweiter Instanz 7 Jahre dauerndes Asylverfahren festzustellen ist, wobei auch hier aus der Aktenlage keine dem Bw vorzuwerfenden Verzögerungen oder besonders komplexe Rechtsfragen entnommen werden können. In diesem Sinne ist also der unsichere Status des entstandenen Privatlebens des Bw nicht mehr vorzuhalten.

 

3.3.5. Es ist also abschließend festzuhalten, dass eine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK bzw. des § 61 FPG zugunsten des Bw ausfällt, weshalb der angefochtene Bescheid – ohne auf die weiteren Aspekte einzugehen – aufzuheben war.

 

3.4.1. Es war also der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und darüber hinaus festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung im Lichte des § 61 Abs. 3 FPG auf Dauer unzulässig ist.

 

3.4.2. Nachdem der Bw über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt, konnte gemäß § 59 Abs. 1 FPG die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung unterbleiben.  

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

Bernhard Pree

 

 

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