Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-166375/11/Sch/Eg

Linz, 01.03.2012

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn H. H., vertreten durch die Rechtsanwälte x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 8. September 2011, Zl. VerkR96-2853-2011, wegen einer Übertretung der StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 29. Februar 2012 zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.               Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z2 VStG.

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 8. September 2011, VerkR96-2853-2011, wurde über Herrn H. H., geb. 12.12.1960, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs. 1 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von 150 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 85 Stunden, gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO, verhängt, weil er am 18.2.2011, um 12.17 Uhr, in Vorchdorf, A 1 Westautobahn, Fahrtrichtung Salzburg, Strkm 210.400, mit dem PKW Maserati, Kennzeichen x, zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten habe, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde. Es wurde mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,45 Sekunden festgestellt.

 

Überdies wurde der Berufungswerber gemäß § 64 VStG zu einem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von 15 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

3. Anlässlich der eingangs angeführten Berufungsverhandlung wurde in die Videoaufzeichnung über den gegenständlichen Vorgang Einsicht genommen. Der zur Verhandlung beigezogene verkehrstechnische Amtssachverständige hat aus fachlicher Sicht Folgendes ausgeführt:

 

"Der Berufungswerber wurde mit einer Fahrgeschwindigkeit von 129 km/h gemessen. Aufgrund der Messtechnik und der Messungenauigkeiten kann eine Geschwindigkeitsdifferenz zwischen dem Fahrzeug des Berufungswerbers und dem vorausfahrenden Fahrzeug von maximal 6,45 km/h nicht ausgeschlossen werden. Woraus sich diese Geschwindigkeitsverringerung ergibt, also ob das nachfahrende oder das vorausfahrende Fahrzeug langsamer geworden ist, kann nicht gesagt werden. Ordnet man dem Berufungswerber diese messtechnische Toleranz zu, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Berufungswerber, geht man von seinen Angaben aus, dass er bremsbereit gefahren ist, eine Geschwindigkeit von 122 km/h eingehalten hat.  Geht man davon aus, dass der vorausfahrende Pkw eine Notbremsung bis zum Stillstand durchführt und legt man diesem Fahrzeug eine Bremsverzögerung von 8 m/s² zugrunde, so ergibt sich ein Bremsweg von etwas mehr als 80 m. Berechnet man den Bremsweg des Berufungswerbers unter der Voraussetzung der bremsbereiten Fahrweise und unter Berücksichtigung einer Bremsverzögerung von 11 m/s² (es handelt sich um einen Maserati), so ergibt sich für den Maserati ein Bremsweg bis zum Stillstand von etwas mehr als 52 m. Der Bremsweg des vorausfahrenden Fahrzeuges ist also länger als der Bremsweg des Berufungswerbers. Zusätzlich kommt noch der gemessene Tiefenabstand zwischen den beiden Fahrzeugen von 16 m dazu. Daraus ergibt sich also, dass auch bei einer Notbremsung noch ein Anhalten des Berufungswerbers möglich war. Bei einem Sportfahrzeug wie einen Maserati ist ein Bremsverzögerungswert von 11 m/s² durchaus realistisch, er kann sogar als Untergrenze angesehen werden. Was das vorausfahrende Fahrzeug betrifft, wurde von 8 m/s² ausgegangen. Es handelt sich hiebei um einen gängigen Mittelwert.

 

Geht man davon aus, dass die Geschwindigkeitsdifferenz dem vorausfahrenden Pkw zuzurechnen ist, so ergibt sich für den vorausfahrenden Pkw bei sonst gleichen Annahmen ein Bremsweg von 72 m anstelle von 80 m, ansonsten ändert sich nichts.

 

Die obigen Ausführungen gehen vom bremsbereiten Fahren des Berufungswerbers aus. Geht man von nicht bremsbereitem Fahren aus, ist Folgendes zu bemerken:

 

Billigt man dem Berufungswerber eine Reaktionszeit von 0,8 Sekunden zu, so ergibt sich für ihn ein Anhalteweg von rund 80 m (rechnerisch 79,83 m). Der Vordermann braucht rechnerisch 80,23 m, also auch etwa 80 m, dem Berufungswerber sind noch die 16 m Tiefenabstand zuzugestehen, die bestanden haben, sodass auch bei dieser Variante kein Auffahrunfall möglich ist."

 

Angesichts dieser Gutachtenslage, die schlüssig nachvollziehbar ist, war der wider den Berufungswerber erhobene Tatvorwurf nicht aufrecht zu erhalten.

 

Die gegenständliche Entscheidung fußt im Wesentlichen auf dem hohen Bremsverzögerungswert von Fahrzeugen jener Kategorie, in die das des Berufungswerbers fällt. Bei einem niedrigeren entsprechenden Wert wäre wohl ein anderer Verfahrensausgang zu erwarten. Die erwähnte Videoaufzeichnung erweckt nämlich den Eindruck, dass sich der Berufungswerber als "Drängler" betätigt hat, zumal auf der Aufzeichnung von einem vom Berufungswerber behaupteten knappen Fahrstreifenwechsel des Vordermannes nichts zu sehen ist.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

S c h ö n

 

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